Urteilskopf
150 III 408
41. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Betreibungsamt Abtwil (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_253/2024 vom 2. August 2024
Regeste
Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG; Pfändung von Sparguthaben aus Sozialversicherungsleistungen.
Zur Frage, ob der Pfändung auch Sparguthaben unterliegen, die aus unpfändbaren AHV- oder IV-Renten, Ergänzungsleistungen oder Leistungen der Familienausgleichskassen (Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG) geäufnet werden (E. 2.3 und 2.4).
A. Im Herbst 2023 vollzog das Betreibungsamt Abtwil gegen A. die Pfändung in zwei verschiedenen Pfändungsgruppen. Gepfändet wurde das Guthaben auf A.s Bankkonto bei der Bank B. im Betrag von Fr. 10'351.50. Am 21. November 2023 stellte das Betreibungsamt die Pfändungsurkunde aus.
B.a Mit Eingabe vom 17. November 2023 erhob A. beim Präsidium des Zivilgerichts des Bezirksgerichts Muri Beschwerde. Im Wesentlichen beantragte er die Rückerstattung des vom Betreibungsamt "zu Unrecht bezogenen" Betrags von Fr. 10'376.50. Am 5. Februar 2024 entschied die Präsidentin des Bezirksgerichts als untere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, die Beschwerde abzuweisen.
B.b Dagegen legte A. bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau als oberer betreibungsrechtlicher Aufsichtsbehörde Beschwerde ein. Er stellte das Begehren, die Pfändung des Bankguthabens von Fr. 10'351.60 aufzuheben und ihm den Betrag zurückzuerstatten. Mit Entscheid vom 8. April 2024 wies das Obergericht die Beschwerde ab.
C. A. (Beschwerdeführer) wendet sich an das Bundesgericht und beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Betreibungsamt zu verpflichten, ihm "die zu Unrecht beschlagnahmten" Fr. 10'376.50 unverzüglich zurückzuerstatten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
2. Der Streit dreht sich um die Frage, ob das fragliche Bankguthaben (vgl. Sachverhalt Bst. A) pfändbar ist.
(...)
2.3 Gemäss
Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG sind die Renten gemäss
Art. 20 AHVG oder gemäss
Art. 50 IVG, die Leistungen gemäss
Art. 12 ELG (SR 831.30) sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen unpfändbar. Die von der zitierten Norm erfassten Leistungen sind dem Zugriff der Gläubiger entzogen, selbst wenn sie einmal das Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie übersteigen sollten (
BGE 143 III 385 E. 4.2;
BGE 135 III 20 E. 5). Die Pfändung dieser Leistungen ist nichtig (
BGE 130 III 400 E. 3.2). Von den unpfändbaren AHV- und IV-Renten, den
BGE 150 III 408 S. 410
Ergänzungsleistungen und den Leistungen der Familienausgleichskassen zu unterscheiden sind die Sparguthaben, die aus diesen Sozialversicherungsleistungen geäufnet werden. Solche Sparguthaben sind nach herrschender Meinung pfändbar, und zwar auch dann, wenn sie sich auf dem Durchgangskonto befinden, auf das die unpfändbaren Leistungen fliessen, für die Bestreitung des Lebensunterhalts jedoch nicht angetastet werden (GEORGES VONDER MÜHLL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl. 2021, N. 38 zu
Art. 92 SchKG; THOMAS WINKLER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], 4. Aufl. 2017, N. 63 zu
Art. 92 SchKG; JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ, in: SchKG, Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 70 zu
Art. 92 SchKG; Urteil des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 12. Oktober 1999, Amtsbericht Basel-Landschaft 1999, in: SJZ 96/2000 S. 540). Die Pfändbarkeit derartiger Ersparnisse wird damit begründet, dass die in
Art. 92 SchKG enthaltene Aufzählung der unpfändbaren Gegenstände und Ansprüche abschliessend und der Kompetenzanspruch vorbehältlich einer gegenteiligen Regelung nicht auf Geldsurrogate oder auf andere Ersatzobjekte übertragbar ist; in diesem Sinne sei das Sparguthaben, das aus zum laufenden Verbrauch bestimmten unpfändbaren Sozialversicherungsleistungen geäufnet wurde, ein pfändbares Surrogat (VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 59 zu
Art. 92 SchKG).
2.4 Der Beschwerdeführer begnügt sich damit, seine im kantonalen Verfahren erhobenen Beanstandungen zu wiederholen und dem angefochtenen Entscheid die eigene Sicht der Sach- und Rechtslage gegenüberzustellen. Damit verkennt er, dass die rechtsuchende Partei in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen hat, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (
BGE 143 II 283 E. 1.2.2;
BGE 142 I 99 E. 1.7.1). Was den Sachverhalt angeht, ist das Bundesgericht an die vorinstanzlichen Feststellungen grundsätzlich gebunden (
Art. 105 Abs. 1 BGG); diesbezüglich kann nur vorgebracht werden, dass diese Feststellungen offensichtlich unrichtig (
Art. 97 Abs. 1 BGG), das heisst willkürlich (s.
BGE 140 III 264 E. 2.3) seien oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinn von
Art. 95 BGG (z.B. auf einer Verletzung von
Art. 29 Abs. 2 BV oder
Art. 8 ZGB) beruhen würden (Urteil 5A_374/2010 vom 9. Juli 2010 E. 1).
BGE 150 III 408 S. 411
Entgegen dem, was der Beschwerdeführer glauben machen will, schliesst allein die Tatsache, dass sein Konto bei der Bank B. ausschliesslich mit Rentenleistungen der AHV und mit Ergänzungsleistungen gespeist wird, nicht von vornherein aus, ein darauf befindliches Guthaben der Pfändung zu unterwerfen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen sind im angefochtenen Entscheid zutreffend dargestellt. Hierfür kommt es weder auf die Ausdrucksweise an, derer sich der Beschwerdeführer bedient, noch auf das Existenzminimum, welches das Betreibungsamt für den Beschwerdeführer ermittelt hat. Auch dass der Beschwerdeführer für den Bezug der Sozialversicherungsleistungen auf ein Bankkonto angewiesen ist, tut nichts zur Sache. Ausschlaggebend ist allein die vorinstanzlich festgestellte Tatsache, dass der Saldo des betreffenden Bankkontos über eine Zeitspanne von rund sechs Monaten grundsätzlich nur leichten Schwankungen unterlag und sich grösstenteils zwischen Fr. 14'000.- und Fr. 18'000.- bewegte. Diese Sachverhaltsfeststellung stellt der Beschwerdeführer im hiesigen Verfahren nicht in Abrede, noch bestreitet er die vorinstanzliche Erkenntnis, wonach er trotz verschiedener grösserer Ausgaben nicht auf das inzwischen gepfändete Sparguthaben in der Höhe von Fr. 10'351.- habe zurückgreifen müssen. Vielmehr räumt er vor Bundesgericht selbst ein, das fragliche Bankguthaben angespart zu haben. Er täuscht sich jedoch, wenn er meint, diese Mittel im Zwangsvollstreckungsverfahren gewissermassen als Vermögensfreibetrag oder "Notgroschen" für den Lebensunterhalt zusätzlich in Rechnung stellen zu können.
Auch soweit der Beschwerdeführer abermals bestreitet, dass am 13. November 2023 überhaupt eine ordentliche Pfändung stattgefunden habe, kann seiner Beschwerde kein Erfolg beschieden sein. Dem angefochtenen Entscheid zufolge erklärte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bezirksgericht, das Aufgebot zum Pfändungsvollzug vom 13. November 2023 erhalten, am Vollzug teilgenommen und das Pfändungsprotokoll unterzeichnet zu haben. Weshalb diese vorinstanzliche Feststellung über den Prozesssachverhalt (s. dazu
BGE 140 III 16 E. 1.3.1) im Sinne von
Art. 97 Abs. 1 BGG offensichtlich unrichtig sein soll, mag der Beschwerdeführer nicht erklären. Ebenso wenig tut er dar, weshalb sich das Obergericht angesichts dieser Feststellung nicht mit der Erklärung begnügen durfte, dass er sich in Widersprüche verstricke. Dass die umstrittene Pfändung nicht im aktenkundigen Auszug aus dem Betreibungsregister vom 19. Januar 2024 vermerkt ist, liegt im Übrigen
BGE 150 III 408 S. 412
in der Natur dieser Urkunde, die gemäss den darauf abgedruckten Informationen (lediglich) über die Betreibungen und die noch nicht getilgten Verlustscheine aus Pfändungen Auskunft gibt.