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Urteilskopf

150 V 363


34. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich (Revisionsgesuch)
9F_18/2023 vom 19. Juni 2024

Regeste

Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG; Revisionsgrund (Gutachten der Gutachterstelle PMEDA Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen, Zürich).
Der von der Eidgenössischen Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB) verfasste "Überprüfungsbericht über die Gutachten der PMEDA AG der Jahre 2022/2023" vom 7. November 2023, dessen Ergebnisse Basis bildeten für die Empfehlung der EKQMB und gestützt darauf die Medienmitteilung des Bundesamts für Sozialversicherungen vom 4. Oktober 2023, wonach die mit der Durchführung der Invalidenversicherung betrauten Behörden inskünftig keine medizinischen Gutachten mehr an die betreffende Gutachterstelle vergäben, stellt jedenfalls für vor dem 1. Januar 2022 erstellte Gutachten keinen Revisionsgrund im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG dar (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 364

BGE 150 V 363 S. 364

A.

A.a Dem 1962 geborenen A. war mit Verfügungen der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 27. Juni 2000 rückwirkend ab 1. November 1992 zunächst eine halbe und ab 1. Juli 1994 eine ganze Invalidenrente zugesprochen worden. In der Folge durchgeführte Revisionsverfahren ergaben unveränderte Rentenverhältnisse.

A.b 2016 erhob die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich gegen A. eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts des Versicherungsbetrugs. Die IV-Stelle nahm daraufhin Einsicht in die Strafakten, liess weitere ärztliche Abklärungen vornehmen und teilte dem Versicherten gestützt darauf am 22. Dezember 2017 vorbescheidweise mit, dass die bisherige Invalidenrente vorsorglich per sofort sistiert werde. Mit Verfügung vom 21. Februar 2018 stellte sie die Rentenleistungen vorsorglich auf Ende Dezember 2017 ein. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab.
Nachdem die IV-Stelle ein polydisziplinäres Gutachten durch die PMEDA Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen, Zürich-Wollishofen (nachfolgend: PMEDA), hatte erstellen lassen, zog sie ihre Mitteilung vom 27. April 2016, mit welcher sie letztmals den Anspruch von A. auf eine Invalidenrente bestätigt hatte, in prozessuale Revision und hob die bisherige Rente rückwirkend per 1. Oktober 2005 auf (Verfügung vom 20. Mai 2019). Am 5. Juli 2019 verfügte
BGE 150 V 363 S. 365
die IV-Stelle die Rückforderung von A. im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2017 ausgerichteten Leistungen der Invalidenversicherung im Umfang von Fr. 249'589.-.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte in der Folge die gegen beide Verfügungen angehobenen Beschwerdeverfahren. Mit Urteil vom 24. Juni 2021 wies es die gegen die Verfügung vom 20. Mai 2019 eingelegte Rechtsvorkehr ab (Ziffer 1); die Verfügung vom 5. Juli 2019 änderte es in teilweiser Gutheissung der dagegen gerichteten Beschwerde dahingehend ab, dass es die Rückerstattungsforderung von Fr. 249'589.- auf Fr. 180'282.- reduzierte (Ziffer 2).
Das im Nachgang betreffend das Urteil vom 24. Juni 2021 gestellte Revisionsgesuch wies das Sozialversicherungsgericht ab.

B. A. liess Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung von Ziffer 1 des Urteils vom 24. Juni 2021 sei die Vorinstanz anzuweisen, die Invalidenrente weiterhin auf der Basis einer 100 %igen Invalidität auszurichten; ferner sei die Nichtigkeit von Ziffer 2 des Urteils festzustellen, diese aber jedenfalls aufzuheben und auf eine Rückzahlungsverpflichtung zu verzichten.
Mit gegen das sozialversicherungsgerichtliche Revisionsurteil vom 19. Juli 2021 eingelegter Beschwerde ersuchte A. um dessen Aufhebung und Anweisung an die Vorinstanz, auf das Revisionsgesuch einzutreten.
Das Bundesgericht vereinigte beide Verfahren und wies die Beschwerden ab (Urteil 9C_444/2021 / 9C_496/2021 vom 13. Januar 2022).

C. Mit Eingabe vom 18. Oktober 2023 (Poststempel) lässt A. das Rechtsbegehren stellen, in Gutheissung des Revisionsgesuchs sei das Urteil 9C_444/2021 / 9C_496/2021 vom 13. Januar 2022 aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihm weiterhin, auch nach dem 1. Oktober 2005, eine ganze Invalidenrente auszurichten; eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen und die IV-Stelle zu verpflichten, die Angelegenheit erneut an die Hand zu nehmen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung) zu gewähren.
Das Bundesgericht weist das Revisionsgesuch ab.
BGE 150 V 363 S. 366

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Im Urteil 9C_444/2021 / 9C_496/2021 vom 13. Januar 2022, dessen Revision verlangt wird, hat das Bundesgericht Folgendes erwogen:
(E. 3.2.1) Das kantonale Gericht sei auf der Basis der medizinischen Aktenlage sowie der polizeilichen Observationsergebnisse samt Abschlussbericht zum Ergebnis gelangt, der Beschwerdeführer (heutiger Gesuchsteller) habe spätestens ab Oktober 2005 eine Tätigkeit ausgeübt, auf Grund welcher sich zumindest die Annahme eines verbesserten Gesundheitszustands hin zu der durch die Gutachter der PMEDA anlässlich ihrer Expertise vom 30. Oktober 2018 samt Ergänzung vom 19. Dezember 2018 attestierten vollständigen Arbeitsfähigkeit rechtfertige. Das Vorliegen eines (prozessualen) Revisionsgrunds im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG betreffend die Mitteilung der IV-Stelle vom 27. April 2016, mit der die Weiterausrichtung der bisherigen ganzen Rente bestätigt worden sei, könne deshalb bejaht werden. Mit der Feststellung, der neu zu ermittelnde Invaliditätsgrad betrage höchstens 39 %, weshalb mangels rentenbegründender Invalidität seit 1. Oktober 2005 kein Anspruch auf eine Invalidenrente ausgewiesen sei, habe die IV-Stelle daher - so die Vorinstanz im Weiteren - auf die entsprechende Mitteilung zurückkommen können. Die Leistungen seien demnach unrechtmässig erwirkt worden, wobei der Beschwerdeführer namentlich die ihm gemäss Art. 77 IVV obliegende Meldepflicht verletzt habe. Die IV-Stelle habe die bisherige Rente in Nachachtung von Art. 85 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV daher zu Recht mit Verfügung vom 20. Mai 2019 rückwirkend auf Ende September 2005 aufgehoben und am 5. Juli 2019 basierend auf Art. 25 ATSG die Rückerstattung der Rentenbetreffnisse verfügt. Die vorfrageweise zu prüfende Frage, ob sich der Rückforderungsanspruch aus einer strafbaren Handlung herleite, sei jedenfalls für die Zeit ab Juli 2008 (offensichtlich falsche Angaben im Fragebogen anlässlich des Ende Mai 2008 von Amtes wegen eingeleiteten Rentenrevisionsverfahrens) im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB (arglistig begangener Sozialleistungsbetrug) zu bejahen und gemäss Art. 25 Abs. 2 Satz 2 ATSG daher die 15-jährige strafrechtliche Verwirkungsfrist massgeblich; daraus ergebe sich, wie das kantonale Gericht abschliessend vermerkt habe, die Rückerstattungspflicht für die in der Periode vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2017 erbrachten Leistungen im Betrag von Fr. 180'282.-.
BGE 150 V 363 S. 367
(E. 3.2.2) Was letztinstanzlich vorgebracht werde, vermöge daran nichts zu ändern und insbesondere keine Bundesrechtsverletzung aufzuzeigen. Die Gründe, welche die Vorinstanz zum Verzicht auf die vom Beschwerdeführer geforderte Sistierung des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens bis zum Abschluss des Strafprozesses und zur - im vorliegenden Kontext grundsätzlich zulässigen (BGE 138 V 74 E. 6.1 und 7 mit Hinweisen; Urteil 8C_580/2018 vom 9. Januar 2019 E. 4.3.3) - vorfrageweisen strafrechtlichen Würdigung des Sachverhalts bewogen hätten, seien einlässlich dargelegt worden. Die letztinstanzlich erhobenen Rügen (Verletzung der Untersuchungsmaxime, des Prinzips der Rechtssicherheit, von Art. 61 ATSG sowie von Art. 6 EMRK) führten zu keinem anderen Resultat (vgl. auch Urteile 9C_715/2019 vom 30. Januar 2020 und 9C_166/ 2020 vom 18. Mai 2020). So verkenne der Beschwerdeführer, dass der Beschluss des Bezirksgerichts, mit dem die Strafsache an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zurückgewiesen worden sei und der in der Beschwerde vertretene Standpunkt im Wesentlichen untermauert werde, dem Sozialversicherungsgericht im Zeitpunkt des Erlasses seines Urteils vom 24. Juni 2021 formell noch nicht vorgelegen habe. Gestützt darauf lasse sich somit weder der vorinstanzlich bestätigte Beweiswert des Gutachtens der PMEDA vom 30. Oktober 2018 samt Ergänzung vom 19. Dezember 2018 entkräften, noch ein anderer Schluss bezüglich des vom kantonalen Gericht bejahten (prozessualen) Revisionsgrunds herleiten. Schliesslich leuchte auch nicht ein, worauf ebenfalls bereits im angefochtenen Urteil hingewiesen worden sei, inwiefern durch die betreffende Würdigung die im Strafverfahren geltende Unschuldsvermutung sowie das Recht zu schweigen und sich selbst nicht zu belasten (sog. Selbstbelastungsfreiheit; Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 BV; Art. 6 EMRK; vgl. auch BGE 144 I 242 E. 1; Urteil 6B_515/2014 vom 26. August 2014 E. 3 am Ende) tangiert sein sollten (so bereits Urteile 9C_715/ 2019 vom 30. Januar 2020 E. 3.2.2 und 9C_166/2020 vom 18. Mai 2020 E. 3.2.2).

5.2 Der Gesuchsteller nimmt zur Begründung seines Revisionsbegehrens, wie hiervor dargelegt, Bezug auf die Mitteilung des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) vom 4. Oktober 2023. Darin sei dieses zum Schluss gekommen, dass die Gutachten der PMEDA generell nicht den an medizinische Entscheidgrundlagen in sozialversicherungsrechtlichen Verfahren zu stellenden Qualitätsanforderungen genügten. Sämtliche Fälle, die auf einer derartigen
BGE 150 V 363 S. 368
Expertise beruhten, sollten deshalb nochmals überprüft werden. Da die Aufhebung der ihm zugesprochenen Invalidenrente rückwirkend auf 1. Oktober 2005 und die Rückforderung von bereits ausgerichteten Rentenleistungen in erster Linie auf den Schlussfolgerungen des - vor dem Hintergrund der bundesamtlichen Mitteilung sowie der Empfehlung der EKQMB nunmehr als nicht beweiskräftig einzustufenden - Gutachtens der PMEDA vom 30. Oktober 2018 (samt Ergänzung vom 19. Dezember 2018) basierten, müsse das Urteil 9C_444/2021 / 9C_496/2021 vom 13. Januar 2022 revisionsweise aufgehoben werden. Es sei davon auszugehen, dass das Bundesgericht in Kenntnis der entsprechenden Informationen bereits im damaligen Zeitpunkt zum Ergebnis gelangt wäre, dass auf die PMEDA-Expertise infolge fehlender beweisrechtlicher Verwertbarkeit nicht abgestellt werden könne.

5.3

5.3.1 Mit Medienmitteilung vom 4. Oktober 2023 informierte das BSV darüber, dass die Invalidenversicherung gestützt auf die gleichentags veröffentlichte Empfehlung der EKQMB die Vergabe von bi- und polydisziplinären Expertisen an die Gutachterstelle PMEDA beende. Die PMEDA habe denn auch seit dem 1. Juli 2023 keine neuen Aufträge mehr angenommen und die Verträge betreffend die Gutachtertätigkeit gekündigt. Das Bundesamt wies zudem darauf hin, dass die IV-Stellen angewiesen worden seien, bereits vorliegende Gutachten der PMEDA einer erneuten Qualitätskontrolle zu unterziehen, wenn im konkreten Fall noch kein rechtskräftiger Leistungsentscheid vorliege; rechtskräftige Leistungsentscheide blieben bestehen (www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-98053.html [besucht - wie auch die nachfolgenden Internetrecherchen - am 5. April 2024]).

5.3.2 Die entsprechende Empfehlung hatte die EKQMB basierend auf Art. 7p Abs. 1 lit. a ATSV (SR 830.11) abgegeben, wonach sie Empfehlungen zu Anforderungs- und Qualitätskriterien für das Verfahren zur Erstellung von Gutachten erarbeitet. Die Verordnungsnorm bildet Teil des per 1. Januar 2022 neu in die ATSV aufgenommenen Abschnitts 2a ("Gutachten", Art. 7j ff. ATSV; AS 2021 706). Die Gründe, welche die - auf diesen Zeitpunkt neu eingesetzte (vgl. Näheres unter www.ekqmb.admin.ch/ekqmb/de/home/ekqmb/ekqmb. html) - Kommission zum betreffenden Schritt bewogen hatte, finden sich im "Überprüfungsbericht über die Gutachten der PMEDA AG der Jahre 2022/2023" der EKQMB und der Fachstelle der EKQMB
BGE 150 V 363 S. 369
vom 7. November 2023 (abrufbar unter www.ekqmb.admin.ch/ ekqmb/de/home/empfehlungen/pdma.html).
Darin wurde zusammenfassend festgehalten, dass im Rahmen der Qualitätsprüfung der Gutachten der PMEDA 32 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte poly- und bidisziplinäre Gutachten der PMEDA aus den Jahren 2022 und 2023 untersucht worden seien. Zwischen Juni und September 2023 habe die Kommission von Privatpersonen, Behinderten- und Patientenverbänden sowie Rechtsanwälten verschiedene Unterlagen unaufgefordert erhalten, darunter Gutachten der PMEDA, medizinische und juristische Stellungnahmen sowie Gerichtsurteile, die ebenfalls berücksichtigt worden seien. Ziel der Analyse sei es gewesen, die Einhaltung der ab 2022 geltenden grundsätzlichen Vorgaben für einen einheitlichen Aufbau der Gutachten sowie der anzuwendenden Leitlinien zu überprüfen. Darüber hinaus seien die grundlegenden medizinischen und fachlichen Standards berücksichtigt worden. Bei der Auswertung der Konsensgutachten habe sich gezeigt, dass viele Vorgaben des BSV nicht eingehalten worden seien und häufig wichtige Informationen zum Prozess der Konsensfindung gefehlt hätten. Darüber hinaus hätten viele Gutachten keine vollständige Zusammenfassung der wichtigsten medizinischen Unterlagen sowie der relevanten Eingliederungsberichte enthalten. Ferner seien häufig die Eingliederungsakten und andere berufliche Unterlagen nicht diskutiert worden. Bei der Anamnese sei es sodann gängige Praxis gewesen, die Selbstauskünfte der versicherten Personen in einem Fragebogen in deutscher Sprache zu erfassen. Die Verlässlichkeit dieser Selbstauskünfte müsse jedoch bei vielen Personen, die eigentlich einen Dolmetscher benötigt hätten, in Frage gestellt werden. Zudem habe die unzureichende schriftliche Dokumentation der Anamnese die Nachvollziehbarkeit für andere Fachkräfte erschwert, was ebenfalls Zweifel an der Qualität und Verlässlichkeit solcher Gutachten wecke. Auch im Bereich der psychiatrischen Befunderhebung seien Mängel festzustellen gewesen. Dieser Umstand und weitere beobachtete Mängel, wie beispielsweise die unzureichende Auseinandersetzung mit den Vorakten oder die fehlende Diskussion relevanter Befunde, würden das Vertrauen in die erstellten Gutachten untergraben. Einige Therapieempfehlungen seien unbegründet geblieben, hätten im Widerspruch zu den geltenden medizinischen Standards gestanden oder seien für die versicherten Personen sogar potenziell kontraproduktiv gewesen. Die Überprüfung zeige somit, dass die Gutachten erhebliche Mängel
BGE 150 V 363 S. 370
aufwiesen, sowohl in Bezug auf die Einhaltung der formalen Vorgaben des BSV als auch hinsichtlich der fachlich-inhaltlichen Qualität und Nachvollziehbarkeit.

5.4 Daraus erhellt, dass die Qualitätsanalyse der EKQMB, auf der ihre Empfehlung vom 4. Oktober 2023 resp. die gleichentags ergangene Medienmitteilung des BSV fusst, primär auf Stichproben von PMEDA-Gutachten aus den Jahren 2022 und 2023 beruht. Untersucht wurde dabei insbesondere, wie sich aus dem zitierten Überprüfungsbericht ergibt, die Kompatibilität der entsprechenden Expertisen mit den im damaligen Zeitpunkt gültigen rechtlichen Leitlinien und Standards in Bezug auf eine fachgerechte Gutachtenserstellung. Seit dem 1. Januar 2022 gelten hierfür neue, präzisierte Vorgaben (Anforderungs- und Qualitätskriterien), welche ihren Niederschlag namentlich in Art. 7j ff. ATSV, Art. 57 Abs. 1 lit. n IVG, Art. 41b IVV (SR 831.201) und Ziff. 3048 ff. samt Anhängen III, IV und V des Kreisschreibens des BSV über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI; Stand gültig ab 1. Januar 2022; vgl. auch Urteil 9C_389/2022 vom 3. Mai 2023 E. 5.2.2, in: SVR 2023 IV Nr. 49 S. 166) gefunden haben. Die Recherche der Kommission basierte auf Grundlagen, wie sie sich nach dem 1. Januar 2022 dargestellt haben. Die Medienmitteilung des BSV und die dieser zugrunde liegende Empfehlung der EKQMB vom 4. Oktober 2023 beschlagen somit weder in sachverhaltsmässiger Hinsicht noch mit Blick auf das rechtliche Instrumentarium Gegebenheiten, die das vorliegende Verfahren betreffen.
Eine Tatsache im Sinne der hiervor genannten dritten Voraussetzung von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG (vgl. nicht publ. E. 4.2), die bereits existierte, als das hier im Fokus stehende höchstrichterliche Urteil gefällt wurde, ist folglich bereits mangels zeitlicher Koinzidenz zu verneinen. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine abschliessende Diskussion darüber, ob die betreffenden Dokumente des BSV bzw. der EKQMB überhaupt als Tatsache nach Massgabe der fraglichen Revisionsbestimmung einzuordnen sind (siehe zum Begriff der Tatsache insbesondere auch THOMAS STADELMANN, Über Sachverhalt, Tatsachen, Tat- und Rechtsfragen und andere Begrifflichkeiten, in: Rechtsschutz in Theorie und Praxis, Festschrift für Stephan Breitenmoser, 2022, S. 91 ff.) resp. ob ihnen grundsätzlich der Charakter von unechten Noven gemäss dem dritten Erfordernis zukommt.

5.4.1 Nichts Anderes lässt sich überdies aus dem BGE 144 V 258 ableiten (vgl. nicht publ. E. 4.4). Das im damaligen Fall
BGE 150 V 363 S. 371
revisionshalber auf dem Prüfstand befindliche medizinische Gutachten war während eines Zeitraums verfasst worden, in dem der medizinische Verantwortliche der mit einem zeitweisen Entzug der Betriebsbewilligung sanktionierten "Abteilung Gutachten" der betreffenden Klinik widerrechtlich den Inhalt von Expertisen abgeändert und damit gravierend gegen die Berufspflichten verstossen hatte. Das Bundesgericht war gestützt darauf zum Schluss gelangt, das es nicht als Grundlage für die Beurteilung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Leistungen der Invalidenversicherung dienen könne (vgl. E. 2.3.2 des Urteils). Die fraglichen Tatsachen seien deshalb geeignet, den dem bundesgerichtlichen Urteil, dessen Revision nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG verlangt werde, zugrunde liegenden Sachverhalt in einem anderen Licht zu sehen. Denn wären sie dem Bundesgericht bereits damals bekannt gewesen, hätten sie dieses veranlasst, dem Gutachten - anders als die Vorinstanz - die Beweiswertigkeit abzusprechen, womit es nicht als Grundlage für die Verweigerung von Leistungen hätte dienen können und dem Streit ein anderer Ausgang beschieden worden wäre (E. 2.3.3 des Urteils).

5.4.2 Ebenso wenig vermag der Gesuchsteller ferner aus dem Einwand etwas zu seinen Gunsten abzuleiten, wonach das BSV in seiner Mitteilung vom 4. Oktober 2023 befunden habe, "dass sämtliche Fälle, die auf einem pmeda Gutachten beruhten, nochmals überprüft" würden. Wie hiervor aufgezeigt (E. 5.3.1), schloss das Bundesamt rechtskräftige, auf PMEDA-Gutachten beruhende Leistungsentscheide ausdrücklich von einer erneuten Qualitätsüberprüfung aus. Sollte der Gesuchsteller sich mit seinem Hinweis (implizit) auf den Vertrauensschutz berufen wollen, fehlte es bereits an der vorbehaltlosen behördlichen Zusicherung (zu den entsprechenden Voraussetzungen vgl. etwa BGE 143 V 95 E. 3.6.2 mit Hinweisen).

5.4.3 Schliesslich lässt auch das kürzlich gefällte Urteil 8C_122/2023 vom 26. Februar 2024 keine anderweitigen Rückschlüsse zu. Darin wurde namentlich erkannt (E. 3.3), bei der Würdigung von durch die PMEDA erstellten Gutachten sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Invalidenversicherung gestützt auf die am 4. Oktober 2023 veröffentlichte Empfehlung der EKQMB die Vergabe von bi- und polydisziplinären Expertisen an diese Gutachterstelle beendet habe. In der Übergangssituation, in der bereits eingeholte Gutachten der PMEDA zu beurteilen seien, rechtfertige es sich, an die Beweiswürdigung strengere Anforderungen zu stellen und die beweisrechtliche Situation der versicherten Person mit derjenigen bei
BGE 150 V 363 S. 372
versicherungsinternen medizinischen Entscheidungsgrundlagen zu vergleichen. In solchen Fällen genügten demnach bereits relativ geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen, um eine neue Begutachtung anzuordnen bzw. ein Gerichtsgutachten einzuholen.
Es handelte sich dabei um einen noch nicht rechtskräftigen Leistungsstreit, bei dem, anders als hier, nicht die Frage nach etwaigen Revisionsgründen im Sinne von Art. 121 ff. BGG im Raum stand und daher insbesondere nicht die in casu relevante Konstellation gegeben war, bei welcher die dem Gericht vorgelegten (neuen) Tatsachen auf die - seinerzeitige - Entscheidung keinen Einfluss haben. Des Weiteren oblag dem Bundesgericht im betreffenden Fall die Beurteilung der Beweiskraft eines PMEDA-Gutachtens vom 9. Februar 2022 samt ergänzender Stellungnahme vom 16. März 2022.

5.5 Es bleibt damit beim bundesgerichtlichen Urteil 9C_444/2021 / 9C_496/2021 vom 13. Januar 2022.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 5

Referenzen

BGE: 138 V 74, 144 I 242, 144 V 258, 143 V 95

Artikel: Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG, Art. 6 EMRK, Art. 7j ff. ATSV, Art. 53 Abs. 1 ATSG mehr...