Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Urteilskopf

151 II 154


9. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_47/2024 / 9C_48/2024 vom 23. September 2024

Regeste

Art. 33 Abs. 1 lit. a und c, Art. 35 Abs. 3 DBG; Ausscheidung von Unterhaltsbeiträgen und Schuldzinsen bei Ehegatten mit getrennten Wohnsitzen.
Grundsätzlich erfolgt die internationale Ausscheidung von steuerlichen Abzügen bei Privatpersonen für Gewinnungskosten objektmässig zusammen mit den ausländischen Einkünften, für anorganische Abzüge analog zu den Sozialabzügen (Art. 35 Abs. 3 DBG) proportional im Verhältnis der Einkünfte und für Schuldzinsen nach Massgabe der Lage der Aktiven (E. 4.4). Teilweise steuerpflichtig gemäss Art. 35 Abs. 3 DBG ist eine steuerpflichtige Person, wenn sie ausländische Einkünfte erzielt, die der Besteuerung in der Schweiz entzogen sind. Wenn lediglich der nicht in der Schweiz ansässige Ehegatte der steuerpflichtigen Person über ausländische Einkünfte und Aktiven verfügt, ist dies kein Grund für eine Ausscheidung von Unterhaltsbeiträgen und Schuldzinsen; die Steuerfaktoren der Ehegatten sind nur für die Satzbestimmung zu addieren (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 155

BGE 151 II 154 S. 155

A. Nachdem die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt (nachfolgend auch: die Steuerverwaltung) A. zweimal erfolglos gemahnt hatte, die Steuererklärung für das Steuerjahr 2017 einzureichen, veranlagte sie ihn mit Verfügung vom 12. September 2019 nach Ermessen. Mit Einsprache vom 24. September 2019 machte A. geltend, er habe am 13. Mai 2017 in U./IT geheiratet und seine Frau habe ihren Lebensmittelpunkt in V./GB. Daraufhin änderte die Steuerverwaltung mit Verfügung vom 23. April 2020 die Veranlagung und nahm infolge der Eheschliessung eine Tarifänderung vor. Das Vermögen sowie die Vermögenserträge der Ehefrau wurden auf Fr. 20'000'000.- respektive Fr. 1'250'000.- festgesetzt und unter Progressionsvorbehalt nach Grossbritannien ausgeschieden. Die dagegen erhobene Einsprache hiess die Steuerverwaltung mit Entscheid
BGE 151 II 154 S. 156
vom 27. Juli 2020 teilweise gut und reduzierte die Vermögenserträge der Ehefrau auf Fr. 350'000.-. Das steuerbare Einkommen von A. wurde auf Fr. 1'550'800.- zum Satz von Fr. 1'648'200.- festgesetzt, sein steuerbares Vermögen auf Fr. 28'380'000.- zum Satz von Fr. 41'469'000.-.

B. Der dagegen bei der Steuerrekurskommission des Kantons Basel-Stadt erhobene Rekurs wurde mit Entscheid vom 17. Juni 2021 abgewiesen. Dagegen erhob A. wiederum Rekurs und Beschwerde an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht); ersterer gegen den Entscheid betreffend die kantonalen Steuern, letztere gegen den Entscheid betreffend die direkte Bundessteuer. Die Rechtsmittel wurden vom Verwaltungsgericht mit separaten Urteilen vom 5. November 2023 abgewiesen.

C. Mit Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. Januar 2024 beantragt A. die Aufhebung der Urteile vom 5. November 2023 betreffend die kantonalen Steuern 2017 und die direkte Bundessteuer 2017 (erster Antrag). Er begehrt die Festsetzung des Vermögens (für die kantonalen Steuern) sowie des Einkommens (für beide Steuerarten) im Rahmen der internationalen Steuerausscheidung ohne Berücksichtigung der Steuerfaktoren seiner im Ausland steuerpflichtigen Ehefrau (zweiter Antrag). Weiter beantragt er, die Hypothekarschulden (für die Kantonssteuern) und die geleisteten Hypothekarschuldzinsen (für beide Steuerarten) seien objektmässig den schweizerischen Liegenschaftserträgen zuzuweisen (dritter Antrag). Die geleisteten Unterhaltsbeiträge seien objektmässig den schweizerischen Einkünften zuzuweisen; eventualiter seien sie ohne Berücksichtigung der Steuerfaktoren der Ehefrau proportional zu verlegen (vierter Antrag). Ferner seien bei der Berechnung der Vermögenssteuerreduktion die Steuerfaktoren der Ehefrau nur satzbestimmend zu berücksichtigen (fünfter Antrag). Subeventualiter beantragt der Beschwerdeführer, die Sache sei zur Neubeurteilung und Neuberechnung an die Steuerverwaltung zurückzuweisen (sechster Antrag).
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung beider Beschwerden respektive das Nichteintreten auf das vierte Rechtsbegehren, weil insoweit der Streitgegenstand überschritten sei. Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragt die Abweisung der Beschwerde gegen das Urteil betreffend die direkte Bundessteuer. Der Beschwerdeführer nimmt erneut Stellung.
BGE 151 II 154 S. 157

Erwägungen

Aus den Erwägungen:
II. Direkte Bundessteuer

3. Der Streit dreht sich um die Frage, wie die Abzüge für Unterhaltszahlungen an die Ex-Frau des Beschwerdeführers und für Schuldzinsen international zu verlegen sind. Namentlich bestreitet der Beschwerdeführer, dass bei dieser Verlegung die Steuerfaktoren der Ehefrau berücksichtigt werden dürfen. Er ist der Auffassung, dass ihm diese Abzüge vollständig zu gewähren und sie nicht teilweise nach Grossbritannien auszuscheiden seien.

4.

4.1 Nach der Reinvermögenszugangstheorie, die in Art. 16 Abs. 1 DBG (SR 642.11) Niederschlag gefunden hat, ist Gegenstand der Einkommenssteuer der Reinvermögenszugang, mithin der Überschuss aller Vermögenszugänge gegenüber den Vermögensabgängen derselben Steuerperiode (vgl. BGE 149 II 400 E. 4.1, BGE 149 II 19 E. 5.1; BGE 143 II 402 E. 5.1). Die unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund persönlicher Zugehörigkeit (steuerrechtlicher Wohnsitz oder Aufenthalt; Art. 3 DBG) erfasst also grundsätzlich nach dem Welteinkommens- bzw. Totalitätsprinzip nicht nur die weltweiten Einkünfte der steuerpflichtigen Person als Vermögenszugänge ("positives Einkommen"), sondern auch ihre weltweiten abzugsfähigen Aufwendungen als Vermögensabgänge ("negatives Einkommen"; vgl. BGE 150 II 20 E. 4.5). Bei bloss wirtschaftlicher Zugehörigkeit ist die Steuerpflicht demgegenüber auf die Teile des Einkommens beschränkt, für die nach Art. 4 f. DBG eine Steuerpflicht der betreffenden Person in der Schweiz besteht (Art. 6 Abs. 2 DBG). Allerdings ist die weltweite Reichweite der Einkommenssteuer auch bei unbeschränkter Steuerpflicht insoweit relativiert, als der Gesetzgeber bestimmte auf das Ausland entfallende Teile des Einkommens von der Steuerpflicht freigestellt hat (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 3 DBG).

4.2 Die Praxis geht davon aus, dass nicht nur die Einkünfte, sondern auch die Abzüge (Art. 25 ff. DBG) auf das Ausland entfallen können und gegebenenfalls aus der Bemessungsgrundlage der Schweizer Steuer auszuscheiden sind. Je nach Abzugskategorie kennen Gesetz und Praxis verschiedene Methoden, nach denen diese Ausscheidung zu erfolgen hat.

4.3 Sozialabzüge sind nach gesetzlicher Vorschrift bei teilweiser Steuerpflicht nur anteilsmässig zu gewähren (Art. 35 Abs. 3 DBG).
BGE 151 II 154 S. 158
Eine teilweise Steuerpflicht im Sinne dieser Bestimmung liegt nach Praxis und Lehre vor, wenn eine Person nur beschränkt steuerpflichtig ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 DBG) oder wenn bestimmte Einkünfte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person freigestellt werden (vgl. Art. 6 Abs. 1 DBG; Ziff. 13.4.7 des Kreisschreibens Nr. 30 der ESTV vom 21. Dezember 2010 betreffend Ehepaar- und Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer; BAUMGARTNER/EICHENBERGER, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 4. Aufl. 2022, N. 36 zu Art. 35 DBG; CHRISTINE JAQUES, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2. Aufl. 2017, N. 6 zu Art. 35 DBG; PETER LOCHER, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Bd. I, 2. Aufl. 2019, N. 59 zu Art. 35 DBG). Falls eine Person also ausländische, in der Schweiz steuerlich freigestellte Einkünfte erzielt, werden die Sozialabzüge nach Massgabe des in der Schweiz steuerpflichtigen (Netto-)Einkommens im Verhältnis zum gesamten (Netto-)Einkommen verlegt, jeweils vor Abzug der Sozialabzüge (vgl. Urteile 2C_354/2022 vom 20. März 2023 E. 3.3.1; 2C_1154/2013 / 2C_1155/2013 vom 26. Juni 2015 E. 3.3, in: StE 2015 B 11.3 Nr. 28, StR 70/2015 S. 784).

4.4 Für die übrigen Abzüge fehlt eine vergleichbare ausdrückliche Regelung im Gesetz.

4.4.1 Nach Rechtsprechung und Lehre sind steuerlich abzugsfähige Kosten, die final oder kausal mit bestimmten Einkünften zusammenhängen (sog. Gewinnungskosten bzw. "organische Abzüge"; vgl. zur Terminologie LOCHER, a.a.O., N. 1 zu Art. 25 DBG; vgl. auch BGE 142 II 293 E. 3.1), in der internationalen Ausscheidung zusammen mit den korrespondierenden Einkünften ("objektmässig") zu verlegen. Anders ausgedrückt ist das ausländische Einkommen nach Abzug der darauf entfallenden Gewinnungskosten ("netto") freizustellen (vgl. Urteile 2C_354/2022 vom 20. März 2023 E. 3.3.2, in: StE 2023 B 13.1 Nr. 24, StR 78/2023 S. 554; 2C_1154/2013 / 2C_1155/ 2013 vom 26. Juni 2015 E. 3.3, in: StE 2015 B 11.3 Nr. 28, StR 70/2015 S. 784 mit Hinweisen auf die Lehre).

4.4.2 Von den in Art. 33 DBG geregelten allgemeinen Abzügen weisen einige einen finalen oder kausalen Zusammenhang zu bestimmten Einkünften auf, sodass sie wie soeben dargelegt zusammen mit diesen Einkünften zu verlegen sind. Daneben regelt Art. 33 DBG aber auch gewisse Abzüge, die in keinem direkten
BGE 151 II 154 S. 159
Zusammenhang mit einer bestimmten Einkommenserzielung stehen. Sie ähneln in dieser Hinsicht den Sozialabzügen. Die Mehrheit dieser allgemeinen Abzüge hängt aber im Unterschied zu den Sozialabzügen davon ab, dass die steuerpflichtige Person konkrete Aufwendungen getätigt hat (vgl. HUNZIKER/MAYER-KNOBEL, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 4. Aufl. 2022, N. 3 zu Art. 33 DBG; YVES NOËL, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2. Aufl. 2017, N. 1 zu Art. 33 DBG). Für die allgemeinen Abzüge ohne Bezug zu einer bestimmten Einkommenserzielung ("anorganische Abzüge") hat das Bundesgericht bislang dafürgehalten, dass sie analog zur Regelung bei den Sozialabzügen proportional nach Lage des Reineinkommens zu verlegen seien, also nach Massgabe des in der Schweiz steuerpflichtigen (Netto-)Einkommens im Verhältnis zum gesamten (Netto-)Einkommen, jeweils vor Berücksichtigung der Sozialabzüge und der in Frage stehenden allgemeinen Abzüge (vgl. Urteile 2C_354/2022 vom 20. März 2023 E. 3.3.3, in: StE 2023 B 13.1 Nr. 24, StR 78/2023 S. 554; 2C_95/2015 / 2C_96/2015 vom 27. August 2015 E. 4.7, in: StE 2015 B 11.3 Nr. 29; 2C_1154/2013 / 2C_1155/2013 vom 26. Juni 2015 E. 3.3 und 3.5).

4.4.3 Eine besondere, von den soeben beschriebenen Methoden abweichende Behandlung wird Schuldzinsen (Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG) zuteil: Ungeachtet dessen, ob sie im Einzelfall Gewinnungscharakter haben oder die steuerpflichtige Person mit dem aufgenommenen Kapital andere Zwecke verfolgt und z.B. Lebenshaltungskosten deckt (vgl. dazu Urteil 2C_142/2014 vom 13. April 2015 E. 2.3.4, in: StE 2015 B 27.2 Nr. 43, StR 70/2015 S. 984; NOËL, a.a.O., N. 5 zu Art. 25 DBG; REICH/HUNZIKER, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 4. Aufl. 2022, N. 17 zu Art. 25 DBG), werden private gleich wie geschäftliche Schuldzinsen proportional nach Lage aller (Brutto-)Aktiven des Privat- und Geschäftsvermögens verlegt (vgl. BGE 150 II 417 E. 2.2.2.2; BGE 140 II 157 E. 7.6.3). Diese Regel stammt aus der bundesgerichtlichen Praxis zum interkantonalen Doppelbesteuerungsverbot. Dem Bundesgericht erschien der Wert der Aktiven als die praktikablere Grundlage für die Verlegung als die effektiv erzielten Vermögenserträge, weil so die Verlegung der Schuldzinsen von den Zufälligkeiten der Ertragsverhältnisse im einzelnen Jahr losgelöst und mehr nach dem Gesichtspunkt nachhaltigen Ertrags - d.h. des Ertragspotenzials der einzelnen Aktiven - bestimmt wird, der im
BGE 151 II 154 S. 160
Vermögenswert der Aktiven zum Ausdruck kommt (vgl. grundlegend BGE 66 I 37 S. 42).

5.

5.1 Der Beschwerdeführer ist kraft seines Wohnsitzes nach Art. 3 Abs. 1 DBG in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig. Seine Ehefrau weist keine persönliche oder wirtschaftliche Zugehörigkeit zur Schweiz auf und ist demgemäss hierzulande nicht steuerpflichtig. Aufgrund dieses internationalen Eheverhältnisses hat die Vorinstanz auf eine teilweise Steuerpflicht des Beschwerdeführers geschlossen, die es rechtfertige, die allgemeinen Abzüge für Unterhaltsbeiträge und Zuwendungen sowie die Sozialabzüge inklusive Versicherungsabzug nach Massgabe der Nettoeinkünfte beider Ehegatten zu verlegen. Die Schuldzinsen hat sie nach Massgabe der Lage der Aktiven beider Ehegatten verlegt.

5.2 Jedenfalls soweit die Unterhaltszahlungen des Beschwerdeführers an seine Ex-Frau betroffen sind, stützt sich die Vorinstanz auf das Urteil 2C_354/2022 vom 20. März 2023, das ebenfalls Unterhaltszahlungen zum Gegenstand hatte. Dort erwog das Bundesgericht, dass Abzüge bei einer rechtlich und tatsächlich ungetrennten Ehe mit gemeinsamer Mittelverwendung immer dann anteilsmässig auszuscheiden seien, wenn sie wie etwa Unterhaltsbeiträge nicht auf das (Erwerbs-)Einkommen des in der Schweiz wohnhaften Ehegatten bezogen seien (Urteil 2C_354/2022 vom 20. März 2023 E. 4.3.1, in: StE 2023 B 13.1 Nr. 24, StR 78/2023 S. 554). Die Rechtsprechung zu Art. 9 DBG, wonach in internationalen Verhältnissen keine gemeinsame Ehegattenbesteuerung erfolgt, beziehe sich auf die verschiedenen Bestandteile des steuerbaren Einkommens, nicht auf die Verlegung der Abzüge von diesem Einkommen (vgl. Urteil 2C_354/ 2022 vom 20. März 2023 E. 4.3.3, in: StE 2023 B 13.1 Nr. 24, StR 78/2023 S. 554).

6. Von dieser Sichtweise ist bei erneuter Prüfung Abstand zu nehmen. Sie steht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung und zur Systematik der Einkommenssteuer.

6.1 Der Beschwerdeführer hat seiner Ex-Frau Unterhaltszahlungen geleistet. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass er diese Zahlungen nicht selbst getragen hätte bzw. neben ihm noch eine andere Person - namentlich seine neue Ehefrau - dazu verpflichtet gewesen sein könnte, diese nach Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG steuerlich abziehbaren Aufwendungen zu tragen. Auch aus der ehelichen
BGE 151 II 154 S. 161
Unterhaltspflicht nach Art. 163 Abs. 1 ZGB, auf die das Bundesgericht in Urteil 2C_354/2022 vom 20. März 2023 E. 4.3.3 verwiesen hat, oder aus der allgemeinen ehelichen Treue- und Beistandspflicht nach Art. 159 Abs. 3 ZGB lässt sich jedenfalls solange keine derartige Verpflichtung des neuen Ehegatten herleiten, als der geschiedene Ehegatte die geschuldeten Unterhaltszahlungen finanziell problemlos selbst tragen kann, wie dies hier der Fall ist (vgl. ISENRING/ KESSLER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 7. Aufl. 2022, N. 18 zu Art. 163 ZGB; vgl. zur ehelichen Beistandspflicht bei Unterhaltsverpflichtungen des anderen Ehegatten auch BGE 145 III 169 E. 3.6; BGE 127 III 68 E. 3; Urteil 5A_440/2014 vom 20. November 2014 E. 4.3.2.2). Die streitbetroffenen Unterhaltszahlungen haben also ausschliesslich das Vermögen des Beschwerdeführers und nicht etwa jenes seiner neuen Ehefrau belastet.

6.2 In der Lehre ist im Nachgang zum Urteil 2C_354/2022 vom 20. März 2023 die Frage aufgeworfen worden, ob es wirklich sachgerecht ist, einer ansässigen Person mit freigestellten ausländischen Einkünften (vgl. oben E. 4.1) den Abzug von Unterhaltszahlungen analog Art. 35 Abs. 3 DBG nach Massgabe der Herkunft der Nettoeinkünfte anteilig zu verweigern. Denn dies führe oft dazu, dass die steuerpflichtige Person nur einen Teil der Unterhaltszahlungen zum Abzug bringen könne und deswegen die Besteuerung ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschiesse (vgl. OESTERHELT/OPEL, Rechtsprechung im Steuerrecht 2023/3, IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2023 S. 263 f.). Dieser Einschätzung liegt der Umstand zugrunde, dass Staaten steuerliche Vergünstigungen wie den Abzugvon Unterhaltszahlungen, die in einem Zusammenhang mit der persönlichen oder familiären Situation der steuerpflichtigen Person stehen, oft nur gebietsansässigen und nicht auch gebietsfremden Personen gewähren (vgl. etwa zur Situation in der Europäischen Union Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union [EuGH] vom 15. Juli 2021 C-241/20 BJ, Randnrn. 37 ff.; vom 9. Februar 2017 C-283/15 X, Randnr. 30 mit Hinweisen; JULIANE KOKOTT, Das Steuerrecht der Europäischen Union, 2018, § 7 Rz. 10 ff.). So können auch bei der direkten Bundessteuer gebietsfremde Personen Unterhaltszahlungen nur dann (anteilig) abziehen, wenn sie (nachträglich) ordentlich veranlagt und nicht abschliessend an der Quelle besteuert werden (vgl. insbesondere Art. 99a f. DBG und Art. 14 f. der Verordnung des EFD vom 11. April 2018 über die Quellensteuer bei der direkten Bundessteuer [QStV; SR 642.118.2]). Hierzulande wohnhafte
BGE 151 II 154 S. 162
Personen, denen der Abzug von Unterhaltszahlungen gekürzt wird, werden also im Quellenstaat ihrer ausländischen Einkünfte, wo sie als gebietsfremd gelten, oft keinen Abzug für diese Zahlungen machen können.

6.3 Unabhängig hiervon besteht für eine Kürzung des Abzugs von Unterhaltszahlungen aber jedenfalls insoweit kein Raum, als die steuerpflichtige Person selbst gar keine ausländischen Einkünfte erzielt hat, die der Besteuerung in der Schweiz entzogen wären und nach Massgabe derer der Abzug gekürzt werden könnte. In diesem Fall ist die steuerpflichtige Person nämlich hierzulande nicht nur "teilweise" im Sinne von Art. 35 Abs. 3 DBG, sondern umfassend mit ihrem ganzen Einkommen steuerpflichtig (vgl. auch Urteil 2C_1154/ 2013 / 2C_1155/2013 vom 26. Juni 2015 E. 3.5, in: StE 2015 B 11.3 Nr. 28, StR 70/2015 S. 784, das im Urteil 2C_354/2022 vom 20. März 2023 E. 4.2.1 referenziert wurde, im Unterschied zu diesem Urteil aber eine steuerpflichtige Person betraf, die über eigene freigestellte ausländische Einkünfte verfügte).

6.4 Daran kann auch die Ehe mit einer der Schweiz nicht persönlich zugehörigen - d.h. hier nicht unbeschränkt steuerpflichtigen - Person nichts ändern. Unter Vorbehalt des hier nicht einschlägigen Art. 3 Abs. 5 DBG sind die Ehegatten in diesem Fall nämlich nach Rechtsprechung und Lehre getrennt und nach Massgabe ihrer individuellen Steuerpflicht zu besteuern. Die in Art. 9 Abs. 1 DBG vorgesehene Faktorenaddition vermag weder eine Steuerpflicht des im Ausland ansässigen Ehegatten zu begründen noch eine gemeinsame Besteuerung der Ehegatten zu rechtfertigen. Auf das eheliche Gesamteinkommen wird lediglich zur Satzbestimmung - unter Anwendung des Verheiratetentarifs - abgestellt (vgl. BGE 141 II 318 E. 2.2.3; BGE 138 II 300 E. 2.3; Urteil 2C_799/2017 / 2C_800/2017 vom 18. September 2018 E. 4.2.1.4, in: StE 2019 B 11.3 Nr. 30, StR 74/2019 S. 53; HUNZIKER/MAYER-KNOBEL, a.a.O., N. 19 zu Art. 9 DBG; JAQUES, a.a.O., N. 15 zu Art. 9 DBG; LOCHER, a.a.O., N. 20 zu Art. 9 DBG).
Mit diesen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn grundsätzlich abzugsfähige Aufwendungen des hier unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten (vorliegend: Unterhaltszahlungen) aufgrund von Einkünften des anderen, im Ausland ansässigen Ehegatten an das Ausland ausgeschieden und beim hier unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht zum Abzug zugelassen werden. Denn auf diese
BGE 151 II 154 S. 163
Weise werden Steuerfaktoren des hier nicht ansässigen Ehegatten bereits zum Zweck der Ermittlung des steuerbaren Einkommens des hier unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegattens statt nur zur Satzbestimmung berücksichtigt (vgl. auch CAMINADA/BRAWAND, Besteuerung Ehegatten in internationalen Verhältnissen - Steuerausscheidungsfragen, Zeitschrift für Schweizerisches und Internationales Steuerrecht [zsis] 3/2023 S. 16 Rz. 37 f.). Das bedeutet nichts anderes als eine Faktorenaddition auf der Ebene der Bemessungsgrundlage, für die keine gesetzliche Grundlage besteht, wenn die Ehegatten in unterschiedlichen Ländern ansässig sind. Dementsprechend geht es entgegen der Vorinstanz und dem Urteil 2C_354/2022 vom 20. März 2023 nicht an, den Abzug für Unterhaltszahlungen aufgrund von Einkünften zu kürzen, welche nicht der Beschwerdeführer, sondern seine hierzulande nicht steuerpflichtige Ehefrau erzielt hat.

6.5 Aus ähnlichen Überlegungen wie bei den Unterhaltszahlungen wäre es sodann auch verfehlt, dem in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten aufgrund von Steuerfaktoren des anderen Ehegatten den Abzug der von ihm getragenen Schuldzinsen zu kürzen. Die Schuldzinsen werden zwar nach einer anderen Methode verlegt als andere allgemeine Abzüge, nämlich nach Massgabe der Lage der Aktiven (vgl. oben E. 4.4.3). Aber auch dieser Methode liegen letztlich die (potenziellen) Vermögenserträge zugrunde, die sich im Wert der Aktiven niederschlagen (vgl. oben E. 4.4.3). Die Berücksichtigung von Aktiven des hier nicht ansässigen Ehegatten liefe also ebenfalls auf eine unzulässige Faktorenaddition hinaus (vgl. auch CAMINADA/BRAWAND, a.a.O., Rz. 23 ff.). Die Schuldzinsen, die dem hier ansässigen Beschwerdeführer zuzurechnen sind, müssen folglich grundsätzlich von diesem abgezogen werden können. Vorbehalten bleibt indessen eine Ausscheidung von Schuldzinsen, soweit der Beschwerdeführer selbst über im Ausland gelegene Aktiven verfügt. Denn nach der Praxis sind die Schuldzinsen auch dann proportional zu verlegen, wenn sie der Erzielung konkreter Vermögenserträge gedient haben und als Gewinnungskosten erscheinen (vgl. oben E. 4.4.3). Der Beschwerdeführer trägt keine stichhaltigen Gründe vor, die es rechtfertigen würden, diese Praxis zugunsten einer objektmässigen Verlegung zu ändern (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Praxisänderung BGE 149 II 381 E. 7.3.1, BGE 149 II 354 E. 2.3; BGE 149 V 177 E. 4.5).
BGE 151 II 154 S. 164

6.6 Nach dem Gesagten verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht, soweit es dem Beschwerdeführer aufgrund von Steuerfaktoren seiner im Ausland ansässigen Ehefrau den Abzug von Unterhaltszahlungen und Schuldzinsen verwehrt. Der internationalen Ausscheidung sind vielmehr nur seine eigenen Einkünfte bzw. Aktiven zugrunde zu legen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 3 4 5 6

Referenzen

BGE: 149 II 400, 149 II 19, 143 II 402, 150 II 20 mehr...

Artikel: Art. 35 Abs. 3 DBG, Art. 25 ff. DBG, Art. 33 DBG, Art. 9 DBG mehr...