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Chapeau

151 III 143


13. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_717/2023 vom 7. August 2024

Regeste a

Art. 356 ss CO; art. 20 al. 3 LSE; art. 48c OSE; obligation du bailleur de services de cotiser pour la retraite anticipée.
Pour que le bailleur de services soit tenu de cotiser au sens de l'art. 20 al. 3 LSE, il est décisif que l'entreprise locataire de services concernée entre dans le champ d'application décrit dans la décision d'extension de la convention collective de travail en question (consid. 6.4.3 et 6.4.4). Les conditions fixées à l'art. 48c al. 2 OSE pour une exception à l'obligation du bailleur de services de cotiser au sens de l'art. 20 al. 3 LSE doivent être remplies cumulativement (consid. 7.3).

Regeste b

Art. 89a al. 6 ch. 5 CC; art. 41 al. 2 LPP; prescription des créances de cotisations.
La prescription des créances de cotisations au sens de la convention collective de travail étendue pour la retraite anticipée dans le secteur principal de la construction (CCT RA) est régie par l'art. 41 al. 2 LPP. Cela vaut en tout cas pour la situation juridique valable jusqu'à la fin 2023 (consid. 8.3).

Faits à partir de page 144

BGE 151 III 143 S. 144

A.

Considérants

A.a Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), die GBI Gewerkschaft Bau & Industrie (heute: Unia) und die Gewerkschaft SYNA (heute und nachfolgend: Syna) schlossen am 12. November 2002 einen Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im
BGE 151 III 143 S. 145
Bauhauptgewerbe (GAV FAR), mit dessen Vollzug die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR) betraut ist. Durch Beschluss des Bundesrates vom 5. Juni 2003 wurde der GAV FAR erstmals teilweise allgemeinverbindlich erklärt.

A.b Der Verband Schweizer Gebäudehüllen-Unternehmungen (Gebäudehülle Schweiz; vormals: Schweizerischer Verband Dach und Wand [SVDW]), die Gewerkschaft Unia und die Gewerkschaft Syna schlossen am 29. Juni 2009 einen Gesamtarbeitsvertrag VRM Vorruhestandsmodell im Dach- und Wandgewerbe (GAV VRM Dach und Wand), mit dessen Vollzug die Stiftung VRM Dach und Wand (heute und nachfolgend: Stiftung VRM Gebäudehülle) betraut wurde. Durch Beschluss des Bundesrates vom 2. August 2010 wurde der GAV VRM Dach und Wand teilweise allgemeinverbindlich erklärt.
Am 1. September 2014 schlossen die gleichen Sozialpartner den Gesamtarbeitsvertrag Vorruhestandsmodell im Schweizerischen Gebäudehüllengewerbe (GAV VRM Gebäudehülle), der den GAV VRM Dach und Wand ablöste und mit dessen Vollzug ebenfalls die Stiftung VRM Gebäudehülle betraut ist. Durch Beschluss des Bundesrates vom 30. Januar 2015 wurde die Allgemeinverbindlicherklärung betreffend den GAV VRM Dach und Wand aufgehoben und der GAV VRM Gebäudehülle erstmals teilweise allgemeinverbindlich erklärt.

A.c Die A. GmbH (nachfolgend: A.) bezweckt laut Handelsregisterauszug u.a. den Betrieb eines Stellenvermittlungsbüros für Temporär- und Dauerstellen in allen Bereichen. Sie ist im Verzeichnis des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO als bewilligter, privater Arbeitsvermittlungs- und Personalverleihbetrieb aufgeführt. Sie verlieh Mitarbeitende insbesondere an die B. AG und die C. GmbH.
Die B. AG bezweckt laut Handelsregisterauszug (seit April 2008) namentlich die Erstellung, die Sanierung und den Unterhalt von Fassaden aller Art, Dachdecker- und Holzbauarbeiten an Neubauten bzw. Altbauten zwecks Sanierung sowie Gipserarbeiten, Natur- und Kunststeinsanierung. Der Zweck der C. GmbH (seit August 2010) ist die Ausführung von Bildhauer- und Steinhauerarbeiten, die Herstellung von und der Handel mit Grabmalen und Kunstgegenständen sowie die Ausführung von Bau- und Renovationsarbeiten.

A.d Die Stiftung FAR liess bei der A. eine Arbeitgeberkontrolle durchführen. Gestützt auf den entsprechenden Bericht vom 20. Dezember
BGE 151 III 143 S. 146
2017 erkannte sie hinsichtlich verschiedener Einsatzunternehmen Differenzen zwischen den ihr gemeldeten und den tatsächlichen Lohnsummen. Die A. stellte sich gegen die entsprechenden Beitragsnachforderungen der Stiftung FAR.

B. Mit Klage vom 18. Juli 2022 beantragte die Stiftung FAR, die A. sei zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2016 Vorsorgebeiträge von insgesamt Fr. 84'770.90 (nebst Zins) und die Kontrollkosten von Fr. 2'753.35 zu bezahlen. Mit Eingabe vom 21. August 2023 reduzierte sie die Beitragsforderungen auf insgesamt Fr. 84'515.75.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die Klage mit Urteil vom 4. Oktober 2023 gut. Es verpflichtete die A., der Stiftung FAR Vorsorgebeiträge von insgesamt Fr. 84'515.75 (Fr. 18'587.50 für das Jahr 2013, Fr. 26'925.65 für das Jahr 2014, Fr. 17'698.80 für das Jahr 2015, Fr. 21'303.80 für das Jahr 2016) nebst Zins und die Kontrollkosten von Fr. 2'753.35 zu bezahlen.

C. Die A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, es sei die Nichtigkeit des Urteils vom 4. Oktober 2023 festzustellen; eventualiter sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage vom 18. Juli 2022 abzuweisen, subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung der Klage an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ferner ersucht sie darum, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Die Stiftung FAR schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. Die A. lässt eine weitere Eingabe einreichen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Aus den Erwägungen:

6. (...)

6.4.1 Die Beschwerdegegnerin bringt vor, Art. 20 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG; SR 823.11) lege nicht fest, dass die Unterstellung eines Einsatzbetriebes unter den allgemeinverbindlich erklärten GAV einzig kraft dessen Allgemeinverbindlicherklärung bewirkt werden könne. Vielmehr seien der Anschluss und die Unterstellungserklärung resp. -vereinbarung nach den Grundsätzen des allgemeinen Obligationenrechts zu beurteilen.
BGE 151 III 143 S. 147
Somit müsse es genügen, dass sie mit der B. AG und der C. GmbH (ausdrücklich oder zumindest konkludent) einig gewesen sei, dass diese dem (allgemeinverbindlich erklärten) GAV FAR unterstellt gewesen seien. Ausserdem müssten mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsgleichheit und der Tarifeinheit alle Mitarbeitenden eines Betriebes, mithin auch die bei einem Personalverleiher angestellten Arbeitnehmenden, hinsichtlich der FAR-Beiträge gleich behandelt werden.
Umstritten ist somit, ob es für die Beitragspflicht des Personalverleihers genügt, dass ein Einsatzbetrieb Vorsorgebeiträge im Sinne eines allgemeinverbindlich erklärten GAV, der den flexiblen Altersrücktritt regelt (hier: GAV FAR), entrichtet, oder ob vielmehr entscheidend ist, dass der Einsatzbetrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich fällt, wie er in der Allgemeinverbindlicherklärung des fraglichen GAV (hier: AVE GAV FAR) umschrieben ist. Die Frage wurde bereits im Urteil 9C_339/2023 vom 28. Februar 2024 aufgeworfen; sie konnte dort indessen offenbleiben, weil der betroffene Einsatzbetrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des AVE GAV FAR fiel und ein Anschlussvertrag im Sinne von Art. 356b OR ebenso wie eine "Unterstellungserklärung bzw. -vereinbarung" fehlte (E. 6 des genannten Urteils). Angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhalts ist es geboten, die Frage mittels Auslegung von Art. 20 Abs. 3 AVG zu beantworten.

6.4.2 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss das Gericht unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach der wahren Tragweite der Norm suchen. Dabei hat es insbesondere den Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, wie er sich namentlich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (historische Auslegung). Weiter hat das Gericht nach dem Zweck, dem Sinn und den dem Text zugrunde liegenden Wertungen zu forschen, namentlich nach dem durch die Norm geschützten Interesse (teleologische Auslegung). Wichtig ist auch der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt, und das Verhältnis, in welchem sie zu anderen Gesetzesvorschriften steht (systematische Auslegung). Das Bundesgericht befolgt bei der Auslegung von Gesetzesnormen einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 150 V 120 E. 4.2; BGE 149 V 21 E. 4.3; BGE 148 V 373 E. 5.1).
BGE 151 III 143 S. 148

6.4.3 Nach dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 3 AVG ist entscheidend, dass ein Einsatzbetrieb einem allgemeinverbindlich erklärten GAV untersteht ("une entreprise locataire de services est soumise à une convention collective de travail étendue"; "un'impresa acquisitrice è sottoposta a un contratto collettivo di lavoro di obbligatorietà generale"). Die ausdrückliche Erwähnung der Allgemeinverbindlicherklärung spricht dafür, dass sich auch die Unterstellung des Einsatzbetriebes unter den fraglichen GAV nach dieser Erklärung richten soll.
Bereits die erste, bis zum 31. März 2006 geltende Version von Art. 20 AVG regelte den Tatbestand, dass ein Einsatzbetrieb einem allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag untersteht ("une entreprise locataire de services est soumise à une convention collective de travail avec déclaration d'extension"; "un'impresa acquisitrice è sottoposta a un contratto collettivo di lavoro di obbligatorietà generale"). Der Gesetzgeber entschied bewusst, nicht alle gesamtarbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Einsatzbetriebes (betreffend Lohn- und Arbeitszeitbestimmungen) auf den Personalverleiher zu übertragen, sondern nur die allgemeinverbindlichen Bestimmungen des fraglichen GAV (zur Entstehung von aArt. 20 AVG vgl. Urteil 4C.60/2007 vom 28. Juni 2007 E. 4.2.1).
Die Allgemeinverbindlicherklärung eines GAV bezweckt die Ausweitung seines Geltungsbereichs auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes (Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen [AVEG; SR 221.215.311]). Durch die Allgemeinverbindlicherklärung sollen die Arbeitsbedingungen der bei Aussenseitern angestellten Arbeitnehmer gesichert, die Sozial- und Arbeitsbedingungen als Faktor des Konkurrenzkampfes ausgeschlossen, und dem Gesamtarbeitsvertrag zu grösserer Durchsetzungskraft verholfen werden (BGE 141 V 657 E. 4.4 mit Hinweisen). Dementsprechend dient Art. 20 Abs. 3 AVG dazu, im grundsätzlich gegebenen Geltungsbereich der Allgemeinverbindlichkeit eines GAV die Umgehung der entsprechenden Verpflichtungen durch die Anleihe von Arbeitskräften zu vermeiden. Mit anderen Worten: Die Bestimmung ermöglicht die Anwendung der allgemeinverbindlich erklärten GAV-Bestimmungen unabhängig davon, ob die betroffenen Arbeitnehmenden beim Einsatzbetrieb selbst oder bei einem Personalverleiher angestellt sind.
BGE 151 III 143 S. 149
Würde eine rein vertragliche resp. bloss "freiwillige" Unterstellung eines Einsatzbetriebes unter einen bestimmten GAV eine gesamtarbeitsvertragliche (Beitrags-)Pflicht des (weder dem GAV noch einer GAV-Partei angeschlossenen) Personalverleihers nach sich ziehen, käme dies einem Vertrag zu Lasten eines Dritten gleich (vgl. Art. 111 und Art. 356 ff. OR; vgl. auch FABIAN LOOSER, Der Personalverleih, 2015, Rz. 715 f.). Eine gesetzliche Vorgabe, wonach eine solche Unterstellung einem Personalverleiher auch nur bekanntzugeben wäre, ist nicht ersichtlich. Demgegenüber muss ein Personalverleiher damit rechnen, dass ein Einsatzbetrieb einem allgemeinverbindlich erklärten GAV untersteht: Die Allgemeinverbindlicherklärung eines GAV (samt generell-abstrakter Definition ihres Geltungsbereichs) ist eine normative Regelung mit Rechtsetzungscharakter (Art. 4 AVEG), die im Bundesblatt publiziert (Art. 14 Abs. 1 AVEG) und demzufolge als bekannt vorausgesetzt wird (BGE 138 V 32 E. 4.1).

6.4.4 Nach dem Gesagten ist für die Beitragspflicht des Personalverleihers im Sinne von Art. 20 Abs. 3 AVG entscheidend, dass der Einsatzbetrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich fällt, wie er in der Allgemeinverbindlicherklärung des fraglichen GAV (hier: AVE GAV FAR) umschrieben ist. Daran ändert nichts, dass bei einer bloss "freiwilligen" Unterstellung eines Einsatzbetriebes unter einen bestimmten GAV dessen Regeln nur für die dort "festangestellten", nicht aber für die "ausgeliehenen" Mitarbeitenden gelten.
(...)

7.

7.1 Sodann ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, 72 Einsätze ihrer Arbeitnehmenden seien von vornherein von der (allfälligen) Beitragspflicht gemäss Art. 20 Abs. 3 AVG ausgenommen. Das kantonale Gericht habe Art. 48c Abs. 2 der Verordnung vom 16. Januar 1991 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsverordnung, AVV; SR 823.111) falsch ausgelegt: Eine Ausnahme von der Beitragspflicht sei bereits dann geboten, wenn nur eine der in lit. a-c der genannten Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sei; die Ausnahmetatbestände seien alternativ, nicht kumulativ zu verstehen.

7.2 Die Auslegung von Art. 48c Abs. 2 AVV erfolgt grundsätzlich gemäss den in der vorangehenden E. 6.4.2 dargelegten Grundsätzen. Zusätzlich zu beachten ist Folgendes: Verordnungsrecht ist
BGE 151 III 143 S. 150
gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (BGE 147 V 328 E. 4.1; BGE 146 V 253 E. 4.1; BGE 143 V 139 E. 6.1).

7.3

7.3.1 Die drei in Art. 48c Abs. 2 AVV statuierten Voraussetzungen werden (in lit. b) mit der Konjunktion "und" ("et"; "e") verbunden. Das schliesst nach dem allgemeinen Sprachverständnis eine alternative Bedeutung der einzelnen Voraussetzungen nicht zwingend aus; indessen hätte eine solche durch die Verwendung der Konjunktion "oder" ("ou"; "o") eindeutig festgelegt werden können.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hielt im Rundschreiben 2006/1 vom 3. März 2006 im Hinblick auf die Inkraftsetzung von Art. 48c AVV auf den 1. April 2006 fest, dass es sich bei den in dessen Abs. 2 genannten Voraussetzungen um eine kumulative Aufzählung handle (vgl. zur Bedeutung von Verwaltungsweisungen resp. Rundschreiben BGE 148 V 385 E. 5.2; BGE 147 V 79 E. 7.3.2; BGE 138 V 475 E. 3.2.2).
Art. 48c Abs. 1 AVV enthält (im Einklang mit Art. 20 Abs. 3 Satz 1 AVG) den Grundsatz, dass die Beitragspflicht des Personalverleihers ab dem ersten Arbeitstag des Arbeitnehmenden im Geltungsbereich des (allgemeinverbindlich erklärten) GAV und während der gesamten Einsatzdauer gilt. Der Zweck der Allgemeinverbindlichkeit eines GAV resp. der Anwendbarkeit eines allgemeinverbindlichen GAV auf den Personalverleiher (vgl. vorangehende E. 6.4.3) spricht für ein restriktives Verständnis der Ausnahmeregelung von Art. 48c Abs. 2 AVV.
Die Delegationsnorm von Art. 20 Abs. 3 Satz 2 AVG eröffnet dem Bundesrat eine Regelungskompetenz hinsichtlich der "Mindestanstellungsdauer" ("durée minimale d'engagement"; "durata minima d'impiego"). Dieser Aspekt wurde mit dem Kriterium des auf drei Monate befristeten Einsatzvertrages in lit. c von Art. 48c Abs. 2 AVV aufgenommen. Ein eigenständiger Gestaltungsspielraum hinsichtlich Kriterien wie "Lebensalter" oder "laufende Ausbildung" lässt sich Art. 20 Abs. 3 AVG nicht entnehmen. Die Vorgaben von Art. 48c Abs. 2 lit. a und b AVV können daher nur so verstanden werden, dass der Bundesrat damit nicht zusätzliche (alternative) Ausnahmetatbestände schaffen, sondern die Ausnahmeregelung betreffend die Mindestanstellungsdauer (Art. 48c Abs. 2 lit. c AVV)
BGE 151 III 143 S. 151
weiter einschränken wollte. Dabei wahrte er den ihm gesetzlich zustehenden Spielraum.

7.3.2 Nach dem Gesagten steht fest, dass die in Art. 48c Abs. 2 AVV statuierten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Beitragspflicht des Personalverleihers im Sinne von Art. 20 Abs. 3 AVG kumulativ erfüllt sein müssen (so auch LOOSER, a.a.O., Rz. 731; MATILE/ZILLA, Travail temporaire, 2010, S. 208 zu Art. 20 AVG; anderer Meinung, wenngleich ohne Begründung, KRUMMENACHER/WEIBEL, in: Arbeitsvermittlungsgesetz [AVG], 2014, N. 15 zu Art. 20 AVG). Die Beschwerdeführerin beruft sich nicht auf eine solche Konstellation. Die Vorinstanz hat demnach kein Recht verletzt, indem sie die geltend gemachten Ausnahmen nicht gewährt hat.

8. (...)

8.3.1 Das Bundesgericht ging bisher stets davon aus, dass sich die Verjährung von Beitragsforderungen der Stiftung FAR nach Art. 41 Abs. 2 BVG richtet - sei es (ausdrücklich oder implizit) in Verbindung mit Art. 89a Abs. 6 Ziff. 5 ZGB (BGE 138 V 32 E. 4.1; SVR 2017 BVG Nr. 46 S. 207, 9C_392/2016 E. 3.2; 2012 BVG Nr. 23 S. 92, 9C_378/2011 E. 7.5.1; 2012 BVG Nr. 19 S. 79, 9C_783/2011 E. 2.1) oder in direkter Anwendung des BVG (Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 3.1.1).
Ohne darauf einzugehen hält die Stiftung FAR dafür, die Verjährung müsse in analoger Anwendung der Vorgaben des AHVG und der AHVV beurteilt werden. Zur Begründung verweist sie auf die "Vollzugsähnlichkeit" der Regelungen gemäss GAV FAR resp. des AHVG und darauf, dass beide Bereiche - anders als die berufliche Vorsorge nach BVG - im Umlageverfahren finanziert werden. Sie habe die Nachtragsbeiträge innerhalb der fünfjährigen Festsetzungsverjährung "mittels Nachtragsrechnung und somit mittels Verfügung" in Rechnung gestellt, weshalb am 8. Februar 2018 die fünfjährige Frist für die Forderungsverjährung ausgelöst worden sei.

8.3.2 In der hier gegebenen Konstellation (vgl. nicht publ. E. 3.1 in initio) setzt die Anwendbarkeit von Art. 89a Abs. 6 ZGB - und damit von Art. 41 Abs. 2 BVG - insbesondere voraus, dass die betroffene Personalfürsorgestiftung dem FZG (SR 831.42) unterstellt ist. Dies ergibt sich für die Stiftung FAR (grundsätzlich) aus Art. 1 Abs. 2 FZG. Die Ausnahmebestimmung von Art. 1 Abs. 4 FZG, wonach dieses Gesetz nicht anwendbar ist auf Vorsorgeverhältnisse, in denen eine Vorsorgeeinrichtung, die nicht im
BGE 151 III 143 S. 152
Kapitaldeckungsverfahren finanziert wird, Anspruch auf Überbrückungsrenten bis zum Referenzalter nach Art. 21 Abs. 1 AHVG gewährt, trat erst auf den 1. Januar 2024 in Kraft und ist mit Blick auf den hier interessierenden Zeitraum nicht anwendbar. Abgesehen davon blendet die Beschwerdegegnerin erhebliche Unterschiede zwischen dem Beitragsbezug nach AHVG und jenem gemäss GAV FAR aus: Die hier interessierende Beitragserhebung ist grundsätzlich bereits gestützt auf die gesetzeskonforme Publikation des AVE GAV FAR zulässig; ausserdem ist die Stiftung FAR (wie alle Einrichtungen der beruflichen Vorsorge) nicht befugt, Verfügungen betreffend die Beitragspflicht oder -erhebung zu erlassen (vgl. BGE 138 V 32 E. 4.2). Dementsprechend hat das kantonale Gericht für die Beurteilung der Verjährung zu Recht Art. 41 Abs. 2 BVG herangezogen.

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Considérants 6 7 8

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ATF: 138 V 32, 150 V 120, 149 V 21, 148 V 373 suite...

Article: art. 20 al. 3 LSE, art. 48c al. 2 OSE, art. 41 al. 2 LPP, Art. 20 AVG suite...