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Urteilskopf

151 IV 65


9. Auszug aus dem Urteil der II. strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern und Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern (Beschwerde in Strafsachen)
7B_958/2024 vom 27. November 2024

Regeste

Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB; Halbgefangenschaft; Begriff der Arbeit.
Der Begriff der Arbeit im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB umfasst sowohl unselbständige als auch selbständige Tätigkeiten. Verlangt wird in jedem Fall eine Erwerbstätigkeit. Abgrenzung zur blossen Liebhaberei (E. 2.2.4). Da der Eintritt des AHV-Rentenalters keinen Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit hat, rechtfertigt es sich nicht, pensionierten Personen die Gewährung der Halbgefangenschaft pauschal mit Verweis auf die Erreichung des AHV-Rentenalters zu verweigern (E. 2.2.5). Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall (E. 2.4).

Sachverhalt ab Seite 66

BGE 151 IV 65 S. 66

A. Am 3. September 2021 verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern A. (geboren 1955) wegen Veruntreuung, Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung und mehrfacher Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten, davon 10 Monate unbedingt. Auf ihre Berufung hin reduzierte das Kantonsgericht Luzern die Freiheitsstrafe am 5. Oktober 2022 auf 2 Jahre und 9 Monate, davon 9 Monate unbedingt. Das Bundesgericht wies eine von A. dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 6B_194/2023 vom 25. September 2023 ab, soweit es darauf eintrat.

B. Mit Gesuch vom 22. Februar 2024 beantragte A., den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe in der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft verbüssen zu dürfen.
Der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern (VBD) wies das Gesuch mit Entscheid vom 22. April 2024 ab.
Das Kantonsgericht Luzern wies eine von A. dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 16. Juli 2024 ab und auferlegte ihr die Verfahrenskosten.

C. Dagegen gelangt A. mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts vom 16. Juli 2024 sei aufzuheben und ihr sei der Vollzug ihrer Freiheitsstrafe in Form der Halbgefangenschaft zu gewähren. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung zurückzuweisen. A. ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung sowie der aufschiebenden Wirkung.
Mit Verfügung des Präsidenten der II. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Oktober 2024 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht hat antragsgemäss die vorinstanzlichen Akten beigezogen, jedoch keine Vernehmlassung eingeholt.
BGE 151 IV 65 S. 67
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Umstritten ist vorliegend einzig, ob die Tätigkeiten der sich im Rentenalter befindlichen Beschwerdeführerin (Bewirtschaftung eines Onlineshops, Besuche von Messen, Organisieren von Seminaren sowie Verfassen von Kochbüchern) den Strafvollzug in Form der Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) erlauben. Die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Vollzugsform sind unbestritten und erfüllt. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) erreichen bzw. überschreiten die von der Beschwerdeführerin verfolgten Tätigkeiten das Mindestmass von 20 Stunden pro Woche. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass ihre Tätigkeiten als Arbeit im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB zu qualifizieren seien, wobei sie von einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgeht.

2.2

2.2.1 Gemäss Art. 77b Abs. 1 StGB kann auf Gesuch des Verurteilten hin eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 12 Monaten oder eine nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibende Reststrafe von nicht mehr als sechs Monaten in der Form der Halbgefangenschaft vollzogen werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte flieht oder weitere Straftaten begeht (lit. a), und der Verurteilte einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgeht (lit. b).

2.2.2 Mit der Halbgefangenschaft sollen der mit der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oft einhergehende Verlust der bisherigen Arbeitsstelle oder des Ausbildungsplatzes und die damit verbundene Desintegration aus der Arbeitswelt verhindert werden (vgl. BGE 150 IV 277 E. 2.3.10; BGE 145 IV 10 E. 2.2.1; Urteil 7B_942/2024 vom 22. Oktober 2024 E. 2.2; BAECHTOLD/WEBER/HOSTETTLER, Strafvollzug, 3. Aufl. 2016, S. 139; BENJAMIN F. BRÄGGER, Halbgefangenschaft, in: Das schweizerische Vollzugslexikon, Von der vorläufigen Festnahme zur bedingten Entlassung, Benjamin F. Brägger [Hrsg.], 2. Aufl. 2022, S. 316; CORNELIA KOLLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019, N. 2 zu Art. 77b StGB). Diese Vollzugsform ist somit spezialpräventiv ausgerichtet (BGE 150 IV 277 E. 2.3.10). Dabei setzt der Verurteilte seine Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung
BGE 151 IV 65 S. 68
ausserhalb der Anstalt fort und verbringt die Ruhe- und Freizeit in der Anstalt (Art. 77b Abs. 2 StGB).

2.2.3 Aus dem Wortlaut von Art. 77b Abs. 2 StGB ergibt sich, dass die Arbeitsstelle, der Ausbildungsplatz oder die Beschäftigung bereits vor, spätestens beim Strafantritt vorhanden sein muss; denn was nicht bereits vorhanden ist, kann nicht fortgesetzt werden (BRÄGGER, a.a.O., S. 319; KOLLER, a.a.O., N. 10 zu Art. 77b StGB; vgl. betreffend Art. 79b Abs. 2 lit. c StGB: SOPHIE WERNINGER, Die elektronische Überwachung [Art. 79b StGB], ZStrR 136/2018 S. 230).

2.2.4 Der Begriff der "Arbeit" im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB umfasst sowohl unselbständige als auch selbständige Tätigkeiten (vgl. BRÄGGER, a.a.O., S. 318; KOLLER, a.a.O., N. 11 zu Art. 77b StGB; vgl. betreffend Art. 79b Abs. 2 lit. c StGB: WERNINGER, a.a.O., S. 230 f.). Verlangt wird in jedem Fall eine Erwerbstätigkeit (vgl. BRÄGGER, a.a.O., S. 318; KOLLER, a.a.O., N. 11 zu Art. 77b StGB), d.h. eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit. Ob eine solche Tätigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil 9C_613/2023 vom 22. Januar 2024 E. 4.3; 9C_606/2022 vom 6. Juni 2023 E. 4.3).
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist im Allgemeinen als unselbständig erwerbstätig zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt (BGE 149 V 57 E. 6.3; BGE 146 V 139 E. 3.1; BGE 144 V 111 E. 4.2). Für eine selbständige Erwerbstätigkeit ist hingegen die Tätigkeit einer natürlichen Person kennzeichnend, mit der diese auf eigenes Risiko, unter Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, in einer von ihr frei gewählten Arbeitsorganisation, dauernd oder vorübergehend, haupt- oder nebenberuflich, in jedem Fall aber mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt (BGE 125 II 113 E. 5b; Urteile 9C_541/2023 vom 20. August 2024 E. 2.1; 9C_606/ 2022 vom 6. Juni 2023 E. 4.2; 2C_827/2021 / 2C_850/2021 vom 28. September 2022 E. 4.2; vgl. dazu auch BGE 149 V 57 E. 6.4; BGE 143 V 177 E. 3.3). Die erforderliche Gewinnstrebigkeit setzt sich aus der generellen Gewinneignung des Vorgehens (objektives Element) und der individuellen Gewinnerzielungsabsicht der betreffenden Person (subjektives Element) zusammen (BGE 143 V 177 E. 4.2.2; BGE 138 II 251 E. 4.3.3; Urteile 9C_613/2023 vom 22. Januar 2024 E. 4.2; 2C_339/2020 vom 5. Januar 2021 E. 7.3.2); ohne
BGE 151 IV 65 S. 69
Gewinnstrebigkeit liegt blosse Liebhaberei vor (Urteile 9C_541/2023 vom 20. August 2024 E. 2.1; 9C_613/2023 vom 22. Januar 2024 E. 4.2).
Die selbständige Erwerbstätigkeit erfordert Gewinnstrebigkeit, verlangt aber nicht, dass eine Gewinnsituation tatsächlich eintritt (Urteile 2C_917/2021 vom 13. Dezember 2022 E. 2.2.2; 2C_864/2021 vom 7. Juli 2022 E. 4.1; 2C_495/2019 vom 19. Juni 2020 E. 2.2.2). Wird eine üblicherweise erwerbliche (d.h. auf die Erzielung von Einkommen gerichtete) Tätigkeit aber auf Dauer ohne Gewinn ausgeübt, so lässt das Ausbleiben des finanziellen Erfolges regelmässig auf das Fehlen erwerblicher Zielsetzung schliessen; denn wer wirklich eine Erwerbstätigkeit ausübt, wird sich in der Regel nach längeren beruflichen Misserfolgen von der Zwecklosigkeit seines Unterfangens überzeugen und die betreffende Tätigkeit aufgeben (BGE 143 V 177 E. 3.3.2; Urteile 2C_864/2021 vom 7. Juni 2022 E. 4.1; 2C_495/ 2019 vom 19. Juni 2020 E. 2.2.3). Der Zeitraum, innert welchem zwingend Gewinne zu erwirtschaften sind, damit noch von einer Gewinnerzielungsabsicht ausgegangen werden kann, lässt sich nicht generell festlegen. Auch bei der im Steuerrecht mitunter herangezogenen 10-Jahres-Frist handelt es sich nur um eine grobe Faustregel. Im Einzelfall sind die Art der Tätigkeit und die konkreten Verhältnisse (wie beispielsweise die Gegebenheiten am Markt) entscheidend (BGE 143 V 177 E. 4.2.4; Urteile 2C_864/2021 vom 7. Juni 2022 E. 4.1; 2C_360/2021 vom 8. Dezember 2021 E. 2.1.3; 2C_495/2019 vom 19. Juni 2020 E. 2.2.3).

2.2.5 Aus der bereits dargelegten Zwecksetzung der Halbgefangenschaft ergibt sich, dass diese Vollzugsform die Verhinderung einer Desintegration aus der Arbeitswelt bezweckt (vgl. oben E. 2.2.2).
Zwar hat der Eintritt des AHV-Rentenalters einen Einfluss auf die Erwerbstätigkeit, da diese in der Regel aufgegeben wird (vgl. BGE 149 V 224 E. 6.1.3 mit Hinweis). Mit dem Eintritt des AHV-Rentenalters folgt jedoch nicht zwingend, dass eine Person nicht mehr in der Arbeitswelt integriert wäre, so dass der mit der Halbgefangenschaft verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werde könnte. Vielmehr können und dürfen auch pensionierte Personen eine Erwerbstätigkeit (weiterhin) ausüben, da der Eintritt des AHV-Rentenalters keinen Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit hat (vgl. BGE 149 V 224 E. 6.1.3). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich nicht, pensionierten Personen die Gewährung der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft nach Art. 77b StGB pauschal mit Verweis auf die
BGE 151 IV 65 S. 70
Erreichung des AHV-Rentenalters zu verweigern. Vielmehr ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob bei ihnen das Vorliegen einer Arbeit oder einer geregelten Beschäftigung im Sinne von Art. 77b StGB (weiterhin) gegeben ist.

2.3 Die Vorinstanz erwägt, das Nettoeinkommen, welches die Beschwerdeführerin mit ihren Tätigkeiten erziele, lasse sich nicht genau bestimmen. Sie habe keine nachvollziehbare Aufstellung über ihre Einnahmen und Ausgaben vorgelegt. Aus den von ihr eingereichten Bankunterlagen lasse sich eruieren, dass die Beschwerdeführerin aus ihren Tätigkeiten im Zeitraum von Anfang März 2019 bis Mitte März 2024 durchschnittliche monatliche Bruttoeinnahmen in Höhe von rund Fr. 500.- erzielt habe. Im Zeitraum von Anfang März 2023 bis Mitte März 2024 habe sie überdies monatliche Bruttoeinnahmen in Höhe von rund EUR 170.- erzielt. In den Steuererklärungen für die Jahre 2020 und 2021 habe die Beschwerdeführerin ein Jahreseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 6'227.16 bzw. Fr. 4'688.- deklariert; in der Ermessensveranlagung für das Jahr 2022 habe das Steueramt ein steuerbares jährliches Erwerbseinkommen von Fr. 1'000.- berücksichtigt. Der letzten Neuberechnung der Ergänzungsleistungen sei ein anrechenbares Jahreseinkommen von Fr. 800.- zu entnehmen, welches unter dem jährlichen Freibeitrag von Fr. 1'000.- liege. Der VBD gehe in seinem Entscheid von durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinnahmen von rund Fr. 800.- aus, was von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt werde. Sie anerkenne, dass sie keinen grossen Umsatz erziele.
Nach der Vorinstanz handelt es sich bei den angegebenen Grössen um die Bruttoeinnahmen, von denen zur Ermittlung des Gewinns - und damit des eigentlichen Einkommens der Beschwerdeführerin - noch die Auslagen abzuziehen seien. Die Beschwerdeführerin gestehe ein, dass sie aktuell keinen Gewinn erziele. Ihre Auslagen seien damit höher als die Einnahmen. Die Beschwerdeführerin lege nicht substanziiert dar und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, weshalb sich der finanzielle Erfolg ihrer Tätigkeiten in absehbarer Zukunft erheblich verbessern sollte. Sie gehe den Tätigkeiten, die sie im Rahmen der Halbgefangenschaft weiterführen möchte, bereits seit bald fünf Jahren nach, ohne dass sich eine Verbesserung der Gewinnlage abzeichnen würde. Von einer Tätigkeit, die sich erst gerade im Aufbau befinde, könne zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr gesprochen werden.
BGE 151 IV 65 S. 71
Gemäss der Vorinstanz besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der von der Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeiten aufgewendeten Zeit und dem wirtschaftlichen Erfolg. Die Beschwerdeführerin sei seit bald fünf Jahren wöchentlich 20 oder mehr Stunden mit ihren Tätigkeiten beschäftigt und erziele dabei keinen Gewinn, sondern schreibe gar einen Verlust. Damit fehle es ihren Tätigkeiten am Gewinnstreben. Entsprechend seien die Tätigkeiten, wegen denen die Beschwerdeführerin um Halbgefangenschaft ersuche, als blosse Liebhabereien und nicht als selbständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Entsprechende Tätigkeiten können gemäss der Vorinstanz nicht unter den Begriff der Arbeit im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB subsumiert werden.

2.4

2.4.1 Es ist zunächst entgegen der Beschwerde nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz im Rahmen von Art. 77b StGB zur Abgrenzung zwischen selbständiger Erwerbstätigkeit und blosser Liebhaberei auf die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung verweist. Der Terminus "selbständige Erwerbstätigkeit" ist ein steuerrechtlicher Begriff (BGE 125 II 113 E. 5b). Es rechtfertigt sich daher, zum Zwecke der Auslegung dieses Begriffs auf die einschlägige bundesgerichtliche Praxis zurückzugreifen (vgl. oben E. 2.2.4).

2.4.2 Der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin im Rentenalter befindet, steht der Gewährung der Halbgefangenschaft nicht per se entgegen (vgl. oben E. 2.2.5). Entscheidend ist vielmehr, ob die von ihr ausgeübten Tätigkeiten als selbständige Erwerbstätigkeit und damit als "Arbeit" im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB oder als blosse Liebhaberei zu qualifizieren sind. Nicht weiter zu untersuchen ist, ob die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin als "Beschäftigung" im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB zu betrachten wären. Einerseits vertritt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht einzig die These, dass ihre Tätigkeiten als "Arbeit" zu qualifizieren seien (vgl. oben E. 2.1). Andererseits setzt sie sich in ihrer Beschwerde nicht mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinander, mit welchen das Vorliegen einer "Beschäftigung" im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB verneint wurde. Darauf ist mangels hinreichender Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht einzutreten.

2.4.3 Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb sie nach Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls bei der Beschwerdeführerin das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit verneint
BGE 151 IV 65 S. 72
und von blosser Liebhaberei ausgeht (vgl. oben E. 2.3). Dabei wendet sie zutreffend die Kriterien an, die von der bundesgerichtlichen Praxis entwickelt worden sind (vgl. oben E. 2.2.4).
Die Beschwerdeführerin bestreitet vor Bundesgericht nicht, dass das Nettoeinkommen, welches sie mit ihren Tätigkeiten erzielt, sich nicht genau bestimmen lässt. Ebenso wenig stellt sie in Abrede, dass sie mit ihren Tätigkeiten keinen grossen bzw. nur einen geringen Umsatz generiert. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen, die unangefochten geblieben und folglich für das Bundesgericht bindend sind (Art. 105 Abs. 1 BGG), erzielt die Beschwerdeführerin mit ihren Tätigkeiten keinen Gewinn, da ihre Auslagen höher sind als die Einnahmen. Gemäss der Vorinstanz gibt es keine Anhaltspunkte, dass sich der finanzielle Erfolg dieser Tätigkeiten in absehbarer Zukunft erheblich verbessern sollte.
Die Beschwerdeführerin geht nach den vorinstanzlichen Feststellungen diesen Tätigkeiten bereits seit fünf Jahren nach, ohne dass sich eine Verbesserung der Gewinnlage abzeichnen würde. Von einer Tätigkeit, die sich erst gerade im Aufbau befinde, kann gemäss der Vorinstanz zum heutigen Zeitpunkt nicht die Rede sein. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang ausführt, eine Verbesserung der Gewinnerzielung sei angesichts der konkreten Umstände zu erwarten bzw. das laufende Strafverfahren und das gegen sie ergangene Strafurteil hätten zu einem Vertrauensverlust bei ihrer Kundschaft geführt, der nur im Rahmen eines längeren Prozesses des Wiederaufbaus behoben werden könne, dann beschränkt sie sich darauf, ihre Sicht der Dinge darzulegen und diese der vorinstanzlichen Würdigung gegenüberzustellen. Ihre Einwände erschöpfen sich in appellatorischer Kritik, auf die nicht einzutreten ist (vgl. BGE 148 IV 356 E. 2.1; BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).

2.4.4 Wenn die Vorinstanz erwägt, bei den von der Beschwerdeführerin eingereichten Steuererklärungen für die Jahre 2020 und 2021, in welchen sie sich als selbständig erwerbstätig bezeichnet und ein daraus fliessendes geringfügiges Einkommen deklariert habe (Fr. 6'227.16 bzw. Fr. 4'688.-), handle es sich um blosse Selbstdeklarationen, dann ist dies nicht zu beanstanden. Eine Steuererklärung stellt als Selbstdeklaration eine blosse Parteibehauptung dar (vgl. Urteile 5A_681/2018 vom 1. Mai 2019 E. 5.2.3; 5A_628/2017 vom 10. April 2018 E. 4.1). Eine "widersprüchliche Argumentation" der Vorinstanz in diesem Punkt ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin weder rechtsgenüglich dargetan noch erkennbar.
BGE 151 IV 65 S. 73

2.4.5 Zusammenfassend verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin verneint und mit dieser Begründung das Gesuch um Vollzug des unbedingten Teils der ausgesprochenen Freiheitsstrafe in der Vollzugsform der Halbgefangenschaft abweist.

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Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

BGE: 143 V 177, 150 IV 277, 149 V 57, 125 II 113 mehr...

Artikel: Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB, Art. 77b StGB, Art. 105 Abs. 1 BGG, Art. 77b Abs. 2 StGB mehr...