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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_339/2022  
 
 
Urteil vom 29. März 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwältin Alexia Renner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2. C.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Tötung, Fahren in fahrunfähigem Zustand 
etc.; Willkür, rechtliches Gehör; Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, 
vom 27. Januar 2022 (SST.2021.124). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
C.________ wird zusammengefasst vorgeworfen, er sei am 8. Dezember 2018 um ca. 13:43 Uhr von Bad Zurzach Richtung Leibstadt losgefahren und habe auf der Fahrt die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren. Er sei über den rechten Fahrbahnrand hinaus auf das Trottoir geraten sowie mit der rechten Fahrzeughälfte auf dem Trottoir mit den dort angebrachten Metallpollern kollidiert. Schliesslich habe er A.A.________ und D.A.________ erfasst. Letztere verstarb noch am Unfallort. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Zurzach sprach C.________ mit Urteil vom 17. März 2021 von Schuld und Strafe frei. Die Zivilforderungen von A.A.________ und B.A.________ verwies es auf den Zivilweg. A.A.________ und B.A.________ erhoben gegen dieses Urteil Berufung. 
 
C.  
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach C.________ mit Urteil vom 27. Januar 2022 von Schuld und Strafe frei (Ziff. 1). C.________ sei hinsichtlich der eingetretenen Unfallfolgen dem Grundsatze nach für den aus dem Betrieb seines Motorfahrzeugs entstandenen Schaden haftbar. Im Übrigen werde die Zivilklage von A.A.________ und B.A.________ auf den Zivilweg verwiesen (Ziff. 2). 
 
D.  
A.A.________ und B.A.________ beantragen mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 27. Januar 2022 sei betreffend Ziffer 1 aufzuheben und C.________ sei im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen. Zudem sei C.________ wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 20 km/h, evt. nach Abzug der Toleranz von 5 km/h um 15 km/h, im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig zu sprechen. C.________ sei angemessen zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.A.________ und B.A.________ stellen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1.  
 
1.1.1. Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Zivilansprüche gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1). Der angefochtene Entscheid kann sich auf die Beurteilung der im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemachten bzw. noch geltend zu machenden Zivilforderungen dann nicht mehr auswirken, wenn das Strafverfahren im Zivilpunkt bereits erledigt ist, weil die Zivilforderungen z.B. rechtskräftig auf den Zivilweg verwiesen wurden (Urteil 6B_1192/2021 vom 26. November 2021 E. 3 mit Hinweisen).  
Im Falle eines Freispruchs des Beschuldigten setzt die Beschwerdeberechtigung der Privatklägerschaft grundsätzlich voraus, dass diese, soweit zumutbar, ihre Zivilansprüche aus strafbarer Handlung im Strafverfahren geltend gemacht hat (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 6B_708/2019 vom 12. November 2019 E. 2.1; je mit Hinweisen), sich mithin im Strafverfahren nicht nur als Strafklägerin (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO), sondern auch als Zivilklägerin (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO) konstituiert hat (Urteile 6B_1192/2021 vom 26. November 2021 E. 3; 6B_1202/2019 vom 9. Juli 2020 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 146 IV 211; je mit Hinweisen). 
 
1.1.2. Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
1.2.  
 
1.2.1. Die Vorinstanz erkannte im Zivilpunkt den Beschwerdegegner 2 hinsichtlich der eingetretenen Unfallfolgen dem Grundsatze nach für den aus dem Betrieb seines Motorfahrzeugs entstanden Schaden haftbar und verwies die Zivilklage der Privatkläger im Übrigen auf den Zivilweg (Dispositivziffer 2 des vorinstanzlichen Urteils). Die Dispositivziffer 2 des angefochtenen Entscheids betreffend den Zivilpunkt fochten die Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht an und ist demzufolge in Rechtskraft erwachsen. Weil das Strafverfahren im Zivilpunkt damit als bereits erledigt zu gelten hat, kann sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der im Strafverfahren dem Grundsatz nach geltend gemachten Zivilforderungen nicht mehr auswirken (vgl. oben E. 1.1). Darauf gehen die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde nicht ein. Sie argumentieren betreffend ihre Beschwerdelegitimation im Wesentlichen nur, sie hätten als Zivil- und Strafkläger im vorliegenden Beschwerdeverfahren Parteistellung und seien zur Beschwerde legitimiert. Der Entscheid könne sich insbesondere auf den Genugtuungsanspruch der Beschwerdeführer auswirken. Ob der Beschuldigte vorsätzlich, fahrlässig oder strafrechtlich schuldlos gehandelt habe, wirke sich auf die Höhe der Genugtuung aus. Ob und inwieweit sich ein rechtskräftiges Strafurteil auf die Zivilforderungen auswirken kann, beurteilt sich indessen namentlich nach Art. 53 OR und ist für die hier zwingend vorausgesetzte Rechtsmittellegitimation nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht relevant (Urteile 6B_532/2020 vom 23. Mai 2022 E. 1.3.4; 6B_92/2019 vom 21. März 2019 E. 4; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer sind folglich in der Sache nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert.  
 
1.2.2. Die Beschwerdeführer erheben keine formellen Rügen, zu deren Vorbringen sie unbesehen der fehlenden Legitimation in der Sache befugt wären (sog. "Star-Praxis"; vgl. vorstehend E. 1.1.2). Insofern die Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügen, stützen sie sich auf eine andere Beurteilung der Sachlage ab. Da es dabei nicht um eine formelle Rechtsverweigerung, sondern im Ergebnis um eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids geht, kann darauf nicht eingetreten werden.  
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten solidarisch (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen der Beschwerdeführer ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. März 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Meier