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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_343/2022  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Berthold Herrmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Stadt Luzern, Pilatusstrasse 22, 6003 Luzern, 
 
1. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Roos, 
2. C.________. 
 
Gegenstand 
aufschiebende Wirkung (Aufenthaltsbestimmungsrecht), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 27. April 2022 (3H 22 32). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der 2009 geborenen B.________ und hat die Alleinsorge inne. Bereits am 30. September 2009 hatte die damalige Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern mit Blick auf die Geburt eine Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB angeordnet. 
Am 10. März 2020 erteilte die KESB der Stadt Luzern der Mutter gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB die Weisung, für sich innert Monatsfrist eine ambulante Psychotherapie zu organisieren. Am 14. April 2020 ernannte sie für B.________ eine neue Beiständin. Mit Schreiben vom 18. März 2021 beantragte diese bei der KESB die Platzierung von B.________ in der Notaufnahme U.________. Darauf ordnete die KESB am 1. April 2021 eine Vertretungsbeistandschaft nach Art. 314abis ZGB an (dazu Urteil 5A_134/2022). 
Vom 8. April 2021 bis Anfang Januar 2022 hielt sich B.________ bei ihrem Vater in Belgien auf. Danach wurde sie von der Mutter gegen den Willen des Vaters in die Schweiz zurückgeholt. In der Folge beantragte der Vater am 17. Januar 2022 die alleinige elterliche Sorge und Obhut. Mit superprovisorischer Verfügung vom 14. Februar 2022 entzog die KESB der Mutter das Aufenthaltsbestimmungrecht über das Mädchen und brachte dieses beim Beschwerdegegner in Belgien unter (dazu Urteil 5A_162/2022). Am 15. März 2022 ordnete die KESB nach Gewährung des rechtlichen Gehörs das Entsprechende mit vorsorglichem Entscheid an, wobei sie einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzog. 
 
B.  
Gegen den vorsorglichen Entscheid erhob die Mutter beim Kantonsgericht Luzern am 25. März 2022 eine Beschwerde, wobei sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verlangte. 
Mit Verfügung vom 27. April 2022 wies das Kantonsgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. 
 
C.  
Gegen diese Verfügung hat die Mutter beim Bundesgericht Beschwerde erhoben mit den Begehren um deren Aufhebung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im kantonalen Beschwerdeverfahren, eventualiter um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beschwerdegegenstand bildet ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die aufschiebende Wirkung (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG). Er ist, da nicht verfahrensabschliessend, ein Zwischenentscheid (vgl. BGE 134 II 192 E. 1.5; Urteil 5A_56/2019 vom 9. Mai 2019 E. 1.1), der nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann, wobei diese in der Beschwerde darzutun sind (BGE 137 III 324 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3). 
Sodann ist der Entscheid über die aufschiebende Wirkung - wie übrigens bereits die zugrunde liegende Hauptsache - eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 134 II 192 E. 1.5; 137 III 475 E. 2; aus den unpublizierten Entscheiden statt vieler: Urteil 5A_815/2019 vom 6. März 2020 E. 2.1), weshalb nur verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden können, wofür das strikte Rügeprinzip gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG gilt und bloss appellatorische Ausführungen ungenügend sind (zu den diesbezüglichen Begründungsvoraussetzungen namentlich BGE 134 II 244 E. 2.2; 142 II 369 E. 2.1; 142 III 364 E. 2.4). 
 
2.  
Die besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG werden in der Beschwerde nicht dargelegt, weshalb sie bereits an den formellen Voraussetzungen scheitert. Im Übrigen wird richtig erkannt, dass vorliegend nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann; indes bleiben die Rügen entweder unsubstanziiert (vgl. E. 4) oder gehen sie inhaltlich an den Erwägungen und insbesondere an der Thematik der angefochtenen Verfügung vorbei (vgl. E. 5 und 6). 
 
3.  
Das Kantonsgericht hat festgehalten, die Beschwerdeführerin unterlasse es, ihren Antrag auf Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung substanziiert zu begründen. Im Übrigen sei die Tochter von ihr im April 2021 überstürzt nach Belgien zum Vater gebracht worden, habe neun Monate in dessen dortiger Familie gelebt, sei zur Schule gegangen, habe sich gut eingelebt und schulisch positiv entwickelt. Wiederum unverhofft habe die Beschwerdeführerin sie am 6. Januar 2022 gegen den Willen des Vaters in die Schweiz zurückgebracht. Seit dem 25. Januar 2022 habe sie hier die Schule besucht, sei aber am 1. Februar 2022 bei der Einwohnerkontrolle noch nicht angemeldet gewesen. Aufgrund des superprovisorischen Entscheides der KESB vom 14. Februar 2022 wohne sie nunmehr wieder beim Vater in Belgien. Die nachträgliche Erteilung der aufschiebenden Wirkung würde sie nach zwei Monaten erneut aus ihrer gewohnten dortigen Umgebung herausreissen und im Zeitpunkt des definitiven Entscheides würde sie je nach Ausgang des Verfahrens wieder nach Belgien zurückkehren. Dies widerspreche dem Kindeswohl. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Sie macht geltend, das Kantonsgericht behaupte einfach, der Antrag auf Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung sei nicht substanziiert begründet worden, statt sich mit der Beschwerdeschrift auseinanderzusetzen. 
Die Rüge bleibt insofern unsubstanziiert, als die Beschwerdeführerin nicht dartut, an welcher Stelle und inwiefern sie ihren Antrag begründet hätte. Eine spezifische Begründung des Antrags ist aus der kantonalen Beschwerdeschrift denn auch nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin vermengt bei ihrer Rüge offensichtlich die Beschwerdebegründung in der Sache und die (gesondert erforderliche) Begründung des prozessualen Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. 
 
5.  
An der Sache vorbei geht sodann die Rüge, es sei ein unparteiisches Gericht vorenthalten worden, indem am 11. März 2022 gegen das verfahrensleitende Behördenmitglied ein Ausstandsgesuch gestellt worden sei: Abgesehen davon, dass das Gesuch wohl in einem anderen Verfahren gestellt worden sein dürfte, weil vorliegend die Beschwerde erst am 25. März 2022 eingereicht wurde, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die angefochtene Verfügung ausschliesslich die Frage der aufschiebenden Wirkung und nicht der Befangenheit von KESB-Mitgliedern zum Gegenstand hat. 
 
6.  
Die im Zusammenhang mit der Rüge, der Grundsatz der Verhältnismässigkeit und das Recht auf Familie würden verletzt, gemachten und direkt die Erwägungen des KESB-Entscheides angreifenden Ausführungen beschlagen die Sache selbst. Bei der angefochtenen Verfügung geht es jedoch nicht um die Frage, wo letztlich der bessere Aufenthaltsort für B.________ ist, sondern ob die aufschiebende Wirkung wieder herzustellen ist mit der Folge, dass das Kind für die Zeit des vor dem Kantonsgericht hängigen Beschwerdeverfahren erneut in die Schweiz zu holen wäre. 
Gleiches gilt für die Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren sowie der Verletzung des Willkürverbotes. Auch hier wird direkt der KESB-Entscheid kritisiert. Indes ist nicht dieser der Gegenstand der angefochtenen Verfügung, sondern wie gesagt vielmehr einzig die Frage der aufschiebenden Wirkung. Mit den diesbezüglichen Erwägungen in der angefochtenen Verfügung setzt sich die Beschwerdeführerin in ihren weitschweifigen Ausführungen nicht spezifisch auseinander; sie hält einzig ganz am Schluss auf S. 18 appellatorisch fest, es sei wenig wahrscheinlich, dass B.________ im Zeitpunkt des definitiven Entscheides wieder nach Belgien zurück müsse. Allein damit sind jedoch keine konkreten Verfassungsverletzungen in Bezug auf die angefochtene Verfügung dargetan. 
 
7.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der KESB Stadt Luzern, B.________, C.________, dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, und dem Openbaar Ministerie, Parket van de Procureur des Konings, Kotrijk, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli