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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_538/2023  
 
 
Urteil vom 7. Februar 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiber Walther. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern, 
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 3. Juli 2023 (5V 22 281). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die IV-Stelle Bern hatte dem 1989 geborenen A.________ bereits verschiedene berufliche und medizinische Massnahmen gewährt bzw. solche auch verweigert, als er sich am 13. Mai 2007 unter Hinweis auf ein psycho-organisches Syndrom erneut zum Leistungsbezug anmeldete. Die IV-Stelle gewährte ihm daraufhin weitere berufliche Massnahmen, wobei die berufliche Erstausbildung (Grundbildung mit Attest als Küchenangestellter) Ende Juli 2007 wegen seines unangepassten Verhaltens abgebrochen wurde. Nachdem A.________ auf den 15. Juni 2009 hin eine Anstellung gefunden hatte, teilte ihm die IV-Stelle Bern am 17. August 2009 mit, er sei rentenausschliessend eingegliedert. Weitere berufliche Massnahmen lehnte sie wegen der Verweigerung der Mitwirkungspflicht seitens des Versicherten ab (Verfügung vom 9. März 2010). Auf dessen neue Anmeldung vom 13. Oktober 2010 hin tätigte die nunmehr zuständige IV-Stelle Luzern (nachfolgend: IV-Stelle) Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht; mit Verfügung vom 10. Oktober 2012 wies sie das Leistungsbegehren ab, weil keine Invalidität vorliege. Auf zwei Neuanmeldungen von A.________ vom 8. Juli 2015 und vom 16. Oktober 2018 trat sie nicht ein (Verfügungen vom 16. Oktober 2015 und vom 11. Februar 2019). Am 14. März 2021 liess A.________ ein Revisions- und Wiedererwägungsgesuch einreichen, welches die IV-Stelle als Neuanmeldung entgegennahm. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen lehnte sie das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 30. Juni 2022 ab, da sich die Verhältnisse seit der Verfügung vom 10. Oktober 2012 nicht verändert hätten. 
 
B.  
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern ab (Urteil vom 3. Juli 2023). 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Urteils sei die Streitsache zur weiteren Sachverhaltsabklärung, insbesondere zur Einholung eines gerichtlichen Gutachtens, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter seien ihm die gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine ganze Rente, eventualiter Integrationsmassnahmen/berufliche Massnahmen zuzusprechen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen BGE 145 V 57 E. 4). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 145 V 188 E. 2; zum Willkürbegriff siehe BGE 147 IV 73 E. 4.1.2 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das vom Beschwerdeführer letztinstanzlich eingereichte Schreiben seiner Lebenspartnerin ist zwar undatiert, nimmt aber Bezug auf das kantonale Urteil. Da es somit nach diesem entstanden ist, kann es als echtes Novum vom Bundesgericht ebenso wenig berücksichtigt werden wie die darauf beruhenden Erläuterungen in der Beschwerde (Art. 99 Abs. 1 BGG; zum Ganzen vgl. BGE 148 V 174 E. 2.2 mit Hinweis).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 30. Juni 2022 verfügte Abweisung des Leistungsbegehrens bestätigte. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Neuanmeldung des Beschwerdeführers nach Gesetz und Rechtsprechung massgebenden Grundlagen richtig dargestellt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
4.  
Im Rahmen einer Würdigung der den Verfügungen vom 10. Oktober 2012 und vom 30. Juni 2022 zugrunde liegenden Akten gelangte die Vorinstanz zum Schluss, dass sich die Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht in relevanter Weise verändert hätten. Gemäss der Verfügung vom 10. Oktober 2012 seien das von ihm anlässlich der beruflichen Abklärungen gezeigte dissoziale Verhalten sowie die emotionale und soziale Unreife nicht auf eine Krankheit zurückzuführen. Trotz der festgestellten Intelligenzminderung bei einem Intelligenzquotienten von 73 hätte in einfachen Tätigkeiten eine volle Arbeitsfähigkeit bestanden. Medizinisch neu hinzugekommen sei in der Zwischenzeit einzig eine Autoimmunhepatitis, die jedoch nach Angaben des behandelnden Arztes unter Therapie stabil eingestellt sei und keine Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit habe. Der Hausarzt des Versicherten habe mit Bericht vom 2. Juli 2021 zwar eine psychische Verschlechterung beschrieben. Er habe aber weder eine psychiatrische Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit gestellt noch eine psychiatrische Behandlung angeordnet. Die vorbestehende Intelligenzminderung sei unverändert und läge auch nicht im krankheitswertigen Bereich. Nachdem sich auch die beruflichen Verhältnisse seit dem 10. Oktober 2012 nicht geändert hätten, liege insgesamt kein Revisionsgrund vor, der zu einer allseitigen neuen Prüfung des Rentenanspruchs führen würde. Eine Wiedererwägung der ursprünglichen Verfügung vom 10. Oktober 2012 nach Art. 53 Abs. 2 ATSG schloss das kantonale Gericht ebenfalls aus. Im Sinne einer Eventualbegründung verneinte es einen Rentenanspruch sodann auch für den Fall, dass ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 ATSG vorliege, da der Beschwerdeführer in einer (intellektuell nicht anspruchsvollen) Tätigkeit nach wie vor zu 100 % arbeitsfähig sei und die beiden Vergleichseinkommen anhand der gleichen Tabelle der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) zu ermitteln wären. Die vom Beschwerdeführer erneut verlangte erstmalige berufliche Ausbildung, so die Vorinstanz, sei in der Vergangenheit schliesslich bereits verschiedentlich versucht worden, aufgrund seines nicht auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung zurückzuführenden Verhaltens jedoch gescheitert. Es seien keine Anzeichen ersichtlich, dass er seine Haltung zu beruflichen Massnahmen grundlegend geändert hätte. 
 
5.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine tatsächlichen Verhältnisse hätten sich nachweislich in anspruchserheblicher Weise verändert. Er vermag indessen nicht aufzuzeigen, inwiefern die gegenteilige, für das Bundesgericht grundsätzlich verbindliche (vgl. vorne E. 1.1) Feststellung der Vorinstanz geradezu willkürlich sein soll. Entgegen seiner Auffassung ist der Umstand, dass er sich aufgrund seiner festen Beziehung mit einer Primarlehrerin und einer ehrenamtlichen Tätigkeit für nachgereift hält, nicht geeignet, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen: Soweit er aus der Nachreife einerseits ableiten will, dass er seine Dissozialität überwunden habe, würde es sich eher um eine Verbesserung als um eine Verschlechterung der Situation handeln, die im Rahmen einer Neuanmeldung nicht anspruchsrelevant wäre. Wenn er andererseits aus der Nachreife den Schluss ziehen möchte, seine Dissozialität sei (nunmehr) pathologisch - und darin wohl eine neu vorliegende, medizinisch begründbare Arbeitsunfähigkeit sehen will -, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn wie die Vorinstanz gestützt auf die medizinischen Akten schlüssig und überzeugend darlegte, sind, mit Ausnahme der unverändert gebliebenen Intelligenzminderung, nach wie vor keine somatischen oder psychischen Beschwerden erstellt, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden. Da von weiteren diesbezüglichen Abklärungen nach willkürfreier Einschätzung keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte das kantonale Gericht ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) oder sonstigen Bundesrechts davon absehen (antizipierte Beweiswürdigung, vgl. BGE 144 V 361 E. 6.5 am Ende). In Bezug auf die vorinstanzliche Feststellung, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das unmotivierte Verhalten bzw. die Arbeitseinstellung des Beschwerdeführers in der Zwischenzeit geändert habe, verweist er schliesslich auf seine zwischenzeitliche Erwerbsbiographie. Entgegen seiner diesbezüglichen Behauptung berücksichtigte die Vorinstanz bei ihrer Würdigung aber sehr wohl, dass er zwischen den Verfügungen vom 10. Oktober 2012 und vom 30. Juni 2022 einige Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Auch in dieser Hinsicht ist keine Willkür auszumachen. 
 
6.  
Nach dem Gesagten verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, indem sie eine wesentliche Änderung der Verhältnisse des Beschwerdeführers und damit auch das Vorliegen eines Revisionsgrunds verneinte. 
 
7.  
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung eines Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid zu erledigen (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, ist sie als aussichtslos im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG zu bezeichnen (vgl. Urteil 8C_439/2022 vom 13. Dezember 2022 E. 6 mit Hinweis). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist daher abzuweisen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. Februar 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Walther