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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_108/2024  
 
 
Urteil vom 3. April 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiberin Stanger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, vertreten durch B.A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6003 Luzern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Luzern und direkte Bundessteuer; Steuerperiode 2021, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern vom 2. Februar 2024 (7U 23 33). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Steueramt der Stadt Luzern setzte mit Veranlagungsverfügung vom 2. Juni 2022 die Steuerfaktoren der A.A.________ für das Steuerjahr 2021 fest. Mit Schreiben vom 11. November 2023 ersuchte diese um Revision der Veranlagungsverfügung, was vom Steueramt mit Verfügung vom 20. November 2023 abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern mit Entscheid vom 13. Dezember 2023 ab. 
 
B.  
Am 22. Dezember 2023 reichte A.A.________, vertreten durch ihren Sohn B.A.________, Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein und ersuchte gleichzeitig um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Verfügung vom 2. Februar 2024 wies das Kantonsgericht Luzern das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. 
 
C.  
A.A.________ lässt durch ihren Sohn B.A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit den Rechtsbegehren, die Verfügung vom 2. Februar 2024 sei aufzuheben und die unentgeltliche Rechtspflege sei "im beantragten Umfang (keine amtlichen Kosten, Bezahlung meiner Kosten und derjenigen von rechtlicher Beratung) " zu gewähren; eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Eine selbständig eröffnete Verfügung, mit welcher im vorinstanzlichen Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung abgewiesen wird, stellt praxisgemäss einen Zwischenentscheid dar, der geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken (BGE 133 IV 335 E. 4). Auf die Beschwerde, die sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im kantonalen Verfahren richtet, ist daher einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) behandelt es jedoch grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 148 V 366 E. 3.1; 147 I 73 E. 2.1; 145 V 57 E. 4.2; je mit Hinweisen). Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 144 V 388 E. 2; 140 III 115 E. 2). Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 141 V 416 E. 4; 133 II 396 E. 3.1).  
 
3.  
 
3.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es den Anspruch der Beschwerdeführerin auf unentgeltliche Rechtspflege wegen fehlender Bedürftigkeit und wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels verneinte.  
 
3.2. Das kantonale Gericht hat seinen Entscheid auf § 204 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; SRL Nr. 40) gestützt, mithin auf kantonales (Verfahrens-) Recht. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass diese Norm inhaltlich über den verfassungsmässigen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hinausgehe.  
 
3.3. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Die unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, auch der bedürftigen Partei den Zugang zum Gericht und die Wahrung ihrer Parteirechte zu ermöglichen (BGE 135 I 1 E. 7.1 mit Hinweisen). Dabei handelt es sich um eine bundesverfassungsrechtliche Minimalgarantie, die greift, wenn der kantonale oder kommunale Rechtsschutz nicht ausreicht (BGE 141 I 70 E. 5.2).  
 
3.4. Eine Partei, welche die erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur bezahlen kann, wenn sie die Mittel angreift, die sie zur Deckung des Grundbedarfs für sich und ihre Familie benötigt, gilt nach der Rechtsprechung als bedürftig (BGE 144 III 531 E. 4.1; 125 IV 161 E. 4a; Urteil 2C_489/2021 vom 27. September 2021 E. 3.2). Es obliegt grundsätzlich der gesuchstellenden Partei, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen. Gegebenenfalls hat die Behörde Rechtsuchende auf die Angaben hinzuweisen, die sie zur Beurteilung des Gesuchs benötigt (BGE 120 Ia 179 E. 3a; Urteil 2C_955/2019 vom 29. Januar 2020 E. 4.3).  
 
4.  
 
4.1. Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung verfügt die Beschwerdeführerin über anrechenbare Einkünfte von monatlich Fr. 6'775.70 (Rente der Pensionskasse: Fr. 4'385.70; AHV-Rente: Fr. 2'390.-). Diesen Einkünften stellte das kantonale Gericht anrechenbare Ausgaben von monatlich Fr. 3'551.24 gegenüber (Grundbetrag für Alleinstehende: Fr. 1'200.-; zivilprozessualer Zuschlag: Fr. 240.-; Mietzins inkl. Nebenkosten: Fr. 742.05; Krankenkassenprämien: Fr. 449.65; Franchise und Selbstbehalt: Fr. 157.79; Schulden: Fr. 18.42; Anteil Steuern: Fr. 743.33). Daraus resultierte ein Überschuss von Fr. 3'224.46. Nicht zu den Einkünften gezählt hat die Vorinstanz eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittleren Grades in der Höhe von monatlich Fr. 613.-.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Zunächst macht die Beschwerdeführerin geltend, das kantonale Gericht habe ihre Vorbringen zu den anrechenbaren Auslagen nur ungenügend geprüft und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) fliessende Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen, verlangt nicht, dass sich diese mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt; vielmehr genügt es, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt (BGE 142 III 433 E. 4.3.2 mit Hinweisen). Diesen Anforderungen genügt die vorinstanzliche Verfügung, hat das kantonale Gericht darin doch dargelegt, wie sich der von ihm ermittelte prozessuale Notbedarf im Einzelnen zusammensetzt. Insbesondere machte das kantonale Gericht auch Ausführungen dazu, inwieweit Pflegekosten beim Notbedarf angerechnet werden können.  
 
4.2.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet den vom kantonalen Gericht ermittelten prozessualen Notbedarf von Fr. 3'551.24 und macht geltend, folgende Positionen seien zusätzlich zu berücksichtigen: Löhne: Fr. 2'281.83; Training: Fr. 660.-; medizinische Massagen: Fr. 573.75; Abschreibungen: Fr. 220.98; Physiotherapie: Fr. 275.-; Deckungsbeiträge Fr. 984.17. Dies ergebe einen prozessualen Notbedarf von Fr. 8'546.97 und somit - unter Einbezug eines anrechenbaren Einkommens von Fr. 6'775.70 - ein Manko von Fr. 1'771.27.  
 
4.2.2.1. Soweit die Beschwerdeführerin Auslagen für Training resp. Instruktionen zur Erhaltung der Selbstständigkeit, medizinische Massagen und Physiotherapie geltend macht, legt sie nicht rechtsgenüglich dar (vgl. E. 2), weshalb diese zu den anrechenbaren Auslagen gehören sollen. Insbesondere belegt sie nicht, dass dieser Aufwand medizinisch begründet wäre. Weiter fehlt in der Beschwerdeschrift jede Begründung dafür, weshalb beim prozessualen Notbedarf ein Aufwand für sog. Abschreibungen und Deckungsbeiträge angerechnet werden sollte. Darauf ist nicht näher einzugehen.  
 
4.2.2.2. Im Weiteren macht die Beschwerdeführerin Löhne von monatlich Fr. 2'281.83 (unter anderem an ihren Sohn) für Pflegeleistungen geltend. Hierzu ist zu bemerken, dass die Beschwerdeführerin gemäss unbestrittener vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung über eine - bei den Einkünften nicht zu berücksichtigende - Hilflosenentschädigung von monatlich Fr. 613.- verfügt. Diese ist bei der Finanzierung der geltend gemachten Löhne anzurechnen, dient die Hilflosenentschädigung doch gerade dazu, Kosten abzudecken, die einer versicherten Person entstehen, weil sie aufgrund von Hilflosigkeit Dritte zur Bewältigung des täglichen Lebens beiziehen muss (vgl. Art. 43bis AHVG; Art. 9 ATSG). Ob der nach Abzug der Hilflosenentschädigung verbleibende Betrag von Fr. 1'668.83 beim prozessualen Notbedarf anrechenbar ist, muss nicht abschliessend geprüft werden, da selbst bei Bejahung dieser Frage ein Überschuss von monatlich Fr. 1'555.63 resultieren würde.  
 
4.2.3. Zusammenfassend hat das kantonale Gericht Art. 29 BV nicht verletzt, als es die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin verneinte. Nachdem es an der Bedürftigkeit fehlt, braucht die - kumulative - Voraussetzung der fehlenden Aussichtslosigkeit nicht geprüft zu werden. Damit besteht auch keine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung. Es liegt somit keine Verfassungsverletzung vor, wenn das kantonale Gericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen hat. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.  
Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG), womit das (sinngemässe) Gesuch um unentgeltliche Prozessführung für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos wird. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist wegen aussichtsloser Beschwerdeführung abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es an der Beschwerdeführerin gewesen wäre, rechtzeitig eine anwaltliche Vertretung zu suchen, wohingegen es ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 41 Abs. 1 BGG nicht Aufgabe des Bundesgerichts ist, entsprechende Kontakte zu vermitteln (vgl. Urteil 9C_593/2022 vom 26. Januar 2023). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Dienststelle Steuern des Kantons Luzern und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. April 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger