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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_336/2010 
 
Urteil vom 28. September 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Raselli, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Christen. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Advokat Marco Crisante, 
 
gegen 
 
Bundesamt für Migration, Sektion Bürgerrecht, Quellenweg 6, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 28. Mai 2010 
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III. 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ stammt aus dem Kosovo. Im Oktober 1995 gelangte er in die Schweiz und heiratete am 2. Mai 1997 eine Schweizer Bürgerin. Am 25. April 2000 ersuchte er um erleichterte Einbürgerung. 
Die Ehegatten unterzeichneten am 26. Februar 2002 eine Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse zusammen leben und weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestehen. Sie nahmen zur Kenntnis, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich ist, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr besteht. 
Am 15. April 2002 wurde X.________ erleichtert eingebürgert und erwarb das Schweizer Bürgerrecht. 
 
B. 
Am 1. September 2002 meldete sich X.________ an der ehelichen Wohnadresse ab und alleine an einer neuen Adresse in der gleichen Stadt an. Ende 2002 befand er sich in Serbien in Haft zur Verbüssung einer sechsjährigen Freiheitsstrafe. Ende Dezember 2002 oder anfangs Januar 2003 beantragte die Ehefrau Eheschutzmassnahmen und klagte im Mai 2004 auf Scheidung. Am 1. November 2005 wurde die Ehe geschieden. 
 
C. 
Das Bundesamt für Migration teilte X.________ am 28. November 2006 mit, es erwäge die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung. 
Am 12. April 2007 erklärte das Bundesamt die erleichterte Einbürgerung für nichtig. Die Verfügung ging X.________ am 18. April 2007 zu. 
 
D. 
Gegen die Verfügung des Bundesamtes führte X.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, welches diese mit Urteil vom 28. Mai 2010 abwies. 
 
E. 
X.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. 
Das Bundesamt beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
F. 
Mit Verfügung vom 10. August 2010 hat das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Das angefochtene Urteil der Vorinstanz betrifft die Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung gestützt auf das Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG; SR 141.0). Die Ausnahme der ordentlichen Einbürgerung gemäss Art. 83 lit. b BGG erstreckt sich nicht auf die Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung (Urteil 1C_578/2008 vom 11. November 2009 E. 1.1). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist deshalb gegeben. 
 
1.2 Vorinstanz ist das Bundesverwaltungsgericht. Gegen dessen Urteil ist die Beschwerde zulässig (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). 
 
1.3 Der Beschwerdeführer hat sich am Verfahren vor der Vorinstanz beteiligt. Seine Legitimation ist zu bejahen (Art. 89 Abs. 1 BGG). 
 
1.4 Das angefochtene Urteil schliesst das Verfahren ab. Es handelt sich um einen Endentscheid, gegen welchen die Beschwerde gemäss Art. 90 BGG zulässig ist. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 41 Abs. 1 BüG. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz, habe das Bundesamt die fünfjährige Verwirkungsfrist zur Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung nicht eingehalten. 
 
2.2 Gemäss Art. 41 Abs. 1 BüG und Art. 14 Abs. 1 der Organisationsverordnung vom 17. November 1999 für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (SR 172.213.1) kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. 
 
2.3 Die erleichterte Einbürgerung erfolgte mit Verfügung vom 15. April 2002, welche an demselben Tag zur Versendung gelangte. Die Verfügung des Bundesamtes betreffend Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung datiert vom 12. April 2007. Gleichentags wurde sie vom Bundesamt per Fax an die Botschaft in Belgrad übermittelt. Auf der Verfügung befindet sich eine Stempelung mit dem Ausgangsdatum vom 13. April 2007. Die Fax-Ausfertigung der Verfügung nahm der Beschwerdeführer am 18. April 2007 in Empfang. 
 
2.4 Die Vorinstanz erwog, das Bundesamt habe die Frist eingehalten. Die Behörde müsse über den gesamten zeitlichen Handlungsspielraum verfügen können, den ihr das Gesetz einräume. Bei der Eröffnung einer Verfügung durch postalische Zustellung komme es deshalb nicht auf das Eröffnungsdatum an, sondern auf das Ausstellungs- oder Versanddatum. Ansonsten ginge der vom Adressaten beeinflussbare Zustellvorgang auf Kosten des zeitlichen Handlungsspielraums der Behörde. Zur Begründung ihrer Auffassung verwies die Vorinstanz auf das Urteil des Bundesgerichts 5A.3/2002 vom 29. April 2002 E. 3 (angefochtenes Urteil E. 6.2 und E. 6.3). 
 
3. 
3.1 Nach Art. 20 Abs. 1 VwVG beginnt eine mitteilungsbedürftige nach Tagen berechnete Frist an dem auf ihre Mitteilung folgenden Tag zu laufen. Ist die Frist nach Monaten oder Jahren bestimmt, endet sie nach der Rechtsprechung an dem Tag, der jenem des Beginns des Fristenlaufs entspricht, bei dessen Fehlen am letzten des Monats (Urteil 1C_421/2008 vom 15. Dezember 2008 E. 2.2; Urs Peter Cavelti in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, N. 41 zu Art. 20 VwVG). 
Die Einbürgerungsverfügung datiert vom 15. April 2002 und gelangte gleichentags zur Versendung. In welchem Zeitpunkt sie dem Beschwerdeführer zugegangen ist, ist nicht bekannt. Zu seinen Gunsten ist deshalb davon auszugehen, dass sie ihm am Tag darauf, dem 16. April 2002, zuging. Die fünfjährige Verwirkungsfrist nach Art. 41 Abs. 1 BüG begann demnach am nächstfolgenden Tag, dem 17. April 2002, zu laufen und endete am 17. April 2007. 
 
3.2 Strittig ist, ob es zur Einhaltung der fünfjährigen Frist genügte, dass das Bundesamt die Verfügung erliess und versandte oder ob nicht auch deren Notifikation innert Frist notwendig gewesen wäre. 
Das von der Vorinstanz erwähnte Urteil 5A.3/2002 vom 29. April 2002 ist nicht einschlägig. Das Bundesgericht hatte zu entscheiden, ob zur Einhaltung der Verwirkungsfrist auf die Rechtskraft eines (letztinstanzlichen) Entscheids abzustellen sei oder auf das Tätigwerden der erstinstanzlichen Behörde. Es erwog, wo das Gesetz einer Behörde die Möglichkeit einräume, durch rechtliche Vorkehren bestimmte Rechtswirkungen zu erzielen oder - wie hier nach Art. 41 Abs. 1 BüG - rückgängig zu machen, sei zur Einhaltung einer solchen Verwirkungsfrist nicht auf die Rechtskraft eines (letztinstanzlichen) Entscheids abzustellen, sondern müsse das Tätigwerden der erstinstanzlich zuständigen Behörde genügen. Nur so sei gewährleistet, dass der Behörde der vollständige zeitliche Handlungsspielraum zur Verfügung stehe (E. 3b). Hingegen hatte das Bundesgericht die hier zur Diskussion stehende Frage nicht zu beurteilen. Im Urteil 1C_421/2008 vom 15. Dezember 2008 entschied es, zur Einhaltung der Verwirkungsfrist genüge die Notifikation der Nichtigkeitsverfügung (E. 2.3), ohne dies näher zu begründen, da die Frage nicht entscheidwesentlich war. 
 
3.3 Analog den meisten privatrechtlichen Willenserklärungen ist auch die eine bestimmte Person betreffende Verfügung empfangs- bzw. mitteilungsbedürftig (Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, 1990, Nr. 84 I. lit. a; BGE 105 III 43 E. 2a S. 45). Zu den Obliegenheiten der verfügenden Behörde gehört deshalb nicht nur der Versand einer Verfügung, sondern auch deren Zustellung, die in der Regel mittels einer Hilfsperson (z.B. Post, Kurier, etc.) erfolgt, aber als notwendige Amtshandlung der Behörde zugerechnet wird (Urteil 1C_85/2010 vom 4. Juni 2010 E. 1.4.3). Muss eine Verfügung innert einer Frist wirksam werden, muss sie daher - nicht anders als das bei privatrechtlichen, empfangsbedürftigen Willenserklärungen der Fall ist (dazu: Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 9. Auflage 2008, Rz. 194 ff.) - innert Frist der betroffenen Person eröffnet werden (Lorenz Kneubühler in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, N. 1 zu Art. 34 VwVG). Eröffnet ist eine Verfügung, wenn sie in den Empfangsbereich des Adressaten gelangt, sodass dieser davon Kenntnis nehmen kann (Urteil 1P.404/2006 vom 12. September 2006 E. 3.2). Es obliegt deshalb der Behörde, die Verfügung innert der fünfjährigen Verwirkungsfrist nicht nur zu erlassen und zu versenden, sondern diese dem Adressaten auch zuzustellen. Daran ändert nichts, dass die Behörde auf die Zeitspanne zwischen Versand und Zugang der Verfügung je nach den Umständen nur beschränkt Einfluss hat und insoweit deren Handlungsspielraum in zeitlicher Hinsicht beeinflusst werden kann. Sie hat sich deshalb entsprechend vorzusehen. 
 
3.4 Die Verfügung ist dem Beschwerdeführer erst am 18. April 2007 zugegangen. Damit wurde sie erst wirksam, nachdem die Frist zur Nichtigerklärung verwirkt war. 
 
4. 
Die Beschwerde ist gutzuheissen und das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben. Damit gilt die Verfügung des Bundesamtes vom 12. April 2007 als aufgehoben. Gerichtskosten sind bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Bund (Bundesamt für Migration) hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung für das Verfahren vor Bundesgericht zu entrichten (Art. 68 BGG). Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2010 aufgehoben. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Der Bund (Bundesamt für Migration) hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu entrichten. 
 
4. 
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 28. September 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Christen