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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_397/2023  
 
 
Urteil vom 19. Februar 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Teuta Imeraj, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (unentgeltliche Rechtspflege), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. März 2023 (IV.2022.00651). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1980 geborene A.________ reiste im Dezember 1999 in die Schweiz ein und übte seither Hilfstätigkeiten als angelernter Dachdecker/Flachdachisoleur aus. Am 3. Oktober 2014 meldete er sich wegen eines Bandscheibenvorfalls bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 30. März 2015 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Rentenanspruch. 
Vom 14. Januar 2016 bis am 13. Oktober 2018 war A.________ wieder als Flachdachisoleur tätig. 
 
A.a. Am 3. August 2018 reichte A.________ unter Hinweis auf Beeinträchtigungen an den Bandscheiben, einen Leistenbruch und eine misslungene Operation erneut ein Leistungsgesuch ein und gab einen Arztbericht des Dr. med. B.________, vom 15. August 2018 zu den Akten. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2018 trat die IV-Stelle auf das Leistungsbegehren nicht ein.  
Vom 20. August bis am 8. November 2019 arbeitete A.________ als Bauarbeiter für die C.________. 
 
A.b. Unter Beilage eines radiologischen Berichts des Schmerz- Rheuma & Osteoporosezentrums D.________ vom 20. November 2019 meldete sich A.________ aufgrund eines zweiten Bandscheibenvorfalls am 23. Dezember 2019 abermals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle trat darauf nicht ein (Verfügung vom 12. März 2020).  
 
A.c. Am 29. November 2021 stellte A.________ ein weiteres Leistungsgesuch. Er wies auf einen zweifachen Bandscheibenvorfall und Kniebeschwerden hin und gab Berichte des Spitals E.________ vom 18. Juni und 16. August 2021 zu den Akten. Nach beruflichen und medizinischen Abklärungen stellte die IV-Stelle die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht, wogegen A.________ Einwand erhob und um unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsverfahren ersuchte. Mit Verfügung vom 13. Juli 2022 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung wies sie in der Folge ab (Verfügung vom 1. Dezember 2022).  
 
B.  
Die gegen die Verfügung vom 1. Dezember 2022 erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 30. März 2023 ab gleichzeitig verneinte es den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für das Beschwerdeverfahren. 
Im Beschwerdefahren um den Anspruch auf eine Invalidenrente erging das Urteil des Sozialversicherungsgerichts am gleichen Tag. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils (IV.2022.00651) sei ihm im Verwaltungsverfahren die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren und ein Aufwand gemäss eingereichter Kostennote von Fr. 2'961.75 zu entschädigen. Ferner sei das vorliegende Verfahren mit dem Verfahren 8C_396/2023 betreffend den Anspruch auf eine Invalidenrente zu vereinen. A.________ ersucht ferner um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Nach Beizug der Akten verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Von der beantragten Vereinigung der Verfahren 8C_396/2023 und 8C_397/2023 ist abzusehen, da diese nicht das nämliche Urteil betreffen und sich auch nicht dieselben Rechtsfragen stellen. Geht es im vorliegenden Verfahren 8C_397/2023 um den Anspruch auf die unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren (vgl. E. 6 unten), stellt sich im parallel laufenden Verfahren 8C_396/2023 die Frage des Anspruchs auf eine Invalidenrente unter neuanmeldungsrechtlichen Gesichtspunkten. Die Voraussetzungen für eine Verfahrensvereinigung sind damit nicht gegeben (BGE 131 V 59 E. 1; 128 V 124 E. 1 mit Hinweisen; Urteile 8C_424/2018 vom 23. Januar 2019 E. 6.1; 8C_861/2014 vom 16. März 2015 E. 1). 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 II 153 E. 1.1 mit Hinweis; 139 V 42 E. 1).  
 
2.2. Ein vorinstanzliches Urteil betreffend die unentgeltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren stellt in der Regel einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG dar (BGE 139 V 600 E. 2.2). Das vorinstanzliche Urteil (IV.2022.00391) betreffend den Rentenanspruch erging jedoch gleichzeitig, weshalb es sich hier um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG handelt (vgl. BGE 144 V 97 E. 1; SVR 2019 IV Nr. 25 S. 75 E. 1, 8C_299/2018). Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
3.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4; Urteil 8C_177/2023 vom 6. Oktober 2023 E. 1). 
 
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist in diesem Verfahren einzig, ob die Vorinstanz zu Recht den Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren verneinte.  
 
3.2. Wo die Verhältnisse es erfordern, wird der gesuchstellenden Person im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt (Art. 37 Abs. 4 ATSG). Kumulative Voraussetzungen für eine solche unentgeltliche Verbeiständung sind Bedürftigkeit, sachliche Gebotenheit der Vertretung sowie Nichtaussichtslosigkeit der Rechtsbegehren (BGE 132 V 200 E. 4.1). Die Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung ist im Verwaltungsverfahren, in welchem der Untersuchungsgrundsatz gilt (Art. 43 ATSG), nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Es müssen sich schwierige Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Natur stellen. Zu berücksichtigen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, Eigenheiten der anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie weitere Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens. Neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts fallen auch bei der versicherten Person liegende Gründe in Betracht, etwa ihre Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden. Des Weiteren muss eine gehörige Interessenwahrung durch Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen ausser Betracht fallen (BGE 125 V 32 E. 4b; SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.3.3). Grundsätzlich geboten ist die Verbeiständung auch, falls ein besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung des Bedürftigen droht; andernfalls bloss, wenn zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen ist (BGE 130 I 182 E. 2.2 mit Hinweisen; Urteil 9C_786/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 5.1).  
Die Frage nach der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren ist rechtlicher Natur und kann als solche vom Bundesgericht frei überprüft werden (SVR 2020 EL Nr. 10 S. 37, 9C_688/2019 E. 3.2; Urteile 8C_202/2023 vom 30. August 2023 E. 2.2.; 9C_786/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 5.1; 9C_757/2017 vom 5. Oktober 2018 E. 5.1). 
 
4.  
Die Vorinstanz hat erwogen, die Rechtsvertreterin habe im Zeitpunkt ihres Eintritts in das Verfahren zum Vorbescheid vom 30. Mai 2022 Stellung nehmen müssen. Besonders schwierige Rechtsfragen hätten sich nicht gestellt. Auch in tatsächlicher (medizinischer) Hinsicht sei kein besonders unübersichtlicher oder komplexer Fall gegeben gewesen. Es seien zur Hauptsache die im Neuanmeldungsverfahren von der IV-Stelle eingeholten - ein übliches Ausmass nicht überschreitenden - Berichte der behandelnden Fachpersonen/Institutionen sowie die Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der IV-Stelle vom 6. Mai 2022 vorgelegen. Die Aktenlage sei auch für einen juristischen Laien überschaubar gewesen, weshalb unter diesem Aspekt die Verbeiständung nicht geboten gewesen sei. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei es insbesondere darum gegangen, die Unrichtigkeit der Beurteilung des RAD vom 6. Mai 2022 darzutun, was nicht als besonders komplex einzustufen sei. Dies müsse umso mehr gelten, als rechtsprechungsgemäss die sachliche Gebotenheit der anwaltlichen Vertretung selbst dort grundsätzlich zu verneinen sei, wo es um die Beurteilung eines medizinischen Gutachtens gehe, was regelmässig komplexer sei. Ebenso wenig begründe der Umstand, dass der Beschwerdeführer rechtsunkundig sei, die Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung bereits im Vorbescheidverfahren. Somit sei eine anwaltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren nicht geboten gewesen. 
 
5.  
Die Einwände des Beschwerdeführers begründen kein anderes Ergebnis. Mangels eines komplexen Verfahrensverlaufs und mit Blick auf die zu beurteilenden medizinischen und rechtlichen Fragestellungen, die - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - nicht als komplex zu bezeichnen sind, ist die vorinstanzliche Verneinung einer gebotenen Rechtsverbeiständung im Verwaltungsverfahren rechtens. Der Hinweis im angefochtenen Urteil ist haltbar, wonach sich der Beschwerdeführer mit dem Beizug von Fach- und Vertrauensleuten sozialer Institutionen oder unentgeltlicher Rechtsberatungsstellen hätte behelfen müssen (vgl. E. 3.2 vorne). Dass der Beschwerdeführer beispielsweise erfolglos um eine solche Unterstützung gebeten hätte, ist nicht aktenkundig und wird auch nicht geltend gemacht. Weshalb hier einzig eine anwaltliche Vertretung die Interessen des Beschwerdeführers hätte gehörig wahren können, zeigt er nicht näher auf. 
Ist in einem Verwaltungsverfahren die rechtliche Relevanz ärztlicher Berichte zu beurteilen, sind in der Regel medizinische Kenntnisse und juristischer Sachverstand erforderlich. Über beides verfügt der Beschwerdeführer nicht, wie er einwendet. Trotzdem kann allein deswegen nicht von einer komplexen Fragestellung gesprochen werden, die eine anwaltliche Vertretung gebieten würde, wie die Vorinstanz bereits zutreffend dargelegt hat (E. 3.2. vorne). Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in praktisch allen Verwaltungsverfahren bejaht werden müsste, in denen medizinische Unterlagen zur Diskussion stehen. Dies würde der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung widersprechen, wie das Bundesgericht wiederholt betont hat (vgl. Urteile 8C_149/2021 vom 18. Mai 2021 E. 5.2; 8C_468/2016 vom 13. September 2016 E. 3.2; 8C_676/2015 vom 7. Juli 2016 E. 7, nicht publ. in: BGE 142 V 342). Es bedarf mithin weiterer Umstände, welche die Sache als nicht (mehr) einfach und eine anwaltliche Vertretung als notwendig oder sachlich geboten erscheinen lassen (SVR 2018 IV Nr. 32 S. 103, 9C_436/2017 E. 3.5; 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.2; Urteil 9C_908/2012 vom 22. Februar 2013 E. 5.2 mit Hinweisen). Solche legt der Beschwerdeführer nicht dar. Damit hält die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es fehle an der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung, vor Bundesrecht stand. 
 
6.  
Anders als der Beschwerdeführer schliesslich beiläufig anzunehmen scheint, hat sich die Vorinstanz auch mit dem Antrag um unentgeltliche Prozessführung im kantonalen Beschwerdeverfahren befasst. In E. 6.1 des angefochtenen Urteils wies sie das entsprechende Gesuch um unentgeltliche Rechtsvertretung infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab. Dagegen bringt der Beschwerdeführer nichts vor, weshalb sich Weiterungen hierzu erübrigen. 
 
7.  
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid erledigt wird. 
 
8.  
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Februar 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla