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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_965/2023  
 
 
Urteil vom 8. Mai 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Yann Moor, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Zweigstelle Flughafen, Prime Center 1, 7. Stock, Postfach, 8058 Zürich 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Blut- und Urinprobe, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 30. Oktober 2023 (UH230206-O/U/HON). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ fuhr am 9. Juni 2023 um 03:51 Uhr mit einem Personenwagen der Marke Tesla USA auf der U.________strasse in V.________ in eine Lichtsignalanlage. Dabei entstand ein Sachschaden am Personenwagen und ein Drittschaden am Lichtsignal. Der von der Kantonspolizei Zürich durchgeführte Atemalkoholtest ergab bei der ersten Messung um 04:34 Uhr einen Wert von 0.73 mg/l und bei der zweiten Messung um 04:36 Uhr einen Wert von 0.77 mg/l. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland ordnete um ca. 05:00 Uhr telefonisch eine Blut- und Urinprobe an. 
 
B.  
Mit Untersuchungsbefehl vom 13. Juni 2023 bestätigte die Staatsanwaltschaft, die im FinZ-Set protokollierten Zwangsmassnahmen angeordnet zu haben, und erteilte einen Auftrag für die AnaIyse der Blut- und Urinprobe. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 30. Oktober 2023 ab. 
 
C.  
A.________ verlangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 1. Dezember 2023, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Bundesrechtswidrigkeit der schriftlichen Anordnung der Urin- und Blutprobe festzustellen. Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht haben auf Vernehmlassung verzichtet, erstere unter Hinweis auf ihre Vernehmlassung im vorinstanzlichen Verfahren vom 3. Oktober 2023 und den angefochtenen Entscheid. 
Mit Verfügung vom 10. Januar 2024 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anordnung der Analyse einer Blut- und Urinprobe im Rahmen eines Strafverfahrens, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78-81 BGG grundsätzlich offensteht. Er schliesst das Verfahren indessen nicht ab, weshalb es sich um einen Zwischenentscheid handelt. Als solcher ist er, da er nicht die Zuständigkeit oder den Ausstand zum Gegenstand hat, gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann selbständig mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen). Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 149 II 170 E. 1.3; 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 IV 284 E. 2.3, 289 E. 1.3).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer übersieht nicht, dass er den Einwand, der Untersuchungsbefehl vom 13. Juni 2023 sei rechtswidrig und die gestützt darauf erhobenen Beweismittel dürften nicht verwertet werden, beim Sachrichter erheben kann (vgl. Art. 141 StPO und Art. 93 Abs. 3 BGG; Urteil 1B_404/2022 vom 13. September 2022 E. 2.2). Er argumentiert jedoch, "die Gutheissung der Auswertung würde zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen, zumal ein allfälliger Substanznachweis im Blut im Sinne eines Zufallsfundes im Administrativ-Verfahren den Führerausweis betreffend selbst bei der finalen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises durch den Sachrichter im Strafverfahren verwertbar bleiben würde". Ob diese Argumentation die selbständige Anrufung des Bundesgerichts gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG rechtfertigt, erscheint fraglich, kann aber offenbleiben, da die Beschwerde - wie nachfolgend darzulegen ist - jedenfalls aus anderen Gründen ohne Erfolg bleibt.  
 
2.  
Mit Beschwerde in Strafsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. 
Beschwerden an das Bundesgericht sind hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann. Unerlässlich ist nach Art. 42 Abs. 2 BGG, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 297 E. 1.2; 140 III 115 E. 2, 86 E. 2). 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 148 V 366 E. 3.3; 148 IV 409 E. 2.2; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5 mit Hinweisen). 
 
3.  
Soweit die Beschwerde überhaupt rechtsgenügend begründet ist, geht sie fehl: 
Der Beschwerdeführer rügt, der Untersuchungsbefehl vom 13. Juni 2023 enthalte keine Art. 80 Abs. 2 StPO entsprechende Begründung, da daraus nicht ansatzweise hervorgehe, "dass sich die Anordnung der Blut- und Urinprobe gestützt auf die Aussagen des Beschwerdeführers den eigenen Medikamentenkonsum betreffend ergeben haben sollen [sic]". 
Dem in Form eines Formulars ergangenen Untersuchungsbefehl vom 13. Juni 2023 ist als Begründung zu entnehmen, dass "keine genügend konkreten Anhaltspunkte für die Ursache der mutmasslichen Fahrunfähigkeit vorliegen und die von der Polizei festgestellten Ausfallerscheinungen und Auffälligkeiten vereinbar sind mit den Wirkungen von Betäubungsmitteln und verkehrsrelevanten Medikamenten, weshalb zusätzlich eine Urinprobe anzuordnen ist", unter Hinweis auf Art. 12a der Verordnung vom 28. März 2007 über die Kontrolle des Strassenverkehrs (Strassenverkehrskontrollverordnung, SKV; SR 741.013). Im Übrigen wird auf die Feststellungen der Kantonspolizei in den Ziffern 4 und 5 des FinZ-Sets verwiesen, in denen unter anderem die verwaschene Aussprache, die Gleichgewichtsstörungen und der unsichere Gang angemerkt sind. In ihrer Vernehmlassung im Beschwerdeverfahren vor der Vorinstanz begründete die Beschwerdegegnerin ihren Befehl dann näher. Sie brachte insbesondere vor, seitens der Polizei sei telefonisch geschildert worden, dass der Beschwerdeführer ausgeführt habe, nur wenig Alkohol konsumiert zu haben, weshalb die festgestellten Ausfallerscheinungen nicht durch den Alkoholkonsum erklärbar seien, und weiter, er habe weiter erklärt, Medikamente zu sich genommen zu haben. Gemäss der Schilderung der Polizei bestehe der Verdacht auf eine Wechselwirkung zwischen den eingenommenen Medikamenten und dem konsumierten Alkohol, wobei diese Problematik mit dem Beschwerdeführer auf Platz besprochen worden sei. 
Da der Vorinstanz als Beschwerdeinstanz nach Art. 393 Abs. 2 StPO eine umfassende Kognition zustand, wäre eine allfällige Verletzung der Begründungspflicht (Art. 80 Abs. 2 StPO) durch die Beschwerdegegnerin jedenfalls im Beschwerdeverfahren mit dem ausführlich begründeten Entscheid der Vorinstanz geheilt worden (vgl. Urteil 1B_150/2017 vom 4. Oktober 2017 E. 2.3). Die Kritik des Beschwerdeführers, wonach die Vorinstanz sich nicht auf diese im Rechtsmittelverfahren nachgereichten Informationen hätte abstützen dürfen, verfehlt ihr Ziel, da Noven nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im kantonalen Beschwerdeverfahren zulässig sind (BGE 145 IV 65 E. 2.9.2; 141 IV 396 E. 4.4; Urteil 1B_258/2017 vom 2. März 2018 E. 6). Der Vorinstanz ist somit keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, wenn sie in ihrem Entscheid auch darauf hinwies, der Beschwerdeführer habe gemäss dem Polizeirapport vom 3. Juli 2023 nach dem zweiten Atemalkoholtest gegenüber den Polizeibeamten ausgeführt, dass er aufgrund einer Operation Schmerzen habe und am 8. Juni 2023 Morphin zu sich genommen habe. Die dahingehende Sachverhaltsfeststellung ist im Übrigen auch unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden, kann sie sich doch in der Tat auf den erwähnten Polizeirapport stützen. Ausserdem wird in diesem Rapport auch erläutert, dass es aufgrund der Fallübergabe an den Frühdienst untergegangen sei, die Aussagen des Beschwerdeführers betreffend Medikamenteneinnahme im FinZ-Set aufzuführen. Inwieweit es geradezu unhaltbar sein soll, wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen auf den Polizeirapport abstellt, ist nicht ersichtlich. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland und dem Obergeric ht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Mai 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler