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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_63/2023  
 
 
Urteil vom 24. Mai 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Hohl, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Prof. Dr. Hans Caspar von der Crone, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
SIX Exchange Regulation AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Waldburger, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Interne Schiedsgerichtsbarkeit, 
 
Beschwerde gegen den Endschiedsspruch des Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 20. Dezember 2022 (Nr. 900012-2020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die A.________ AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in U.________. Ihre Aktien sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Durch Unterzeichnung einer Emittenten- beziehungsweise Zustimmungserklärung hat sie die Regularien der SIX Swiss Exchange AG als verbindlich anerkannt.  
Auf das Geschäftsjahr 2014 hin wechselte die Klägerin ihre Rechnungslegungsstandards von IFRS auf Swiss GAAP FER. Die nach Swiss GAAP FER erstellten konsolidierten Jahresrechnungen 2014 und 2015 wiesen Rückstellungen für Vorsorgeverpflichtungen im Umfang von Fr. 3.996 Mio. auf. 
Für die konsolidierte Jahresrechnung 2016 beschloss der Verwaltungsrat der Klägerin die teilweise Auflösung dieser Rückstellungen im Umfang von Fr. 2.496 Mio. Entsprechend verblieben Fr. 1.5 Mio. 
Im Folgejahr (konsolidierte Jahresrechnung 2017) entschied der Verwaltungsrat, die verbliebenen Rückstellungen weiter - um Fr. 870'000.-- auf Fr. 630'000.-- - zu reduzieren. 
 
A.b. Am 19. November 2019 unterbreitete die SIX Exchange Regulation AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) der Sanktionskommission der SIX Group AG den Antrag, gegen die Klägerin wegen vorsätzlicher Verletzung von Rechnungslegungsvorschriften eine Busse in Höhe von Fr. 1.25 Mio. zu verhängen.  
Mit Entscheid vom 26. März 2020 stellte die Sanktionskommission fest, dass die Klägerin vorsätzlich die Rechnungslegungsvorschriften gemäss Art. 51 des Kotierungsreglements (KR) in Verbindung mit Art. 6 der Richtlinie betreffend Rechnungslegung (RLR) verletzt habe (Dispositiv-Ziffer 1), und sanktionierte sie mit einer Busse von Fr. 500'000.-- (Dispositiv-Ziffer 2; nachstehend: Sanktionsentscheid). 
 
A.c. Gegen diesen Sanktionsentscheid gelangte die Klägerin am 27. April 2020 mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 16. Februar 2021 trat das Bundesverwaltungsgericht auf diese Beschwerde mit der Begründung nicht ein, beim angefochtenen Sanktionsentscheid handle es sich nicht um eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG.  
 
B.  
 
B.a. Bereits am 29. April 2020 hatte die Klägerin "rechtswahrend" beim Schiedsgericht von SIX Group AG die Einleitung eines Schiedsverfahrens erklärt, mit dem Begehren, den Sanktionsentscheid der Sanktionskommission vom 26. März 2020 und die darin ausgesprochene Busse aufzuheben.  
 
B.b. Mit Verfügung vom 11. September 2020 sistierte das Schiedsgericht das Verfahren bis zum Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts über dessen Zuständigkeit. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht nicht auf die Beschwerde eingetreten war, nahm das Schiedsgericht das Verfahren wieder auf.  
Mit Teilschiedsspruch vom 1. Juli 2021 bestätigte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit und ordnete an, dass das Verfahren zwischen der A.________ AG als Klägerin und der SIX Exchange Regulation AG als Beklagte geführt werde. Die Sanktionskommission sei mangels Parteifähigkeit nicht Partei. Am 1. November 2021 reichte die Klägerin die Klageschrift ein. 
 
B.c. Mit Endschiedsspruch vom 20. Dezember 2022 hiess das Schiedsgericht die Klage teilweise gut. Es hob Dispositiv-Ziffer 2 des Sanktionsentscheids der Sanktionskommission (betreffend Busse) auf und setzte die gegen die Klägerin ausgesprochene Busse auf Fr. 300'000.-- (statt Fr. 500'000.--) fest. Im Übrigen wies es die Klage ab und bestätigte den Sanktionsentscheid.  
Das Schiedsgericht kam im Wesentlichen zum Ergebnis, dass die Klägerin durch die Teilauflösungen der Rückstellungen für Vorsorgeverpflichtungen das Gebot der True & Fair View verletzt habe, indem diese Teilauflösungen in den konsolidierten Jahresrechnungen 2016 und 2017 sowie in den Financial Review & Management Reports 2016 und 2017 beziehungsweise in den Lageberichten 2016 und 2017 widersprüchlich dargestellt worden seien. Damit habe die Klägerin gegen Art. 49 und 51 KR in Verbindung mit Art. 6 RLR und insbesondere Swiss GAAP FER 16 Ziff. 9 und 11 sowie Swiss GAAP FER Rahmenkonzept Ziff. 6 und 13 verstossen. 
Unter Berücksichtigung der Schwere des Verstosses, der Schwere des Verschuldens, des Verhaltens in den vergangenen Jahren und der Sanktionsempfindlichkeit der Klägerin erachtete das Schiedsgericht eine Busse in Höhe von Fr. 300'000.-- als angemessen. 
 
C.  
Die Klägerin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Endschiedsspruch des Schiedsgerichts vom 20. Dezember 2022 sei "aufgrund von Art. 393 lit. d und e ZPO" aufzuheben. Die Sache sei "zur vollumfänglichen Gutheissung der Schiedsklage", eventualiter "zur Neubeurteilung nach Massgabe der Erwägungen im Rückweisungsentscheid", eventualiter "zur Herabsetzung der Höhe der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Vertragsstrafe nach Massgabe der Erwägungen im Rückweisungsentscheid" an das Schiedsgericht zurückzuweisen. Ausserdem stellt sie zehn Feststellungsbegehren (lit. a-j) und den Antrag, die Entschädigungen der Mitglieder des Schiedsgerichts nach Ermessen des Bundesgerichts herabzusetzen auf einen Betrag von maximal Fr. 130'000.-- oder tiefer. Schliesslich seien die Schiedsverfahrenskosten und Parteientschädigungen des Schiedsverfahrens "neu aufzuerlegen". 
Das Schiedsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin begehrt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. 
Die Beschwerdeführerin replizierte, worauf die Beschwerdegegnerin eine Duplik eingereicht hat. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Schiedsverfahren wurde gestützt auf eine Schiedsvereinbarung eingeleitet, deren Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten. Weder in der Schiedsvereinbarung noch später haben die Parteien vereinbart, dass die Bestimmungen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 176 ff. IPRG [SR 291]) Anwendung finden sollen (vgl. Art. 353 Abs. 2 ZPO). Es gelten somit die Regeln über die interne Schiedsgerichtsbarkeit gemäss dem 3. Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 353 ff. ZPO). Die Parteien haben von der ihnen durch Art. 390 Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeit, als Rechtsmittelinstanz ein kantonales Gericht zu bezeichnen, nicht Gebrauch gemacht. Der ergangene Endschiedsspruch unterliegt somit der Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 389 Abs. 1 ZPO und Art. 77 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Die Beschwerde nach Art. 389 ff. ZPO ist grundsätzlich kassatorischer Natur, weshalb bei einer Gutheissung derselben einzig die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache an das Schiedsgericht in Betracht kommen (Art. 77 Abs. 2 i.V.m. Art. 107 Abs. 2 BGG). Eine Ausnahme ist im Gesetz für den Fall vorgesehen, dass der Schiedsspruch wegen offensichtlich zu hoher Entschädigungen und Auslagen angefochten wird (Art. 395 Abs. 4 ZPO); diesfalls ist ein materielles, beziffertes Rechtsbegehren zu stellen (vgl. Urteil 4A_30/2022 vom 3. Mai 2022 E. 1.2 mit Hinweisen; zu weiteren Ausnahmen betreffend Zuständigkeit oder Zusammensetzung des Schiedsgerichts: BGE 136 III 605 E. 3.3.4).  
Der Rückweisungsantrag sowie das Begehren, die Entschädigung der Mitglieder des Schiedsgerichts sei auf höchstens Fr. 130'000.-- festzusetzen, sind zulässig. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus materielle Anträge stellt, ist darauf nicht einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdegründe gegen einen Schiedsspruch sind im Vergleich zu denjenigen gegen ein staatliches Urteil eingeschränkt; für der ZPO unterstehende Schiedsentscheide sind sie in Art. 393 ZPO abschliessend aufgezählt. Das Bundesgericht prüft zudem nur die Beschwerdegründe, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 77 Abs. 3 BGG). Diese Anforderung entspricht der nach Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten vorgesehenen qualifizierten Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den das Schiedsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder berichtigen noch ergänzen, selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG ausschliesst). Das Bundesgericht kann die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids nur überprüfen, wenn dagegen zulässige Rügen im Sinne von Art. 393 ZPO vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden. Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts beruft, hat mit Aktenhinweisen darzulegen, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im schiedsgerichtlichen Verfahren prozesskonform aufgestellt worden sind (Urteile 4A_30/2022 vom 3. Mai 2022 E. 2.2; 4A_240/2021 vom 2. November 2021 E. 3; 4A_461/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 1.4; je mit Hinweisen).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst ein "falsches Verständnis der Verfahrensart". 
Was die Beschwerdeführerin damit meint, erschliesst sich aus ihren Ausführungen nicht. Sie scheint sich primär daran zu stören, dass "unklar" bleibe, "an wen" sie die Busse respektive die "Vertragsstrafe" von Fr. 300'000.-- zu leisten habe. Welcher Beschwerdegrund von Art. 393 ZPO gegeben sein soll - und aus welchen Gründen -, ist nicht nachvollziehbar. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin moniert Verletzungen des Rechts. 
 
4.1. Gemäss Art. 393 lit. e ZPO kann gegen den Schiedsspruch vorgebracht werden, er sei im Ergebnis willkürlich, weil er auf offensichtlich aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen oder auf einer offensichtlichen Verletzung des Rechts oder der Billigkeit beruht.  
Mit offensichtlicher Verletzung des Rechts gemäss dieser Bestimmung ist nur eine Verletzung des materiellen Rechts gemeint und nicht eine solche des Verfahrensrechts. Vorbehalten bleiben in Analogie zur Rechtsprechung zu Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG Prozessfehler, die den verfahrensrechtlichen Ordre public verletzen (BGE 142 III 284 E. 3.2; Urteile 4A_287/2022 vom 25. November 2022 E. 3.1; 4A_30/2022 vom 3. Mai 2022 E. 3.1.2; 4A_461/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 2.1; je mit Hinweisen). 
 
4.2. Die Beschwerdeführerin beanstandet, das Schiedsgericht habe sich über Art. 8 ZGB hinweggesetzt.  
 
4.2.1. So führt sie aus, die Beschwerdegegnerin habe "die Anspruchsgrundlage für die von ihr geltend gemachte Vertragsstrafe [Busse] weder rechtsgenügend behauptet noch bewiesen", "die geltend gemachte Verletzung der Rechnungslegungsvorschriften [...] weder rechtsgenügend behauptet noch bewiesen" und schliesslich "das Verschulden der Beschwerdeführerin weder rechtsgenügend behauptet noch bewiesen". Dennoch - und somit in Verkennung von Art. 8 ZGB - habe das Schiedsgericht darauf abgestellt. Auch im Zusammenhang mit der Festlegung der Höhe der Busse sei Art. 8 ZGB verletzt, was sich daran zeige, dass die Erwägungen im Schiedsentscheid auf "nicht behaupteten und unbewiesenen sowie substantiiert bestrittenen Tatsachen" beruhten.  
 
4.2.2. Die Kritik der Beschwerdeführerin dringt nicht durch:  
Die allgemeine bundesrechtliche Beweisvorschrift von Art. 8 ZGB regelt die Folgen der Beweislosigkeit. Wird in Würdigung der vorhandenen Beweise eine rechtserhebliche Tatsache als bewiesen oder als widerlegt erachtet, so ist die bundesrechtliche Beweisvorschrift von Art. 8 ZGB von vornherein nicht verletzt, denn sie regelt die Beweiswürdigung nicht und sie schreibt auch nicht vor, auf welchen Grundlagen das Gericht seine Überzeugungen zu bilden hat (vgl. BGE 141 III 241 E. 3.2; 128 III 22 E. 2d). 
Entsprechend hätte die Beschwerdeführerin zum Mindesten dartun müssen, in Bezug auf welche konkreten Tatsachen das Schiedsgericht von der Beweislosigkeit ausgegangen ist und dass es diese Tatsachen dennoch zu ihren Ungunsten seinem Entscheid zugrunde gelegt hat (vgl. Urteil 4A_356/2017 vom 3. Januar 2018 E. 3.2). Derartiges ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, geschweige denn hat die Beschwerdeführerin aufgezeigt, inwiefern das Schiedsgericht die Beweislastregeln von Art. 8 ZGB willkürlich angewandt haben soll. Stattdessen greift sie der Sache nach die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts an und schildert im Übrigen, wie die "Behauptungen" und "Bestreitungen" in den vor Schiedsgericht eingereichten Rechtsschriften aus ihrer Sicht zu interpretieren sind. Hiermit ist sie nicht zu hören. 
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen zu angeblich erfolgten oder angeblich unterbliebenen Behauptungen und Bestreitungen sowie zu den Substanziierungsanforderungen (zumindest sinngemäss) eine Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes und anderer prozessualer Regeln beklagt, nennt sie keinen zulässigen Beschwerdegrund im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO. Eine unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts - darauf zielt die Beschwerdeführerin letztlich ab - könnte einzig unter dem Blickwinkel des (prozessualen) Ordre public überprüft werden (Erwägung 4.1). Eine solche Rüge erhebt die Beschwerdeführerin indes nicht. 
 
4.3. Die Beschwerdeführerin erblickt in der schiedsgerichtlichen Anwendung des Vertrauensprinzips eine offensichtliche Verletzung von Art. 1 OR und von Art. 2 Abs. 1 ZGB.  
 
4.3.1. Vor dem Schiedsgericht war umstritten, ob die Beschwerdegegnerin "Gläubigerin" der streitgegenständlichen Sanktion (Busse respektive Vertragsstrafe) ist und insofern die richtige Person eingeklagt war.  
Das Schiedsgericht bejahte dies. Es bezog sich auf die von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Emittenten- beziehungsweise Zustimmungserklärung (siehe Sachverhalt Bst. A.a), worin sie die dort angegebenen Rechtsgrundlagen - darunter das KR - als verbindlich "für ihre rechtlichen Beziehungen zur Beklagten" erklärt habe. Das KR wiederum bilde die Grundlage der vorliegend zur Diskussion stehenden Sanktion. Die Zustimmungserklärung könne nach dem Vertrauensprinzip gar nicht anders verstanden werden, als dass die Beschwerdegegnerin die "Gläubigerin" einer zu zahlenden Busse sei. Dies sei auch deshalb einleuchtend und sinnvoll, weil gemäss der Ordnung über die Verwendung von Bussen vom 18. April 2018 ("BVO") die Beschwerdegegnerin zuständig sei für die Verwendung von Bussengeldern. 
 
4.3.2. Die Beschwerdeführerin ist ebenfalls der Auffassung, dass eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip Platz greife. Sie möchte, dass dem "rein verfahrensrechtlichen Inhalt" der Zustimmungserklärung wie auch der Organisation der SIX Group AG Rechnung getragen wird. Die Beschwerdeführerin legt dar, wie die Zustimmungserklärung vor diesem Hintergrund bei einem "sachlogischen Verständnis" sowie "nach Treu und Glauben im Allgemeinen und nach dem Grundsatz in dubio contra stipulatorem im Speziellen" zu verstehen sei. Mit diesen Vorbringen unterbreitet sie dem Bundesgericht eine weitere denkbare Interpretation der im Streit stehenden Willenserklärungen, ohne aber eine willkürliche Anwendung der massgebenden Auslegungsgrundsätze aufzuzeigen. Aus dem in der Beschwerde ins Feld geführten "Verhalten [der Beschwerdeführerin] nach Unterzeichnung der Zustimmungserklärung" lässt sich jedenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten, zumal nachträgliches Parteiverhalten bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nicht von Bedeutung ist (BGE 144 III 43 E. 3.3). Ohnehin hätte die Beschwerdeführerin dartun müssen, inwiefern der Schiedsspruch in diesem Punkt nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (Erwägung 4.1). Dies unterlässt sie.  
 
4.4. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtliche Verletzung von Art. 717 OR.  
 
4.4.1. Sie ist der Meinung, bei der Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften nach Swiss GAAP FER 16 und 23 und insbesondere bei der Frage, ob und in welchem Umfang Rückstellungen zu bilden seien, bestehe ein Ermessensspielraum. Es handle sich um Geschäftsentscheide, und diese seien der gerichtlichen Überprüfung entzogen, soweit die Organe "sorgfältig und frei von Interessenkonflikten" entschieden hätten. Denn die Gerichte dürften sich nicht anmassen, "eigentliche unternehmerische Entscheide im Nachhinein besser beurteilen zu können als die damalig im konkreten Geschäft tätigen verantwortlichen Personen". Indem das Schiedsgericht in das Geschäftsermessen des Verwaltungsrats eingegriffen und eine Missachtung von Rechnungslegungsvorschriften im Zusammenhang mit der Auflösung von Rückstellungen bejaht habe, habe es seinerseits "offensichtlich" Art. 717 OR verletzt.  
 
4.4.2. Das Schiedsgericht hatte sich bereits mit diesem Argument auseinandergesetzt. Es erwog, dass sich die von der Beschwerdeführerin angesprochene "Business Judgment Rule" nur auf Geschäftsentscheide beziehe, nicht aber auf Kontroll- und Organisationsaufgaben, die der justizmässigen Nachkontrolle unterstünden. Zu diesen Kontrollaufgaben gehöre auch die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften. Hinzu komme, dass die "Business Judgment Rule" bei der Prüfung der Verantwortlichkeit von Organpersonen Anwendung finde, nicht aber bei der - hier relevanten - Beurteilung, ob "die Klägerin als Gesellschaft Pflichten bei der Anwendung von sie selbst betreffende Vorschriften verletzt" habe.  
 
4.4.3. Diese Einschätzung ist zumindest nicht willkürlich, und die Beschwerdeführerin weist sie nicht als haltlos aus, wenn sie auch vor Bundesgericht auf ihrem Standpunkt insistiert, dass bei Geschäftsentscheiden Rückschaufehler drohten und Rückstellungen mit "Unsicherheiten" behaftet seien.  
 
4.5. Die Beschwerdeführerin wirft dem Schiedsgericht weiter vor, die "Art. 97 ff. OR" offensichtlich verletzt zu haben, indem es ihr ein Verschulden bei der Verletzung von Rechnungslegungsvorschriften anlaste.  
 
4.5.1. Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass es in diesem Kontext überhaupt um die Art. 97 ff. OR geht. Zur Diskussion stehe vielmehr Art. 61 Abs. 2 KR, wonach bei der Bemessung einer Sanktion unter anderem die Schwere des Verschuldens in Anschlag zu bringen sei. Art. 61 Abs. 1 KR stelle kein materielles (staatliches) Recht dar und seine Verletzung kein Beschwerdegrund im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO.  
 
4.5.2. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben:  
Das Schiedsgericht hat auf Basis der offerierten Beweise erkannt, dass die Beschwerdeführerin schuldhaft gegen Swiss GAAP FER verstiess. Es hat in tatsächlicher Hinsicht insbesondere festgestellt, dass "gemäss E-Mail-Austausch zwischen dem VR und dem CFO der Klägerin bewusst eine Täuschung in Kauf genommen wurde", und es gelangte insgesamt zum Schluss, "dass die Verletzung der Rechnungslegungsvorschriften vorsätzlich oder zumindest eventualvorsätzlich geschah". 
Die Beschwerdeführerin behauptet unter Hinweis auf strafrechtliche Lehrmeinungen von GÜNTER STRATENWERTH, ANDREAS DONATSCH und NIGGLI/ HAGENSTEIN, dass sich "der Vorsatz nicht auf das Verhalten als solches, sondern auf die Verletzung der jeweils einzuhaltenden Rechnungslegungsregeln" beziehen müsse. Sie (die Beschwerdeführerin) habe nicht gewusst, dass sie "mit ihrer Darstellung in den Financial Review & Management Reports in Bezug auf die Zuteilung der Aufwandspositionen die Rechnungslegungsvorschriften von Swiss GAAP FER verletzen würde". 
Diese Ausführungen belegen nicht, dass der angefochtene Schiedsspruch auf einer offensichtlichen Verletzung des Rechts beruht und aus diesem Grund im Ergebnis willkürlich ist. 
 
4.6. Die Beschwerdeführerin erhebt sodann Kritik unter dem Titel "Offensichtliche Verletzung von Art. 34 Abs. 1 FinfraG (Art. 393 lit. e ZPO) ", ohne aber eine unrichtige - geschweige denn eine willkürliche - Anwendung dieser Bestimmung nachvollziehbar zu machen. Darauf ist nicht einzugehen.  
 
4.7. Nach dem Gesagten vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, dass der Beschwerdegrund von Art. 393 lit. e ZPO gegeben ist.  
 
5.  
Die Beschwerdeführerin postuliert, der Entscheid beruhe auf offensichtlich aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen. Das Schiedsgericht habe ein E-Mail unrichtig interpretiert (so in Rz. 216 f. sowie 224) und den Einfluss der Rückstellungsauflösung auf die Kennzahlen falsch eingeschätzt (so in Rz. 237 f.). 
Damit beanstandet die Beschwerdeführerin keine Aktenwidrigkeit im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO, sondern die Würdigung und Wertung der im Recht liegenden Beweise. Diese ist der bundesgerichtlichen Kontrolle bei Beschwerden gegen Schiedsentscheide von vornherein entzogen (vgl. Urteil 4A_287/2022 vom 25. November 2022 E. 3.1 mit Hinweisen). Abgesehen davon hätte die Beschwerdeführerin erläutern müssen, in welcher Hinsicht aufgrund der von ihr behaupteten Aktenwidrigkeiten ein willkürlicher Schiedsspruch resultiert sein soll. Dies tut sie nicht. 
 
6.  
Die Beschwerdeführerin bringt verschiedentlich vor, das Schiedsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 393 lit. d ZPO) verletzt, indem es die "von ihr vorgebrachten Argumente und Beweise [nicht] abgenommen und [nicht] gründlich geprüft" habe. 
 
6.1. Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör im Schiedsverfahren entspricht im Wesentlichen dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht (BGE 142 III 284 E. 4.1 mit Hinweisen). Die Rechtsprechung leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für den Schiedsspruch wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen (BGE 142 III 360 E. 4.1.1; 133 III 139 E. 6.1; 127 III 576 E. 2c mit weiteren Hinweisen). Dem entspricht eine Pflicht des Schiedsgerichts, die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien tatsächlich zu hören und zu prüfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich ausdrücklich mit jedem Argument der Parteien auseinandersetzen muss (BGE 133 III 235 E. 5.2).  
 
6.2. Die Beschwerdeführerin tadelt in unterschiedlichen Zusammenhängen, das Schiedsgericht habe sich mit ihren Positionen "nicht rechtsgenügend" auseinandergesetzt, namentlich was die Anspruchsgrundlage für die Busse respektive die Vertragsstrafe und den Inhalt der Rechnungslegungsvorschriften von Swiss GAAP FER anbelange. Sie wiederholt ihre im schiedsgerichtlichen Verfahren vorgetragenen Argumente und schliesst, indem das Schiedsgericht diesen Überlegungen nicht gefolgt sei, habe es sie auch nicht gehört. Damit beanstandet sie unter dem Vorwand der Gehörsverletzung den Schiedsspruch in der Sache. Das ist unzulässig.  
 
6.3. Soweit die Beschwerdeführerin moniert, das Schiedsgericht habe von ihr offerierte Beweise nicht "abgenommen" (so etwa die Rechnungslegungsgutachten der B.________ AG, von C.________ und der D.________ AG, "relevante Textstellen" zu Swiss GAAP FER, ein Expertengutachten "E.________", ein "Analystenbericht der Bank F.________", eine Jahresrechnung der G.________ AG und Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts), so meint sie genau besehen, das Schiedsgericht habe diese Unterlagen nicht in ihrem Sinn gewürdigt. Eine solche, auf die Beweiswürdigung zielende Kritik ist bei Beschwerden gegen Schiedsentscheide vor Bundesgericht nicht statthaft.  
 
6.4. Im Übrigen folgt aus dem Gehörsanspruch - entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint - keine Verpflichtung des Schiedsgerichts, jedes einzelne Vorbringen der unterliegenden Partei ausdrücklich zu widerlegen. Schon gar nicht enthält der Grundsatz des rechtlichen Gehörs einen Anspruch auf einen materiell richtigen Entscheid. Der Grundsatz sichert allein das Recht auf Beteiligung der Parteien an der Entscheidfindung. Dass aber die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt nicht wirksam hätte in das Verfahren einbringen können, ist nicht dargetan.  
 
6.5. Die Rüge, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, ist unbegründet.  
 
7.  
Die Beschwerdeführerin beklagt, die im Schiedsspruch vorgesehenen Entschädigungen für die Mitglieder des Schiedsgerichts seien "offensichtlich zu hoch". 
 
7.1. Nach Art. 393 lit. f ZPO kann ein Schiedsspruch angefochten werden, wenn die vom Schiedsgericht festgesetzten Entschädigungen und Auslagen der Mitglieder des Schiedsgerichts offensichtlich zu hoch sind. Der Beschwerdegrund gemäss Art. 393 lit. f ZPO macht das Bundesgericht nicht zur Taxationsbehörde. Es ist nur dann berechtigt, die Entschädigungen und Auslagen des Schiedsgerichts herabzusetzen, wenn sie sich in einer Gesamtbetrachtung als "offensichtlich zu hoch" erweisen (Urteil 4A_30/2022 vom 3. Mai 2022 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen).  
 
7.2. Das Schiedsgericht erwog, gemäss der anwendbaren Schiedsordnung richte sich das Honorar der Schiedsrichter nach Zeitaufwand, wobei der Stundensatz (in casu: Fr. 500.--) durch den Gerichtshof festgesetzt worden sei. Die Schiedsrichter hätten ihre Stunden für dieses Schiedsverfahren "mit Zurückhaltung" aufgeschrieben. Unter Einschluss der Auslagen und Bankspesen resultierten Entschädigungen von Fr. 140'000.-- für die Vorsitzende und je Fr. 80'000.-- für die beiden Mitschiedsrichter. Diese Kosten auferlegte das Schiedsgericht zu 75 % der Beschwerdeführerin und zu 25 % der Beschwerdegegnerin.  
 
7.3. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, diese Entschädigungen überstiegen in der Summe den ursprünglich einverlangten Kostenvorschuss von Fr. 100'000.-- um das Dreifache. Dies sei "unhaltbar".  
Indes überprüft das Bundesgericht nicht die schiedsgerichtliche Verfahrensführung, sondern einzig, ob die Entschädigungen bei einer Gesamtbetrachtung das Mass des noch Vertretbaren sprengen. Dies ist hier nicht der Fall, selbst wenn man - wie dies die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Swiss Rules verlangt - nicht nur den Zeitaufwand der Schiedsrichter, sondern auch weitere Kriterien wie den Streitwert, den Schwierigkeitsgrad und allenfalls erforderliche Spezialkenntnisse berücksichtigt (vgl. auch Urteil 4A_30/2022 vom 3. Mai 2022 E. 3.4.2). So erläuterte die Vorsitzende in ihrer dem Bundesgericht eingereichten Stellungnahme, dass sich das Schiedsverfahren als äusserst aufwändig gestaltet habe. Neben den komplexen rechtlichen und Spezialwissen voraussetzenden Fragestellungen sei das Verfahren auch aufgrund seines aussergewöhnlichen Umfangs sehr zeitintensiv gewesen. Das Schiedsgericht sei gehalten gewesen, zu Beginn des Schiedsverfahrens einen Teilschiedsspruch zur eigenen Zuständigkeit und zur Identität der am Schiedsverfahren beteiligten Parteien zu erlassen. Nach diesem Teilschiedsspruch sei ein dreifacher Schriftenwechsel durchgeführt worden, in dessen Rahmen beide Parteien jeweils umfangreiche Schriftsätze und zusammen über hundert Beweismittel eingereicht hätten. Das Schiedsgericht habe acht verfahrensleitende Verfügungen fällen müssen. Die Vorsitzende verweist ferner auf die von den Parteien für das Schiedsverfahren geltend gemachten Anwaltshonorare, welche Fr. 233'811.25 (Beschwerdeführerin) und Fr. 218'304.90 (Beschwerdegegnerin) betragen würden. 
Vor diesem Hintergrund erheischt die Kritik der Beschwerdeführerin kein Einschreiten des Bundesgerichts, zumal sie nicht behauptet, dass die anwendbare Schiedsordnung einen Gebührenrahmen enthält, der überschritten worden wäre. Die Rüge nach Art. 393 lit. f ZPO erweist sich als unbegründet. 
 
7.4. Die Prozesskostenverlegung auf die Parteien im Verhältnis 75 zu 25 ficht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht an; sie ist der bundesgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich (vgl. BGE 142 III 284 E. 3.2; Urteile 4A_30/2022 vom 3. Mai 2022 E. 4.1 f.; 4A_544/2021 vom 6. Januar 2022 E. 3.1.3 mit Hinweisen).  
 
8.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang erübrigt sich die von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG beantragte "Neuverteilung der Schiedsverfahrenskosten und Parteientschädigung". Die Beschwerdeführerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Mai 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle