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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_107/2023  
 
 
Urteil vom 30. August 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Sieber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Fabienne Senn-Kaufmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Fricker, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ehescheidung (Kindesunterhalt), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, vom 19. Dezember 2022 (ZOR.2022.22). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ und B.________ heirateten am 11. August 2011. Aus der Ehe gingen die beiden Söhne C.________ (geb. 2012) und D.________ (geb. 2014) hervor. A.________ hat drei weitere Kinder: E.________ (geb. 2003), F.________ (geb. 2018) und G.________ (geb. 2020). Der Vater der beiden zuletzt erwähnten Kinder ist H.________. 
 
B.  
 
B.a. Am 26. August 2019 reichte B.________ beim Bezirksgericht Muri (AG) die Scheidungsklage ein. Am 14. Juni 2021 schied dieses die Ehe gestützt auf Art. 112 ZGB, beliess die Kinder unter der gemeinsamen elterlichen Sorge, teilte die Obhut über C.________ und D.________ dem Vater zu, regelte das Besuchsrecht der Mutter, verpflichtete diese zur Leistung von Kinderunterhalt in acht Phasen und stellte den Betrag fest, der zur Deckung des gebührenden Unterhalts fehlt.  
 
B.b. Gegen dieses Urteil erhoben A.________ Berufung und B.________ Anschlussberufung beim Obergericht des Kantons Aargau. Dieses verpflichtete mit Urteil vom 19. Dezember 2022 (eröffnet am 31. Dezember 2022) A.________ zu den folgenden Unterhaltsbeiträgen, zuzüglich allfällig von ihr bezogener Kinderzulagen, und wies die Beträge aus, die jeweils zum gebührenden Unterhalt fehlten (im Folgenden in Klammer gesetzt) :  
 
Phase 1: Rechtskraft Scheidungspunkt bis 31. Juli 2022 
Für C.________ Fr. 438.50 (Fr. 438.--) 
Für D.________ Fr. 500.-- (Fr. 140.--) 
 
Phase 2 und 3: 1. August 2022 - 31. August 2024 
Für C.________ Fr. 512.-- (Fr. 516.--) 
Für D.________ Fr. 438.-- (Fr. 202.--) 
 
Phase 4 und 5: 1. September 2024 bis 31. Juli 2028 
Für C.________ Fr. 455.-- (Fr. 573.--) 
Für D.________ Fr. 581.-- (Fr. 259.--; Fr. 59.-- ab 1. August 2027) 
 
Phase 6: 1. August 2028 - 30. April 2030 
Für C.________ Fr. 532.-- (Fr. 118.--) 
Für D.________ Fr. 522.-- (Fr. 118.--) 
 
ab Phase 7: 1. Mai 2030 bis zur Volljährigkeit bzw. darüber hinaus bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung 
Für C.________ Fr. 505.-- (Fr. 145.--) 
Für D.________ Fr. 505.-- (Fr. 145.--) 
 
C.  
A.________ (Beschwerdeführerin) wendet sich mit Beschwerde in Zivilsachen vom 1. Februar 2023 an das Bundesgericht. Diesem beantragt sie, das Urteil des Obergerichts teilweise aufzuheben und den Unterhalt sowie die fehlende Differenz zum gebührenden Unterhalt (im Folgenden in Klammer) wie folgt festzulegen: 
 
Phase 1: April 2022 - 31. Juli 2022 
Für C.________ Fr. 123.35 (Fr. 315.15 [438.50 - 123.35]) 
Für D.________ Fr. 124.85 (Fr. 515.15 [640.-- - 124.85]) 
 
Phase 2 und 3: 1. August 2022 - bis 31. August 2024 
Für C.________ Fr. 175.-- (Fr. 339.-- [514.-- - 175.--]) 
Für D.________ Fr. 101.-- (Fr. 539.-- [640.-- - 101.--]) 
 
Phasen 4: 1. September 2024 - 31. Juli 2027 
Für C.________ Fr. 110.-- (Fr. 404.-- [514.-- - 110.--]) 
Für D.________ Fr. 236.-- (Fr. 604.-- [840.-- - 236.--]) 
 
Phase 5: 1. August 2027 - 31. Juli 2028 
Für C.________ Fr. 110.-- (Fr. 404.-- [514.-- - 110.--) 
Für D.________ Fr. 236.-- (Fr. 404.-- [640.-- - 236.--]) 
 
Phase 6: 1. August 2028 - 30. April 2030 
Für C.________ Fr. 162.-- (Fr. 488.-- [650.-- - 162.--]) 
Für D.________ Fr. 152.-- (Fr. 488.-- [640.-- - 152.--]) 
 
Ab Phase 7: 1. Mai 2030 bis zur Volljährigkeit bzw. bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung 
Für C.________ Fr. 108.-- (Fr. 542.-- [650.-- - 108.--]) 
Für D.________ Fr. 108.-- (Fr. 542.-- [650.-- - 108.--]) 
Zudem stellt die Beschwerdeführerin bezifferte Eventualanträge für den Fall, dass ihr ein Arbeitspensum von 100 % (ohne 13. Monatslohn) angerechnet wird. In einem weiteren Eventualantrag beantragt sie, die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Zudem sei B.________ (Beschwerdegegner) zu verpflichten, ihr einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 4'000.-- (inkl. MWSt) auszurichten. Eventuell hierzu sei ihr für das Verfahren vor dem Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Das Bundesgericht hat der Beschwerdeführerin am 3. Februar 2023 mitgeteilt, dass es nicht zuständig ist, um über den Prozesskostenvorschuss zu befinden. 
Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung (Schreiben vom 30. Mai 2023). Auf die Vernehmlassung des Beschwerdegegners vom 12. Juni 2023 wird im Sachzusammenhang eingegangen. Auch er stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor dem Bundesgericht. Mit Eingabe vom 3. Juli 2023 replizierte die Beschwerdeführerin. Das Bundesgericht brachte die Replik dem Beschwerdegegner zur Kenntnis. Weitere Eingaben erfolgten nicht. 
Im Übrigen hat das Bundesgericht die Akten des kantonalen Verfahrens beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG) über vermögensrechtliche Nebenfolgen der Scheidung (Kindesunterhalt). Dabei handelt es sich um eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Der Streitwert bestimmt sich, unabhängig davon, wie die Vorinstanz entschieden hat und welcher Betrag vor Bundesgericht noch streitig ist (BGE 137 III 47 E. 1.2.2), nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 Bst. a BGG). Vor Vorinstanz beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung, dass sie nicht in der Lage sei, zum Unterhalt der Kinder beizutragen, falls ihr - dies ist nunmehr unbestritten - die Obhut über die beiden Kinder nicht zugesprochen wird. Mit Blick darauf liegt der Streitwert unzweifelhaft über Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit zulässig. Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG); sie hat diese rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 46 Abs. 1 Bst. c BGG). 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann sie mit einer Begründung abweisen, die von der Argumentation der Vorinstanz abweicht (BGE 141 III 426 E. 2.4). Das Bundesgericht befasst sich aber nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerdebegründung ist deshalb in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; strenges Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4). Die Begründung mit Angabe der Beweismittel muss ausserdem in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein (Art. 42 Abs. 1 BGG). Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften der kantonalen Verfahren oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 140 III 115 E. 2). Auf eine unzureichend begründete Beschwerde tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4; 140 III 115 E. 2).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann einzig vorgebracht werden, sie seien offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (Art. 9 BV; BGE 140 III 264 E. 2.3), oder sie würden auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. Ausserdem muss in der Beschwerde aufgezeigt werden, inwiefern die Behebung der vorerwähnten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2). Es gilt das strenge Rügeprinzip nach Art. 106 Abs. 2 BGG. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 141 IV 317 E. 5.4; 140 III 264 E. 2.3). Tatfrage ist auch die Beweiswürdigung. Die Anfechtung der diesbezüglichen vorinstanzlichen Feststellungen unterliegt ebenfalls der qualifizierten Begründungspflicht (Urteil 5A_907/2019 vom 27. August 2021 E. 2.2).  
Offensichtlich unrichtig oder willkürlich ist der Sachverhalt festgestellt, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkennt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges Beweismittel unberücksichtigt lässt, auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen zieht, die Sachverhaltsfeststellung unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn das Gericht ohne Beizug des notwendigen Sachwissens unabhängiger Experten entscheidet (BGE 144 II 281 E. 3.6.2; 140 III 264 E. 2.3). Dass die von Sachgerichten gezogenen Schlüsse nicht mit der eigenen Darstellung der Beschwerde führenden Person übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 144 II 281 E. 3.6.2; 142 II 433 E. 4.4). 
 
2.2.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Soweit sie zu einem Zeitpunkt entstanden sind, als vor Vorinstanz keine neuen Tatsachen und Beweismittel mehr vorgetragen werden konnten, sind sie als echte Noven zum vornherein unzulässig (BGE 139 III 120 E. 3.1.2; Urteil 5A_121/2022 vom 26. Oktober 2022 E. 2.3). In der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die Voraussetzungen für eine nachträgliche Einreichung von Tatsachen und Beweismitteln erfüllt sein sollen (BGE 143 I 344 E. 3).  
In ihrer Replik verweist die Beschwerdeführerin auf eine Verhandlung betreffend vorsorglicher Massnahmen vom 22. Juni 2023 vor dem Bezirksgericht Uster. Im Rahmen dieses Verfahrens habe H.________ die Unterhaltsansprüche der Kinder F.________ und G.________ beziffert und belegt. Eine Einigung sei gescheitert. Dieses (echte) Novum kann nach dem Gesagten nicht berücksichtigt werden. Ebenso wenig ist der vom Beschwerdegegner eingereichte Schluss-Rapport der Detektei I.________ GmbH vom 15. Juli 2023 betreffend Feststellung des Lebensmittelpunktes der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. Auch hierbei handelt es sich um ein echtes Novum. 
 
2.3. Vor Bundesgericht ist eine Anschlussbeschwerde nicht statthaft (BGE 134 III 332 E. 2.5). Der Beschwerdegegner kann aber alles geltend machen, das ihm nützen würde, falls der Sicht der Beschwerdeführerin gefolgt werden sollte (BGE 142 IV 129 E. 4.1; 140 III 456 E. 2.2.2; 136 III 502 E. 6.2). Er unterliegt dabei den gleichen Begründungs- bzw. Rügeanforderungen wie die Beschwerdeführerin.  
 
3.  
Umstritten ist, welches Erwerbseinkommen der Beschwerdeführerin anzurechnen ist. 
 
3.1. Die Vorinstanz führt aus, dass die Beschwerdeführerin nach dem Obhutswechsel der Kinder zum Beschwerdegegner keine Betreuungspflichten mehr treffen würden. Solche Pflichten habe sie auch gegenüber G.________ und F.________ aus der Beziehung mit H.________ nicht, nachdem das Bezirksgericht Muri diese mit Verfügung vom 11. August 2021 vorsorglich unter die Obhut des Vaters gestellt habe. Vor diesem Hintergrund sei ihr gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 144 III 481 E. 4.7.5; Urteil 5A_98/2016 vom 25. Juni 2018 E. 3.5) die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von 100 % zumutbar.  
Die Vorinstanz rechnet der Beschwerdeführerin ab April 2022 ein monatliches Einkommen von Fr. 4'560.-- netto (inkl. 13. Monatslohn) an. Die Ausrichtung eines 13. Monatslohns bzw. einer entsprechenden Gratifikation sei üblich, sodass ohne konkrete gegenteiligen Hinweise davon auszugehen sei, dass ein 13. Monatslohn oder eine Gratifikation ausbezahlt werde. 
 
3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie keinen 13. Monatslohn erhalte. Aus einer tabellarischen Erwähnung der Lohnberechnung (des Jahres 2022) im Zusammenhang mit einer provisorischen Berechnung lasse sich nicht ableiten, dass ihr ein solcher geschuldet sei. Der gegenteilige Standpunkt der Vorinstanz sei willkürlich. Die Vorinstanz verkenne, dass ein Arbeitnehmer nur Anspruch auf die Auszahlung eines 13. Monatslohnes habe, wenn dieser vertraglich vereinbart sei. Ein gesetzlicher Anspruch auf einen 13. Monatslohn bestehe nicht. Es sei deshalb von ihrem effektiv erzielten Lohn auszugehen, zumal der Arbeitsvertrag eine flexible Pensumsregulierung zwischen 50 % und 100 % vorsehe. Sie habe ab April 2022 das folgende Einkommen erzielt: April-September 2022 (100 %), je Fr. 4'211.34; Oktober 2022 (60 %), Fr. 2'447.20; November 2022 (70 %), Fr. 2'864.72; Dezember 2022 (60 %), Fr. 2'447.20. Insgesamt resultiere daraus ein Einkommen von Fr. 33'027.16 bzw. ein monatliches Durchschnittseinkommen von Fr. 3'669.70. Sie habe damit auch nicht das vom Bezirksgericht Muri festgehaltene hypothetische Einkommen von monatlich Fr. 4'000.-- netto verdienen können.  
 
3.3. Der Beschwerdegegner führt aus, dass die Vorinstanz die Anrechnung eines 13. Monatslohns nicht nur mit dessen Üblichkeit begründe, sondern auch mit der Berufungsbeilage 18"Lohnabrechnung April 2022 (100 %-Pensum) ". Auf dieser Abrechnung sei Folgendes angegeben: "Pro Monat (13) x = Jahreslohn". Interessant sei, dass die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Beschwerde nur ihre nunmehr definitiven Lohnabrechnungen der Monate April 2022 bis Dezember 2022 eingereicht habe, auf welchen jeweils erwähnt sei, der Jahreslohn entspreche dem Monatslohn x 12. Die Beschwerdeführerin habe jedoch bereits in den Monaten Januar bis März 2022 für dieselbe Arbeitgeberin gearbeitet. Die diesbezüglichen Lohnabrechnungen erwähnten einen Jahreslohn auf der Grundlage von 13 Monatslöhnen. Offensichtlich habe die Beschwerdeführerin ihr Einkommen bzw. ihren Arbeitsvertrag im Hinblick auf das Scheidungsverfahren und ihre Unterhaltspflicht "optimiert", als sie gemerkt habe, dass sich ein 13. Monatslohn zu ihren Ungunsten auswirke und es vorteilhafter wäre, eine Gratifikation ausbezahlt zu erhalten. Entsprechend sei davon auszugehen, dass eine solche Gratifikationszahlung erfolgt sei. Interessanterweise habe die Beschwerdeführerin weder im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch in einem inzwischen hängigen Verfahren betreffend Schuldneranweisung ihren Lohnausweis 2022 ins Recht gelegt. Die geschilderte "Einkommensoptimierung" sei auch deshalb plausibel, weil es sich beim Geschäftsführer der Arbeitgeberin um den neuen Lebenspartner der Beschwerdeführerin handle.  
Weiter übersehe die Beschwerdeführerin, dass es nicht relevant sei, welches Einkommen sie erziele, sondern welches Einkommen sie erzielen könnte. Wie sowohl die Vorinstanz als auch das Bezirksgericht richtig festgehalten hätten, sei bei der Beschwerdeführerin von einem zumutbaren Arbeitspensum von 100% auszugehen. Aus diesem Grund sei die Vorinstanz zu Recht von einem monatlichen Nettoeinkommen von Fr. 4'560.-- ausgegangen. Die Beschwerdeführerin verfüge über eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung und Erfahrung im Treuhand- und Exportwesen sowie als Direktionsassistentin. Daraus resultiere gemäss dem Lohnrechner (2020) Salarium des Bundesamtes für Statistik in der Region Nordwestschweiz ein monatliches Bruttoeinkommen (inkl. 13. Monatslohn) von Fr. 6'479.-- bzw. von Fr. 5'500.-- netto. Auch daraus ergebe sich, dass das von der Vorinstanz angenommene Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden bzw. sogar eher zu tief angesetzt sei. 
 
3.4. In ihrer Replik bestreitet die Beschwerdeführerin die Optimierung ihres Lohnes. Dass der Arbeitgeber die Lohnabrechnung teilweise entgegen dem Arbeitsvertrag unsorgfältig erstelle, könne ihr nicht angelastet werden. Zudem sei von Arbeitsbeginn an klar gewesen, dass die Beschwerdeführerin für die Kinder finanziell werde aufkommen müssen. Vom einem allfällig ausbezahlten 13. Monatslohn hätte sie so oder so nichts, da dieser jedenfalls vollumfänglich den Kindern zugute komme. Man könne ihr, der Beschwerdeführerin, nicht unterstellen, dass sie auf einen 13. Monatslohn verzichte; sie liebe die Kinder über alles und wünsche sich, dass es ihnen gut gehe und sie finanziell abgesichert seien. Sie habe die Arbeitsstelle auf rein freundschaftlicher Basis angeboten erhalten. Erst viel später sei J.________ ihr neuer Lebenspartner geworden.  
 
3.5.  
 
3.5.1. Bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags ist grundsätzlich vom tatsächlich erzielten Einkommen der Parteien auszugehen. Soweit dieses Einkommen allerdings nicht ausreicht, um den ausgewiesenen Bedarf zu decken, kann ihnen ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, wenn dieses zu erzielen ihnen zumutbar und möglich ist. Mit Bezug auf das hypothetische Einkommen ist Rechtsfrage, welche Tätigkeit aufzunehmen als zumutbar erscheint. Tatfrage bildet hingegen, ob die Ausübung der als zumutbar erkannten Tätigkeit möglich und das angenommene Einkommen effektiv erzielbar ist (BGE 143 III 233 E. 3.2; 137 III 118 E. 2.3).  
 
3.5.2. Anders als das Bezirksgericht ist die Vorinstanz bei der Unterhaltsberechnung vom tatsächlich erzielten Einkommen der Beschwerdeführerin ausgegangen. Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz dabei einen 13. Monatslohn bzw. eine entsprechende Gratifikation unter Hinweis auf deren Üblichkeit berücksichtigt hat. Offenkundig und damit weder zu behaupten noch zu beweisen (Art. 151 ZPO) sind Tatsachen, die allgemein, jedenfalls aber am Ort des Gerichts verbreitet bekannt sind. Nicht erforderlich ist, dass die Allgemeinheit die Tatsache unmittelbar kennt; es genügt, wenn sie sich aus allgemein zugänglichen Quellen erschliessen lässt (Urteil 5A_7/2021 vom 2. September 2021 E. 5.2 mit Hinweis; vgl. auch BGE 143 IV 380 E. 1.1.1; 135 III 88 E. 4.1). Dies gilt auch dann, wenn das Gericht sie ermitteln muss (BGE 128 III 4 E. 4c/bb; Urteil 5A_1048/2019 vom 30. Juni 2021 E. 3.5.2 und E. 3.6.1). Im Fall eines 13. Monatslohns bzw. einer entsprechenden Gratifikation trifft dies nicht zu (vgl. Urteil 5A_812/2022 vom 9. Juni 2023 E. 3.3). Weitergehend verweist der Beschwerdegegner richtig darauf, dass sich aus den Akten widersprüchliche Hinweise darauf ergeben, ob der Beschwerdeführerin ein 13. Monatslohn ausbezahlt worden ist. Zu verweisen ist dabei auf die sich in den kantonalen Akten befindlichen (provisorischen) Abrechnungen für die Monate Januar bis April 2022 (Berufungsbeilagen 17-19). Unter diesen Umständen hätte die Vorinstanz in der vorliegenden Angelegenheit, die Kinderbelange betrifft und folglich dem uneingeschränkten Untersuchungsgrundsatz untersteht (Art. 296 Abs. 1 ZPO; BGE 148 III 270 E. 6.4 S. 290), abklären müssen, ob die Beschwerdeführerin einen vertraglichen Anspruch auf einen 13. Monatslohn hat bzw. ob die vereinbarte Gratifikation simuliert ist, wie der Beschwerdegegner behauptet. Zumal der Arbeitsvertrag der Beschwerdeführerin sich ebenfalls in den kantonalen Akten befindet (vgl. Berufungsbeilage 20). Hieran ändert auch die die Parteien treffende Mitwirkungspflicht nichts (vgl. dazu BGE 130 I 180 E. 3.2; 128 III 411 E. 3.2.1; Urteil 5A_463/2022 vom 22. Mai 2023 E. 6.5.1).  
Zu Recht weist die Beschwerdeführerin auch auf den Umstand hin, dass der Arbeitsvertrag einen variablen Beschäftigungsgrad vorsieht. Der im angefochtenen Entscheid von der Vorinstanz rekapitulierte Sachverhalt erlaubt daher nicht die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in jedem Monat zu 100 % beschäftigt ist und ein Einkommen von Fr. 4'560.-- erzielen kann. Die Sache ist deshalb auch zur Klärung dieses Punktes an die Vorinstanz zurückzuweisen. Liegt keine vollzeitliche Beschäftigung bei der neuen Arbeitgeberin vor, so ist erneut über die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens zu befinden bzw. zu prüfen, ob es diesbezüglich beim hypothetischen Einkommen von Fr. 4'000.-- bleibt, das die erste Instanz der Beschwerdeführerin angerechnet hat. Entgegen der Meinung des Beschwerdegegners ist es nicht die Aufgabe des Bundesgerichts, ohne entsprechende tatsächliche Grundlagen einen reformatorischen Entscheid zu fällen. Auch entfällt in diesem Fall die Möglichkeit einer Motivsubstitution. 
 
4.  
 
4.1. Umstritten ist weiter, wie mit dem Umstand umzugehen ist, dass die Beschwerdeführerin nicht über genügend Mittel verfügt, um für den Barunterhalt der beiden Kinder C.________ und D.________ aufzukommen. Dazu ist vorab anzumerken, dass die Höhe des Fehlbetrags zwar vom der Beschwerdeführerin anrechenbaren Einkommen abhängt und derzeit noch nicht feststeht (vorne E. 3). Indes darf das Bundesgericht weder die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin verschlechtern, noch über ihre Begehren hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG), was auch im Falle der Rückweisung der Sache an die Vorinstanz und auch dann gilt, wenn im vorinstanzlichen Verfahren wie hier die Offizialmaxime zur Anwendung gelangt (vgl. BGE 135 III 334 E. 2; von WERDT, in: Handkommentar Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 3 zu Art. 107 BGG; DORMANN, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 18 zu Art. 107 BGG). Bei jedem der in diesem Rahmen möglichen Prozessausgänge bleibt vorliegend wohl ein Manko bestehen (vgl. auch vorne Bst. C). Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, was folgt:  
 
4.2. Die Vorinstanz hat den Barbedarf der Kinder nach den Grundsätzen über die Ermittlung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums festgelegt und diesen je zur Hälfte der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner überbunden. Mangels Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin blieben dabei die Fremdbetreuungskosten ausgeklammert. Nach den gleichen Grundsätzen ermittelte die Vorinstanz auch den Barbedarf der aus der Beziehung der Beschwerdeführerin mit H.________ hervorgegangenen Kinder F.________ und G.________. Weil C.________ in einem Internat lebt und deswegen bei ihm keine Fremdbetreuungskosten anfallen, wies die Vorinstanz den daraus in der ersten Phase resultierenden Überschuss zu gleichen Teilen den drei anderen Kindern zu.  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin moniert, dass die Vorinstanz für C.________ in Phase 1 einen Fehlbetrag von Fr. 438.50 feststelle, obwohl sie in dieser Zeit nachweislich für ihren hälftigen Anteil am Barunterhalt, der von der Vorinstanz im Anschluss ans Bezirksgericht mit Fr. 877.-- ausgewiesen wird, aufkomme. Dieser Betrag sei vom Beschwerdegegner zu tragen, zumal dieser über einen Überschuss von fast Fr. 3'500.-- verfüge. Widersprüchlich, widerrechtlich und im höchsten Mass willkürlich sei es, dass die Vorinstanz bei den zwei jüngsten Kindern G.________ und F.________ nur die Hälfte des Barunterhalts in die Unterhaltsberechnung einbeziehe, nachdem ihr die Obhut auch über diese zwei Kinder entzogen worden und auf den Vater H.________ übertragen worden sei. Dieser habe sie auf Unterhalt verklagt; entsprechend müsse davon ausgegangen werden, dass sie als nicht obhutsberechtiger Elternteil schliesslich für den ganzen Barunterhalt dieser Kinder aufkommen müsse, zumal H.________ auch noch gegenüber drei weiteren Kindern und der Ehefrau unterhaltspflichtig sei.  
 
4.4. Lässt sich angesichts beschränkter Leistungsfähigkeit nicht der gesamte als gebührend erachtete Unterhalt des Kindes decken, ist der Fehlbetrag im Unterhaltsvertrag oder im Urteil auszuweisen (Art. 287a Bst. c ZGB und Art. 301a Bst. c ZPO, zum Ganzen BGE 147 III 265 E. 5.6 und 7.2). Das Gesetz schweigt sich darüber aus, welcher Betrag auszuweisen ist, wenn auch der hauptbetreuende Elternteil zum Barunterhalt beiträgt. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin nur für die Hälfte des Barunterhalts ihrer beiden älteren Kinder aufkommen muss, was unbestritten geblieben ist. Im Fall von C.________ beträgt die Hälfte des Barunterhalts ohne Berücksichtigung der Kosten für die Fremdbetreuung in der Phase 1 Fr. 438.50. Vor diesem Hintergrund resultiert im Fall von C.________ in der Phase 1 tatsächlich kein Fehlbetrag. Im Übrigen ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Namentlich ist es nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz die Fremdbetreuungskosten ausklammerte, um einen Eingriff ins Existenzminimum der Beschwerdeführerin zu verhindern. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin damit in unterschiedlichem Umfang zum Unterhalt der beiden älteren Kinder beiträgt. Ebenso wenig hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie den Unterhaltsbedarf der beiden jüngeren Kinder aus der nachfolgenden Beziehung mit H.________ ebenfalls nur zur Hälfte in die Unterhaltsberechnung miteinbezogen hat (vgl. Urteil 5A_737/2018 vom 3. Februar 2021 E. 4 mit Hinweisen). In welchem Umfang deren Vater schliesslich zum Unterhalt beitragen muss, steht im Augenblick nicht fest. Zu recht hat die Vorinstanz die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit einer Abänderungsklage hingewiesen, sollte sie schliesslich dazu verpflichtet werden, mehr als die Hälfte zum Barunterhalt der beiden jüngeren Kindern beitragen zu müssen.  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, Ziffer 2.1 des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Gerichtskosten sind den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 1 und Art. 66 Abs. 1 BGG), jedoch in Folge der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, auf die beide Parteien Anspruch haben, vorerst auf die Bundesgerichtskasse zu nehmen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden keine zugesprochen. Dafür werden die beiden beigeordneten Rechtsvertreter infolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 64 Abs. 2 BGG) aus der Bundesgerichtskasse entschädigt. Die Parteien sind darauf aufmerksam zu machen, dass sie der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben, wenn sie später dazu in der Lage sind (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und Ziffer 2.1 des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. Dezember 2022 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtpflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, und es wird ihr Rechtsanwältin Fabienne Senn-Kaufmann als Rechtsbeiständin beigegeben.  
 
2.2. Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, und es wird ihm Rechtsanwalt Matthias Fricker als Rechtsbeistand beigegeben.  
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt, indes vorerst auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
 
4.1. Rechtsanwältin Fabienne Senn-Kaufmann wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.  
 
4.2. Rechtsanwalt Matthias Fricker wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.  
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. August 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Sieber