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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_637/2023  
 
 
Urteil vom 12. Dezember 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Baeriswyl, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Fürsprecher Lars Rindlisbacher, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde 
Mittelland Süd, Tägermattstrasse 1, 3110 Münsingen, 
 
C.________. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Massnahmen (Aufhebung der vorsorglichen Sistierung des persönlichen Verkehrs), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 2. August 2023 (KES 23 333 KES 23 334 
KES 23 335 KES 23 336). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1987) und B.________ (geb. 1987) sind die unverheiretaten und getrennt lebenden Eltern von C.________ (geb. 2016). Sie üben die elterliche Sorge gemeinsam aus.  
 
A.b. Zwischen den Eltern besteht ein massiver Paarkonflikt, der Anlass zu diversen Entscheiden der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Mittelland Süd (KESB) gegeben hat:  
 
A.b.a. Am 28. Dezember 2021 eröffnete die KESB ein Kindesschutzverfahren. Sie entzog der Mutter (zunächst superprovisorisch) das Aufenthaltsbestimmungsrecht über das Kind und platzierte dieses einige Tage in einer professionellen Einrichtung, dann bei den Grosseltern mütterlicherseits.  
 
A.b.b. Am 31. Mai 2022 hob die KESB den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter auf. Sie errichtete für das Kind eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB, erteilte den Eltern Weisungen und ordnete für das Kind eine Kindesvertretung gemäss Art. 314a bis ZGB an. Den persönlichen Verkehr zwischen dem Kind - das weiterhin bei den Grosseltern wohnte - und seinen Eltern regelte die KESB in der Folge mehrmals neu und erteilte auch den Grosseltern mütterlicherseits Weisungen.  
 
A.b.c. Über die Obhut entschied die KESB am 6. Dezember 2022. Sie übertrug diese der Mutter, wies den Antrag des Vaters auf Erstellung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens ab, regelte den persönlichen Verkehr zwischen Vater und Kind in vier Phasen, erteilte den Eltern und Grosseltern mütterlicherseits Weisungen und regelte die Aufgaben des Beistands (siehe dazu das Urteil im Verfahren 5A_402/2023).  
 
A.b.d. Nachdem der Vater den letztgenannten Entscheid am Obergericht des Kantons Bern angefochten hatte, reichte die Mutter gegen den Vater eine Strafanzeige ein. Dies hatte die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen den Vater wegen sexuellen Handlungen zum Nachteil des Kinds zur Folge. Aufgrund dessen eröffnete die KESB ein neues Kindesschutzverfahren und sistierte mit Entscheid vom 3. bzw. 23. Februar 2023 den persönlichen Verkehr zwischen Vater und Kind vorsorglich. Mit Entscheid vom 25. April 2023 hob die KESB die Sistierung des persönlichen Verkehrs wieder auf und regelte diesen vorsorglich neu (im Wesentlichen begleitete Kontakte einmal wöchentlich im Umfang von bis ca. drei Stunden im Rahmen von Ausflügen, wobei die bisherige Besuchsbegleitung ausgetauscht wurde).  
 
B.  
Auch hiergegen gelangte der Vater an das Obergericht, welches seine Beschwerde allerdings abwies, soweit es darauf eintrat. Es erhob keine Verfahrenskosten, gewährte dem Vater die unentgeltliche Verbeiständung und legte die amtliche Entschädigung seines Rechtsvertreters fest (Entscheid vom 2. August 2023). 
 
C.  
 
C.a. Mit Beschwerde vom 30. August 2023 gelangt A.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Im Wesentlichen ersucht er dieses, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihm die Ausübung des persönlichen Verkehrs mit C.________ unverzüglich zu gewähren, und zwar begleitet (durch die ursprüngliche Familienbegleitung) jeweils dienstags von 11.40 Uhr bis 17.00 Uhr und freitags von 11.40 Uhr bis 15.30 Uhr (dies entspricht fast der Regelung des persönlichen Verkehrs gemäss dem Entscheid vom 6. Dezember 2022 in der ersten Phase).  
 
C.b. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wies der Präsident der urteilenden Abteilung mit Verfügung vom 1. September 2023 ab.  
 
C.c. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Innert Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher, auf Rechtsmittel hin ergangener Entscheid (Art. 75 BGG). Er beschlägt die vorsorgliche Regelung des persönlichen Verkehrs und damit eine der Beschwerde in Zivilsachen unterliegende Angelegenheit (Art. 72 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG) ohne Streitwert. Dabei handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid (vgl. Urteil 5A_238/2021 vom 2. November 2021 E. 3.1 mit Hinweisen), der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der angefochtene Entscheid beschlägt die vorsorgliche, vom Entscheid vom 6. Dezember 2022 abweichende Regelung des persönlichen Verkehrs, ausgelöst durch das laufende Strafverfahren. Es geht mit anderen Worten um eine vorsorgliche Massnahme. Daran ändert nichts, dass die KESB lediglich ihre eigene Regelung als vorsorgliche Massnahme bezeichnet hat, nicht aber die im Dispositiv separat erfolgte Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags um eine anderweitige Gestaltung des persönlichen Verkehrs. Die Abweisung dieses Gesuchs ist Folge der vorsorglichen Regelung. Es kann demnach vorliegend nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (BGE 149 III 81 E. 1.3), wofür das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 144 II 313 E. 5.1; 142 III 364 E. 2.4). Auch die Anwendung von Bundesgesetzen prüft es im Rahmen von Art. 98 BGG nur auf die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) hin und eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen kommt nur infrage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat (BGE 133 III 585 E. 4.1). Werden keine Verfassungsrügen vorgebracht, kann das Bundesgericht eine Beschwerde selbst dann nicht gutheissen, wenn eine Verfassungsverletzung tatsächlich vorliegt (BGE 143 II 283 E. 1.2.2 mit Hinweisen).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine angebliche Rechtsverweigerung bzw. eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 6 Ziff. 1 EMRK, weil die Vorinstanz auf seine Beschwerde teilweise nicht eingetreten ist.  
 
2.2.1. Der in Art. 29 Abs. 1 BV garantierte Anspruch auf gerechte Behandlung in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen umfasst als Teilgehalt das Verbot der formellen Rechtsverweigerung. Im engeren Sinne liegt eine solche vor, wenn eine rechtsanwendende Behörde auf eine Eingabe nicht eintritt oder eine solche ausdrücklich oder stillschweigend nicht an die Hand nimmt und behandelt, obwohl sie dazu verpflichtet wäre (zum Ganzen BGE 144 II 184 E. 3.1).  
 
2.2.2. Zur Rüge des Beschwerdeführers ist lediglich auszuführen, dass die Vorinstanz jedenfalls insofern auf seine Beschwerde eingetreten ist, als sie die von ihm beantragte Regelung des persönlichen Verkehrs einschliesslich seiner Kritik am Wechsel der Besuchsbegleitung geprüft hat. Inwiefern eine Rechtsverweigerung vorliegen sollte, erschliesst sich daher nicht.  
 
2.3. Ausserdem kritisiert der Beschwerdeführer verschiedene weitere Erwägungen der Vorinstanz, so beispielsweise hinsichtlich des Ermittlungsstands des Strafverfahrens bzw. dessen Bewertung hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Anschuldigungen. Auch macht er diverse Ausführungen zur Entwicklung unter der neuen Besuchsbegleitung und zur Notwendigkeit einer Begutachtung und schliesst daraus auf die von ihm beantragte Regelung des persönlichen Verkehrs. Er macht jeweils Rechtsverweigerung gemäss Art. 29 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend und ruft darüber hinaus auch Art. 274 Abs. 1 und 2, Art. 273 Abs. 1 bis 3 und Art. 307 Abs. 1 und 3 ZGB an. Es erschliesst sich jedoch nicht, inwiefern sich die Vorinstanz eine Rechtsverweigerung vorwerfen lassen müsste, hat sie seine Beschwerde doch behandelt (vgl. E. 2.2.1). Die Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte (insbesondere des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV) wird gar nicht erst geltend gemacht, weshalb sich eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Kritik des Beschwerdeführers erübrigt (siehe E. 2.1).  
 
3.  
Die Vorinstanz gewährte dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Verbeiständung und legte die amtliche Entschädigung seines Rechtsanwalts fest, wobei sie das geltend gemachte Honorar gemäss Honorarnote kürzte. Der Beschwerde ist nicht klar zu entnehmen, ob sich der Beschwerdeführer - für den Fall des Unterliegens - gegen die Höhe der amtlichen Entschädigung zur Wehr setzt. Sollte dem so sein, wäre darauf nicht einzutreten, denn eine von einem vorinstanzlichen Gericht im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung festgesetzte Entschädigung kann nur von der rechtsvertretenden Person beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 110 V 360 E. 2; Urteil 8C_229/2022 vom 8. November 2022 E. 6.5). 
 
4.  
Die Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig, zumal der Beschwerdegegnerin kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Aufgrund der konkreten Umstände rechtfertigt es sich jedoch ausnahmsweise, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, war die Beschwerde von vornherein aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist daher - soweit mangels Kostenauflage nicht gegenstandslos geworden - abzuweisen (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Mittelland Süd, C.________ und dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Dezember 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang