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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_582/2022  
 
 
Urteil vom 14. September 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Betrug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 17. Februar 2022 (SB210508-O/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Dietikon verurteilte A.________ am 7. Juli 2021 wegen Betrugs, soweit Vorwürfe ab dem 28. April 2014 betroffen waren. Es verhängte dafür eine bedingte Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Was die Vorwürfe vor dem 28. April 2014 anbelangt, sprach es ihn frei. Zudem stellte es das Verfahren wegen Verjährung ein, soweit es um Vorwürfe vor dem 7. Juli 2006 ging. 
 
B.  
Die dagegen gerichtete Berufung von A.________ hiess das Obergericht des Kantons Zürich am 17. Februar 2022 insofern gut, als es an Stelle der bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 10.-- aussprach. Im Übrigen bestätigte es das bezirksgerichtliche Urteil, soweit dieses nicht in Rechtskraft erwachsen war. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch wegen Betrugs. 
 
1.1. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe seit 1. Januar 2002 Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente bezogen. Mitte 2015 sei der Verdacht entstanden, dass er Vermögenswerte und Einkünfte im Kosovo nicht gemeldet habe. Im Rahmen der nachfolgenden Überprüfung sei dem Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV im Sommer 2015 bekannt geworden, dass er Grundeigentum im Kosovo habe. Diese Erkenntnisse hätten zu einer rückwirkenden Neuberechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente geführt. Am 22. März 2016 habe das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV eine Neuberechnung vorgenommen. Dabei habe es insbesondere drei seit Beginn des Leistungsbezugs nicht angegebene Liegenschaften im Kosovo und einen entsprechenden Vermögensertrag berücksichtigt. Ferner habe es dem Beschwerdeführer seit Juli bzw. August 2014 nicht gemeldete Bezüge kosovarischer Renten angerechnet.  
Die Vorinstanz gelangt nach ausführlichen Berechnungen zum Schluss, im Frühling 2014 habe ein nicht deklariertes Immobilienvermögen von Fr. 52'000.-- bestanden, nämlich Fr. 33'300.-- für das überbaute Anwesen und Fr. 18'700.-- für das Landwirtschaftsland. 
Sodann erwägt die Vorinstanz, am 4. August 2014 seien die Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente ab Januar 2014 neu berechnet worden. Der entsprechenden Verfügung (Urkunde 2/216) entnimmt die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer ein Reinvermögen von Fr. 48'871.-- gehabt habe. Sie ergänzt, dass auch in den früheren Verfügungen Vermögenszahlen in dieser Grössenordnung eingesetzt worden seien. 
Die Vorinstanz fährt fort, unabhängig von der genauen Höhe des sonstigen Vermögens habe es für die Berechnung der Ergänzungsleistungen eine Rolle gespielt, ob die kosovarischen Liegenschaften bekannt gewesen seien. Ob ein Reinvermögen von Fr. 100'871.-- (Grundeigentum von Fr. 52'000.-- + anderweitiges Vermögen von Fr. 48'871.--) oder bloss ein solches von Fr. 48'871.-- in die Leistungsberechnung einfliesse, beeinflusse deren Ergebnis. Dies sei so wegen Art. 11 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30). Diese Bestimmung habe in der Fassung vom 1. Januar 2013 vorgesehen, dass ein Fünfzehntel des Reinvermögens als Einnahmen angerechnet wird, soweit das Reinvermögen bei Ehepaaren Fr. 60'000.-- übersteigt. 
Schliesslich zieht die Vorinstanz das Fazit, dass vom 1. Mai 2014 bis 30. Juni 2015 tiefere Leistungen resultiert hätten, wenn der Beschwerdeführer die Liegenschaften deklariert hätte. Die Differenz betrage ungefähr Fr. 5'000.--. Dies entspreche dem Schaden der Stadt Dietikon. 
 
1.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; 143 I 310 E. 2.2; je mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 III 564 E. 4.1; je mit Hinweisen).  
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1-2.2.3.3; 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen; vgl. zum Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel: BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). 
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1; 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 500 E. 1.1; 142 II 206 E. 2.5; 142 I 135 E. 1.5; je mit Hinweisen). 
 
1.3. Was der Beschwerdeführer vorträgt, begründet keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung.  
 
1.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz gehe davon aus, er habe im Frühling 2014 Immobilien im Wert von Fr. 52'000.-- gehabt. Nach Addition weiterer Vermögenswerte gelange sie zu einem Gesamtvermögen von Fr. 100'871.--. Den Immobilienwert von Fr. 52'000.-- stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Er beanstandet aber, dass die Vorinstanz weiteres Vermögen von Fr. 48'871.-- hinzurechne. Die Vorinstanz stütze sich dabei auf die Urkunde 2/216, worin das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV am 4. August 2014 ein Vermögen von Fr. 48'871.-- aufgeführt habe. Betrachte man dieses Dokument genauer, so zeige sich, dass der Wert von Fr. 48'871.-- rechts neben der Rubrik "Vermögen/davon Rückkaufswert Lebensversicherungen und Liegenschaften" stehe. Worauf sich der Betrag von Fr. 48'871.-- beziehe, sei unklar. Auch die Vorinstanz lasse offen, welche Vermögenswerte diesem Betrag zugrunde lägen. Klar sei, dass der Beschwerdeführer im Frühjahr 2014 allenfalls Bankguthaben von Fr. 2'000.-- bis Fr. 3'000.-- habe. Die Vorinstanz habe willkürlich angenommen, der Betrag von Fr. 48'871.-- gehe über das Liegenschaftsvermögen hinaus. Ohne diesen Betrag wäre das massgebende Vermögen des Beschwerdeführers unter dem Freibetrag von Fr. 60'000.-- gelegen. Damit sei das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV zu keinem Schaden gekommen und der Straftatbestand des Betrugs nicht erfüllt.  
 
1.3.2. Mit seinen Ausführungen legt der Beschwerdeführer dar, wie die Urkunde 2/216 aus seiner Sicht zu würdigen gewesen wären. Den dargelegten Anforderungen an eine Willkürrüge genügt er nicht. Er übersieht, dass Willkür in der Sachverhaltsfeststellung nach ständiger Rechtsprechung nur vorliegt, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist (BGE 145 IV 154 E. 1.1 mit Hinweisen). Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 144 I 113 E. 7.1 mit Hinweis).  
Vorliegend kommt hinzu, dass die Würdigung der Vorinstanz überzeugender erscheint als die Behauptungen des Beschwerdeführers. Denn die Vorinstanz stellt nicht bloss auf die Urkunde 2/216 ab. Vielmehr entnimmt sie den Akten der Stadt Dietikon, dass dem Beschwerdeführer nebst geringen liquiden Mitteln schon seit dem Jahr 2006 Anteile an einer GmbH als Vermögen angerechnet worden seien. Diese Gesellschaft habe der Beschwerdeführer im Jahr 1993 mitgegründet. Ob sie im April 2014 noch aktiv gewesen sei und ob dieser Vermögenswert in der Berechnung noch eine Berechtigung gehabt habe, lasse sich nicht restlos klären. Der Beschwerdeführer habe sich an der Berufungsverhandlung nicht mehr daran erinnert. Allerdings habe er die Zahl während Jahren in den Berechnungen akzeptiert. 
 
1.4. Nach dem Gesagten ist die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nicht willkürlich. Von einer Verletzung des Anklageprinzips oder des Grundsatzes "in dubio pro reo" kann keine Rede sein.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten, da sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. September 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt