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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_726/2021  
 
 
Urteil vom 11. August 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Amt für Arbeit, Lückenstrasse 8, 6430 Schwyz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Einstellung in der Anspruchsberechtigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 20. September 2021 (II 2021 74). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 2000 geborene A.________ war ab dem 20. August 2020 vollzeitlich als Köchin im Berggasthaus B.________ angestellt gewesen. Am 25. Januar 2021 kündigte sie das Arbeitsverhältnis auf den 28. Februar 2021, nachdem sie am 23. Januar 2021 einen Arbeitsvertrag mit der C.________ AG abgeschlossen hatte. Am 10. März 2021 meldete sie sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum U.________ zur Arbeitsvermittlung an und am 15. März 2021 stellte sie Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. März 2021. Mit Verfügung vom 31. März 2021 stellte sie das Amt für Arbeit des Kantons Schwyz wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. März 2021 für 36 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Daran hielt es auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 31. Mai 2021). 
 
B.  
In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz den Einspracheentscheid vom 31. Mai 2021 auf und stellte A.________ ab dem 1. März 2021 für die Dauer von 10 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein (Entscheid vom 20. September 2021). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das Amt für Arbeit des Kantons Schwyz, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 31. Mai 2021 zu bestätigen. Eventualiter seien in Abänderung des kantonalen Entscheids die Einstelltage angemessen zu erhöhen. 
A.________ und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichten auf eine Stellungnahme. Das kantonale Gericht schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 mit Hinweisen). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig ist, ob die vorinstanzliche Herabsetzung der Einstellungsdauer von 36 auf 10 Tage bundesrechtskonform ist. Prozessthema bildet dabei in erster Linie die Frage, ob das kantonale Gericht zu Recht der Beschwerdegegnerin einen entschuldbaren Grund im Sinne von Art. 45 Abs. 4 AVIV zugebilligt hat, nachdem diese das ihr zumutbare Arbeitsverhältnis beim Berggasthaus B.________ ohne rechtsverbindliche Zusicherung einer neuen Arbeitsstelle ab dem 1. März 2021 auf den 28. Februar 2021 aufgegeben hatte. 
 
3.  
 
3.1. Die versicherte Person, die Versicherungsleistungen beanspruchen will, hat im Rahmen ihrer Schadenminderungspflicht alles Zumutbare zu unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen, insbesondere Arbeit zu suchen und jegliche zumutbare Arbeit unverzüglich anzunehmen (Art. 17 Abs. 1 und 3 AVIG). Sie ist in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie durch eigenes Verschulden arbeitslos ist (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG). Die Arbeitslosigkeit gilt insbesondere dann als selbstverschuldet, wenn die versicherte Person das Arbeitsverhältnis von sich aus aufgelöst hat, ohne dass ihr eine andere Stelle zugesichert war, es sei denn, dass ihr das Verbleiben an der Arbeitsstelle nicht zugemutet werden konnte (Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV).  
 
3.2. Das kantonale Gericht hat in diesem Zusammenhang erwogen, die Beschwerdegegnerin habe zwar am 23. Januar 2021 einen rechtskräftigen Vertrag mit der C.________ AG abgeschlossen und danach am 25. Januar 2021 das Arbeitsverhältnis mit dem Berggasthaus B.________ per 28. Februar 2021 aufgelöst. Indessen hätten die Parteien den auf den 1. März 2021 festgelegten Arbeitsbeginn unter dem Vorbehalt vereinbart, dass der Bundesrat die wegen der Corona-Pandemie angeordnete Schliessung der Gastronomiebetriebe auf diesen Zeitpunkt hin aufheben würde. Der Bundesrat habe aber den Lockdown verlängert, sodass die Beschwerdegegnerin den Arbeitsplatz erst am 1. Mai 2021 habe antreten können, womit sie hätte rechnen müssen. Es sei ihr zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis mit dem Berggasthaus B.________ solange fortzuführen, bis hinsichtlich der Aufhebung des Lockdowns Klarheit geherrscht hätte.  
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 45 Abs. 3 AVIV dauert die Einstellung 1 bis 15 Tage bei leichtem (lit. a), 16 bis 30 Tage bei mittelschwerem (lit. b) und 31 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden (lit. c). Die Aufgabe einer zumutbaren Arbeitsstelle ohne entschuldbaren Grund ist nach Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 4 lit. a AVIV in der Regel als schweres Verschulden zu qualifizieren und demnach mit einer Einstellungsdauer von 31 bis 60 Tagen zu sanktionieren (Art. 45 Abs. 3 lit. c AVIV). Liegen besondere Umstände im Einzelfall vor, kann dieser Rahmen unterschritten werden. Vorausgesetzt ist dabei ein entschuldbarer Grund, der - ohne zur Unzumutbarkeit zu führen - das Verschulden als lediglich mittelschwer oder leicht erscheinen lässt. Dieser kann die subjektive Situation der betroffenen Person (etwa gesundheitliche Probleme, familiäre Situation, Religionszugehörigkeit) oder eine objektive Gegebenheit (z.B. die Befristung der Stelle) beschlagen (BGE 130 V 125 E. 3.5; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Auflage 2016, S. 2524, Rz. 864).  
 
4.2. Der Begriff des entschuldbaren Grundes gemäss Art. 45 Abs. 4 AVIV ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe unterliegt als Rechtsfrage grundsätzlich einer uneingeschränkten Überprüfung durch das Bundesgericht (ARV 2012 S. 300, 8C_7/2012 E. 4.1; MARKUS SCHOTT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 36 zu Art. 95 BGG). Die Festlegung der Einstellungsdauer beschlägt hingegen eine typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also bei Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung sowie bei Ermessensmissbrauch (BGE 137 V 71 E. 5.1; Urteil 8C_856/2018 vom 31. Januar 2019 E. 4 mit Hinweisen).  
 
5.  
 
5.1.  
 
5.1.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdegegnerin habe den Lockdown nicht beeinflussen können. Für ihre Situation sei sie jedoch selbst verantwortlich gewesen. Sie habe zwar einen rechtsgültigen Arbeitsvertrag mit der C.________ AG abgeschlossen, der Beginn des Arbeitsverhältnisses sei aber erst für die Zeit nach Aufhebung des Lockdowns verbindlich zugesichert worden. Trotz dieser Ungewissheit habe sie ihre feste Anstellung per 28. Februar 2021 gekündigt, weshalb sie an der ab 1. März 2021 eingetreten Arbeitslosigkeit nicht schuldlos sein könne. Anderseits sei zu berücksichtigen, dass ihr eine neue Anstellung von der C.________ AG zugesichert worden sei. Die objektiven Gesamtumstände (Corona-Pandemie; behördliche Massnahmen; unklare Perspektiven; zugesicherte Stelle; unklarer Arbeitsbeginn; zeitlich befristete Arbeitslosigkeit) wie auch die subjektive Situation der Beschwerdegegnerin (Wunsch nach Stellenwechsel; erster Stellenwechsel überhaupt; wenig Berufserfahrung; eine gewisse Unbedarftheit; Wissen um den Vertragsabschluss; Hoffnung auf das Ende des behördlich angeordneten Lockdowns) seien als entschuldbarer Grund zu werten, so dass kein schweres Verschulden vorliege. Vielmehr sei das Verhalten der Beschwerdegegnerin gesamthaft als leichtes Verschulden zu werten, so dass 10 Einstelltage in der Anspruchsberechtigung angemessen seien.  
 
5.1.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 23. Januar 2021 das Ende des Lockdowns noch nicht habe abgesehen werden können, sei den Parteien bewusst gewesen. Die von der Vorinstanz genannten objektiven Umstände (unklare Perspektiven; unklarer Arbeitsbeginn) seien der Beschwerdegegnerin bekannt gewesen und sie seien zum Vertragsinhalt gemacht worden. Diese beiden Punkte als objektive Umstände zu bezeichnen, sei daher nicht stringent. In subjektiver Hinsicht liste das kantonale Gericht mehrere Stichworte auf, die es nicht ausformuliere. Weshalb die Unbedarftheit, die fehlende Berufserfahrung und der erste Stellenwechsel im Berufsleben entschuldbare Gründe darstellen sollten, sei nicht ersichtlich. Solche Aspekte seien allenfalls im Rahmen des schweren Verschuldens zu berücksichtigen. Wie die Vorinstanz selbst richtig feststelle, sei der Verbleib an der alten Arbeitsstelle ohne weiteres zumutbar gewesen. Zusammengefasst lägen weder objektive noch subjektive Umstände vor, die das Verschulden der Beschwerdegegnerin als lediglich mittelschwer oder gar leicht erscheinen liessen.  
 
5.1.3. Das kantonale Gericht hält fest, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könne der Beschwerdegegnerin kein schweres Verschulden vorgeworfen werden. Es treffe wohl zu, dass im angefochtenen Urteil in E. 5.6 abschliessend die objektiven Gesamtumstände und das Verhalten der Beschwerdegegnerin, die insgesamt den entschuldbaren Grund ausmachten, in einer Klammerbemerkung angefügt worden seien. Es handle sich dabei aber bloss um die stichworartige Wiederholung der davor stehenden Erwägungen.  
 
5.2. Der Auffassung des Beschwerdeführers ist beizupflichten. Was das kantonale Gericht geltend macht, ist nicht stichhaltig. Im angefochtenen Entscheid wird der entschuldbare Grund allein in E. 5.6 begründet. Darin wird festgehalten, die Wahrscheinlichkeit, dass die Beschwerdegegnerin die Arbeit bei der C.________ AG am 1. März 2021 hätte aufnehmen können, sei gering gewesen. Auf der anderen Seite habe sie die volle Gewissheit gehabt, irgendwann bei der neuen Arbeitgeberin mit der Arbeit beginnen zu können. Im Wesentlichen aus diesem Umstand schliesst das kantonale Gericht, der Tatbestand von Art. 45 Abs. 4 lit. a AVIV, wonach ein schweres Verschulden vorliegt, wenn die versicherte Person eine zumutbare Arbeitsstelle ohne Zusicherung einer neuen aufgegeben hat, liege nur in abgeschwächter Form vor. Dies genügt für die Annahme eines entschuldbaren Grundes indessen nicht. Die Vorinstanz hält selber fest, die Beschwerdegegnerin hätte den Anstellungsvertrag mit dem Bergrestaurant B.________ mit einer Frist von einem Monat kündigen können, weshalb die C.________ AG nach Ende des Lockdowns nur kurze Zeit auf den Arbeitsantritt der neuen Arbeitnehmerin hätte warten müssen und damit ein lückenloser Wechsel zwischen den Anstellungen möglich gewesen wäre. Inwieweit die in E. 5.1.1 hievor zitierten, von der Vorinstanz stichwortartig aufgezählten objektiven und subjektiven Umstände einen entschuldbaren Grund zu begründen vermögen, ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid nicht. Es kann dazu vollumfänglich auf die in E. 5.1.2 erwähnten, nicht zu beanstandenden Vorbringen des Beschwerdeführers verwiesen werden, welchen nichts beizufügen ist. Die Beschwerde ist in allen Teilen gutzuheissen.  
 
 
6.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 20. September 2021 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid des Amtes für Arbeit des Kantons Schwyz vom 31. Mai 2021 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. August 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder