Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_201/2022  
 
 
Urteil vom 6. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Harald Jenni, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, 
St. Leonhard-Strasse 7, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; amtliche Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 28. September 2022 (AK.2022.290-AK, AK.2022.331-AP). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Untersuchungsamt St. Gallen führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln sowie des mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Verweigerung, Entzugs oder Aberkennung des Fahrausweises. Im Rahmen der Strafuntersuchung verfügte der verfahrensleitende Staatsanwalt B.________ mit Befehl vom 12. Juli 2022 die Beschlagnahmung des Personenwagens BMW X6 mit dem Nummernschild TG xxx inklusive zwei Fahrzeugschlüsseln. 
 
B.  
Aufgrund dieses Beschlagnahmebefehls stellte A.________ am 19. Juli 2022 ein Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt B.________. Für das Ausstandsverfahren ersuchte sie zudem um die Gewährung der amtlichen Verteidigung. Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies das Ausstandsgesuch mit Entscheid vom 28. September 2023 ab und auferlegte A.________ die Verfahrenskosten im Umfang von Fr. 1'500.--. Zugleich verfügte der Präsident der Anklagekammer die Abweisung des Gesuchs um Einsetzung einer amtlichen Verteidigung wegen Aussichtslosigkeit des Beschwerdeverfahrens. 
 
C.  
A.________ führt mit Eingabe vom 7. November 2023 Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, der Entscheid der Anklagekammer vom 28. September 2023 sei in Bezug auf die Verweigerung der amtlichen Verteidigung aufzuheben. Für das vorinstanzliche Verfahren sei ihr Rechtsanwalt Harald Jenni als amtlicher Verteidiger beizuordnen und sei dieser gemäss eingereichter Kostennote zu entschädigen. Eventualiter sei das Verfahren zur Bezifferung der Entschädigung des amtlichen Rechtsbeistands an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht die Beschwerdeführerin um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Die Anklagekammer und das Untersuchungsamt St. Gallen haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (BGE 147 I 268 E. 1 mit Hinweisen). 
 
1.1. Der angefochtene Entscheid stellt einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren dar, in welchem die Vorinstanz nach Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden hat (Art. 80 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 BGG grundsätzlich offen (BGE 149 I 153 E. 1 mit Hinweisen). Es gilt allerdings zu beachten, dass die Beschwerdeführerin den Zwischenentscheid in Bezug auf die Frage eines allfälligen Ausstands des verfahrensleitenden Staatsanwalts ausdrücklich nicht angefochten hat. Strittig ist vor Bundesgericht einzig die vorinstanzliche Abweisung des Gesuchs um Beiordnung eines amtlichen Rechtsbeistands für das Ausstandsverfahren.  
 
1.2. Vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit wenn möglich nur einmal befassen soll (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 143 III 290 E. 1.3), sieht das Gesetz Ausnahmen vor, namentlich mit Bezug auf Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand, die als solche angefochten werden können und müssen, da im Rahmen der Anfechtung des Endentscheids nicht mehr darauf zurückgekommen werden kann (Art. 92 BGG). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es prozessökonomische Gründe, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Parteiinteressen gebieten, vorgängig über Fragen zur Zuständigkeit einer Behörde oder ihrer ordnungsgemässen Besetzung endgültig zu entscheiden, bevor das Verfahren weiter geführt wird (BGE 138 III 94 E. 2.1 mit Hinweisen). Werden demgegenüber im Rahmen eines Zwischenentscheids über ein Ausstandsbegehren einzig die Kostenfolgen beanstandet, findet die Ausnahmeregelung nach Art. 92 BGG keine Anwendung. Die Anfechtbarkeit richtet sich vielmehr nach Art. 93 BGG (BGE 143 III 416 E. 1.3; 138 III 94 E. 2; Urteil 2C_1054/2017 vom 15. Mai 2018 E. 1.3; je mit Hinweis[en]).  
 
1.3. Angesichts dieser Grundsätze kommt ein Eintreten vorliegend nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in Frage. Die Beschwerdeführerin äussert sich nicht dazu, aus welchem Grund ihr durch das abgewiesene Gesuch um Gewährung der amtlichen Verteidigung für das vorinstanzliche Ausstandsverfahren ein nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne dieser Bestimmung erwachsen sollte. Das ist mit Blick auf die Rechtsprechung auch nicht ersichtlich. Zwar haben Zwischenentscheide, in denen die amtliche Verteidigung oder die unentgeltliche Rechtspflege verweigert werden, gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur zu Folge (BGE 133 IV 335 E. 4, 129 I 129 E. 1.1; Urteil 1B_162/2020 vom 21. Oktober 2020 E. 2.1). Wenn das Beschwerdeverfahren - wie vorliegend - jedoch bereits abgeschlossen ist, der Rechtsbeistand seine Arbeit mithin bereits getan hat, droht der beschwerdeführenden Person aufgrund der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. der amtlichen Verteidigung nicht mehr die Gefahr, dass sie ihre Rechte nicht wahrnehmen kann. In solchen Fällen kann daher allein aus der Tatsache, dass ein Entscheid die amtliche Verteidigung bzw. die unentgeltliche Prozessführung betrifft, nicht auf einen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil geschlossen werden (BGE 139 V 600 E. 2.3; Urteile 6B_3/2021 vom 24. Juni 2022 E. 6.1; 1B_9/2018 vom 29. Januar 2018 E. 1.2; je mit Hinweisen). Vielmehr geht es bei solchen Zwischenentscheiden einzig noch um die Frage, wer das Honorar des Rechtsbeistands bzw. der Rechtsbeiständin zu bezahlen hat. Soweit die Vorinstanz die amtliche Verteidigung für das Beschwerdeverfahren verweigerte, wird die Beschwerdeführerin den angefochtenen Zwischenentscheid vom 28. September 2022 daher zusammen mit der Beschwerde gegen den Endentscheid anfechten können (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 139 V 600 E. 2.3; Urteil 6B_3/2021 vom 24. Juni 2022 E. 6.1). Die Beschwerde erweist sich damit als unzulässig, weshalb nicht darauf einzutreten ist.  
 
2.  
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 3 BGG). Mit Blick auf den Umstand, dass vorliegend bereits die Eintretensvoraussetzungen nicht erfüllt sind, muss die Beschwerde der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin als aussichtslos qualifiziert werden. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung ist demnach abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der angespannten finanziellen Situation der Beschwerdeführerin ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn