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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_10/2023  
 
 
Urteil vom 4. August 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Arbeitslosenversicherung des Kantons Bern, Rechtsdienst, Lagerhausweg 10, 3018 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung, Vermittlungsfähigkeit), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs- 
gerichts des Kantons Bern vom 7. Dezember 2022 
(200 22 68 ALV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1977 geborene A.________, eidg. dipl. Netzwerkspezialist, bezog seit 1. Oktober 2020 Arbeitslosenentschädigung. Am 15. September 2021 überwies das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Emmental/Oberaargau dem Amt für Arbeitslosenversicherung des Kantons Bern (AVA) das Dossier zur Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit. Dieses verneinte mit Entscheid vom 8. Oktober 2021 die Vermittlungsfähigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 15. September 2021. Daran hielt das AVA mit Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2021 fest, da A.________ nicht in der Lage und bereit sei, eine ausserhäusliche Tätigkeit anzunehmen. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 7. Dezember 2022 ab. 
 
C.  
A.________ beantragt mit am 19. Januar 2023 ergänzter Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hauptsächlich, in Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils seien seine Vermittlungsfähigkeit zu bejahen und ihm Taggelder der Arbeitslosenversicherung ab 15. September 2021 zuzusprechen. 
Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen; Urteil 8C_24/2020 vom 19. Februar 2020 E. 1.2 mit Hinweis). Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips klar und detailliert aufzuzeigen. Auf ungenügend begründete Rügen oder blosse appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid, womit lediglich die eigene Sichtweise wiedergegeben wird, wie die Akten tatsächlich zu würdigen und welche rechtlichen Schlüsse daraus zu ziehen seien, geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 138 I 171 E. 1.4, 137 II 353 E. 5.1; Urteil 8C_622/2020 vom 17. Dezember 2020 E. 1.2 mit Hinweis).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie in Bestätigung des Einspracheentscheids vom 14. Dezember 2021 die Vermittlungsfähigkeit und damit den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab 15. September 2021 verneinte.  
 
2.2. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG hat der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er (unter anderem) vermittlungsfähig ist, d.h. wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Zur Vermittlungsfähigkeit gehört demnach nicht nur die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinn, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen (BGE 125 V 51 E. 6a). Ein wesentliches Merkmal der Vermittlungsbereitschaft ist die Bereitschaft zur Annahme einer Dauerstelle als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin; dazu genügt die Willenshaltung oder die bloss verbal erklärte Vermittlungsbereitschaft nicht (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2348 Rz. 270; Urteile 8C_56/2019 vom 16. Mai 2019 E. 2.1; 8C_825/2015 vom 3. März 2016 E. 3.2).  
Vermittlungsunfähigkeit liegt unter anderem vor, wenn eine versicherte Person aus persönlichen oder familiären Gründen ihre Arbeitskraft nicht so einsetzen kann oder will, wie es ein Arbeitgeber normalerweise verlangt. Versicherte, die im Hinblick auf anderweitige Verpflichtungen oder besondere persönliche Umstände lediglich während gewisser Tages- oder Wochenstunden sich erwerblich betätigen wollen, können nur sehr bedingt als vermittlungsfähig anerkannt werden. Denn sind einem Versicherten bei der Auswahl des Arbeitsplatzes so enge Grenzen gesetzt, dass das Finden einer Stelle sehr ungewiss ist, muss Vermittlungsunfähigkeit angenommen werden. Der Grund für die Einschränkung in den Arbeitsmöglichkeiten spielt dabei keine Rolle (BGE 123 V 214 E. 3; 120 V 385 E. 3a; SVR 2022 ALV Nr. 37 S. 127, 8C_82/2022 E. 4.5). 
 
3.  
Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe bei der Anmeldung zur Arbeitsvermittlung am 28. September 2020 sowie auf dem Antragsformular für Arbeitslosenentschädigung vom 8. Oktober 2020 angegeben, zuletzt Heimarbeit geleistet zu haben, was er auch im Einsprache- und im vorinstanzlichen Verfahren bestätigt habe. Dem Arbeitszeugnis der B.________ GmbH vom 30. September 2020 sei zu entnehmen, dass er vom 1. Februar bis 30. September 2020 in Einzelprojekten als Linux-Engineer im Homeoffice eingesetzt worden sei. Das mit der B.________ GmbH eingegangene Vertragsverhältnis sei als Arbeitsverhältnis nach Art. 319 ff. OR zu qualifizieren, weshalb keine Heimarbeit gemäss Art. 351 OR vorliege. Demnach komme auch nicht die Sonderregelung des Art. 14 Abs. 2 AVIV (Vermittlungsfähigkeit von Versicherten, die vor ihrer Arbeitslosigkeit als Heimarbeitnehmer beschäftigt waren) zum Zuge. Der Beschwerdeführer habe, so die Vorinstanz weiter, in der Einsprache vom 8. November 2021 darauf hingewiesen, er sei nur im Homeoffice vollständig belastungs- und arbeitsfähig, da seine gesundheitliche Situation eine dauerhafte ausserhäusliche Tätigkeit objektiv verunmögliche. Im Attest vom 30. September 2021 habe Dr. med. C.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, ohne Begründung festgehalten, der Beschwerdeführer sei auf eine Arbeit im Homeoffice angewiesen, "und [...] da auch" zu 100 % belastbar und arbeitsfähig. Damit übereinstimmend habe sich der Beschwerdeführer gemäss seinen Angaben in der vorinstanzlichen Beschwerde lediglich bis Ende September 2021 auch auf Tätigkeiten mit Präsenz vor Ort beworben. Damit sei der Beschwerdeführer ab 15. September 2021 weder bereit noch in der Lage gewesen, einer ausserhäuslichen Tätigkeit nachzugehen, weshalb spätestens ab diesem Zeitpunkt seine (subjektive) Vermittlungsfähigkeit und damit seine Anspruchsberechtigung zu verneinen sei. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer wendet dagegen nichts Stichhaltiges ein. Die vorinstanzliche Qualifikation, er sei vor seiner Arbeitslosigkeit nicht als Heimarbeitnehmer im Sinne von Art. 351 OR tätig gewesen, wird dabei nicht beanstandet.  
 
4.2. Er übt im Wesentlichen unzulässige appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Urteil, mit welcher er seine eigene - in der Sache überwiegend bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren vorgetragene - Sicht der Dinge wiederholt, ohne sich unter Willkürgesichtspunkten mit den vorinstanzlichen Feststellungen auseinanderzusetzen. Dies genügt nicht, um das angefochtene Urteil in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig oder anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen (vgl. vorstehende E. 1.2 u. BGE 144 I 113 E. 7.2).  
 
4.3. Inwiefern die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung das Willkürverbot verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt haben soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist nicht ersichtlich. Dementsprechend bleibt die Feststellung im vorinstanzlichen Urteil, der Beschwerdeführer habe seinerseits selbst angegeben, nur bis Ende September 2021 nebst Stellen im Homeoffice auch Stellen mit Präsenzpflicht vor Ort gesucht zu haben, für das Bundesgericht verbindlich. Weshalb der Beschwerdeführer mit Blick auf das Attest des Dr. med. C.________ vom 30. September 2021 aus gesundheitlichen Gründen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sein soll, auch in einer ausserhäuslichen Tätigkeiten vollständig leistungsfähig zu sein, legt er nicht dar. In diesem Zusammenhang behauptet er lediglich, auch bereit und imstande gewesen zu sein, eine ausserhäusliche Stelle anzutreten, wobei er die diesbezügliche Frage der Verwaltung in seinem Schreiben vom 5. Oktober 2021 - mit Verweis auf das ärztliche Zeugnis vom 30. September 2021 hinsichtlich zukünftiger Bewerbungen - unbeantwortet liess, wie die Vorinstanz feststellte. Mit der ausschliesslichen Stellensuche von reinen Homeoffice-Tätigkeiten als Linux-Engineer setzte er bei der Auswahl eines Arbeitsplatzes so enge Grenzen, dass das Finden einer Stelle als sehr ungewiss erschien, weshalb die Vorinstanz bundesrechtskonform auf Vermittlungsunfähigkeit schliessen durfte (siehe vorstehende E. 2.2).  
 
4.4. Soweit er für seine ausserhäusliche Arbeitsbereitschaft den Tatbeweis erbringen will, indem er geltend macht, am 19. Juli 2022 der Vorinstanz einen mit der D.________ AG abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 15. Juli 2022 als Systemadministrator eingereicht zu haben, dringt er damit nicht durch. Er verkennt, dass sich die Vermittlungsfähigkeit prospektiv beurteilt, somit aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie bis zum Erlass des Einspracheentscheids (hier: 14. Dezember 2021) bestanden haben (vgl. BGE 143 V 168 E. 2 mit Hinweisen; ARV 2020 S. 82, 8C_435/2019 E. 3.2), weshalb er hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. Unter diesen Umständen erübrigen sich weitere Erwägungen zur Rüge des Beschwerdeführers, dieses Beweismittel habe die Vorinstanz unberücksichtigt gelassen. Falls er damit eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend machen will, indem die Vorinstanz ein für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet habe, ist ihm jedenfalls nicht zu folgen. Aus dem gleichen Grund unbehelflich ist auch sein Vorbringen, durch seinen aktuellen Stellenwechsel zum Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) seine Vermittlungsfähigkeit unter Beweis gestellt zu haben, wobei dieses als echtes Novum ohnehin nicht zu berücksichtigen ist (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2).  
 
4.5. Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist schliesslich, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, nicht auszumachen. Damit hat es beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. August 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla