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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_281/2024  
 
 
Urteil vom 12. Juni 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Herrn Marad Widmer, 
 
gegen  
 
Justiz- und Sicherheitsdepartement 
des Kantons Luzern, 
Bahnhofstrasse 15, 6003 Luzern. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
Luzern, 4. Abteilung, vom 25. April 2024 
(7h 24 24/7U 24 5). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der russischen Staatsbürgerin A.________ (geb. 1999) wurde am 2. Juni 2022 ein multiples 90-tägiges Besuchsvisum aus familiären Gründen für den Zeitraum vom 27. August 2022 bis 26. August 2024 ausgestellt. Gestützt darauf reiste sie am 12. September 2023 in die Schweiz ein.  
Vorgängig, am 14. August 2023, hatte A.________ bei der Schweizer Auslandsvertretung in Moskau ein Gesuch um Erteilung eines Visums D zur Aufnahme eines zweijährigen Masterstudiums in Health Sciences an der Universität Luzern gestellt. Das Studium trat sie im Herbstsemester 2023 an. 
 
1.2. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2023 ordnete das Amt für Migration des Kantons Luzern (nachfolgend: Migrationsamt) an, dass A.________ das Gesuchsverfahren betreffend Zulassung zwecks Aus- und Weiterbildung ausserhalb der Schweiz bzw. des Schengenraumes abzuwarten habe.  
Dagegen gelangte A.________ mit einer als "Verwaltungsbeschwerde bzw. Rechtsverweigerungs- / Rechtsverzögerungsbeschwerde" bezeichneten Eingabe an das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern (nachfolgend: Departement). Sie beantragte, es sei die Verfügung vom 19. Dezember 2023 aufzuheben und das Migrationsamt sei anzuweisen, ihr Gesuch zu behandeln. 
Mit Entscheid vom 22. Dezember 2023 wies das Departement die Verwaltungsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Dagegen erhob A.________ Beschwerde an das Kantonsgericht Luzern. 
 
1.3. In seinem am 25. April 2024 ergangenen Urteil hielt das Kantonsgericht unter anderem fest, das Departement habe in seinem Entscheid vom 22. Dezember 2023 die geltend gemachte Rechtsverweigerung bzw. -verzögerung nicht behandelt und insofern den Anspruch auf rechtliches Gehörs von A.________ schwer verletzt. In der Folge hiess es die Beschwerde betreffend die Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung gut und wies die Sache diesbezüglich im Sinne der Erwägungen zur Prüfung und zum Entscheid in der Sache an das Departement zurück (Dispositiv-Ziff. 1, Satz 1). Im Übrigen wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Dispositiv-Ziff. 1, Satz 2).  
 
1.4. A.________ gelangt mit einer als Beschwerde bezeichneten Eingabe vom 31. Mai 2024 an das Bundesgericht und beantragt, es sei Dispositiv-Ziff. 1, letzter Satz, des Urteils des Kantonsgerichts vom 25. April 2024 aufzuheben und die Sache an das Departement zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Prozessual ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung, vorab superprovisorisch. Ferner beantragt sie im Sinne einer vorsorglichen Massnahme, sie sei für die Dauer des hängigen Bewilligungs- und Beschwerdeverfahrens zum obligatorischen Praktikum im Rahmen ihres Medizinstudiums zuzulassen. Schliesslich ersucht sie um Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten.  
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
2.  
Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens bildet einzig der prozedurale Aufenthalt der Beschwerdeführerin während der Dauer des vor dem Migrationsamt hängigen Bewilligungsverfahrens. 
Die Verfügung des Migrationsamts vom 19. Dezember 2023, mit welcher die Beschwerdeführerin angehalten wurde, den Ausgang des Verfahrens betreffend Zulassung zwecks Aus- und Weiterbildung ausserhalb der Schweiz und des Schengenraums abzuwarten habe, schliesst das Verfahren nicht ab und stellt somit keinen Endentscheid (Art. 90 BGG), sondern einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG dar. Beim Entscheid über den prozeduralen Aufenthalt im Sinne von Art. 17 AIG (SR 142.20) handelt es sich um einen Zwischenentscheid über eine vorsorgliche Massnahme mit materiellrechtlichen Vorgaben im Bundesrecht (Urteile 2C_376/2022 vom 13. September 2022 E. 1.3; 2C_852/2014 vom 2. Oktober 2015 E. 2.2). Rechtsmittelentscheide über Zwischenentscheide von unteren Instanzen sind in der Regel ihrerseits Zwischenentscheide (BGE 139 V 600 E. 2.1; Urteil 2C_910/2022 vom 8. Januar 2024 E. 1.2.1). 
Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens (vgl. BGE 143 II 425 E. 1.3; 138 II 501 E. 1.1) folgt der Rechtsweg bei Zwischenentscheiden demjenigen der Hauptsache (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1; Urteile 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.1). 
 
3.  
 
3.1. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - abgesehen vom hier nicht massgebenden Fall gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG - nur zulässig, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (vgl. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Art. 93 BGG gilt kraft Verweises in Art. 117 BGG auch für das Verfahren der subsidiären Verfassungsbeschwerde (vgl. auch Urteil 5A_573/2015 vom 22. April 2016 E. 2.3). Praxisgemäss muss der Nachteil, der dem Beschwerdeführer droht, rechtlicher Natur sein und auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden können (BGE 143 III 416 E. 1.3; 141 III 80 E. 1.2). Rein tatsächliche Nachteile reichen grundsätzlich nicht aus (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). Dass im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, ist in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen, soweit ein solcher nicht ohne Weiteres ins Auge springt. Andernfalls ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; Urteil 2C_708/2022 vom 26. September 2022 E. 2.2).  
 
3.2. Die Verpflichtung einer Ausländerin, die Schweiz zu verlassen und das Ergebnis des ausländerrechtlichen Verfahrens im Ausland abzuwarten, bildet grundsätzlich nur dann einen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil, wenn in der Sache selber ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit besteht bzw. ein solcher zumindest vertretbar dargetan wird (vgl. Urteile 2D_9/2017 vom 3. Oktober 2017 E. 1.5 mit Hinweisen; 2D_58/2011 vom 9. Januar 2012 E. 1.2).  
 
3.3. In der Sache geht es primär um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Aus- und Weiterbildung gestützt auf Art. 27 AIG. Diese Norm verschafft aufgrund ihrer potestativen Formulierung keinen Anspruch auf Bewilligungserteilung (vgl. Urteile 2C_675/2023 vom 12. Dezember 2023 E. 4.1; 2D_30/2021 vom 12. Juli 2021 E. 3).  
 
3.4. Die Beschwerdeführerin leitete einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus ihrer Beziehung zu einem italienisch-schweizerischen Doppelbürger, mit welchem sie nach eigenen Angaben seit vier Jahren im Konkubinat lebe. Sie beruft sich dabei auf Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA (SR 0.142.112.681) sowie auf Art. 8 EMRK.  
 
3.4.1. Auf Doppelbürger-Konstellationen ist das FZA nur anwendbar, wenn es sich nicht um eine rein interne Situation handelt. Vielmehr ist ein sog. grenzüberschreitender Tatbestand erforderlich (vgl. BGE 143 II 57 E. 3.8.2 und 3.10.2; Urteil 2C_819/2021 vom 12. Mai 2022 E. 3.2.1; vgl. auch BGE 143 V 81 E. 8.3.3.1). Die Beschwerdeführerin legt in keiner Weise dar, inwiefern dies der Fall sein soll. Ein grenzüberschreitender Tatbestand ist auch nicht offensichtlich, zumal es sich bei ihrem Partner nach eigenen Angaben um einen Angehörigen der Schweizer Armee handle, der in der Schweiz wohnhaft sei.  
 
3.4.2. Sodann kann sich aus einem Konkubinat gestützt auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV ein Bewilligungsanspruch ergeben, wenn die partnerschaftliche Beziehung seit Langem eheähnlich gelebt wird oder konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Hochzeit hindeuten. Die Beziehung der Konkubinatspartner muss bezüglich Art und Stabilität in ihrer Substanz einer Ehe gleichkommen. Dabei ist wesentlich, ob die Partner in einem gemeinsamen Haushalt leben; zudem ist der Natur und Länge ihrer Beziehung sowie ihrem Interesse und ihrer Bindung aneinander, etwa durch Kinder oder andere Umstände wie die Übernahme von wechselseitiger Verantwortung, Rechnung zu tragen (vgl. Urteile 2C_260/2022 vom 23. August 2022 E. 1.4.1; 2C_246/2022 vom 31. Januar 2023 E. 5.1; 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018 E. 3.1).  
Dass und inwiefern diese Voraussetzungen bei der Beschwerdeführerin, die sich gemäss dem angefochtenen Urteil erst seit dem 12. September 2023 mit einem Besuchsvisum bzw. prozeduralbedingt in der Schweiz aufhält, nicht mit ihrem Partner zusammenwohnt und keine Heiratsabsichten geltend macht, erfüllt sein sollen, wird nicht hinreichend dargetan. Gegenseitige Besuche oder der Umstand, dass ihr Freund sie gemäss einem von ihm unterzeichneten Schreiben finanziell unterstützen soll, reichen nicht aus, um zumindest in vertretbarer Weise darzutun, dass eine hinreichend gefestigte, eheähnliche Beziehung vorliegt. Somit vermag die Beschwerdeführerin nicht in vertretbarer Weise darzutun, dass ein potenzieller Bewilligungsanspruch aufgrund ihrer Beziehung zu ihrem Freund besteht. 
 
3.5. Ein anderweitiger Bewilligungsanspruch wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.  
 
3.6. Folglich gelingt es der Beschwerdeführerin nicht in vertretbarer Weise darzutun, dass ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit in der Schweiz besteht und somit dass ihr ein nicht wieder gutzumachender rechtlicher Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a [allenfalls i.V.m. Art. 117] BGG droht, wenn sie den Entscheid über ihre Aufenthaltsbewilligung im Ausland abwarten muss (vgl. E. 3.2 hiervor). Ein solcher Nachteil ist im Übrigen auch nicht offensichtlich.  
Die Eingabe erweist sich daher als unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob diese als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten oder als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln sei. Angesichts des Umstands, dass kein potenzieller Bewilligungsanspruch in vertretbarer Weise geltend gemacht wird, ist aber davon auszugehen, dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der Sache ausgeschlossen ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Ziff. 5 BGG) und dass die Beschwerdeführein über kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b BGG verfügt, sodass die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht offen steht. 
 
3.7. Indessen rechtfertigt es sich, daran zu erinnern, dass die Vorinstanz eine schwer wiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin durch das Departement angenommen hat, weil dieses die bei ihm erhobene Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde im Zusammenhang mit der Weigerung des Migrationsamts, das Bewilligungsverfahren fortzuführen, nicht behandelt hat (vgl. E. 1.3 hiervor). Vor diesem Hintergrund ist das Departement auch an dieser Stelle anzuhalten, die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung im Zusammenhang mit dem Vorgehen des Migrationsamtes beförderlich zu behandeln und rasch möglichst einen Entscheid zu fällen.  
 
4.  
 
4.1. Auf die offensichtlich unzulässige Beschwerde ist mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. a) nicht einzutreten. Damit werden die Gesuche um aufschiebende Wirkung und vorsorgliche Massnahmen für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos.  
 
4.2. Das Gesuch um Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten bzw. unentgeltliche Rechtspflege wird zufolge Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Umständehalber wird indessen auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Juni 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov