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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_384/2023  
 
 
Urteil vom 6. September 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, 
Bäumleingasse 1, 4051 Basel, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
unentgeltliche Rechtspflege; Wechsel des unentgeltlichen Rechtsbeistands, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt 
vom 27. Juni 2023 (BEZ.2023.30). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die 1976 geborene A.________ (Beschwerdeführerin) begab sich im Oktober 2004 in die Frauenklinik des Universitätsspitals Basel zur Geburt ihres zweiten Kinds. Nach der Geburt und während des stationären Aufenthalts kam es bei der Beschwerdeführerin zu Komplikationen, die bis zum 10. November 2004 mehrere Eingriffe nach sich zogen. In der Folge litt die Beschwerdeführerin unter psychischen Beeinträchtigungen, die ab Oktober 2005 in einer Rente der Invalidenversicherung mündeten. 
Am 4. September 2014 reichte die Beschwerdeführerin Klage beim Zivilgericht Basel-Stadt ein und beantragte, das Universitätsspital Basel und der Kanton Basel-Stadt seien zur Zahlung von Genugtuung und Schadenersatz in der Höhe von Fr. 100'000.-- zu verpflichten, unter Vorbehalt der Mehrforderung. Gleichzeitig stellte sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Am 17. Februar 2015 bewilligte der Zivilgerichtspräsident dieses Gesuch mit dem Anwalt Jan Herrmann als unentgeltlichem Rechtsvertreter vorläufig und verpflichtete die Beschwerdeführerin, ihre Liegenschaft zu verkaufen. Nachdem die Beschwerdeführerin die Liegenschaft nicht innert Frist verkauft hatte, hob der Zivilgerichtspräsident den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege per 31. März 2016 auf. 
Nach Zahlung eines Kostenvorschusses durch die Beschwerdeführerin, Beendigung des doppelten Schriftenwechsels im Klageverfahren und Anordnung eines Gerichtsgutachtens zur Frage, ob dem Spital ein ärztliches Fehlverhalten vorzuwerfen sei, gewährte der Zivilgerichtspräsident der Beschwerdeführerin am 31. Oktober 2017 die unentgeltliche Rechtspflege erneut, mit einem Selbstbehalt in der Höhe des bereits geleisteten Kostenvorschusses von Fr. 7'020.--. Nach Erstattung des Gutachtens und von Stellungnahmen zu diesem fand am 16. November 2022 die Hauptverhandlung statt. Dabei wurde ein Vergleich unterzeichnet, den die Beschwerdeführerin aber am 20. Februar 2023 fristgemäss widerrief. 
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Eingabe vom 21. März 2023, ihr Anwalt Jan Herrmann sei mit sofortiger Wirkung als unentgeltlicher Rechtsvertreter zu entlassen. Mit Eingabe vom gleichen Tag teilte Jan Herrmann mit, dass er die Beschwerdeführerin ab sofort nicht mehr vertrete. Mit Verfügung vom 22. März 2023 bewilligte der Zivilgerichtspräsident der Beschwerdeführerin den Wechsel der Rechtsvertretung insofern nicht, als ihr für die Aufwendungen einer allfälligen neuen Rechtsvertretung keine unentgeltliche Rechtspflege gewährt werde. Er forderte die Beschwerdeführerin auf mitzuteilen, ob sie sich weiterhin durch den Anwalt Jan Herrmann, sich selbst oder eine neue - von ihr selbst zu finanzierende - Rechtsvertretung vertreten lassen wolle. 
Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 27. Juni 2023 ab, soweit es darauf eintrat. 
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 26. Juli 2023 (Postaufgabe am 27. Juli 2023) Beschwerde in Zivilsachen. Gleichzeitig ersuchte sie darum, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen. 
Das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Verfügung des präsidierenden Mitglieds der ersten zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 28. Juli 2023 abgewiesen. 
Auf die Einholung von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet. 
 
2.  
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid, der das Verfahren in der Hauptsache, d.h. das Klageverfahren vor dem Zivilgericht Basel-Stadt, nicht abschliesst (vgl. BGE 141 III 395 E. 2.2; 135 III 212 E. 1.2, 329 E. 1.2; 135 V 141 E. 1.1 mit Hinweis). 
Gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide, die - wie vorliegend - weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (vgl. Art. 92 BGG), ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). 
Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbstständig anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2; 135 I 261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1; 133 IV 288 E. 3.2). Dementsprechend obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1; 134 III 426 E. 1.2 in fine; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2). 
 
2.1. Das Bundesgericht könnte bei einer Gutheissung der vorliegenden Beschwerde keinen Endentscheid im Hauptklageverfahren fällen, weshalb vorliegend die Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG von vornherein ausser Betracht fällt.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin äussert sich in ihrer Beschwerdeschrift nicht zur alternativen Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, ob ihr durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Es ist demnach im Folgenden zu prüfen, ob das Vorliegen dieser Zulässigkeitsvoraussetzung offensichtlich in die Augen springt.  
 
2.2.1. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 136 IV 92 E. 4; 134 III 188 E. 2.1; 133 III 629 E. 2.3.1, je mit Hinweisen). Rein tatsächliche Nachteile wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens reichen nicht aus (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 138 III 190 E. 6; 137 III 380 E. 1.2.1 mit Hinweisen).  
 
2.2.2. Wird die unentgeltliche Rechtspflege insgesamt oder die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters verweigert, nimmt die Rechtsprechung grundsätzlich einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil an (BGE 129 I 129 E. 1.1; s. auch BGE 133 IV 335 E. 4). Demgegenüber hat die Abweisung eines Gesuches um einen Wechsel des amtlichen Rechtsbeistands bzw. die Nichtbestellung des gewünschten Anwalts, besondere Umstände vorbehalten, keinen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil zur Folge (BGE 139 IV 113 E. 1.1; 135 I 261 E. 1.2; 133 IV 335 E. 4; 126 I 207 E. 2b). Die Gefahr eines solchen wird in diesen Fällen primär angenommen, wenn der designierte Anwalt seine Aufgabe z.B. wegen einer Interessenkollision oder offensichtlicher Unfähigkeit nicht erfüllen kann oder wenn er seine anwaltlichen Berufs- und Standespflichten in grober Weise verletzt (Urteile 2C_28/2023 vom 25. Januar 2023 E. 2.4; 4A_106/2017 vom 4. Juli 2017 E. 3.2; 1B_237/2007 vom 8. Januar 2008 E. 1.7; s. auch BGE 124 I 185 E. 3b S. 190; 120 Ia 48 E. 2b/bb). Ebenso kann ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen, wenn dem Wunsch des Betroffenen nach einem Anwalt seines Vertrauens in willkürlicher Weise keine Rechnung getragen wird (Urteile 4A_106/2017 vom 4. Juli 2017 E. 3.2; 1B_384/2020 vom 30. Juli 2020 E. 2.2; 5A_153/2014 vom 10. Juli 2014 E. 1.2.1). Der blosse Umstand, dass die Partei kein Vertrauen in den ernannten amtlichen Rechtsvertreter hat, reicht nicht aus, wenn das mangelnde Vertrauen auf rein subjektiven Gründen beruht und nicht offensichtlich ist, dass das Verhalten des designierten Verteidigers den Interessen der Partei schadet (BGE 138 IV 161 E. 2.4; Urteile 2C_28/2023 vom 25. Januar 2023 E, 2,4; 1B_384/2020 vom 30. Juli 2020 E. 2.2).  
 
2.2.3. Vorliegend springt es - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschwerde - keineswegs ins Auge, dass entsprechende Umstände gegeben wären, unter denen auf einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil geschlossen werden kann.  
So erhob die Beschwerdeführerin vor dem Zivilgericht folgende Vorwürfe gegen ihren unentgeltlichen Rechtsvertreter: (1) Aufzwingen der Vereinbarung mit der Gegenpartei, (2) keine substanziellen Verhandlungen mit der Gegenpartei zur Erhöhung der Genugtuungssumme, (3) mangelhafte Prozessführung, (4) Prozessverzögerungen und (5) massiver Vertrauensverlust gegenüber dem Anwalt. Der Zivilgerichtspräsident erwog dazu, der von der Beschwerdeführerin erwähnte Vertrauensverlust möge ihrem subjektiven Empfinden entsprechen, lasse sich jedoch aus Sicht des Gerichts nicht konkretisieren. Bei objektiver Betrachtung könne keinesfalls gesagt werden, dass der Anwalt Jan Herrmann, der auf den einschlägigen Bereich medizinischer Sorgfaltspflichtverletzungen spezialisiert und Fachanwalt für Haftpflicht- und Versicherungsrecht sei, den Prozess mangelhaft geführt habe. Auch habe er den Prozess nicht verzögert. Unter den gegebenen Umständen sei es auch nicht zu beanstanden, wenn er der Beschwerdeführerin den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich mit Nachdruck zur Annahme empfohlen haben sollte. Dass er ihr den Vergleich geradezu «aufgezwungen» habe, sei dagegen tatsachenwidrig. Dem Anwalt sei bei objektiver Betrachtung kein Fehlverhalten vorzuwerfen, insbesondere keines, das einen Wechsel des unentgeltlichen Rechtsvertreters rechtfertige. 
Die Vorinstanz kam zum Schluss, der Zivilgerichtspräsident habe zu Recht angenommen, dass die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass das Vertrauensverhältnis zu ihrem unentgeltlichen Vertreter vollständig zerstört worden wäre und er ihre wesentlichen Interessen nicht mehr wahrnehmen könnte. Wenn der erst in der Beschwerde an das Appellationsgericht erhobene Vorwurf der mangelhaften Kommunikation zu berücksichtigen wäre, müsste dieser als wenig glaubhaft zurückgewiesen oder als nicht schwerwiegend genug taxiert werden, um einen vollständigen Vertrauensverlust und damit einen Wechsel des unentgeltlichen Rechtsvertreters zu begründen. Wäre der weitere Vorwurf des Vergleichsdrucks, der erst in der Beschwerde konkretisiert worden sei, zu berücksichtigen, wäre er als unberechtigt zurückzuweisen. Sodann müsste auch der Vorwurf von weiteren Fehlern in der Prozessführung, der erst in der Beschwerde etwas näher ausgeführt worden sei, als unbeheflich zurückgewiesen werden, wenn er zu berücksichtigen wäre. 
Aus den entsprechenden überzeugenden Erwägungen ist grundsätzlich zu schliessen, dass keine Gründe der in vorstehender Erwägung 2.2.2 genannten Art gegeben sind, nach denen angenommen werden könnte, dass der Beschwerdeführerin durch die Abweisung ihres Gesuchs um Wechsel des unentgeltlichen Rechtsvertreters ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht. Etwas anderes springt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen, welche die Beschwerdeführerin diesen Entscheidgründen entgegen setzt, nicht offensichtlich in die Augen. 
So stellt sie den Ausführungen der Vorinstanz, ohne auf diese hinreichend einzugehen, im Wesentlichen bloss ihre eigene Sicht der Dinge gegenüber, indem sie dem Rechtsvertreter beispielsweise unsubstanziiert vorwirft, dass er ihr verschwiegen habe, wie schwierig es sei, ein "solches Verfahren" zu gewinnen, und dass er durch das Fehlen einer Strategie den Prozess verzögert habe. Insgesamt tut sie keine hinreichend konkretisierten und substanziierten Anhaltspunkte bzw. Umstände dar, aufgrund der offensichtlich würde, dass ihr ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohe, weil eine Interessenkollision des unentgeltlichen Rechtsvertreters vorläge, weil dieser offensichtlich unfähig zur Erfüllung seiner Aufgabe wäre, weil er seine Pflichten vernachlässigt oder seine Berufs- und Standespflichten grob verletzt hätte oder weil ein Vertrauensverlust in ihn wegen dessen interessenschädigenden Verhaltens als objektiv verständlich erscheinen würde. 
 
2.3. Die Beschwerde erweist sich demnach als offensichtlich unzulässig, weshalb darauf im Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG nicht einzutreten ist.  
 
3.  
Nach dem Ausgeführten ist das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren abzuweisen, weil die Beschwerde als von vornherein aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG). Darüber musste unter den gegebenen Umständen nicht vorgängig separat entschieden werden (vgl. Urteil 4A_20/2011 vom 11. April 2011 E. 7.2.2). 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. September 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer