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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_153/2023  
 
 
Urteil vom 17. Juli 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Walther. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sämi Meier, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Dezember 2022 (IV.2022.00345). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1983 geborene A.________ meldete sich am 24. März 2015 erstmals bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an, dies unter Hinweis auf eine Diskushernie L5/S1. Nach Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) mit Verfügung vom 26. November 2015 einen Rentenanspruch.  
 
A.b. Am 7. Mai 2018 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle trat auf die Neuanmeldung ein und tätigte Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht. Auf entsprechende Gesuche der Versicherten erteilte sie am 16. Mai 2019 und am 12. Mai 2021 Kostengutsprache für verschiedene Hilfsmittel (orthopädische Spezialschuhe für Orthesen, Schuhzurichtungen, Fussheber- sowie Rumpforthesen). Im Weiteren veranlasste die IV-Stelle eine polydisziplinäre Begutachtung durch die PMEDA AG Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen, Zürich (nachfolgend: PMEDA). Gestützt auf deren Expertise vom 12. Oktober 2020 kündigte sie A.________ an, das Rentenbegehren abzuweisen (Vorbescheid vom 30. November 2020). Nachdem die Versicherte dagegen Einwände erhoben hatte, beauftragte die IV-Stelle die PMEDA mit der Erstellung eines polydisziplinären Verlaufsgutachtens, welches am 24. Januar 2022 erstattet wurde. Gestützt darauf verneinte sie mit Verfügung vom 17. Mai 2022 den Rentenanspruch.  
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Urteil vom 23. Dezember 2022). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des kantonalen Urteils sei die IV-Stelle anzuweisen, ihr rückwirkend ab 1. November 2018 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht holt die vorinstanzlichen Akten ein, ohne einen Schriftenwechsel durchzuführen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei willkürlich (BGE 144 V 50 E. 4.2). 
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen Rentenanspruch der Beschwerdeführerin verneinte. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum hier anwendbaren Recht, d.h. den Bestimmungen des ATSG, des IVG sowie der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung (vgl. zum Ganzen BGE 148 V 174 E. 4.1) richtig dargelegt. Zutreffend wiedergegeben sind auch die rechtlichen Grundlagen zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) und zum Rentenanspruch (Art. 28 IVG). Dasselbe gilt bezüglich der bei der IV-Neuanmeldung der versicherten Person analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 3 IVV; BGE 130 V 71 E. 3) und, bei gegebenem Revisionsgrund, der in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassenden Prüfung des Rentenanspruchs (BGE 141 V 9 E. 2.3). Richtig sind auch die Ausführungen der Vorinstanz über den Beweiswert von Arztberichten im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a) und von im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Administrativgutachten im Besonderen (BGE 135 V 465 E. 4.4). Darauf kann ebenso verwiesen werden wie auf die vorinstanzlichen Darlegungen zur Invaliditätsbemessung bei im Gesundheitsfall teilweise Erwerbstätigen nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 145 V 370; 143 I 50 E. 4.4) und zur Bemessung der hypothetisch erzielbaren Vergleichseinkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen: BGE 144 I 103 E. 5.3; 134 V 322 E. 4.1) und mit Invalidität (Invalideneinkommen: BGE 143 V 295 E. 2.2). 
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht erwog, aufgrund der progredienten Spondylolisthesis LWK5/SWK1 und der neu erhobenen Diagnose einer "Angst und depressiven Störung gemischt" (ICD-10 F41.2) sei eine sachverhaltliche Änderung seit der abschlägigen Rentenverfügung vom 26. November 2015 zu bejahen. Im Rahmen der umfassenden Prüfung des Rentenanspruchs stellte es bezüglich des Ausmasses der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin sodann auf die polydisziplinären (Verlaufs-) Gutachten der PMEDA vom 12. Oktober 2020 und vom 24. Januar 2022 ab. Am 12. Oktober 2020 hatten die Gutachter als Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine leichtgradige Läsion des Nervus peroneus links, eine mögliche L5- und S1-Nervenwurzelreizung links sowie die bereits genannte Spondylolisthesis LWK5/SWK1 (Meyerding Grad II) und "Angst und depressive Störung gemischt" (ICD-10 F41.2) gestellt. Gemäss ihren Einschätzungen im (neurologischen, neurophysiologischen und orthopädischen) Verlaufsgutachten vom 24. Januar 2022 würden sich wiederum die wahrscheinliche L5- und/oder S1-Nervenwurzelreizung links und die bildmorphologisch stationäre Spondylolisthesis LWK5/SWK1 (Meyerding Grad II) auf die Arbeitsfähigkeit auswirken. Keinen solchen Einfluss habe demgegenüber die leichtgradige, vorrangig axonale Läsion des linken Nervus peroneus ohne Progredienz.  
Gestützt auf die als beweiswertig erachteten Ausführungen in den beiden Gutachten gelangte die Vorinstanz zum Schluss, die Beschwerdeführerin sei in der angestammten Tätigkeit als Rayonleiterin resp. Verkaufsmitarbeiterin nur noch in einem Pensum von 50 % arbeitsfähig. In einer leidensangepassten Verweistätigkeit betrage die Arbeitsfähigkeit demgegenüber seit jeher 100 %. 
 
4.2. Im Zusammenhang mit den erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens vermerkte das kantonale Gericht, die Qualifikation der Beschwerdeführerin als teilerwerbstätige Hausfrau wie auch die jeweiligen Anteile (80 % Erwerbstätigkeit; 20 % Haushaltstätigkeit) seien unbestritten. Der Vergleich der Validen- und Invalideneinkommen von Fr. 55'742.- bzw. von Fr. 54'681.- ergab eine Erwerbseinbusse von Fr. 1'061.- und damit einen Invaliditätsgrad von 1.9 %. Aufgrund des resultierenden Teilinvaliditätsgrads von rund 1.5 % im Erwerbsbereich, so die Vorinstanz, würde selbst bei einer 100%igen Leistungsunfähigkeit im Haushaltsbereich kein rentenbegründender Invaliditätsgrad resultieren. Die Verfügung der IV-Stelle erweise sich damit als richtig.  
 
5.  
Die Beschwerdeführerin beanstandet letztinstanzlich einzig das Ergebnis der medizinischen Abklärungen, wobei sie sich insbesondere gegen die gutachterliche Einschätzung einer vollen Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten wendet. 
 
5.1. Nicht gefolgt werden kann ihr hinsichtlich der Rüge, die PMEDA-Gutachter seien nicht auf das Schmerzsyndrom eingegangen. Im Gegenteil lässt sich sämtlichen Teilgutachten eine einlässliche Auseinandersetzung sowohl mit den von der Beschwerdeführerin geklagten Schmerzen als auch mit den diesbezüglichen Einschätzungen der behandelnden Ärzte entnehmen. Namentlich der psychiatrische Gutachter hielt die Auffassung des behandelnden Psychiaters, es handle sich um eine schmerzreaktive Problematik mit Fokussierung auf das Schmerzerleben, "anteilig" für nachvollziehbar. Soweit er gleichwohl keine somatoforme Schmerzstörung oder eine Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostizierte, dies unter Hinweis auf den Ausschlusscharakter der von ihm erhobenen Diagnose, begründet dies keine Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Einschätzungen. Dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin, es hätte zwingend die Schmerzmedizin in die Begutachtung einbezogen werden müssen, ist zu entgegnen, dass der Beizug weiterer Experten im Ermessen der Gutachter liegt (Urteil 8C_495/2021 vom 16. März 2022 E. 4.3). Gleiches gilt für ihre pauschale Rüge, die Verlaufsbegutachtung hätte sich nicht nur auf die Bereiche der Neurologie, Neurophysiologie und Orthopädie beschränken dürfen.  
 
5.2. Hinsichtlich des Vorhalts der Beschwerdeführerin, den Gutachten könne angesichts der abweichenden Einschätzungen der übrigen Ärzte nicht gefolgt werden, ist darauf hinzuweisen, dass letztere ein Gutachten im Sinne von Art. 44 ATSG nur dann in Frage zu stellen vermögen, wenn sie wichtige - und nicht rein subjektiver ärztlicher Interpretation entspringende - Aspekte benennen, die im Rahmen der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (nicht publ. E. 6.2 des Urteils BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131; Urteil 8C_109/2023 vom 5. Juni 2023 E. 6.3). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Arztberichte aus den Jahren 2018, 2019 und 2021 sind hierfür von vornherein unbehelflich. Wie bereits das kantonale Gericht zutreffend vermerkte, ergingen die PMEDA-Gutachten vom 12. Oktober 2020 und vom 24. Januar 2022 in Kenntnis und nach Auseinandersetzung mit den Akten. Soweit einige der behandelnden Ärzte der Beschwerdeführerin eine volle Arbeitsunfähigkeit nicht nur in der angestammten, sondern auch in angepassten Tätigkeiten attestierten, wiesen die Gutachter einlässlich darauf hin, dass deren Einschätzungen nicht auf objektiven Befunden, sondern vornehmlich auf dem subjektiven Leidensdruck und den von der Beschwerdeführerin berichteten Einschränkungen im Haushalt und der Freizeit beruhten. Angesichts der Erläuterungen der behandelnden Ärzte in den fraglichen Berichten sowie der zahlreichen, von den Gutachtern festgestellten Inkonsistenzen zwischen den von der Beschwerdeführerin geklagten Beschwerden und den objektivierbaren Untersuchungsbefunden erscheint diese Beurteilung ohne Weiteres nachvollziehbar.  
 
5.3. Auch der erneute Hinweis der Beschwerdeführerin auf den nachträglichen Bericht des Dr. med. B.________, Facharzt für Rheumatologie sowie Physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 25. März 2022 vermag nicht zu verfangen. Neben einem Verweis auf seinen früheren Bericht vom 2. März 2021, welcher den PMEDA-Gutachtern vorlag, erschöpft sich seine Kritik am Verlaufsgutachten letztlich im pauschalen Vorwurf, die Angaben der Beschwerdeführerin betreffend ihre Einschränkungen in Freizeit und Haushalt seien von den Gutachtern nicht ausreichend berücksichtigt worden. Konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit ihrer Einschätzungen begründet dies nicht. Welche neuen Aspekte schliesslich dem Bericht des Dr. med. C.________, Facharzt für Neurologie, vom 22. Februar 2022 zu entnehmen sein sollen, wird in der Beschwerde nicht näher dargelegt.  
 
5.4. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde ist der Vorinstanz schliesslich auch nicht entgangen, dass der orthopädische Gutachter den Beginn der 50%igen Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit auf Januar 2015 festlegte. Wie sie festhielt, wirft diese Beurteilung angesichts der 80%igen Arbeitstätigkeit der Beschwerdeführerin von Juli 2015 bis Ende 2017 zwar Fragen auf. Inwiefern sie jedoch Zweifel an der von allen Gutachtern geteilten Einschätzung einer vollen Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten begründen soll, ist nicht ersichtlich.  
 
5.5. Soweit die Vorinstanz den Gutachten der PMEDA vollen Beweiswert beimass, ist ihr nach dem Gesagten weder eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung noch eine sonstige Verletzung von Bundesrecht vorzuwerfen. Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte sie willkürfrei davon absehen (antizipierte Beweiswürdigung, vgl. BGE 144 V 361 E. 6.5). Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.  
 
6.  
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 17. Juli 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Walther