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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_448/2022  
 
 
Urteil vom 5. Mai 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Hartmann, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Quinto. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
beide handelnd durch C.________, 
und diese vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas von Wartburg, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen (Familiennachzug), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 6. April 2022 (VB.2022.00038). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die brasilianische Staatsangehörige C.________ heiratete im August 2016 den in der Schweiz niedergelassenen italienischen Staatsangehörigen D.________, welcher Vater ihrer gemeinsamen, im 2016 geborenen Tochter E.________ ist. Nachdem C.________ am 2. März 2016 in die Schweiz eingereist war, wurde ihr am 18. August 2016 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Nach mehreren Vorfällen häuslicher Gewalt trennte sich das Ehepaar am 19. Januar 2017. Am 9. Oktober 2018 erhielt C.________ gestützt auf einen nachehelichen Härtefall (Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG; zum anwendbaren Recht vgl. E. 2.2 unten) eine Aufenthaltsbewilligung, welche seither regelmässig verlängert wurde.  
 
A.b. C.________ hat zwei ältere Töchter aus einer früheren Beziehung, nämlich A.________ (geb. 2004) und B.________ (geb. 2005), welche ebenfalls die brasilianische Staatsangehörigkeit besitzen, bis anhin in Brasilien lebten und dort von ihren Grosseltern väterlicherseits betreut wurden. A.________ und B.________ reisten am 11. Dezember 2017 als Touristinnen in die Schweiz ein und wohnten bei ihrer Mutter. Nach einer Gefährdungsmeldung mussten sie durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) am 2. Mai 2018 fremdplatziert werden.  
 
A.c. Seit Januar 2017 wird C.________ von der Sozialhilfe unterstützt, wobei sich der bis zum 28. Juni 2021 bezogene Betrag auf Fr. 320'000.-- belief. Rund die Hälfte dieses Betrages entfiel auf Kosten infolge Fremdplatzierung der beiden älteren Töchter sowie Familienbegleitung (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
Mit Verfügung des Migrationsamts des Kantons Zürich (Migrationsamt) vom 8. September 2021 wurde C.________ wegen Sozialhilfebezugs ausländerrechtlich verwarnt und der Widerruf bzw. die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung angedroht. Zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils dauerte der Sozialhilfebezug weiter an. 
 
B.  
Das von C.________ am 8. März 2018 für ihre beiden Töchter A.________ und B.________ gestellte Gesuch um Familiennachzug wurde mit Verfügung des Migrationsamts vom 8. September 2021 abgewiesen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 22. Dezember 2021; Urteil Verwaltungsgericht des Kantons Zürich vom 6. April 2022). Im kantonalen Rechtsmittelverfahren wurde A.________ und B.________ die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 1. Juni 2022 beantragen A.________ (Beschwerdeführerin 1) und B.________ (Beschwerdeführerin 2; beide zusammen: Beschwerdeführerinnen), beide vertreten durch ihre Mutter C.________, alle vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas von Wartburg, die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Den Beschwerdeführerinnen sei die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei die Sache zur Feststellung der Unzulässigkeit bzw. Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sowie zur vorläufigen Aufnahme der Beschwerdeführerinnen an das Staatssekretariat für Migration (SEM) zu überweisen. 
In prozessualer Hinsicht beantragen die Beschwerdeführerinnen, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und es sei ihnen zu bewilligen, den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abzuwarten. Ausserdem ersuchen die Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Mit Präsidialverfügung vom 3. Juni 2022 wurde der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet. 
 
D.  
Das Migrationsamt teilte dem Bundesgericht mit Schreiben vom 5. September 2022 unter Beilage einer Wegzugsmeldung der Einwohnerkontrolle vom 25. August 2022 mit, die Beschwerdeführerin 1 sei am 15. Mai 2022 nach Portugal ausgereist und komme nicht mehr zurück. Daraufhin setzte die Instruktionsrichterin den Beschwerdeführerinnen mittels Verfügung vom 4. Oktober 2022 Frist bis zum 24. Oktober 2022, um dem Bundesgericht mitzuteilen, ob sie an der vorliegenden Beschwerde festhalten wollten. 
Die Beschwerdeführerinnen teilten dem Bundesgericht hierauf fristgerecht im Wesentlichen mit, es sei zutreffend, dass die Beschwerdeführerin 1 die Schweiz und damit auch ihre Familie Richtung Portugal verlassen habe, weil sie in der Schweiz für sich keine Perspektive mehr sehe. Die Beschwerdeführerin 2 lebe aber nach wie vor in der Schweiz. Vor diesem Hintergrund werde mitgeteilt, "dass bezüglich der Beschwerdeführerin 2 B.________ an der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten festgehalten wird." 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide betreffend ausländerrechtliche Bewilligungen nur zulässig, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher Anspruch besteht. Ob tatsächlich ein Aufenthaltsrecht besteht, ist eine materielle Frage und keine Eintretensfrage (BGE 147 I 268 E. 1.2.7; 139 I 330 E. 1.1).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerinnen berufen sich bezüglich des Familiennachzugs auf Art. 44 AIG i.V.m. Art. 8 EMRK (Schutz des Familienlebens). Art. 44 AIG gewährt aufgrund seiner potestativen Formulierung ("ledigen Kindern unter 18 Jahren von Personen mit Aufenthaltsbewilligung kann eine Aufenthaltsbewilligung erteilt [...] werden") keinen Anspruch auf Familiennachzug. Allerdings können sich die nachzuziehenden Kinder im Falle einer engen und tatsächlich gelebten familiären Beziehung auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK mit der in der Schweiz ansässigen Person berufen, wenn Letztere über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht (in der Schweiz) verfügt, was praxisgemäss der Fall ist, wenn diese Person das Schweizer Bürgerrecht besitzt, ihr die Niederlassungsbewilligung gewährt wurde oder sie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht (BGE 146 I 185 E. 6.1 f.; 144 I 266 E. 3.3; 137 I 284 E. 1.2 f.; Urteil 2C_409/2018 vom 23. Januar 2019 E. 1.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 145 II 105).  
Die Mutter der Beschwerdeführerinnen verfügt gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG (zum anwendbaren Recht vgl. E. 2.2 unten) über eine Aufenthaltsbewilligung (nachehelicher Härtefall). Vorliegend bestehen aufgrund der konkreten Umstände (ausländerrechtliche Verwarnung und Androhung des Widerrufs bzw. der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung; vgl. Bst. A.c oben) erhebliche Zweifel, ob sie (die Mutter) über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht im Sinne der Rechtsprechung verfügt (vgl. Urteil 2C_360/2016 vom 31. Januar 2017 E. 5.1) und sich damit in vertretbarer Weise auf einen potenziellen Bewilligungsanspruch berufen kann. Die Frage kann jedoch vorliegend offen gelassen werden, da die Beschwerde in der Sache ohnehin abzuweisen sein wird (vgl. E. 4 ff. unten). Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (zumindest in Bezug auf die Beschwerdeführerin 2; Art. 42, Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in Bezug auf die Beschwerdeführerin 2 einzutreten (zur Beschwerdeführerin 1 vgl. E. 1.3 f. nachfolgend). 
 
1.3. Rechtsprechungsgemäss muss der Rückzug einer Beschwerde klar, ausdrücklich und grundsätzlich unbedingt erfolgen (BGE 141 IV 269 E. 2.1; vgl. Urteil 2C_713/2021 vom 11. November 2021 E. 3.2.1), um die Beschwerde als gegenstandslos abschreiben zu können. Vorliegend haben die Beschwerdeführerinnen (mit Schreiben vom 24. Oktober 2022) zwar nur in Bezug auf die Beschwerdeführerin 2 ausdrücklich erklärt, an der Beschwerde festhalten zu wollen, woraus umgekehrt geschlossen werden könnte, dass die Beschwerdeführerin 1 an der Beschwerde nicht festhält. Mangels klarer und ausdrücklicher Rückzugserklärung der Beschwerdeführerin 1 liegt dennoch bezüglich der Beschwerdeführerin 1 kein Rückzug vor. Allerdings hatte die Beschwerdeführerin 1 zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde (1. Juni 2022) die Schweiz bereits definitiv verlassen (15. Mai 2022), weshalb in Bezug auf sie bei Beschwerdeeinreichung kein aktuelles Interesse bzw. kein rechtlich geschütztes Interesse (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG) an der materiellen Behandlung der Beschwerde mehr bestand (vgl. Urteil 2C_78/2021 vom 26. Januar 2022 E. 1.1 f.). Mangels aktuellem Rechtsschutzinteresse bei Beschwerdeeinreichung ist deshalb auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bezüglich der Beschwerdeführerin 1 nicht einzutreten (vgl. Art. 72 BGG i.V.m. Art. 72 BZP [SR 273]; BGE 142 I 135 E. 1.3.1 mit Hinweisen).  
 
1.4. Für Anträge zur vorläufigen Aufnahme und zur Unzulässigkeit bzw. Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zur Verfügung (Art. 83 lit. c Ziff. 3 und 4 BGG).  
Anträge betreffend die vorläufige Aufnahme sind direkt an das Staatssekretariat für Migration (SEM) zu richten (vgl. Art. 83 Abs. 1 AuG; ab 1. Januar 2019: AIG) und das Beschwerdeverfahren fällt in den Kompetenzbereich des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 31 VGG i.V.m. Art. 5 VwVG; Urteile 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 E. 5.2 f.; 2C_668/2021 vom 20. Dezember 2021 E. 1.2). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde steht diesbezüglich ebenfalls nicht zur Verfügung (Art. 113 BGG e contrario). 
Im Zusammenhang mit der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG (z.B. aufgrund einer medizinischen Notlage) steht grundsätzlich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen, wobei diesfalls die Verletzung eines besonderen verfassungsmässigen Rechts, welches unmittelbar ein rechtlich geschütztes Interesse verschafft, gerügt werden muss, und zwar in einer der qualifizierten Rüge- und Substanziierungspflicht genügenden Weise (Art. 115 lit. b, Art. 116, Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteil 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 E. 5.4; vgl. Urteil 2C_837/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 4.4.6; vgl. E. 2.1 nachfolgend). Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerde nicht. 
Im Weiteren kann im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Parteirechten geltend gemacht werden, aber nur, wenn sie einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (sog. "Star-Praxis"; BGE 137 II 305 E. 2 und 3.2; Urteil 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 E. 5.3). Auch diesbezüglich finden sich in der Beschwerde keine Ausführungen. 
Auf den Subeventualantrag, wonach die Sache zur Feststellung der Unzulässigkeit bzw. Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sowie zur vorläufigen Aufnahme der Beschwerdeführerinnen an das SEM zu überweisen sei (vgl. Bst. C oben), ist deshalb nicht einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht, d.h. es ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils aufzuzeigen, inwiefern die entsprechenden Rechtsnormen verletzt worden sein sollen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 478 E. 2.4; 139 I 229 E. 2.2).  
 
2.2. Da das Gesuch um Familiennachzug am 8. März 2018 und damit vor Inkrafttreten (1. Januar 2019) der Gesetzesrevision vom 16. Dezember 2016 erfolgte (AS 2017 6521; AS 2018 3171), gilt vorliegend gemäss Art. 126 Abs. 1 AIG noch das AuG in seiner bis am 31. Dezember 2018 gültigen Fassung (vgl. Urteil 2C_668/2018 vom 28. Februar 2020 E. 1, nicht publ. in: BGE 146 I 135; AS 2007 5437).  
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6).  
 
3.  
 
3.1. Art. 8 EMRK verschafft praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt oder auf einen besonderen Aufenthaltstitel (BGE 144 I 266 E. 3.2; 143 I 21 E. 5.1; 139 I 330 E. 2.1). Er hindert die Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden (BGE 144 I 266 E. 3.2; 139 I 330 E. 2.1). Dennoch kann es das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzen, wenn einer ausländischen Person, deren Familienangehörige sich hier aufhalten, die Anwesenheit untersagt und damit ihr Zusammenleben vereitelt wird (BGE 144 I 91 E. 4.2; 140 I 145 E. 3.1). Das entsprechende, in Art. 8 EMRK geschützte Recht ist tangiert, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, das entsprechende Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 I 266 E. 3.3, E. 3.8; 144 I 91 E. 4.2). Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 144 I 266 E. 3.3).  
 
3.2. Sind obige Umstände gegeben, sind gute Gründe erforderlich, um den Familiennachzug zu verweigern. Solche liegen rechtsprechungsgemäss grundsätzlich vor, wenn die Bedingungen von Art. 44 AuG nicht eingehalten sind oder ein Erlöschensgrund gemäss Art. 51 Abs. 2 AuG (welcher unter anderem Rechtsmissbrauch erwähnt und auf Art. 62 Abs. 1 AuG verweist) erfüllt ist (BGE 146 I 185 E. 6.2; 139 I 330 E. 2.4.1; 137 I 284 E. 2.6 f.). Ausserdem müssen die Fristen bezüglich Familiennachzug gemäss Art. 47 AIG i.V.m. Art. 73 VZAE eingehalten sein (BGE 146 I 185 E. 6.2). Eine ausländische Person, welche gemäss innerstaatlicher Regelung kein Recht hat, ihre Familienangehörigen in die Schweiz nachzuziehen, kann jedoch nicht über Art. 8 EMRK eine Aufenthaltsbewilligung für diese erhalten, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 42 ff. AuG (ab 1. Januar 2019: AIG) erfüllt sind (vgl. BGE 146 I 185 E. 6.2; Urteil 2C_207/2017 vom 2. November 2017 E. 5.1 mit Hinweisen).  
 
3.3. Gemäss Art. 44 AuG (in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung; ab 1. Januar 2019: AIG) kann ledigen Kindern unter 18 Jahren von Personen mit Aufenthaltsbewilligung eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, wenn (a) sie mit diesen zusammenwohnen, (b) eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist, und (c) sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind.  
 
3.4. Die Voraussetzung von Art. 44 lit. c AuG ("nicht auf Sozialhilfe angewiesen") dient der Entlastung der Sozialhilfe und der öffentlichen Finanzen. Inhaltlich bzw. in negativer Umkehrung entspricht sie dem Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. e AuG (Widerruf Aufenthaltsbewilligung wegen Sozialhilfeabhängigkeit; Urteil 2C_574/2018 vom 15. September 2020 E. 4.1). Sie ist nicht erfüllt, wenn eine konkrete Gefahr der Sozialhilfeabhängigkeit besteht. Blosse finanzielle Bedenken genügen nicht und ebensowenig kann diesbezüglich auf Hypothesen und pauschalierte Gründe abgestellt werden (Urteile 2C_574/2018 vom 15. September 2020 E. 4.1; 2C_35/2019 vom 15. September 2020 E. 4.1). Die Nichterteilung der Bewilligung des Familiennachzugs fällt grundsätzlich in Betracht, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt sorgen wird (Urteile 2C_ 35/2019 vom 15. September 2020 E. 4.1; 2C_13/2019 vom 31. Oktober 2019 E. 3.1.1). In quantitativer Hinsicht ist bezogene Sozialhilfe im Umfang von rund Fr. 55'000.-- im Rahmen von Art. 44 lit. c AuG bereits beachtlich (vgl. Urteil 2C_965/2021 vom 5. April 2022 E. 3.4 mit Hinweisen).  
 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hat unter anderem erwogen, vorliegend fehle es bereits an den Elementen des Zusammenwohnens (Art. 44 lit. a AuG) und der bedarfsgerechten Wohnung (Art. 44 lit. b AuG). Zudem habe die Kindsmutter bereits in erheblichem Ausmass Sozialhilfe bezogen und eine Loslösung von der Sozialhilfe sei trotz einem mittlerweile erzielten Verdienst von rund Fr. 1'500.-- bis Fr. 2'000.-- monatlich nicht absehbar. Damit scheitere der Nachzug der Beschwerdeführerin 2 auch an den fehlenden finanziellen Mitteln der Familie bzw. der Nichterfüllung von Art. 44 lit. c AuG. Die Voraussetzungen von Art. 44 AuG seien somit nicht gegeben.  
 
4.2. Wie es sich mit den Kriterien von Art. 44 lit. a und b AuG verhält, deren fehlerhafte Anwendung durch die Vorinstanz die Beschwerdeführerin 2 rügt, kann dahingestellt bleiben, denn das ebenfalls (kumulativ) zu erfüllende Kriterium von Art. 44 lit. c AuG (keine Sozialhilfeabhängigkeit) ist vorliegend nicht erfüllt: Der bis Juni 2021 bezogene Betrag von über Fr. 320'000.-- ist bereits erheblich und fällt im Rahmen von Art 44 lit. c AuG negativ ins Gewicht. Auch dürfte sich dieser Betrag bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils (6. April 2022) noch deutlich erhöht haben, da der Sozialhilfebezug über den Juni 2021 hinaus andauerte. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass - auch wenn aufgrund der Ausreise der Beschwerdeführerin 1 von einer Senkung der Sozialhilfebezüge auszugehen ist - nach wie vor keine Ablösung der betroffenen Familie von der Sozialhilfe absehbar ist. Auch mit einem Kostenbeitrag der Beschwerdeführerin 2 ist nicht zu rechnen. Diese anerkennt denn auch, dass das Kriterium von Art. 44 lit. c AuG vorliegend nicht erfüllt ist (vgl. S. 8 Beschwerdeschrift). Die Voraussetzungen für einen Nachzug der Beschwerdeführerin 2 gemäss Art. 44 AuG sind somit nicht gegeben. Mangels Anspruch auf Familiennachzug ist die ausführliche Interessenabwägung bzw. Verhältnismässigkeitsprüfung der Vorinstanz (vgl. E. 3.3 und E. 5 des angefochtenen Urteils) nicht weiter zu überprüfen.  
 
5.  
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen besteht kein Anlass, die Sache wie eventualiter beantragt zur Sachverhaltsergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf den Eventualantrag ist demnach nicht einzutreten. 
 
6.  
 
6.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich demzufolge als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.  
 
6.2. Nachdem die Beschwerdeführerin 1 bereits bei Beschwerdeeinreichung nicht mehr zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert war (vgl. E. 1.3 oben), waren die von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge von vornherein aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist deshalb in Bezug auf die Beschwerdeführerin 1 abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).  
 
6.3. In Bezug auf die Beschwerdeführerin 2 war von Beginn weg klar, dass die Voraussetzungen von Art. 44 AuG nicht erfüllt sind. Auch die Anträge der Beschwerdeführerin 2 waren demnach als von vornherein aussichtslos zu betrachten, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege auch bezüglich der Beschwerdeführerin 2 abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG).  
 
6.4. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren ist angesichts der Umstände jedoch abzusehen.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerinnen wird abgewiesen. 
 
3.  
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Mai 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: C. Quinto