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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1488/2022  
 
 
Urteil vom 16. Juni 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Junker, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Bahnhofstrasse 29, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Wiederherstellung der Frist (grobe Verletzung der Verkehrsregeln usw.), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 22. November 2022 (Nr. 50/2021/24). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Kantonsgericht Schaffhausen verurteilte den Beschwerdeführer am 9. Juli 2021 wegen grober Verkehrsregelverletzung zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Der Beschwerdeführer meldete anlässlich der mündlichen Hauptverhandlung Berufung an. In der Folge begründete das Kantonsgericht das Urteil und spedierte dieses am 6. Oktober 2021 per Einschreiben an die vom Beschwerdeführer bezeichnete Adresse, wo es ihm am 7. Oktober 2021 zur Abholung gemeldet wurde. Da innert Frist keine Berufungserklärung einging, trat das Obergericht des Kantons Schaffhausen am 23. November 2021 auf die Berufung nicht ein. Die dagegen erhobene Beschwerde in Strafsachen vom 3. Dezember 2021 wies das Bundesgericht am 7. Februar 2022 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 6B_1429/2021). 
Am 15. November 2022 stellte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Einreichung einer Berufungserklärung gegen das Urteil des Kantonsgerichts vom 9. Juli 2021. Darauf trat das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Verfügung vom 22. November 2022 nicht ein. Zur Begründung führt es aus, der Beschwerdeführer anerkenne selber, mit dem Entscheid des Obergerichts vom 23. November 2021 erfahren zu haben, dass er die Frist zur Einreichung einer Berufungserklärung verpasst habe. Dass er innert 30 Tagen seit dieser Erkenntnis die versäumte Handlung nachgeholt hätte, lege er indessen nicht dar und sei auch nicht ersichtlich. Damit könne auf das Gesuch um Fristwiederherstellung nicht eingetreten werden. 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er macht namentlich geltend, das Obergericht habe sich mit wesentlichen Ausführungen in der Eingabe vom 15. November 2022, insbesondere mit der Frage der Weiterleitungspflicht nach Art. 91 Abs. 4 StPO und dem Antrag auf Ansetzung einer Frist zur Einreichung einer Berufungserklärung, nicht auseinandergesetzt. Dadurch seien das rechtliche Gehör und Bundesrecht verletzt worden. 
 
2.  
Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft (Art. 94 Abs. 1 StPO). Das Gesuch ist innert 30 Tagen nach Wegfall des Säumnisgrundes schriftlich und begründet bei der Behörde zu stellen, bei welcher die versäumte Verfahrenshandlung hätte vorgenommen werden sollen (Art. 94 Abs. 2 StPO). Gestützt auf Art. 91 Abs. 4 StPO hat die Frist als gewahrt zu gelten, wenn das Gesuch bei einer nicht zuständigen schweizerischen Behörde eingeht (s.a. Urteil 6B_1293/2018 vom 14. März 2019 E. 2.4). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz ist auf das Fristwiederherstellungsgesuch nicht eingetreten, weil der Beschwerdeführer trotz Kenntnis seiner Säumnis die verpasste Rechtshandlung nicht innert Frist nachgeholt hat. Soweit dieser vor Bundesgericht geltend macht, er habe als juristischer Laie nicht wissen können, dass ein Wiederherstellungsgesuch im Sinne von Art. 94 StPO beim Obergericht einzureichen und innert derselben Frist zugleich die versäumte Handlung nachzuholen gewesen wäre, verkennt er, dass er aus seiner angeblichen Rechtsunkenntnis grundsätzlich nichts zu seinen Gunsten ableiten kann ("Nichtwissen schützt nicht"; BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1). Abgesehen davon hat sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seines Gesuchs um Wiederherstellung vom 15. November 2022 anwaltlich vertreten lassen und jedenfalls spätestens dann die Voraussetzungen von Art. 94 StPO kennen können und müssen. Indessen hat er es auch zu diesem Zeitpunkt (und im Übrigen bis heute) unterlassen, die verpasste Verfahrenshandlung, d.h. die Einreichung einer Berufungserklärung, nachzuholen. Unter diesen Umständen erschliesst sich nicht, inwiefern das Nichteintreten der Vorinstanz auf das Wiederherstellungsgesuch bundesrechtswidrig sein bzw. sie das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt haben könnte, indem sie sich zu seinem Antrag auf Ansetzung einer Frist zur Einreichung einer Berufungserklärung nicht geäussert hat.  
 
3.2. Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Kritik in der Beschwerde; sie geht entweder an der Sache vorbei oder über den Gegenstand des Verfahrens hinaus. So hat das Bundesgericht, anders als der Beschwerdeführer behauptet, die von ihm im Verfahren 6B_1429/2021 eingereichte Eingabe vom 3. Dezember 2021 nicht als Fristwiederherstellungsgesuch qualifiziert. Unerfindlich bleibt deshalb, weshalb die fragliche Eingabe vom 3. Dezember 2021 in Anwendung von Art. 91 Abs. 4 StPO (siehe Art. 30 Abs. 2 BGG) hätte weitergeleitet werden müssen. Selbst wenn man eine Weiterleitungspflicht annehmen wollte, erschliesst sich nicht, inwiefern sich der Umstand des Nichtweiterleitens nachteilig ausgewirkt haben soll, zumal die Vorinstanz dem Beschwerdeführer in ihrer Nichteintretensverfügung nicht vorwirft, das Gesuch um Wiederherstellung zu spät gestellt zu haben (vgl. vorstehend E. 3.1). Unbehelflich ist schliesslich auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe als Laie nicht damit rechnen müssen, nach Anmeldung der Berufung eine Aufforderung zur Einreichung einer Berufungserklärung zu erhalten, und die Fristversäumnis erscheine deshalb sowie aufgrund der weiteren Umstände (Änderung der Wohnadresse) als unverschuldet. Soweit er sich damit erneut auf fehlende Rechtskenntnisse berufen will, nützt ihm dies von vornherein nichts (vgl. wiederum BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1). Dass nach Einreichung eines Rechtsmittels regelmässig Frist ansetzende gerichtliche Mitteilungen erfolgen können, liegt in der Natur der Sache; dies muss auch einem juristischen Laien bewusst sein (Urteil 2F_10/2014 vom 27. Juni 2014 E. 2.2.1). Wer nach der Erhebung eines Rechtsmittels (vorübergehend) abwesend ist und dies dem Gericht weder anzeigt noch jemanden mit der Entgegennahme von Postsendungen betraut, kann sich daher nicht auf ein unverschuldetes Hindernis berufen, wenn er wegen fehlender Kenntnisnahme einer Fristansetzung nicht rechtzeitig zu handeln vermag. Im Übrigen betrifft das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht die Thematik der Wiederherstellung einer versäumten Frist im Sinne von Art. 94 StPO, sondern die Frage der rechtsgültigen Zustellung (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO). Diese Frage, insbesondere der Gesichtspunkt, ob der Beschwerdeführer nach der Berufungsanmeldung mit weiteren Zustellungen des Kantonsgerichts rechnen musste, wurde im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren 6B_1429/2021 abschliessend beurteilt und kann vorliegend nicht abermals (unter dem Titel der Wiederherstellung) zur Diskussion gestellt werden.  
 
4.  
Die Beschwerde ist damit im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der verhältnismässig geringe Aufwand ist bei der Bemessung der Gerichtskosten zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Juni 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill