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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_218/2023  
 
 
Urteil vom 5. September 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Walther. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Revision), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 1. März 2023 (5V 22 159). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Verfügung vom 24. Juli 2001 sprach die IV-Stelle Luzern der 1971 geborenen A.________ eine ganze Invalidenrente zu. Im November 2013 leitete sie von Amtes wegen ein Revisionsverfahren ein und liess die Versicherte durch die ABI Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, polydisziplinär begutachten (Expertise vom 24. März 2015). Gestützt darauf hob sie die Invalidenrente von A.________ wieder auf (Verfügung vom 31. August 2016). Die von der Versicherten dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 11. Mai 2017 ab. 
Am 27. August 2021 meldete sich A.________ erneut bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an und machte Entzündungen und Verkalkungen an Gliedmassen, Gelenken, Hüfte und Knien, Osteoporose, ein schwaches Immunsystem, mehrfache Lungenentzündungen, drei Lungenembolien und Wirbelsäulenbeschwerden geltend. Am 4. Oktober 2021 reichte sie weitere medizinische Unterlagen ein. Mit Eingabe vom 11. Oktober 2021 und Telefonat vom 10. November 2021 liess sich zudem ihre behandelnde Ärztin Dr. med. B.________, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie, gegenüber der IV-Stelle vernehmen. Diese unterbreitete die Akten ihrem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Stellungnahmen vom 26. Oktober, vom 10. November 2021 und vom 24. Januar 2022). Mit Verfügung vom 11. April 2022 trat sie auf das neue Gesuch mangels Glaubhaftmachung einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ein. 
 
B.  
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern ab (Urteil vom 1. März 2023).  
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die IV-Stelle zu verpflichten, auf das Leistungsbegehren einzutreten. Zudem sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr die gesamten Untersuchungs-, Berichts- und Abklärungskosten von Dr. med. B.________ in der Höhe von Fr. 1'000.- zurückzuerstatten. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen BGE 145 V 57 E. 4).  
 
1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (BGE 143 I 19 E. 1.2 mit Hinweisen).  
Die Beschwerdeführerin legt ihrer Beschwerde an das Bundesgericht das Entscheiddispositiv der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde U.________ (KESB) vom 21. Februar 2023 betreffend die Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft sowie eine weitere Stellungnahme von Dr. med. B.________ vom 4. April 2023 bei. Letzteres Beweismittel ist erst nach dem angefochtenen Urteil entstanden, weshalb es als echtes Novum im bundesgerichtlichen Verfahren ebenso wenig berücksichtigt werden kann wie die darauf basierenden Ausführungen in der Beschwerde. Das Entscheiddispositiv der KESB stammt zwar aus der Zeit vor dem angefochtenen Urteil und stellt somit ein unechtes Novum dar. Die Beschwerdeführerin legt jedoch mit keinem Wort dar, inwiefern der angefochtene Entscheid Anlass zur Noveneinreichung gegeben haben soll. Auch dieses Beweismittel kann daher nicht berücksichtigt werden. 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Nichteintretensverfügung der IV-Stelle vom 11. April 2022 bestätigte. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Neuanmeldung der Beschwerdeführerin nach Gesetz und Rechtsprechung massgebenden Grundlagen richtig dargestellt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht erwog, die von der Beschwerdeführerin eingereichten medizinischen Unterlagen seien nicht geeignet, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit der verfügten Rentenaufhebung vom 31. August 2016 glaubhaft zu machen. Laut Bericht der Dr. med. B.________ vom 2. November 2020 sei bei der Beschwerdeführerin nach jahrelangem schwerstem Schmerzverlauf mit Polyarthralgien neu endlich eine Polyarthritis ANA-positiv, Rheumafaktor-negativ diagnostiziert worden. Im Schreiben vom 11. Oktober 2021 nehme die Rheumatologin sodann Bezug auf die neue Diagnose und führe dazu aus, dass die fibromyalgischen Beschwerden über 20 Jahre als sehr lang andauerndes Schmerzprodromalsyndrom einzustufen seien. Dies lasse den Schluss zu, dass die seit Jahren geltend gemachten körperlichen Beschwerden lediglich diagnostisch neu eingeordnet worden seien. Auch aus dem Schreiben der Dr. med. B.________ vom 23. August 2021 ergäben sich keine Rückschlüsse auf eine allenfalls relevante Verschlechterung, da darin nur auf die äusserst komplexe, diagnosenreiche Vorgeschichte und die langjährig durchgeführte Behandlung verwiesen und eine diagnostische Einordnung im Sinne einer rheumatoiden Arthritis vorgenommen werde. Vor diesem Hintergrund überzeugten die Einschätzungen des RAD-Arztes Dr. med. C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 26. Oktober 2021 und vom 24. Januar 2022, wonach die Symptome der Erkrankung mit undulierendem Verlauf längstens bekannt seien und nunmehr lediglich eine Diagnose für den seit Jahren bekannten Symptomkomplex gestellt worden sei, in allen Teilen. Gleiches erkannte die Vorinstanz auch in Bezug auf die von Dr. med. B.________ im Zusammenhang mit der Polyarthritis beschriebenen Ellbogenarthritis. Am 2. November 2020 habe die Rheumatologin diesbezüglich eine eindeutige Verbesserung der Gesamtsymptomatik unter der Arthritistherapie beschrieben. Auch insoweit überzeuge daher die Folgerung des Dr. med. C.________, der eine länger als drei Monate dauernde Verschlechterung des Gesundheitszustands mit Beeinträchtigung der funktionellen Leistungsfähigkeit als nicht glaubhaft beurteilt habe.  
 
4.2. Betreffend die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Osteoporose vermerkte das kantonale Gericht, Dr. med. D.________, Facharzt für Rheumatologie und Allgemeine Innere Medizin, habe am 3. Juli 2020 ein 10-Jahres-Frakturrisiko von ca. 15 % und eine nicht signifikante Zunahme der Knochendichte an der Lendenwirbelsäule sowie eine nicht signifikante Abnahme am proximalen Femur links vermerkt. Darüber hinaus habe er lediglich empfohlen, die tägliche Einnahme von Kalzium und Vitamin D sicherzustellen, eine antiresorptive Therapie mit einem Bisphosphonat aufzunehmen und in zwei bis drei Jahren eine Verlaufsdichtemessung durchzuführen. Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit habe er hingegen nicht beschrieben, weshalb nicht nachvollziehbar sei, weshalb Dr. med. B.________ am 11. Oktober 2021 von einer schweren neuen Osteoporose gesprochen habe. Ihren Ausführungen lasse sich auch nicht entnehmen, dass die von ihr postulierte Arbeitsunfähigkeit auf die Osteoporose zurückzuführen sei. All dies lasse - im Sinne der Beurteilung durch den RAD-Arzt Dr. med. C.________ - den Schluss zu, dass aufgrund der Osteoporose keine relevante Einschränkung der Leistungs- oder Arbeitsfähigkeit bestehe und die Beschwerdeführerin somit auch aus dieser Diagnose nichts zu ihren Gunsten ableiten könne. Aus den übrigen medizinischen Berichten ergebe sich schliesslich nichts, was eine rentenrelevante Verschlechterung des Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit glaubhaft mache; dergleichen mache die Beschwerdeführerin auch nicht geltend. Die IV-Stelle sei daher zu Recht nicht auf ihre Neuanmeldung eingetreten.  
 
5.  
Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, ist nicht stichhaltig. Bereits das kantonale Gericht wies zutreffend darauf hin, dass eine neue diagnostische Einordnung allein noch nicht genügt, um auf einen veränderten Gesundheitszustand zu schliessen (vgl. Urteil 8C_557/2022 vom 4. August 2023 E. 4.2 mit Hinweisen). Unzutreffend ist sodann die Rüge, das kantonale Gericht habe unzulässigerweise die von Dr. med. B.________ geschilderte Verschlechterung hinsichtlich Diagnose, Verlauf und Arbeitsfähigkeit ohne Beizug von Medizinern selber interpretiert und verneint. Vielmehr stützte es seine Schlussfolgerung, eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands sei nicht glaubhaft gemacht, auf die Stellungnahmen des RAD-Arztes Dr. med. C.________ vom 26. Oktober 2021 und vom 24. Januar 2022. Soweit es diesen im Rahmen einer umfassenden und einlässlichen Beweiswürdigung Beweiswert beimass, ist nicht ersichtlich, inwiefern es damit den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) verletzt oder den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt haben sollte (Art. 97 Abs. 1 BGG). Was die Rüge der Beschwerdeführerin anbelangt, Dr. med. C.________ verfüge nicht über einen Facharzttitel für Rheumatologie, ist der Vorinstanz beizupflichten, dass der RAD-Arzt ohne weiteres hinreichend qualifiziert ist, um die Frage einer gesundheitlichen Veränderung im Vergleichszeitraum verlässlich beurteilen zu können. Was die Beschwerdeführerin aus der Rüge ableiten will, die Osteoporose spiele vorliegend auch nach Einschätzung der Dr. med. B.________ keine wesentliche Rolle, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen beschränkt sich die Beschwerdeführerin schliesslich auf wörtliche Wiederholungen ihrer vorinstanzlichen Beschwerdeschrift bzw. eine allgemeine Darstellung der verschiedenen gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Grundlagen namentlich zu medizinischen Gutachten und zur Neuanmeldung. Darauf ist nicht näher einzugehen. 
Insgesamt vermag die Beschwerdeführerin weder aufzuzeigen, dass die Vorinstanz den - für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen (vgl. Urteil 8C_619/2022 vom 22. Juni 2023 E. 3.3 mit Hinweisen) - Sachverhalt zur Glaubhaftmachung einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes offensichtlich unrichtig festgestellt hätte, noch legt sie dar, dass in anderer Hinsicht Bundesrecht verletzt worden wäre. 
 
6.  
Vor diesem Hintergrund erscheint schliesslich auch nicht als bundesrechtswidrig, dass das kantonale Gericht die von der Beschwerdeführerin beantragte Übernahme der Kosten für die Berichte bzw. Untersuchungen von Dr. med. B.________ ablehnte, setzt eine solche Kostenübernahme doch voraus, dass die fraglichen Abklärungen für die Beurteilung des Anspruchs unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich zugesprochener Leistungen bilden (Art. 45 Abs. 1 ATSG). 
 
7.  
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid erledigt wird (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. September 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Walther