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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_785/2023  
 
 
Urteil vom 7. Februar 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ und B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12A, 8500 Frauenfeld, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Ausstand und Sistierung; Aberkennung von Ansprüchen im Lastenverzeichnis), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. September 2023 (ZR.2023.32). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am Bezirksgericht Kreuzlingen ist ein Verfahren betreffend die Aberkennung von Ansprüchen in Lastenverzeichnissen hängig (K.2020.3). A.________ ist Beklagte und B.________ Nebenintervenient. Klägerin ist die C.________ AG. Das Verfahren wird von Bezirksrichter Jürg Roth geführt. 
Mit Schreiben vom 1. September 2023 bezeichnete Bezirksrichter Roth die Eingabe von A.________ und B.________ vom 10. Juli 2023 als querulatorisch und rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 132 Abs. 3 ZPO und teilte mit, sie nicht weiter zu beachten. Insbesondere bezeichnete er den darin gestellten Antrag auf Sistierung - den dritten im Laufe des Verfahrens - als querulatorisch und ebenso das gegen ihn gestellte Ausstandsbegehren. 
 
B.  
Dagegen erhoben A.________ und B.________ am 10. September 2023 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Thurgau. Am 17. September 2023 ersuchten sie um unentgeltliche Rechtspflege. 
Mit Verfügung vom 22. September 2023 wies das Obergericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren ab. Es setzte den Beschwerdeführern eine Nachfrist von zehn Tagen zur Leistung des Kostenvorschusses von Fr. 800.-- an. 
 
C.  
Gegen diese Verfügung haben A.________ und B.________ (Beschwerdeführer) am 13. Oktober 2023 (Datum der Abgabe an die elektronische Plattform) Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Auch für das bundesgerichtliche Verfahren ersuchen sie um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die angefochtene Verfügung betrifft eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Entgegen Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG gibt die angefochtene Verfügung den Streitwert nicht an. In der Klage wird er mit Fr. 594'834.50 beziffert. Der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert ist damit erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. c BGG). Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen geben zu keinen Bemerkungen Anlass (Art. 75, Art. 76, Art. 93 Abs. 1 lit. a, Art. 100 Abs. 1 BGG). 
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheides massgeblichen Erwägungen aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2; 115 E. 2). Strengere Anforderungen gelten für Verfassungsrügen (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerdeschrift ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den kantonalen Entscheid verletzt sein sollen (BGE 134 I 83 E. 3.2; 142 III 364 E. 2.4). 
 
2.  
Das Obergericht hat die Beschwerde als aussichtslos beurteilt. Die Begehren stützten sich teils auf eine rechtlich unhaltbare Gesetzesauslegung und seien teils verwirkt. 
Gemäss den obergerichtlichen Feststellungen haben die Beschwerdeführer in Bezug auf den Ausstand in der Beschwerde ausgeführt, dass Bezirksrichter Roth mit dem strafrechtlichen Urteil S5.2022.3 vom 7. Juni 2023 den Strafbefehl der Oberstaatsanwaltschaft Thurgau vom 21. November 2021 bestätigt habe und dass dieses Urteil die strafrechtlichen Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Eintrag der D.________ AG als Schuldnerin der Bank E.________ ins Lastenverzeichnis betreffe, womit der Bezirksrichter über dieselben Vorwürfe im Zivilprozess K.2020.3 kein Urteil mehr fällen könne. Das Obergericht hat dazu erwogen, den Beschwerdeführern sei die Mitwirkung von Bezirksrichter Roth im Strafverfahren S5.2022.3 nicht erst ab dem Endentscheid bekannt gewesen. Das Aberkennungsverfahren sei seit dem 28. August 2020 hängig. Es könne nicht angehen, mit dem Ausstandsgesuch im Aberkennungsverfahren zuzuwarten, bis der Entscheid im Strafverfahren vorliege und dann zu entscheiden, ein Ausstandsgesuch zu stellen. Dies scheine den Grundsatz von Treu und Glauben zu verletzen und die Anforderungen an die Unverzüglichkeit des Ausstandsgesuchs nicht zu erfüllen. Die Gewinnaussichten würden nicht dadurch gesteigert, dass der verfahrensleitende Bezirksrichter selber über das Ausstandsgesuch gegen ihn entschieden habe, denn es fehle an nachvollziehbaren Motiven und an der Unverzüglichkeit. 
Gemäss den obergerichtlichen Feststellungen haben die Beschwerdeführer hinsichtlich der Sistierung in der Beschwerde sodann vorgebracht, sie hätten nicht die Sistierung des Verfahrens beantragt, sondern, dass das im Zwischenentscheid vom 23. März 2023 abgelehnte Sistierungsgesuch nach Bekanntgabe des Ausstandsgrunds nach Art. 51 Abs. 3 ZPO mittels Revision von einem unabhängigen Gericht neu beurteilt werde. Das Obergericht hat dazu erwogen, das vorinstanzliche Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, was Art. 51 Abs. 3 ZPO jedoch voraussetze. Zudem scheine der Anspruch, eine Wiederholung der Amtshandlung zu verlangen, verwirkt zu sein. 
 
3.  
 
3.1. Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens ist einzig die Verfügung des Obergerichts vom 22. September 2023. Soweit die Beschwerdeführer sich zu anderen Themen äussern und insbesondere das Schreiben des Bezirksgerichts vom 1. September 2023 kritisieren, ist darauf nicht einzutreten (vgl. Art. 75 BGG).  
 
3.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Ausstandsbegehren sei nicht verspätet. Sie hätten zwei Tage nach Erhalt des Strafurteils vom 7. Juni 2023 den Ausstand des Bezirksrichters verlangt. Sie hätten den Ausstandsgrund von Art. 47 Abs. 1 lit. b ZPO geltend gemacht. Der Bezirksrichter habe als Strafrichter geurteilt und könne im Zivilverfahren nicht unabhängig sein und feststellen, dass er im Strafverfahren einen Fehler gemacht habe. Das rechtliche Gehör sei verletzt, weil sich das Obergericht nicht zu Art. 47 Abs. 1 lit. b ZPO geäussert habe. Der Ausstandsgrund sei erst mit dem Urteil im Strafverfahren S5.2022.3 zum Vorschein gekommen, da Bezirksrichter Roth den Antrag der Privatklägerschaft ergänzt und dem Zivilverfahren angepasst habe. Darüber habe das Obergericht nicht geurteilt und damit das rechtliche Gehör verletzt. Es sei willkürlich, ihnen Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.  
Die Beschwerdeführer legen nicht mit präzisen Hinweisen auf ihre Beschwerde an das Obergericht dar, was sie diesem vorgetragen haben. Insbesondere belegen sie nicht, dass sie sich in der kantonalen Beschwerde auf Art. 47 Abs. 1 lit. b ZPO berufen hätten oder dass sie dort geltend gemacht hätten, vom Ausstandsgrund von Art. 47 Abs. 1 lit. b ZPO und von den von ihnen in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht genannten Gründen für das Ausstandsgesuch erst mit dem Strafurteil erfahren zu haben. Somit können sie auch von vornherein nicht darlegen, weshalb sich das Obergericht zu diesen Punkten hätte äussern müssen. Die Rügen, insbesondere diejenige der Verletzung des rechtlichen Gehörs, sind mangelhaft begründet. Soweit die Beschwerdeführer im Übrigen geltend machen, im Strafurteil gehe es um dasselbe wie im vorliegenden Zivilverfahren, schildern sie bloss den Inhalt des Strafverfahrens aus ihrer Sicht, ohne eine genügende Sachverhaltsrüge (Art. 97 Abs. 1 BGG) zu erheben. Mit ihren Ausführungen können sie demnach auch nicht aufzeigen, weshalb die summarische Einschätzung des Obergerichts unzutreffend sein soll, wonach Bezirksrichter Roth über seinen Ausstand selber habe befinden dürfen. 
 
3.3. Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, mit dem Ausstandsgesuch sei gleichzeitig die Wiederholung einer Amtshandlung betreffend Sistierung des Verfahrens verlangt worden. Sie zitieren ihre Anträge vom 10. Juli 2023. Das Obergericht habe die Beschwerde nicht sorgfältig studiert und damit das rechtliche Gehör verletzt. Die Ausführungen des Obergerichts zu Art. 51 Abs. 3 ZPO belegten, dass die Sache nicht sorgfältig geprüft worden sei, womit das rechtliche Gehör verletzt worden sei. Sie könnten die Wiederholung von Amtshandlungen verlangen, weil sie das Ausstandsgesuch rechtzeitig gestellt hätten.  
Damit lässt sich nicht dartun, dass das Obergericht mit seinen Ausführungen zu Art. 51 Abs. 3 ZPO Recht verletzt bzw. die kantonale Beschwerde zu Unrecht als aussichtslos erachtet hätte. Inwieweit das Obergericht die Beschwerde nicht sorgfältig geprüft haben soll, legen die Beschwerdeführer nicht dar. Diesbezüglich hilft es nicht weiter, die Anträge in der Eingabe vom 10. Juli 2023 zu zitieren, denn massgeblich für die Prozessaussichten des obergerichtlichen Verfahrens ist nicht die Eingabe vom 10. Juli 2023, sondern die kantonale Beschwerde. Soweit sie sinngemäss geltend machen, ihr Recht, die Wiederholung einer Amtshandlung zu verlangen, sei nicht verwirkt, ist auf das zum Ablehnungsgesuch Gesagte zu verweisen (oben E. 3.2). 
 
3.4. Auf die Beschwerde kann damit nicht eingetreten werden.  
 
4.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von vornherein aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksgericht Kreuzlingen und der C.________ AG mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Februar 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg