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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_419/2023  
 
 
Urteil vom 5. September 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiber Keskin. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, 3013 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Landesverweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 6. Dezember 2022 (SK 22 400). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die regionale Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland wirft A.________ vor, am 15. August 2020 um etwa 3:30 Uhr im Parking U.________an der V.________strasse in Biel eine versuchte schwere Körperverletzung begangen zu haben, indem er B.________ zunächst mindestens zweimal mit der rechten und der linken Faust ins Gesicht geschlagen habe, woraufhin B.________ zu Boden gegangen sei. A.________ habe B.________ weiter, als dieser rücklings auf dem Boden gelegen sei, mindestens viermal mit dem rechten Fuss heftig gegen den Kopf getreten. B.________ habe durch die Gewalteinwirkung nebst verschiedenen Hautabschürfungen und Hauteinblutungen im Gesicht, am Ohr und am Hals insbesondere eine Gehirnerschütterung, einen Bruch des Schildknorpels mit Schleimhautunterblutungen und eine daraus resultierende Einengung der Luftwege im Bereich des Kehlkopfes und eine etwa 1 cm lange Hautdurchtrennung an der Stirn links erlitten. Die regionale Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland legt A.________ ausserdem zur Last, in den 3 Jahren bis zu seiner Verhaftung am 15. August 2020 in Biel Konsumwiderhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen zu haben, indem er täglich zwei bis drei Joints Marihuana geraucht und an den Wochenenden jeweils 1-2 Gramm Kokain konsumiert habe. 
 
B.  
 
B.a. Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland sprach A.________ mit Urteil vom 26. April 2022 der versuchten schweren Körperverletzung sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten und mit einer Übertretungsbusse von Fr. 200.--. Es verwies A.________ für die Dauer von 7 Jahren des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) an.  
 
B.b. Auf Berufung von A.________ hin stellte das Obergericht des Kantons Bern mit Urteil vom 6. Dezember 2022 fest, dass das Urteil des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland vom 26. April 2022 mit Ausnahme der angefochtenen Landesverweisung und deren Ausschreibung im SIS in Rechtskraft erwachsen ist. Es bestätigte die Landesverweisung für die Dauer von 7 Jahren sowie deren Ausschreibung im SIS.  
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 6. Dezember 2022 sei aufzuheben und es sei von einer Landesverweisung abzusehen. Er ersucht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung der Landesverweisung. Dabei rügt er eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung sowie deren willkürliche Würdigung. Darüber hinaus macht er sinngemäss eine willkürliche Rechtsanwendung der Vorinstanz geltend. Schliesslich verletze die Vorinstanz Art. 66a StGB, indem sie nicht erkannt habe, dass ein schwerer Härtefall vorliege und seine privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung überwiegen.  
 
1.2. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer am 25. April 1997 in der Schweiz geboren und in Biel aufgewachsen sei. Er sei im Besitz einer bis zum 14. Juni 2025 gültigen Niederlassungsbewilligung C. Er habe sein ganzes Leben, mithin die prägenden Jahre seiner Kinder- und Jugendzeit und darüber hinaus auch sein bisheriges Erwachsenenleben, in der Schweiz verbracht.  
In der Schulzeit habe der Beschwerdeführer ein auffälliges Verhalten an den Tag gelegt, als er in der 7. Klasse aufgrund schlechten Benehmens in ein dreimonatiges "Timeout" geschickt worden sei. Es handle sich dabei um eine "ultima ratio". Weiter habe er die 4. Klasse wiederholen müssen und habe gemäss eigenen Aussagen auch wiederholt den Unterricht geschwänzt. Nach der obligatorischen Schulzeit Anfang Juli 2013 habe er keine Ausbildung absolviert und sei bis zum September 2018 mehrheitlich arbeitslos gewesen. In dieser Zeit sei er von der Abteilung Soziales der Stadt Biel finanziell unterstützt worden. Seinen Angaben zufolge habe er "gechillt" und "gefaulenzt", bis er mit seiner damaligen Freundin zusammenkommen sei. Mit deren Hilfe habe er eine Arbeitsstelle bei C.________ gefunden, wo er ab September 2018 für rund eineinhalb Jahre angestellt gewesen sei. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich rund 12 bis 23 Stunden habe er pro Monat demnach zwischen Fr. 1'000.-- und Fr. 2'000.-- verdient. Ab März 2020 bis zur Anlasstat am 15. August 2020 habe er Arbeitslosentaggeld bezogen. Den von seiner Schwester organisierten Arbeitsvertrag mit der D.________ SARL (E.________ AG) mit Arbeitsbeginn am 16. Januar 2023 werde er aufgrund der laufenden Haftstrafe nicht antreten können. Er habe Schulden und sei finanziell stets von seiner Mutter abhängig gewesen, die ihn auch derzeit bei der Bezahlung der Krankenkassenprämien unterstütze. Er spreche und verstehe Schweizerdeutsch. Daneben spreche er gemäss eigenen Angaben Englisch und Albanisch und habe im Gefängnis zusätzlich Französisch gelernt. Er sei mithin mehrfach und wegen Gewaltanwendungen gegen Personen einschlägig vorbestraft und habe sich in keiner Art und Weise bewährt. 
Gestützt auf das forensisch-psychiatrische Gutachten von Dr. med. Hiersemenzel vom 4. November 2021 stellt die Vorinstanz fest, im Bereich der Affektivität gebe es deutliche Hinweise auf Probleme in der Stimmungsregulation des Beschwerdeführers. Erkennbar liege hier auch eine der Ursachen für seine erhöhte Affinität zum Konsum psychotroper Substanzen. Insbesondere zeige er Probleme in der Wutregulation. In Konflikt- und Frustrationssituationen neige er zu grosser Wut und habe sich nicht gut unter Kontrolle. In der Vergangenheit habe er aggressive Verhaltensweisen auch bejaht und entsprechend gehandelt (z.B. abgesprochenes Raubdelikt, sich fotografieren mit Waffen). Die gezeigten Auffälligkeiten würden jedoch nicht einer schweren psychischen Störung, wie einer Persönlichkeitsstörung, sondern einer Persönlichkeitsakzentuierung mit erhöht aggressionsbereiten (dissozialen) und emotional instabilen Anteilen entsprechen. Er zeige sich wenig gewillt oder in der Lage, sich vertieft selbstkritisch mit seiner Stimmungsinstabilität und seiner Aggressionsbereitschaft auseinanderzusetzen. Das Rückfallrisiko für Gewaltdelikte sei deswegen in einem hohen Bereich anzusiedeln. Zudem zeige sich ein erhöhtes Risiko für erneute Eigentumsdelinquenz sowie ein deutlich erhöhtes Risiko für Drogendeliquenz, insbesondere mit Blick auf Besitz und Konsum verbotener psychotroper Substanzen. 
Seine Eltern seien aufgrund des Krieges aus dem Kosovo in die Schweiz eingereist und hätten sich im Jahr 2010 getrennt. Er sei gemeinsam mit seiner Schwester bei seiner Mutter in Biel aufgewachsen. Sein Vater sei im Jahr 2012 wegen eines schweren Delikts ausgewiesen worden und lebe zurzeit in Deutschland. Zurzeit habe er wieder telefonischen Kontakt zu seinem Vater, durch den er gemäss eigenen Aussagen im Kindesalter Gewalt erfahren habe. Er sei weder verheiratet noch habe er eigene Kinder und habe vor der Verhaftung in einer eigenen Wohnung gelebt. Die Vorinstanz äussert ihre Zweifel, ob die Beziehung zu seiner Verlobten von Konstanz geprägt sein werde, nachdem er nach eigenen Angaben im April 2022 noch mit seiner Ex-Partnerin eine Familie gründen habe wollen und diese Beziehung offenbar auch noch im Juli 2022 Bestand gehabt habe. 
Der Beschwerdeführer verfüge dank der Hilfe seiner Familie und seines Umfelds sowohl über einen Mietvertrag für eine Wohnung in Pristina (monatlicher Mietzins von EUR 300.--) als auch über einen Arbeitsvertrag als Telefonleitungsmanager/Telefonverkäufer mit einem monatlichen Grundgehalt von EUR 400.--, mit Provision von EUR 1'000.--. Ferner werde ihn seine Freundin in den Kosovo begleiten. Eine dauerhafte Gefahr an Leib und Leben des Beschwerdeführers aufgrund der Blutrache ("Kanun") verneint die Vorinstanz. Sie weist darauf hin, dass diejenigen Personen, die ihn während seiner Ferien im Kosovo tätlich angegriffen haben sollen, ebenfalls in der Schweiz wohnhaft seien und die Blutrache sich primär gegen den in Deutschland wohnenden Vater richten dürfte. 
Die Vorinstanz kommt damit zum Schluss, es liege kein Härtefall vor. Sie erwägt im Sinne einer Eventualbegründung dennoch, dass selbst bei knapper Bejahung eines Härtefalls die Interessenabwägung zuungunsten des Beschwerdeführers ausfallen würde. Die Vorinstanz stellt dabei das gewichtige Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz seinen zahlreichen Vorstrafen, der verwerflichen Anlasstat, seinen schlechten finanziellen Verhältnissen und seiner mangelnden beruflichen Integration gegenüber. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Dass eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder gar vorzuziehen ("préférable") wäre, genügt nicht (BGE 141 I 49 E. 3.4, 70 E. 2.2). Der vorinstanzliche Entscheid muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich sein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 144 III 368 E. 3.1; 141 IV 305 E. 1.2). Die Willkürrüge ist nach Art. 106 Abs. 2 BGG in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorzubringen und substanziiert zu begründen. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1).  
 
1.3.2. Das Gericht verweist den Ausländer, der wegen schwerer Körperverletzung (Art. 122 StGB) verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB). Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 332 E. 3.1.3; Urteil 6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.3.2). Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 168 E. 1.4.1).  
Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur "ausnahmsweise" unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB; sog. Härtefallklausel). Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB). Die Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.1.2 und E. 3.3.1). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1 mit Hinweis). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den "schwerwiegenden persönlichen Härtefall" in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteil 6B_867/2022 vom 2. August 2023 E. 4.2). Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiärer Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand und die Resozialisierungschancen (BGE 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteile 6B_867/2022 vom 2. August 2023 E. 4.2; 6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.3.2; 6B_760/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5.2.1; je mit Hinweisen). Bei der Härtefallprüfung ist nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz anzunehmen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4). Erforderlich sind besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur (vgl. BGE 144 II 1 E. 6.1; Urteil 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.3; je mit Hinweisen). 
Von einem schweren persönlichen Härtefall ist in der Regel bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (Urteile 6B_867/2022 vom 2. August 2023 E. 4.2; 6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.3.2; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann sich der Ausländer auf das Recht auf Privatleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen, sofern er besonders intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz aufweist, die über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen (vgl. BGE 144 II 1 E. 6.1; Urteil 6B_1412/2021 vom 9. Februar 2023 E. 2.2.3; je mit Hinweisen). Das durch Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 I 266 E. 3.3; 144 II 1 E. 6.1; je mit Hinweisen). Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 147 I 268 E. 1.2.3; 145 I 227 E. 5.3 mit Hinweisen). 
Wird ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der "öffentlichen Interessen an der Landesverweisung". Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, bei welchem die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.3.2; 6B_760/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5.2.5; 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 6.3.5; je mit Hinweisen). 
Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 145 IV 161 E. 3.4; Urteile 6B_867/2022 vom 2. August 2023 E. 4.2; 6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.3.2; 6B_760/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5.2.6; je mit Hinweisen). 
 
1.4. Auf sämtliche auf eine willkürliche Beweiswürdigung bzw. eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts zielenden Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht eingetreten werden. Indem der Beschwerdeführer vorbringt, es widerstrebe dem Gerechtigkeitsgedanken in stossender Weise, dass die Vorinstanz die entlastenden Umstände nicht berücksichtigt habe, sodass sie den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verletzt habe, ohne aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz aufgrund ihrer Feststellungen unhaltbare Schlussfolgerungen ziehe, verfällt er in unzulässige appellatorische Kritik. Auf dieses Vorbringen ist mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Soweit der Beschwerdeführer einwendet, diejenigen Personen, die ihm die Blutrache geschworen hätten, lebten nicht in der Schweiz, sondern im Kosovo, präsentiert er einen ergänzenden Sachverhalt, ohne darzulegen, inwiefern Willkür der Vorinstanz vorliegt, wenn sie in dieser Hinsicht feststellt, dass diejenigen Personen, die ihn während seiner Ferien im Kosovo tätlich angegriffen haben sollen, in der Schweiz wohnhaft seien und die Blutrache sich primär gegen den in Deutschland wohnenden Vater richten dürfte. Auf diesen Einwand ist deshalb ebenfalls nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Soweit er schliesslich vorbringt, die Vorinstanz agiere willkürlich, indem sie seine Jugendstrafen einseitig aufbausche, ohne dabei aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz auf der Grundlage ihrer Feststellungen zu seinen Jugendstrafen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen habe, verfällt er in unzulässige appellatorische Kritik. Auf diesen Einwand ist mangels rechtsgenüglicher Begründung ebenfalls nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
1.5.  
 
1.5.1. Der Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsangehöriger und wurde wegen schwerer Körperverletzung (Art. 122 StGB) schuldig gesprochen. Demzufolge sind die Voraussetzungen für eine Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB grundsätzlich erfüllt.  
 
1.5.2. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine willkürliche Rechtsanwendung geltend macht und vorbringt, es sei ein starkes Indiz für die willkürliche Urteilsfindung der Vorinstanz, wenn sie die "Beachtung der öffentlichen Sicherheit" als auch die "Rückfallgefahr" in der Härtefallprüfung anstatt in der Interessenabwägung berücksichtige, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz würdigt entsprechend der bundesgerichtlichen Praxis (vgl. oben E. 1.3.2) und in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 1 VZAE, der auf das in Art. 58a Abs. 1 lit. a AIG verankerte Integrationskriterium der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verweist, zurecht im Rahmen der Härtefallprüfung seinen Leumund. In dieser Hinsicht ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass sie unter dem Titel der "Rückfallgefahr" anhand eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens die psychische Gesundheit des Beschwerdeführers durchleuchtet. Zwar zieht sie daraus Rückschlüsse bezüglich des vom Beschwerdeführer ausgehenden Rückfallrisikos, die erst im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen wären. Allerdings schlagen sich diese Erkenntnisse in der Härtefallprüfung nicht nieder, lässt sich doch auf diese keine weitere Bezugnahme in der vorinstanzlichen Gesamtwürdigung des Härtefalls erkennen (vgl. angefochtenes Urteil S. 18 E. 10.2.10).  
 
1.5.3. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er in der Schweiz geboren sei. Er sei in der Schweiz aufgewachsen und sei hier verwurzelt.  
Gemäss Feststellungen der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Daraus alleine lässt sich jedoch noch kein für die Annahme eines Härtefalls genügend gewichtiges persönliches Interesse an seinem Verbleib in der Schweiz ableiten. Ob ein Härtefall vorliegt, entscheidet sich weder anhand von starren Altersvorgaben, noch führt eine lange Anwesenheitsdauer automatisch zur Annahme eines Härtefalls. Die Härtefallprüfung ist vielmehr in jedem Fall anhand der gängigen Integrationskriterien vorzunehmen (vgl. oben E. 1.3.2). Eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration, ist in aller Regel ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Härtefalls (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4). Die Vorinstanz trägt diesem Umstand korrekterweise als ein Element unter anderen in der Härtefallprüfung im Einklang mit Art. 66a Abs. 2 StGB Rechnung und anerkennt, dass der Beschwerdeführer sein ganzes Leben seit seiner Geburt in der Schweiz verbracht hat. Sie stellt ebenfalls fest, dass er einwandfrei Schweizerdeutsch spricht. Die Vorinstanz stellt die lebensprägende Aufenthaltsdauer den weiteren Integrationskriterien gegenüber und stellt in dieser Hinsicht fest, dass er über keine Berufsausbildung verfüge, finanziell bislang nie auf eigenen Füssen habe stehen können und Schulden habe. Auch bestehe keine reelle Aussicht auf eine berufliche (Wieder) -Eingliederung in der Schweiz. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Nebst den Beziehungen zu seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Verlobten scheine er wenig bis keine sozialen Kontakte zu haben. Strafrechtlich sei er zudem stark vorbelastet. Soweit er in diesem Zusammenhang vorbringt, seine Jugendstrafen dürften ihm nicht mehr vorgehalten werden, kann ihm nicht gefolgt werden, da ein Sachgericht die unter das JStG fallenden - und somit nicht als Anlasstaten zählenden - strafbaren Handlungen zu berücksichtigen hat (vgl. Urteil 6B_1037/2021 vom 3. März 2022 E. 6.3.2 mit Hinweis). Die Vorinstanz gelangt aufgrund ihrer Feststellungen zum nachvollziehbaren Ergebnis, dass der Beschwerdeführer sowohl beruflich als auch sozial schlecht integriert ist. 
 
1.5.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, er werde nach seiner Haftstrafe in der Schweiz arbeiten können.  
Die Vorinstanz befasst sich mit der wirtschaftlichen Integration des Beschwerdeführers. Sie erwägt, dass er nach der obligatorischen Schulzeit keine Ausbildung absolviert habe und mehrheitlich arbeitslos gewesen sei. Er habe bislang nie für sich finanziell sorgen können und habe Schulden. Sie hält fest, dass er auch den von seiner Schwester organisierten Arbeitsvertrag mit der D.________ SARL (E.________ AG) mit Arbeitsbeginn am 16. Januar 2023 aufgrund der laufenden Haftstrafe nicht werde antreten können. Daraus folgert die Vorinstanz schlüssig, dass der Beschwerdeführer beruflich schlecht integriert ist. Sie äussert ihre Zweifel darüber, dass er angesichts seines wenig stabilen beruflichen Werdegangs sich im Falle einer neuen Arbeitsstelle dauerhaft und erfolgreich im schweizerischen Arbeitsmarkt zu integrieren vermöge, um seinen Lebensunterhalt selber bestreiten zu können. Der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers erweist sich unter Berücksichtigung der vorinstanzlichen Feststellungen als unbegründet, zumal er sich nicht weiter mit der vorinstanzlichen Argumention auseinandersetzt. Die Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. 
 
1.5.5. Der Beschwerdeführer trägt vor, die Resozialisierungschancen im Heimatland Kosovo seien beinahe inexistent. Er könne kein richtiges Albanisch, höchstens ein sogenanntes "Bauernalbanisch". Das Alphabet sei ihm komplett fremd und er könne auf Albanisch weder lesen noch schreiben. Er habe keine Familie und keine Unterkunft dort.  
Die Vorinstanz gelangt zur nachvollziehbaren Erkenntnis, eine Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat sei ohne Weiteres möglich und zumutbar. Sie stellt verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer dank der Hilfe seiner Familie und seines Umfelds über einen Mietvertrag für eine Wohnung in Pristina verfüge, weshalb es sich erübrigt, auf den diesbezüglichen Einwand des Beschwerdeführers einzugehen. Ebenfalls mit Hilfe seiner Familie und seines Umfelds habe er einen Arbeitsvertrag als Telefonleitungsmanager/Telefonverkäufer unterschrieben. Auch würde seine Freundin ihn in den Kosovo begleiten. Die Tatsache, dass er schon lange nicht mehr in seinem Heimatland gewesen sei, vermöge nichts an seiner intakten Resozialisierungschance im Kosovo zu ändern. Mit diesen vorinstanzlichen Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Die Vorinstanz berücksichtigt auch, dass der Beschwerdeführer Albanisch spreche. Dies bestreitet er nicht. Ob er dabei lediglich die Bauernsprache beherrsche und auf Albanisch weder lesen noch schreiben könne, kann dahingestellt bleiben, legt er doch nicht dar, inwiefern dies für ihn ein Resozialisierungshindernis darstellt. Dasselbe gilt, wenn er ausführt, er habe keine Familie dort. 
 
1.5.6. Soweit die Vorinstanz das Vorliegen eines Härtefalls trotz seiner seit der Geburt andauernden Aufenthaltsdauer in der Schweiz mit Blick auf seine familiären Verhältnisse, seinen Leumund und seine wirtschaftliche bzw. berufliche sowie soziale Integration in der Schweiz verneint, ist ihr demnach beizupflichten.  
 
1.5.7. Obschon sich damit eine Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen des Beschwerdeführers und dem öffentlichen Sicherheitsinteresse erübrigen würde (vgl. Urteil 6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.5.7), hält auch die von der Vorinstanz eventualiter vorgenommene Interessenabwägung vor Bundes- und Völkerrecht stand. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang wiederum sinngemäss eine willkürliche Rechtsanwendung geltend macht und vorträgt, es sei ein gewichtiges Indiz für Willkür, wenn die Vorinstanz den Härtefall verneine und dennoch die Interessenabwägung vornehme, legt er nicht dar, inwiefern die als Eventualbegründung einzustufende Interessenabwägung unzulässig wäre und die Vorinstanz damit Recht verletzt, weshalb auf diese Rüge nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung angesichts seiner zahlreichen Vorstrafen, der verwerflichen Anlasstat, seiner schlechten finanziellen Verhältnisse und seiner mangelnden beruflichen Integration besonders schwer wiegt. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz vermögen die öffentlichen Interessen nicht zu überwiegen. Dies gilt insbesondere für die seit der Geburt währende Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in der Schweiz, zumal die Vorinstanz auch überzeugend begründet, weshalb eine Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat ohne Weiteres möglich und zumutbar sei. 
 
1.6. Der Beschwerdeführer beanstandet weder die von der Vorinstanz festgesetzte Dauer der Landesverweisung noch die Ausschreibung im SIS, womit auf diese Punkte nicht einzugehen ist.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. September 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Keskin