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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_493/2024  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, 
An der Aa 4, 6300 Zug. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung, 
 
Beschwerde gegen die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zug, I. Strafabteilung, 
vom 11. April 2024 (S 2023 28). 
 
 
Sachverhalt:  
 
Das Strafgericht des Kantons Zug sprach A.________ mit Urteil vom 14. Juli 2023 der sexuellen Handlung mit einem Kind, der versuchten sexuellen Handlung mit einem Kind und der mehrfachen Pornografie schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 23 Monaten. Zudem ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB an. Die Strafabteilung des Obergerichts des Kantons Zug wies die von A.________ dagegen erhobene Berufung mit Urteil vom 27. Oktober 2023 ab und bestätigte die erstinstanzlichen Schuldsprüche, die verhängte Freiheitsstrafe und die Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme. A.________ hat gegen dieses Urteil Beschwerde an das Bundesgericht erhoben (Verfahren 6B_1353/2023). 
Am 24. März 2024 stellte A.________ beim Obergericht des Kantons Zug, I. Strafabteilung, ein Haftentlassungsgesuch und einen "Antrag auf Vernichtung von Dokumenten aus ungenehmigten Überwachungen". 
 
A.  
Ersatzrichter Orlando Fosco wies das Haftentlassungsgesuch als stellvertretender Präsident der I. Strafabteilung des Obergerichts des Kantons Zug mit Präsidialverfügung vom 11. April 2024 ab und trat auf die Anträge von A.________, das Schreiben der Hochschule B.________ vom 4. Mai 2022 sei unverzüglich zu vernichten bzw. dieses sei eventualiter unter Nichtbeachtungspflicht in den Akten zu belassen, nicht ein. Der Antrag, es sei festzustellen, dass die bisher ausgestandene strafprozessuale Haft im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 und 3 EMRK rechtswidrig gewesen sei, wies er ab, soweit er darauf eintrat. Zudem auferlegte er A.________ eine Sperrfrist bis zum 11. Mai 2024, innert derer er keine neuen Haftentlassungsgesuche stellen könne. 
 
B.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht, die Präsidialverfügung vom 11. April 2024 sei aufzuheben, er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen und "die angeordnete Sperrfrist sei aufzuheben". Ferner sei festzustellen, dass das Obergericht eine Rechtsverzögerung oder eventuell eine Rechtsverweigerung begangen und Art. 5 Ziff. 1, 3 und 4 EMRK verletzt habe. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend Haftentlassung. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich in Haft. Er hat folglich ein aktuelles, rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist somit gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf seine Beschwerde grundsätzlich einzutreten. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer hält Ersatzrichter Fosco für befangen. 
 
2.1. Er macht geltend, dieser habe im angefochtenen Entscheid zum Ausdruck gebracht, dass er nicht unbefangen entscheiden könne. Zudem habe Ersatzrichter Fosco keine Aktenkenntnis, weshalb der Grossteil seiner Feststellungen willkürlich sei.  
 
2.2. Mit seinen knappen Ausführungen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) vermag der Beschwerdeführer keine Ausstandspflicht von Ersatzrichter Fosco im Sinne von Art. 56 StPO darzutun (siehe auch Urteil 7B_116/2024 vom 26. Februar 2024 E. 2). Ersatzrichter Fosco hat insbesondere nicht eingestanden, "bei sich selbst einen Ausstandsgrund erkannt zu haben", wie der Beschwerdeführer behauptet. Auch die Mutmassung, Ersatzrichter Fosco habe keine Aktenkenntnis, findet im angefochtenen Entscheid, der hinreichend begründet ist, keine Stütze.  
Soweit der Beschwerdeführer beantragt, eine Rechtsverzögerung oder -verweigerung durch das Obergericht bei der Behandlung seines im kantonalen Verfahren gestellten Ausstandsgesuchs gegen Ersatzrichter Fosco festzustellen, ist darauf nicht einzutreten, da dieser Antrag ausserhalb des Streitgegenstands liegt und als neues Begehren vor Bundesgericht ohnehin unzulässig ist (vgl. Art. 99 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 1 und 3 EMRK
 
3.1. Er macht geltend, er befinde sich seit dem 14. Oktober 2023 rechtswidrig in Haft und sei daher unverzüglich daraus zu entlassen: Nachdem er vom 14. bis 26. Oktober 2023 ohne gültigen Hafttitel inhaftiert gewesen sei, hätte die Haft in der Folge - so der Beschwerdeführer - "neu angeordnet" werden müssen, eine bereits abgelaufene "Haftfrist" sei nämlich nicht verlängerbar. Die Verfahrensleitung habe aber am 26. Oktober 2023 seine Haft nicht neu angeordnet, sondern in unzulässiger Weise verlängert. Die Vorinstanz habe zudem sein rechtliches Gehör verletzt, indem sie nicht auf dieses Argument eingegangen sei.  
 
3.2. Die Argumentation des Beschwerdeführers trifft nicht zu: Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, lag für die Zeit vom 14. bis 26. Oktober 2023 kein gültiger Hafttitel vor, was im Dispositiv der Präsidialverfügung vom 14. November 2023 festgehalten ist. Die darauffolgende, mit Präsidialverfügung vom 26. Oktober 2023 angeordnete Verlängerung der Sicherheitshaft wurde dadurch jedoch nicht bundesrechtswidrig, sondern hielt der bundesgerichtlichen Überprüfung stand (siehe Urteil 7B_918/2023, 7B_919/2023 vom 19. Dezember 2023). Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass das vorübergehende Fehlen eines Hafttitels hier nicht zur Haftentlassung des Beschwerdeführers führt (vgl. Urteil 1B_189/2021 vom 12. Mai 2021 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Rechts auf richterliche Haftüberprüfung nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK
 
4.1. Gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmässig ist. Auch Art. 31 Abs. 4 BV sieht vor, dass jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, das Recht hat, jederzeit ein Gericht anzurufen, und dieses so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs zu entscheiden hat.  
Dieses Recht auf richterliche Prüfung des Freiheitsentzuges wird namentlich in Art. 228 StPO ("Haftentlassungsgesuch") konkretisiert. Nach dieser Bestimmung kann die beschuldigte Person bei der Staatsanwaltschaft jederzeit schriftlich oder mündlich zu Protokoll ein Gesuch um Haftentlassung (aus der Untersuchungshaft) stellen; vorbehalten bleibt Abs. 5. Das Gesuch ist kurz zu begründen (Abs. 1). Entspricht die Staatsanwaltschaft dem Gesuch, so entlässt sie die beschuldigte Person unverzüglich aus der Haft. Will sie dem Gesuch nicht entsprechen, so leitet sie es zusammen mit den Akten spätestens drei Tage nach dessen Eingang mit einer begründeten Stellungnahme an das Zwangsmassnahmengericht weiter (Abs. 2). Das Zwangsmassnahmengericht stellt die Stellungnahme der beschuldigten Person und ihrer Verteidigung zu und setzt ihnen eine Frist von drei Tagen zur Replik (Abs. 3). Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet spätestens innert fünf Tagen nach Eingang der Replik beziehungsweise Ablauf der in Abs. 3 genannten Frist in einer nicht öffentlichen Verhandlung. Verzichtet die beschuldigte Person ausdrücklich auf eine Verhandlung, so kann der Entscheid im schriftlichen Verfahren ergehen. Im Übrigen ist Art. 226 Abs. 2 bis 5 sinngemäss anwendbar (Abs. 4). Das Zwangsmassnahmengericht kann in seinem Entscheid eine Frist von längstens einem Monat setzen, innerhalb derer die beschuldigte Person kein Entlassungsgesuch stellen kann (Abs. 5). 
Gemäss Art. 233 StPO ("Haftentlassungsgesuch während eines Verfahrens vor dem Berufungsgericht") entscheidet die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts über Haftentlassungsgesuche während eines Verfahrens vor dem Berufungsgericht innert fünf Tagen; dieser Entscheid ist nicht anfechtbar. Das Berufungsgericht bleibt auch für Gesuche um Entlassung aus der Sicherheitshaft zuständig, wenn es das Berufungsurteil bereits gefällt hat und eine Partei dagegen Beschwerde an das Bundesgericht erhoben hat (BGE 139 IV 277 E. 2.2; Urteil 6B_1134/2021, 6B_1157/2021 vom 2. Juni 2022 E. 5.2; je mit Hinweisen). 
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, da die Vorinstanz keine mündliche Verhandlung gemäss Art. 228 Abs. 4 StPO durchgeführt habe, hätte sie ihm auch keine Sperrfrist für neue Haftentlassungsgesuche nach Art. 228 Abs. 5 StPO ansetzen dürfen. Das Recht auf eine mündliche Verhandlung und die Möglichkeit der Anordnung einer Sperrfrist seien nämlich beide in Art. 228 StPO verankert, der das Verfahren bei Haftentlassungsgesuchen während der Untersuchungshaft regle. Dessen Abs. 4 und 5 seien entweder beide auch auf Haftprüfungsverfahren während der Sicherheitshaft anwendbar, oder aber sie seien es beide nicht; in jedem Falle sei es rechtswidrig, diese beiden Bestimmungen unterschiedlich anzuwenden, so wie es die Vorinstanz getan habe.  
 
4.3. Die Rüge ist unbegründet: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Haftprüfungsverfahren gemäss Art. 233 StPO kontradiktorisch auszugestalten, weshalb Art. 228 StPO grundsätzlich - mit Ausnahme des Rechts auf eine mündliche Verhandlung gemäss Abs. 4 - auch im Verfahren nach Art. 233 StPO sinngemäss anwendbar ist (Urteil 1B_53/2018 vom 15. Februar 2018 E. 3.4 mit Hinweisen; vgl. BGE 137 IV 186 E. 3). Die Vorinstanz verletzt demnach nicht Bundesrecht, wenn sie in Anwendung von Art. 228 Abs. 5 StPO eine Sperrfrist von einem Monat verhängt (vgl. auch MARC FORSTER, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 5 zu Art. 233 StPO; FREI/ZUBERBÜHLER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl. 2020, N. 2a zu Art. 228 StPO).  
 
5.  
Der Beschwerdeführer bestreitet die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts. 
 
5.1. Untersuchungs- oder Sicherheitshaft sind gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist (sog. allgemeiner Haftgrund). Liegt bereits ein Urteil des erstinstanzlichen Sachgerichts vor, gilt der dringende Tatverdacht grundsätzlich als erstellt (Urteile 7B_706/2023 vom 23. Oktober 2023 E. 3.3; 1B_9/2023 vom 26. Januar 2023 E. 3; je mit Hinweisen); dies trifft umso mehr zu, wenn dieses Urteil zweitinstanzlich bestätigt worden ist (Urteil 7B_116/2024 vom 26. Februar 2024 E. 5.1 mit Hinweis). Wer in solchen Fällen den dringenden Tatverdacht in Widerspruch zur erst- bzw. zweitinstanzlichen Verurteilung bestreitet, hat darzulegen, weshalb das betreffende Urteil klarerweise fehlerhaft erscheint bzw. eine entsprechende Korrektur im Berufungsverfahren oder im Verfahren vor Bundesgericht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Soweit bereits eine Urteilsbegründung vorliegt, hat sich die betroffene Partei auch mit den betreffenden Erwägungen des Sachgerichts auseinanderzusetzen (Urteile 7B_706/2023 vom 23. Oktober 2023 E. 3.3; 7B_527/2023 vom 19. September 2023 E. 3.2; je mit Hinweisen).  
 
5.2. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, am 6. August 2020 in einem Schwimmbad einer Vierjährigen im Nichtschwimmerbecken zwischen die Beine an die Vagina gegriffen zu haben (Anklagesachverhalt 1.1). Weiter soll er im Zeitraum vom 9. Oktober bis 7. November 2021 über die Internet-Plattform "Omegle" seinem dreizehnjährigen Chatpartner kinderpornografische Inhalte gezeigt haben und diesen gefragt haben, ob er sich nackt ausziehen und einen Stift rektal einführen wolle (Anklagesachverhalt 1.2). Zudem soll er am 28. November 2021 und am 19. Februar 2022 über "Omegle" seinen jeweiligen Chatpartnern Videos mit kinderpornografischem Inhalt gezeigt haben (Anklagesachverhalt 1.3 und 1.4).  
 
5.3. Der Beschwerdeführer hält betreffend Anklagesachverhalt 1.1 die Feststellung des Berufungsgerichts, dass er an die Vagina einer damals damals Vierjährigen gegriffen habe, für willkürlich, da das Berufungsgericht selbst eingeräumt habe, dass zufällige Berührungen in einem Kinderbecken wohl nicht selten seien. Des Weiteren sei das Berufungsurteil fehlerhaft, weil sich die Anklageschrift nicht zum Tat- und Erfolgsort des angeblichen Vorführens von Pornografie vor Minderjährigen (Anklagesachverhalte 1.2 bis 1.4) äussere, obschon diese Straftaten nur strafbar seien, wenn der Tat- oder Erfolgsort in der Schweiz liege, und es sich dabei somit um eine notwendige Prozessvoraussetzung handle. Ferner liege auch eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes vor, denn obschon ihm mit Anklagesachverhalt 1.2 ein Cyberdelikt vorgeworfen werde, hätten es die Staatsanwaltschaft und Gerichte unterlassen, die Betreiber der involvierten IT-Applikationen um Herausgabe allfälliger Chatlogs oder anderer Aktivitätsprotokolle zu ersuchen. Auch deshalb verletze das Berufungsurteil Bundesrecht. Schliesslich sei das Berufungsurteil offensichtlich fehlerhaft, weil es mehrere Beweismittel ins Feld führe, die nicht Teil der Verfahrensakten seien. Das Berufungsgericht hätte sich nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht auf diese Beweismittel abstützen dürfen.  
 
5.4. Dem kann nicht gefolgt werden: Aufgrund des Berufungsurteils vom 27. Oktober 2023 hat das Bundesgericht den dringenden Tatverdacht (jedenfalls betreffend der Anklagesachverhalte 1.1 und 1.2) bereits zweimal bestätigt (siehe Urteile 7B_116/2024 vom 26. Februar 2024 E. 5 und 7B_304/2024 vom 11. April 2024 E. 3). Auch was der Beschwerdeführer in diesem Beschwerdeverfahren gegen das Berufungsurteil vorbringt, lässt dieses nicht als offensichtlich fehlerhaft oder willkürlich erscheinen. So ist insbesondere keine offenkundige Verletzung des Anklagegrundsatzes dadurch auszumachen, dass sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift nicht eingehender zum Tat- und Erfolgsort der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten geäussert haben soll. Hinsichtlich Anklagesachverhalt 1.2 erscheint die Verurteilung des Beschwerdeführers gestützt auf die Aussagen eines damals Dreizehnjährigen jedenfalls nicht geradezu offensichtlich rechtswidrig. Es kann hier daher offenbleiben, ob die Strafbehörden Chatlogs oder andere Aktivitätsprotokolle hätten einholen sollen. Auch ob sich das Berufungsgericht auf Beweismittel gestützt hat, die sich nicht in den Strafakten befanden und damit Bundesrecht verletzt hat, ist grundsätzlich vom Sachgericht zu beurteilen (vgl. BGE 141 IV 289 E. 1; Urteil 7B_474/2023 vom 6. September 2023 E. 3.3; je mit Hinweisen).  
 
6.  
Der Beschwerdeführer beanstandet die Bejahung von Wiederholungsgefahr. 
 
6.1. Nach Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft insbesondere zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass die beschuldigte Person durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (sog. Wiederholungsgefahr). Dabei sind drei Elemente konstitutiv: Erstens muss das Vortatenerfordernis erfüllt sein und müssen schwere Vergehen oder Verbrechen drohen. Zweitens muss hierdurch die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet sein. Drittens muss die Tatwiederholung ernsthaft zu befürchten sein, was anhand einer Rückfallprognose zu beurteilen ist (vgl. zu aArt. 221 Abs. 1 lit. c StPO BGE 146 IV 136 E. 2.2; 143 IV 9 E. 2.5; je mit Hinweisen).  
 
6.2. Der Beschwerdeführer moniert, die Vorinstanz äussere sich im angefochtenen Entscheid nicht zum Vortatenerfordernis. Ferner werde "bestritten", dass von ihm eine erhebliche Sicherheitsgefährdung ausgehe; er sei körperlich behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihm würden aktuelle keine Delikte schwerer Natur vorgeworfen. Die Vorinstanz habe diese Einwände nicht geprüft und damit sein rechtliches Gehör verletzt. Zudem werde nach neuem Recht eine "unmittelbare" erhebliche Sicherheitsgefährdung verlangt. Dies müsse anhand einer Rückfallprognose abgeklärt werden; die im psychiatrischen Gutachten aus dem Jahr 2021 erstellte Rückfallprognose sei hierzu aber nicht geeignet, denn das Gutachten sei bereits 2.5 Jahre alt und, angesichts der neuen Formulierung des Gesetzes, inzwischen überholt. So sei das Gutachten nicht auf "kurze Zeitfenster" ausgerichtet, sondern beziehe sich auf einen unbestimmten Zeitraum von bis zu 50 Jahren. Da das Gutachten keine unmittelbare Bedrohung aufzuzeigen vermöge, müsse Wiederholungsgefahr verneint werden.  
 
6.3. Diese Argumentation trifft nicht zu: Der besondere Haftgrund der Wiederholungsgefahr wurde bereits in vorhergehenden Verfahren geprüft und bestätigt. Das Bundesgericht hat insbesondere ausdrücklich festgehalten, dass das Vortatenerfordernis im vorliegenden Fall erfüllt ist (siehe Urteil 1B_377/2022 vom 15. August 2022 E. 6.2) und das psychiatrische Gutachten, in dem von einer hohen Rückfallgefahr ausgegangen wird, einer summarischen Prüfung standhält (siehe Urteile 7B_304/2024 vom 11. April 2024 E. 4.4; 7B_116/2024 vom 26. Februar 2024 E. 6.2; 7B_918/2023, 7B_919/2023 vom 19. Dezember 2023 E. 6.3; 1B_377/2022 vom 15. August 2022 E. 6.4.7). Auch die erhebliche Sicherheitsgefährdung hat es hinsichtlich der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Kinderpornografie schon einmal bestätigt (siehe Urteil 1B_377/2022 vom 15. August 2022 E. 6.3); zudem werden dem Beschwerdeführer sexuelle Handlungen mit Kindern vorgeworfen, was die Sicherheit anderer unzweifelhaft erheblich gefährdet (vgl. BGE 143 IV 9 E. 2.7 und 3.2).  
Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die Rechtslage habe sich aufgrund der per 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Revision der Strafprozessordnung geändert, kann ihm nicht gefolgt werden: Zwar wird neu eine " unmittelbar" erhebliche Sicherheitsgefährdung verlangt. Damit wurde jedoch der Gesetzestext lediglich an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts angepasst (MARC FORSTER, a.a.O., N. 4a zu Art. 221 StPO mit Hinweisen; vgl. BGE 146 IV 136 E. 2.2; 143 IV 9 E. 2.7; je mit Hinweisen). Die Vorinstanz verletzt demnach nicht Bundesrecht, wenn sie Wiederholungsgefahr - mit Verweis auf vorhergehende Verfahren - weiterhin bejaht. 
 
7.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips und der Unschuldsvermutung. 
 
7.1. Nach Art. 212 Abs. 3 StPO dürfen Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht länger dauern als die mutmasslich zu erwartende Freiheitsstrafe. Das Gericht darf die Haft somit nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt (BGE 145 IV 179 E. 3.1; 143 IV 168 E. 5.1 mit Hinweis). Obwohl sich Art. 212 Abs. 3 StPO nur auf die zu erwartende Freiheitsstrafe bezieht, sind nach der Rechtsprechung auch freiheitsentziehende Massnahmen zu berücksichtigen. Droht eine Verurteilung zu einem stationären Massnahmenvollzug, ist daher die Fortdauer der strafprozessualen Haft verhältnismässig, wenn aufgrund der Aktenlage mit einer freiheitsentziehenden Massnahme ernsthaft zu rechnen ist, deren gesamter Vollzug deutlich länger dauern könnte als die bisherige strafprozessuale Haft (Urteile 7B_984/2023 vom 8. Januar 2024 E. 2.7.3; 7B_670/2023 vom 16. Oktober 2023 E. 4.1; je mit Hinweisen). Die Haft muss auch sonst verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Art. 212 Abs. 2 lit. c StPO). Sie darf nur als "ultima ratio" angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme verfügt werden (Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 ff. StPO; vgl. BGE 145 IV 503 E. 3.1; 142 IV 367 E. 2.1; 140 IV 74 E. 2.2).  
 
7.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die 23 Monate Freiheitsentzug, zu denen er verurteilt worden sei, bereits erstanden und sei deshalb unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz dürfe nämlich die voraussichtliche Dauer der stationären therapeutischen Massnahme bei der Prüfung der Haftdauer gar nicht berücksichtigt werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 212 Abs. 3 StPO und entspreche dem Willen des Gesetzgebers, da dieser bei der letzten Revision der Strafprozessordnung darauf verzichtet habe, Art. 212 Abs. 3 StPO zu revidieren und den Wortlaut der Bestimmung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts anzupassen. Hiervon abgesehen hätte die Vorinstanz - so der Beschwerdeführer - ohnehin Ersatzmassnahmen anstelle von Haft anordnen müssen. Die Vorinstanz verweigere diese zu Unrecht mit der Begründung, dass er Bewährungsauflagen missachtet habe, und verletze damit die Unschuldsvermutung.  
 
7.3. Auch diese Rüge ist unbegründet: Wie gesehen ist bei der Prüfung der Haftdauer auch die voraussichtliche Dauer der stationären therapeutischen Massnahme zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bestehen keine Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber die bundesgerichtliche Rechtsprechung durch Verzicht einer Revision von Art. 212 Abs. 3 StPO zu ändern gesucht hätte (vgl. FABBRI/HOFER, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 24 zu Art. 212 StPO). Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie angesichts der zweitinstanzlich bestätigten stationären therapeutischen Massnahme drohende Überhaft verneint (vgl. diesbezüglich auch Urteil 7B_304/2024 vom 11. April 2024 E. 5). Schliesslich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Anordnung von Ersatzmassnahmen anstelle von Haft abgelehnt hat (siehe bereits Urteil 1B_377/2022 vom 15. August 2022 E. 7). Der Beschwerdeführer rügt im Übrigen in diesem Zusammenhang keine willkürliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts durch die Vorinstanz (vgl. Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG), und eine solche ist auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist eine Verletzung der Unschuldsvermutung auszumachen.  
 
8.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (vgl. Art. 64 BGG). Damit sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten zu erheben. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, dem Obergericht des Kantons Zug, I. Strafabteilung, und Rechtsanwalt Martin Gärtl, Belp, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern