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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_307/2023  
 
 
Urteil vom 9. April 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 
Postfach, 8085 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang, Beschleunigungsmechanismus), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. März 2023 (UV.2022.00079). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1975, war bei der Organisation B.________ beschäftigt und dadurch bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 14. Juni 2017 stürzte er bei einem Bremsmanöver mit dem E-Bike. Die Zürich anerkannte ihre Leistungspflicht im Grundsatz. Die Berichte der behandelnden Ärzte Dr. med. C.________, Fachärztin Allgemeine Innere Medizin, des Chiropraktors Dr. D.________, M.Sc., des Zentrums E.________ sowie der Klinik F.________, Muskulo-Skelettal-Zentrum/Neurologie, legte sie ihren beratenden Ärzten Dres. med. G.________, Facharzt FMH Neurologie, und H.________, Facharzt FMH Chirurgie, vor. Gestützt auf deren Einschätzungen stellte sie ihre Leistungen mit Verfügung vom 11. März 2020 und Einspracheentscheid vom 31. März 2022 per 11. Juli 2017 ein. 
 
B.  
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 16. März 2023 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem wird die Gewährung von Heilbehandlung über den 11. Juli 2017 hinaus sowie eine Integritätsentschädigung von 10 % für eine beim E-Bike-Unfall erlittene Schulterverletzung anbegehrt, die erst später entdeckt worden sei. 
Nach Beizug der vorinstanzlichen Akten verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen über den 11. Juli 2017 hinausgehenden Anspruch auf Leistungen des Unfallversicherers wegen Verletzung der Halswirbelsäule verneinte. 
Unter Berufung auf ein Gutachten des Dr. med. I.________, orthopädische Chirurgie FMH, Spital J.________, vom 7. Januar 2023, das nach einem Skiunfall vom 2. März 2019 zuhanden der dafür leistungspflichtigen SWICA Versicherungen AG erstattet wurde, macht der Beschwerdeführer eine zusätzliche Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin (Heilbehandlung und Integritätsentschädigung) für eine bei diesem Anlass entdeckte Verletzung an der linken Schulter geltend (Partialruptur der Supraspinatussehne, Labrum- und Knorpelläsion). Da die Beschwerdegegnerin über eine allfällige durch den E-Bike-Unfall vom 14. Juni 2017 verursachte Schulterverletzung im hier zu beurteilenden Einspracheentscheid vom 31. März 2022 nicht befunden hat, fehlt es diesbezüglich am Anfechtungs- und Streitgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung. Auf die Beschwerde ist daher in diesem Punkt nicht einzutreten (BGE 144 I 11 E 4.3; 134 V 418 E. 5.2.1; 131 V 164 E. 2.1). Ob die Einbringung des noch vor dem angefochtenen Urteil vom 16. März 2023 erstatteten Gutachtens vom 7. Januar 2023 im bundesgerichtlichen Verfahren zulässig wäre, kann bei diesem Ergebnis offen bleiben. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang (BGE 142 V 435 E. 1; 129 V 177 E. 3.1) zutreffend dargelegt. Dies gilt namentlich auch für die bei leichten traumatischen Hirnverletzungen (Commotio cerebri) zu beachtenden Erfordernisse einer zumindest kurzzeitigen Bewusstlosigkeit sowie einer Latenzzeit hinsichtlich des typischen Beschwerdebildes von 72 Stunden (SVR 2007 UV Nr. 23 S. 75, U 215/05 E. 5; Urteil 8C_14/2021 vom 3. Mai 2021 E. 4.2.1 mit Hinweisen) sowie hinsichtlich des Dahinfallens der vom Unfallversicherer einmal anerkannten Leistungspflicht bei Teilursächlichkeit des Unfalls nach Wiederherstellung des Gesundheitszustandes, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1; SVR 2010 UV Nr. 31 S. 125, 8C_816/2009 E. 4.3; Urteile 8C_781/2017 vom 21. September 2018 E. 5.1; 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008 E. 3.2 und 4). Richtig wiedergegeben werden schliesslich auch die Regeln über den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a), namentlich auch von reinen Aktenbeurteilungen (SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; SZS 2008 S. 393, I 1094/06 E. 3.1.1 a.E.; Urteil U 10/87 vom 29. April 1988 E. 5b, nicht publ. in: BGE 114 V 109, aber in: RKUV 1988 Nr. U 56 S. 366; Urteil 8C_780/2016 vom 24. März 2017 E. 6.1). Es wird darauf verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Vorinstanz ist die Rechtmässigkeit des Fallabschlusses per 11. Juli 2017 unbestritten hinsichtlich der beim E-Bike-Unfall vom 14. Juni 2017 erlittenen Prellungen an den Handgelenken, am linken Knie und an der linken Thoraxseite. Danach habe der Beschwerdeführer noch über Konzentrationsprobleme, Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, Kopfschmerzen mit Begleiterscheinungen, Einschlafen und verminderte Belastbarkeit des linken Arms respektive Sensibilitätsstörungen sowie Schwindel beziehungsweise Benommenheit ("Sturmsein") geklagt. Nach eingehender Darstellung und Würdigung der medizinischen Akten stellte das kantonale Gericht fest, gestützt auf die versicherungsinternen Aktenbeurteilungen der Dres. med. H.________ (vom 16. Juli 2018) und G.________ (vom 9. Juli 2018 und 12. März 2019) sei auszuschliessen, dass der Beschwerdeführer damals eine Commotio cerebri mit nachfolgendem postkommotionellem Syndrom oder eine Distorsion der Halswirbelsäule erlitten habe. Die nach dem Unfall bildgebend festgestellte Diskushernie sei nicht durch den Unfall verursacht worden und es sei durch den Unfall auch keine Verschlechterung eines allenfalls dadurch bedingten Vorzustandes eingetreten. Es bestehe daher keine über den 11. Juli 2017 hinausgehende Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer erneuert seine Einwände, dass die Beschwerdegegnerin für eine unfallbedingte Verschlimmerung zufolge der nach dem Ereignis bildgebend ausgewiesenen Diskushernie an der Halswirbelsäule mit Schulter- und Nackenschmerzen sowie Gefühlsstörungen im linken Arm und für ein persistierendes posttraumatisches Syndrom nach Commotio cerebri beziehungsweise das typische Beschwerdebild nach Distorsion der Halswirbelsäule einzustehen habe.  
 
5.  
 
5.1. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers werden die geltend gemachten Schulter- und Nackenschmerzen sowie Gefühlsstörungen im linken Arm in den Berichten des Zentrums E.________ zwar anamnestisch erwähnt. Der blosse Hinweis darauf, dass diese am ehesten traumatisch bedingt seien, beziehungsweise die Angabe, dass keine unfallfremden Faktoren bekannt seien, die das Beschwerdebild diesbezüglich zu erklären vermöchten, genügt indessen nicht für die Begründung einer Unfallkausalität im Sinne einer vorübergehenden Verschlimmerung eines krankhaften Vorzustandes. Insbesondere lässt sich mit der blossen Tatsache, dass diese Beschwerden erst nach dem Unfall aufgetreten sind, kein Beweis über deren Unfallkausalität führen ("post hoc ergo propter hoc"; BGE 119 V 335 E. 2b/bb; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.2.3.1). Weitergehende Ausführungen dazu finden sich in den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte nicht. Dass das kantonale Gericht bei der Beurteilung einer allfälligen Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin wegen Verschlimmerung eines krankhaften Vorzustandes an der Halswirbelsäule mit Diskushernie unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen oder sonstwie Bundesrecht verletzt haben sollte, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun.  
 
5.2. Gleiches gilt insoweit, als der Beschwerdeführer geltend macht, beim E-Bike-Unfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule beziehungsweise eine Gehirnerschütterung erlitten zu haben. Gemäss dem beratenden Arzt der Beschwerdegegnerin muss für die Annahme einer Commotio cerebri ein Kopfanprall mit zumindest kurzzeitigem Bewusstseinsverlust oder qualitativer Bewusstseinsstörung sowie einer Amnesie erfolgt sein. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, dass eine Commotio cerebri nach den Handlungsempfehlungen der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft (Nina Feddermann-Demont et al., Diagnostik und Therapie bei Gehirnerschütterung im Sport, in: Swiss Medical Forum 2020 S. 449 ff.) in der Regel keine Bewusstlosigkeit bewirke. Wie dem betreffenden Artikel zu entnehmen ist, geht diese Gehirnverletzung indessen jedenfalls mit einem kurzzeitigen Verlust der normalen Gehirnfunktion als Reaktion auf eine Kopfverletzung einher. Dass solche Symptome innerhalb der praxisgemäss zu beachtenden Latenzzeit aufgetreten wären, findet im Bericht über die Erstkonsultation und in den Verlaufseinträgen der Krankengeschichte der behandelnden Ärztin Dr. med. C.________ keine Stütze, wobei diese ausdrücklich angab, mehrfach nach solchen Symptomen gefragt zu haben. Auch traten in diesem Zeitraum keine Nackenschmerzen auf. Es bleibt zudem unbestritten, dass kein Kopfanprall stattgefunden hat.  
Gemäss Beschwerdeführer sind die von den Ärzten des Zentrums E.________ erhobenen Befunde dem sogenannten "bunten Beschwerdebild" nach Schleudertrauma zuzuschreiben. Die in ihren Stellungnahmen genannten kognitiven Beeinträchtigungen - die in den echtzeitlichen Berichten noch nicht aufgeführt worden waren - waren indessen differentialdiagnostisch durch einen anamnestisch bereits bekannten Spannungskopfschmerz zu erklären. Lediglich differentialdiagnostisch waren die Kopfschmerzen ihrerseits als durch eine Distorsion der Halswirbelsäule bedingt zu interpretieren. Des Weiteren konnte bezüglich einer geklagten Benommenheit lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt werden (zentraler Belastungsschwindel, neurogen vegetativ), zumal die dazu erfolgten diversen Abklärungen keine eindeutigen Auffälligkeiten ergaben. Dass das kantonale Gericht eine unfallbedingte Distorsion der Halswirbelsäule oder eine milde traumatische Hirnverletzung insbesondere auch mangels entsprechender Diagnosen anlässlich der Erstbehandlung als nicht erstellt erachtete, ist nicht zu beanstanden. 
 
5.3. Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet.  
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. April 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo