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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_379/2023  
 
 
Urteil vom 23. Januar 2024  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Merz, 
Gerichtsschreiberin Hänni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Liniger, 
 
gegen  
 
Baukommission der Einwohnergemeinde Däniken, Kürzestrasse 13, 4658 Däniken SO, 
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Baubewilligung; Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 4. Juli 2023 (VWBES.2023.201). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 3. April 2023 erliess die Baukommission Däniken eine Verfügung betreffend die Fertigstellungskontrolle einer Werk- und Lagerhalle in Däniken. Die Verfügung wurde gleichentags A.________ verschickt und gemäss Sendungsverfolgung der Post am 6. April 2023 "am Schalter" zugestellt. 
A.________ erhob gegen die Verfügung am 19. April 2023 Beschwerde an das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn (BJD). Dieses trat mit Verfügung vom 30. Mai 2023 wegen verpasster Frist nicht auf die Beschwerde ein. 
 
B.  
Am 9. Juni 2023 erhob A.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, welches diese mit Urteil vom 4. Juli 2023 abwies. 
 
C.  
Am 4. August 2023 hat A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei an das BJD zur Behandlung der Baueinsprache vom 19. April 2023 zurückzuweisen. 
Die Baukommission Däniken verzichtet auf eine Stellungnahme. Die Vorinstanz beantragt mit Verweis auf die Ausführungen im vorinstanzlichen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid im Bereich des Bau- und Raumplanungsrechts. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d sowie Art. 90 BGG); ein Ausnahmegrund gemäss Art. 83 BGG ist nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Zudem ist er als Verfügungsadressat sowie Adressat des angefochtenen Urteils besonders berührt. Die Legitimationsvoraussetzungen nach Art. 89 Abs. 1 BGG sind erfüllt. Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist somit grundsätzlich einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht grundsätzlich nur die vorgebrachten Argumente, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 148 II 392 E. 1.4.1; 147 I 73 E. 2.1). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, das BJD sei zu Unrecht nicht auf seine Einsprache vom 19. April 2023 eingetreten. Die Verfügung vom 3. April 2023 sei am 6. April 2023 nicht ihm selbst, sondern seinem Vater am Schalter ausgehändigt worden. Sein Vater lebe nicht in seinem Haushalt und sei zur Annahme der Postsendung nicht bevollmächtigt gewesen. Die Postsendung sei somit einer nicht autorisierten Person ausgehändigt worden. Er selbst sei zwischen dem 21. März 2023 und dem 11. April 2023 in den Ferien gewesen und habe erst bei seiner Rückkehr Kenntnis über die Verfügung erlangt. Die Postsendung könne frühestens am 11. April 2023 als zugestellt gelten, womit die Einsprache vom 19. April 2023 fristgerecht erfolgt sei. Er rügt eine offensichtlich unrichtige bzw. unvollständige Sachverhaltsfeststellung, eine Verletzung des Offizialprinzips, mehrere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Willkürverbots.  
 
3.2. Die Vorinstanz schützte den Nichteintretensentscheid des BJD. Zur Begründung führt sie aus, der Beschwerdeführer habe sich das Verhalten seines Vaters zurechnen zu lassen, der die Sendung am 6. April 2023 bei der Post abgeholt habe. Die Sendung sei somit am 6. April 2023 in seinen Machtbereich gelangt, auch wenn er nicht tatsächlich Kenntnis davon genommen habe. Die 10-tägige Frist habe somit am Folgetag zu laufen begonnen und habe am 16. April 2023 geendet. Da es sich dabei um einen Sonntag gehandelt habe, sei die Frist bis zum Montag, 17. April 2023, verlängert worden. Die Einsprache vom 19. April 2023 sei somit klar verspätet gewesen, womit das BJD zu Recht nicht darauf eingetreten sei.  
 
4.  
 
4.1. Ein Entscheid gilt als eröffnet und entfaltet seine Wirkungen (u.a. Auslösung des Fristenlaufs), wenn er dem Adressaten oder der Adressatin zugestellt wird (BGE 144 IV 57 E. 2.3; 142 II 411 E. 4.2 und 4.2.1; Urteil 9C_711/2022 vom 17. November 2023 E. 3.5.4, zur Publikation vorgesehen). Unter Vorbehalt besonderer Formvorschriften ist unter Zustellung nicht der Moment zu verstehen, in dem der Adressat oder die Adressatin vom Inhalt der behördlichen Mitteilung tatsächlich Kenntnis erlangt oder diese wenigstens entgegennimmt, sondern bereits der Zeitpunkt des Eintreffens der Mitteilung in deren Machtbereich (BGE 144 IV 57 E. 2.3.2; 142 III 599 E. 2.4.1; Urteile 9C_711/2022 vom 17. November 2023 E. 3.5.4, zur Publikation vorgesehen; 2C_469/2023 vom 19. Oktober 2023 E. 3.4). Zu diesem gehören namentlich der Briefkasten sowie Angestellte des Adressaten oder der Adressatin und Personen, die im selben Haushalt wohnen. Als zugestellt gilt eine Sendung auch dann, wenn sie einer zur Entgegennahme der Postsendung ermächtigten Drittperson zugegangen ist (BGE 118 II 42 E. 3 S. 44; Urteile 9C_627/2022 vom 1. November 2023 E. 4.3; Urteil 6B_1253/2016 vom 27. März 2017 E. 2.4.3; 6B_1239/2013 vom 24. Februar 2014 E. 2; 5D_88/2011 vom 14. September 2011 E. 3; 2C_82/2011 vom 28. April 2011 E. 2.3, in: StR 66/2011 S. 698). Eingeschriebene Sendungen gelten sodann nach der bundesgerichtlichen Praxis als zugestellt, wenn sie nach einem erfolglosen Zustellungsversuch nicht innerhalb einer bestimmten Frist abgeholt werden, dies allerdings nur, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (sog. "Zustellfiktion", BGE 142 III 599 E. 2.5; 141 II 429 E. 3.1; 138 III 225 E. 3.1; 134 V 49 E. 4; Urteil 9C_711/2022 vom 17. November 2023 E. 3.5.4, zur Publikation vorgesehen; Urteil 9C_627/2022 vom 1. November 2023 E. 4.3). Für die ordnungsgemässe Zustellung ist die Verwaltungs- bzw. Gerichtsbehörde beweisbelastet (BGE 145 IV 252 E. 1.3.1; 144 IV 57 E. 2.3; 142 IV 125 E. 4.3; 136 V 295 E. 5.9; Urteile 9C_693/2022 vom 6. März 2023 E. 3.2.3; 8C_710/2022 vom 6. März 2023 E. 3.3).  
 
4.2. Liegt eine fehlerhafte Zustellung vor, gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die mangelhafte Eröffnung für den Adressaten oder die Adressatin keine Nachteile zeitigen darf (BGE 144 II 401 E. 3.1; 144 IV 57 E. 2.3.2; Urteil 9C_711/2022 vom 17. November 2023 E. 3.5.4, zur Publikation vorgesehen). Diesen gegenüber entfaltet sie grundsätzlich keine Wirkung. Vorbehalten bleibt allerdings der Fall, in dem der Adressat bzw. die Adressatin vom Inhalt der mangelhaft eröffneten behördlichen Mitteilung oder zumindest von ihrem Bestand tatsächlich Kenntnis genommen hat (BGE 144 IV 57 E. 2.3.2; 139 IV 228 E. 1.3; 134 V 306 E. 4.2, Urteil 9C_711/2022 vom 17. November 2023 E. 3.5.4, zur Publikation vorgesehen). In diesem Fall kann es gegen Treu und Glauben verstossen, sich auf den Eröffnungsmangel zu berufen (BGE 144 IV 57 E. 2.3.2; Urteil 9C_711/2022 vom 17. November 2023 E. 3.5.4, zur Publikation vorgesehen).  
 
5.  
Vorliegend rechtfertigt es sich zunächst die Sachverhaltsrüge zu prüfen. 
 
5.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den tatsächlichen Grundlagen des angefochtenen Urteils weicht es nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweisen). Darunter fällt auch die unvollständige Erhebung des Sachverhalts (BGE 143 V 19 E. 6.1.3; Urteil 1C_456/2022 vom 25. Oktober 2023 E. 4.1). Die Behebung des Mangels muss für den Verfahrensausgang entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG). Entsprechende Mängel sind in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufzuzeigen; es gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2; 144 V 50 E. 4.2)  
 
5.2. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass ihm die Abholungseinladung nicht oder fehlerhaft zugestellt wurde. Jedoch macht er geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt insoweit offensichtlich unrichtig bzw. unvollständig festgestellt, als sie ohne weitere Abklärungen davon ausgegangen sei, sein Vater sei bevollmächtigt gewesen, die Postsendung abzuholen. Er habe jedoch bereits vor der Vorinstanz ausgeführt, dass er zwischen dem 21. März 2023 und dem 11. April 2023 in den Ferien gewesen sei und dass die einzige Person, die mit ihm im Haushalt lebe und nach der Rechtsprechung bevollmächtigt gewesen wäre, eine Postsendung für ihn abzuholen - seine Lebenspartnerin -, mit ihm in den Ferien verweilt habe. Sein Vater hätte hingegen nicht über eine Vollmacht verfügt, die umstrittene Postsendung abzuholen. Weder das BJD noch das Verwaltungsgericht hätten sich mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass in seiner Abwesenheit und der Abwesenheit seiner Lebenspartnerin niemand zur Entgegennahme der eingeschriebenen Postsendung bevollmächtigt gewesen sei und diese am 6. April 2023 somit gar nicht habe zugestellt werden können. Zum Beweis hat der Beschwerdeführer Flugbestätigungen eingereicht, die belegen sollen, dass er und seine Lebenspartnerin im erwähnten Zeitraum in den Ferien verweilten. Der Umstand, dass sein Vater über keine Vollmacht verfügte, sei hingegen durch dessen Befragung festzustellen.  
Tatsächlich hat die Vorinstanz trotz diesbezüglicher Ausführungen des Beschwerdeführers nicht abgeklärt, ob der Vater des Beschwerdeführers befugt war, die Postsendung abzuholen. Vielmehr geht sie ohne weitere Erklärung und in impliziter Weise davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers diesen beim Abholen der Postsendung vertreten hat. Sie hat diesbezüglich den Sachverhalt nicht bzw. unvollständig festgestellt. 
 
5.3. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen aufgezeigt, dass die aufgeführten Sachverhaltselemente für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können. War der Vater - wie der Beschwerdeführer ausführt - nicht bevollmächtigt, die Postsendung entgegenzunehmen, kann gemäss der bundesgerichtlichen Praxis bezüglich Zustellung von Entscheiden nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Verfügung am 6. April 2023 in den Machtbereich des Beschwerdeführers gelangt ist. Es könnte diesfalls auch nicht davon ausgegangen werden, dass die 10-tägige Frist an jenem 6. April 2023 zu laufen begonnen hat. Unter Umständen müsste die Rechtsprechung bezüglich der Zustellfiktion von eingeschriebenen Sendungen angewendet werden, wonach die Zustellung erst dann erfolgt wäre, wenn der Beschwerdeführer die Postsendung nicht innerhalb einer gewissen Frist abgeholt hätte. In jedem Fall ist dem Rechtsgrundsatz Rechnung zu tragen, wonach eine allfällige mangelhafte Eröffnung für den Adressaten bzw. für die Adressatin keine Nachteile zeitigen darf. Die Frage, ob der Vater des Beschwerdeführers über eine Vollmacht verfügte, ist folglich entscheidrelevant.  
 
5.4. Die substanziiert geltend gemachte Rüge des offensichtlich unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalts ist somit begründet. Die Sache ist zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung aufgrund dieses ergänzten Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei wird sie auch abklären müssen, ob und, falls ja, aus welchem Grund und wie der Vater des Beschwerdeführers in den Besitz der Abholungseinladung gelangt ist.  
 
6.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 4. Juli 2023 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Baukommission der Einwohnergemeinde Däniken, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Januar 2024 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin Hänni