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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_494/2021  
 
 
Urteil vom 27. Januar 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiber Cupa. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit (DIHA), Avenue du Midi 7, 1950 Sitten, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Einstellung in der Anspruchsberechtigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 18. Juni 2021 (S1 21 48). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1982 geborene A.________ arbeitete zuletzt in einem Restaurant als Servicemitarbeiter. Sein Saisonnier-Arbeitsverhältnis endete in gegenseitigem Einverständnis per 12. Oktober 2020. Am 20. November 2020 meldete sich A.________ beim zuständigen Regionalen Arbeitslosenvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung an und beantragte die Ausrichtung von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung ab 27. November 2020. Das RAV machte ihn auf die Vorschriften zur Maskentragepflicht aufmerksam und überwies die Sache zwecks Abklärung der Vermittlungsfähigkeit an die Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit (DIHA). Letztere verneinte seine Vermittlungsfähigkeit ab 27. November 2020, und damit einhergehend einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, da er sich weigere, bei der Arbeit eine Gesichtsmaske zu tragen (Verfügung vom 18. Dezember 2020). Mit Einspracheentscheid vom 12. Februar 2021 hielt die DIHA an ihrem Standpunkt fest. Auf den 1. April 2021 trat A.________ eine neue Stelle als Portier an. 
 
B.  
Die gegen den Einspracheentscheid vom 12. Februar 2021 erhobene Beschwerde des A.________ wies das Kantonsgericht Wallis mit Urteil vom 18. Juni 2021 ab. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt sinngemäss, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und es seien ihm - unter Bejahung seiner Vermittlungsfähigkeit - Taggeldleistungen für den Zeitraum vom 27. November 2020 bis 31. März 2021 auszurichten. 
Während die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde schliesst und die Vorinstanz auf eine Stellungnahme verzichtet, hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 145 V 215 E. 1.2). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2; zum Begriff der Willkür: BGE 146 IV 88 E. 1.3.1). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 V 35 E. 4.2; 147 I 73 E. 2.2). Dazu genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern. Dass die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 142 II 433 E. 4.4).  
 
1.2. Überdies prüft das Bundesgericht unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rügen, sofern die Rechtsmängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 145 V 57 E. 4.2; 142 V 2 E. 2). Es ist jedenfalls nicht gehalten wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 144 V 388 E. 2; 140 III 115 E. 2; ARV 2019 S. 87, 8C_581/2018 E. 1.2). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.3).  
 
2.  
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es in Bestätigung des Einspracheentscheids der DIHA die Vermittlungsfähigkeit und damit den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung verneint hat. 
 
2.1. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG hat der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er unter anderem vermittlungsfähig ist. Diese Voraussetzung erfüllt der Arbeitslose nach Art. 15 Abs. 1 AVIG, wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Zur Vermittlungsfähigkeit gehören demnach nicht nur die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitsberechtigung im objektiven Sinn, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen (sog. Vermittlungsbereitschaft, vgl. BGE 146 V 210 E. 3.1 mit Hinweis).  
 
2.2. Ein wesentliches Merkmal der Vermittlungsbereitschaft ist die Willigkeit zur Annahme einer Dauerstelle als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin. Entscheidend ist dabei, ob jemand bereit ist, im Rahmen von Arbeitsbemühungen, Stellenzuweisungen, Zuweisungen in Programme zur vorübergehenden Beschäftigung (PvB) usw., eine zumutbare Stelle anzunehmen und die Weisungen der Organe der Arbeitslosenversicherung zu befolgen (Botschaft vom 28. Februar 2001 zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz, BBl 2001 2245 ff., 2280). Dazu genügt die Willenshaltung oder die bloss verbal erklärte Vermittlungsbereitschaft nicht. Vielmehr ist der Versicherte mit Blick auf Art. 17 Abs. 1 AVIG gehalten, sich der öffentlichen Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen, angebotene zumutbare Arbeit anzunehmen und sich selbst intensiv nach einer zumutbaren Stelle umzusehen (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2348 Rz. 270; vgl. SVR 2020 ALV Nr. 5 S. 15, 8C_56/2019 E. 2.1). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie bis zum Erlass des Einspracheentscheids bestanden haben. Die Vermittlungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung schliesst graduelle Abstufungen aus (vgl. BGE 146 V 210 E. 3.2; 143 V 168 E. 2).  
 
2.3. Bei der Anwendung der gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Vermittlungsfähigkeit geht es um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei prüft (BGE 146 V 210 E. 3.3). Die Rechtsanwendung basiert auf einer im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG grundsätzlich verbindlichen Sachverhaltsfeststellung (E. 1.1 hiervor). Feststellungen über innere oder psychische Tatsachen - wie beispielsweise was jemand wollte, wusste, beabsichtigte, in Kauf nahm, womit er rechnete, in welcher Absicht und aus welchen Beweggründen er handelte oder hypothetisch gehandelt hätte - sind Sachverhaltsfeststellungen (BGE 130 IV 58 E. 8.5; SVR 2008 ALV Nr. 12 S. 35, 8C_31/2007 E. 3, nicht publ. in: BGE 133 V 640; SVR 2020 ALV Nr. 5 S. 15, 8C_56/2019 E. 2.4 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Laut grundsätzlich verbindlicher Feststellung des kantonalen Gerichts (E. 1.1 hiervor) bestehen keine besonderen - insbesondere medizinischen - Gründe, aufgrund derer der Beschwerdeführer keine Gesichtsmaske tragen kann. Zwar behauptet er dies neu im bundesgerichtlichen Verfahren, ohne dafür allerdings irgendeinen Nachweis zu erbringen. Unabhängig davon herrscht vor Bundesgericht grundsätzlich ein Novenverbot (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 147 V 124 E. 1.2), weshalb die replikweise behauptete Maskendispens unbeachtlich bleibt.  
 
3.2. Das kantonale Gericht prüfte mit der Vermittlungsbereitschaft das subjektive Element der Vermittlungsfähigkeit und verneinte gestützt darauf einen Taggeldanspruch. Nach vorinstanzlicher Feststellung arbeitete der Beschwerdeführer seit Dezember 2008 praktisch ausschliesslich im Gastgewerbe, so auch zuletzt als Servicemitarbeiter. Seine Arbeitsbemühungen im November und Dezember 2020 hätten sich abgesehen von wenigen Ausnahmen auf das Gastgewerbe gerichtet. Dass er im Januar 2021 wenige Tage als Hilfsarbeiter im Bereich Schneeräumung gearbeitet habe, erlaube keine Rückschlüsse auf seine Vermittlungsfähigkeit für zukünftige Arbeitsstellen. Er habe sich aus persönlicher Überzeugung geweigert, eine Gesichtsmaske zu tragen und sei aus selbst zu verantwortenden Gründen arbeitslos geworden. Damit seien seine Chancen, auf dem ihm offenstehenden Arbeitsmarkt im Gastgewerbe eine Stelle zu finden, erheblich reduziert und kaum realistisch, weshalb seine Vermittlungsfähigkeit zu verneinen sei.  
 
3.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht, soweit die Einwände überhaupt hinreichend begründet sind (E. 1.1 f. hiervor) und sich nicht in einer appellatorisch gehaltenen Wiedergabe der eigenen Sichtweise erschöpfen.  
 
3.3.1. Insbesondere trifft der Vorwurf, die Vorinstanz habe den ihm offenstehenden Arbeitsmarkt falsch ermittelt, nicht zu. Seit seiner Einreise in die Schweiz im Jahr 2008 arbeitete er fast ausnahmslos im Gastgewerbe. Nebst Tätigkeiten in der Hotellerie war er als Servicemitarbeiter angestellt und hatte zuletzt die Position eines Chef de Rang inne. Das kantonale Gericht wies zu Recht darauf hin, seine Bewerbungen hätten sich fast ausnahmslos auf Anstellungen im Gastgewerbe gerichtet. Inwiefern der vorinstanzlich festgestellte erwerbsbiografische Sachverhalt nach dem Gesagten rechtsfehlerhaft (E. 1.1 hiervor) sein soll, ist weder dargetan noch ersichtlich.  
 
3.3.2. Demnach verwies das kantonale Gericht den Beschwerdeführer zu Recht auf das Gastgewerbe als den ihm offenstehenden Arbeitsmarkt. Dass er sich auch als Hilfsarbeiter im Baugewerbe und der Landwirtschaft bewarb, um an der frischen Luft im Freien arbeiten zu können, ändert nichts daran. Mit Blick auf seine seit mehr als zehn Jahren andauernde Erwerbsbiografie in der Schweiz sind die von ihm bislang ausgeübten Tätigkeiten dem Gastgewerbe zuzuordnen. Selbst wenn er sich als mehrsprachiger Allrounder rühmt, sind rechtsprechungsgemäss nicht in erster Linie der Arbeitswille und die Arbeitsbemühungen der versicherten Person entscheidend oder gar die Frage, ob sie in dieser Zeit effektiv eine Beschäftigung gefunden hat (BGE 146 V 210 E. 3.1).  
 
3.3.3. Massgebend ist vielmehr, ob prospektiv mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende Zeit noch einstellen würde (vgl. BGE 146 V 210 E. 3.1 f.). Dies verneinte die Vorinstanz unter Hinweis auf die persönliche Einstellung des Beschwerdeführers zum Tragen einer Gesichtsmaske. Dieser macht beschwerdeweise geltend, es sei ihm nicht zuzumuten, eine Gesichtsmaske kontinuierlich während acht bis zehn Stunden im Servicebereich eines Speisesaals tragen zu müssen. In BGE 147 I 393 setzte sich das Bundesgericht ausführlich mit der Zulässigkeit der Maskenpflicht auseinander und bejahte diese unter Berücksichtigung des gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstands (siehe ferner Urteile 2C_183/2021 vom 23. November 2021; 2C_308/2021 und 2C_290/2021 vom 3. September 2021; 2C_941/2020 vom 8. Juli 2021; jeweils zur Publikation vorgesehen). Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellen. Auch zeigt er nicht in einer dem qualifizierten Rügeprinzip genügenden Weise auf (E. 1.2 hiervor), inwiefern das angefochtene Urteil in grund- und menschenrechtlicher Hinsicht zu beanstanden wäre. Soweit die Beschwerde in diesem Punkt inhaltlich überhaupt zu prüfen ist, erweist sie sich daher als unbegründet.  
 
3.3.4. Schliesslich ist an die dem Beschwerdeführer obliegende Schadenminderungspflicht zu erinnern (vgl. dazu NUSSBAUMER, a.a.O., Rz. 311 ff. S. 2360 f.). Der Versicherte muss zur Schadensminderung grundsätzlich jede zumutbare Arbeit unverzüglich annehmen (vgl. Art. 16 Abs. 1 und 2 AVIG). Dass die Vorinstanz die Ausübung einer Tätigkeit im Gastgewerbe dem Beschwerdeführer gegenüber als zumutbar erachtete, ist somit nicht zu beanstanden.  
 
3.4. Zusammengefasst verletzte das kantonale Gericht kein Bundesrecht, indem es davon ausging, der Beschwerdeführer habe seine Arbeitsmöglichkeiten im Gastgewerbe selbstverschuldet in übermässiger Weise eingeschränkt, weshalb mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass ihn ein Arbeitgeber für die konkret zur Verfügung stehende Zeit nicht einstellen würde. Folglich durfte es seine Vermittlungsfähigkeit verneinen und in Bestätigung des Einspracheentscheids der DIHA von Taggeldleistungen absehen. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
4.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Januar 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Cupa