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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5F_28/2022  
 
 
Urteil vom 19. Oktober 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Gesuchstellerin, 
 
gegen  
 
Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, Hirschengraben 16, 6003 Luzern, 
Gesuchsgegner. 
 
Gegenstand 
Revision gegen das Urteil 5A_435/2021 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 25. April 2022, 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ ist vor den Gerichten des Kantons Luzern in einen Erbschaftsprozess verwickelt. Am 20. April 2018 hatte sie vor dem Bezirksgericht Kriens gegen D.________ geklagt, die Schwester und einzige gesetzliche Erbin von C.________ (Erblasser). Dieser war am 17. März 2017 verstorben und hatte mit eigenhändiger letztwilliger Verfügung vom 25. Juli 2016 E.________ als Alleinerben und A.________, seine Ehefrau, als Ersatzerbin eingesetzt. Als der Erblasser starb, war der Nachlass der im Jahr 2015 verstorbenen Mutter der Geschwister, B.________, noch nicht verteilt. Am 23. Mai 2017 schlug E.________ das Erbe aus. A.________ trat es an.  
 
A.b. Im Hinblick auf den Erbschaftsprozess gewährte das Bezirksgericht Kriens A.________ teilweise die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Verfügung vom 30. August 2018 beschränkte es den Prozess auf die Frage der Nichtigkeit bzw. Gültigkeit/Anfechtung des Testaments (Bst. A.a). Am 14. Dezember 2020 wies das Bezirksgericht die Klage ab. A.________ gelangte an das Kantonsgericht Luzern. Sie ersuchte für das Berufungsverfahren um unentgeltliche Rechtspflege. Der Einzelrichter wies dieses Gesuch ab. Der dagegen erhobenen Beschwerde an das Bundesgericht war kein Erfolg beschieden. Mit Urteil 5A_435/2021 vom 25. April 2022 wies das Bundesgericht das Rechtsmittel ab. Dieses Urteil wurde A.________ am 20. Mai 2022 eröffnet.  
 
B.  
Mit Revisionsgesuch vom 18. August 2022 (Datum der Postaufgabe) beantragt A.________ (Gesuchstellerin), das Urteil 5A_435/2021 zu revidieren und ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu genehmigen (Ziff. 1). Eventualiter sei das bundesgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht Luzern zurückzuweisen (Ziff. 2). In einem weiteren Eventualantrag verlangt die Gesuchstellerin, es sei die Sache in Aufhebung des bundesgerichtlichen Urteils "selbst vom Bundesgericht zu entscheiden, wenn der massgebende Sachverhalt ohne weiteres feststeht" (Ziff. 3). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Gesuchstellerin beruft sich auf den Revisionsgrund nach Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG. Demnach kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts in Zivilsachen und in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind. 
 
1.1. Revisionsbegehren nach Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG sind binnen neunzig Tagen nach der Entdeckung des Revisionsgrundes, frühestens jedoch nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids beim Bundesgericht einzureichen (Art. 124 Abs. 1 Bst. d BGG). Mit der Entdeckung ist sichere Kenntnis gemeint (s. dazu Urteile 4F_11/2013 vom 16. Oktober 2013 E. 4.1; 4A_570/2011 vom 23. Juli 2012 E. 4.1; 4A_222/2011 vom 22. August 2011 E. 2.1). Hier kann offenbleiben, wann die Gesuchstellerin die revisionsbegründenden Tatsachen entdeckte. Die Neunzigtagefrist begann frühestens am Folgetag (Art. 44 Abs. 1 BGG) nach der Zustellung der vollständigen Ausfertigung des Urteils 5A_435/2021 zu laufen; diese erfolgte am 20. Mai 2022 (s. Sachverhalt Bst. A.b). Mit Rücksicht auf den sommerlichen Fristenstillstand (Art. 46 Abs. 1 Bst. b BGG) ist die Frist somit eingehalten. Ob sich die Gesuchstellerin mit der Entdeckung des angerufenen Revisionsgrundes verspätet hat, betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Revision (Urteile 4A_570/2011 vom 23. Juli 2012 E. 4.1; 4A_222/2011 vom 22. August 2011 E. 2.1 mit Hinweisen; s. unten E. 2).  
 
1.2. Findet das Bundesgericht, dass ein Revisionsgrund zutrifft, so hebt es den früheren Entscheid auf und entscheidet neu (Art. 128 Abs. 1 BGG; s. zum Ganzen BGE 147 III 238 E. 1.2). Hier dreht sich das Revisionsverfahren - von der Sache her - ausschliesslich um die Frage, ob das Kantonsgericht die Berufung als aussichtslos qualifizieren und in der Folge das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abweisen durfte. Soweit die Gesuchstellerin mit ihren Rechtsbegehren etwas anderes als die Revision der bundesgerichtlichen Beurteilung dieser Frage verlangt, ist auf ihr Gesuch nicht einzutreten. Dies gilt insbesondere für den Eventualantrag, darüber hinaus in der "Sache selbst" zu entscheiden.  
 
1.3. Für das Bundesgericht bestimmte Rechtsschriften haben die Begehren und deren Begründung zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG); in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern eine Rechtsverletzung vorliegt. Wird um Revision eines bundesgerichtlichen Urteils ersucht, muss ein vom Gesetz vorgesehener Revisionsgrund (Art. 121 ff. BGG) genannt werden. Die Gesuchstellerin hat aufzuzeigen, inwiefern das zu revidierende Urteil an einem entsprechenden Mangel leidet (Urteile 4F_11/2013 vom 16. Oktober 2013 E. 4.1; 2F_12/2008 vom 4. Dezember 2008 E. 2.1).  
 
2.  
Der Revisionsgrund nach Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG setzt zunächst voraus, dass sich die Gesuchstellerin auf nachträglich entdeckte Tatsachen beruft. Keine solchen Tatsachen und damit kein Revisionsgrund sind die Verletzung von Bundesrecht, die fehlerhafte rechtliche Würdigung von Tatsachen, die Nichtberücksichtung einer Rechtsprechung oder die Ausserachtlassung einer Gesetzesänderung (CHRISTIAN DENYS, in: Aubry Girardin et al., Commentaire de la LTF, 3. Aufl., 2022, N 16 zu Art. 123 BGG, mit Hinweis auf BGE 144 III 285 E. 3.4 und 120 V 128 E. 3b sowie auf Urteil 1F_34/2018 vom 25. Oktober 2018 E. 2.2;). Die nachträglich entdeckte Tatsache muss sodann erheblich, das heisst geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen (BGE 134 III 669 E. 2.2). Weiter muss die Tatsache bereits existiert haben, als das bundesgerichtliche Urteil gefällt wurde (unechtes Novum), bzw. sich bis zum Zeitpunkt verwirklicht haben, als im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren (BGE 147 III 238 E. 4.1). Schliesslich ist verlangt, dass die Gesuchstellerin die (nach diesem Zeitpunkt entdeckte) Tatsache im Hauptverfahren trotz hinreichender Sorgfalt nicht vorbringen konnte (BGE a.a.O.). Die Entdeckung der neuen Tatsachen oder Beweismittel darf nicht auf Nachforschungen zurückzuführen sein, die bereits im früheren Verfahren hätten angestellt werden können und müssen (vgl. BGE 98 II 250 E. 3; Urteil 4A_528/2007 vom 4. April 2008 E. 2.5.2.2). Dass es einer Prozesspartei unmöglich war, eine bestimmte Tatsache bereits im früheren Verfahren vorzubringen, ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Denn der Revisionsgrund der unechten Noven dient nicht dazu, bisherige Versäumnisse in der Prozessführung gutzumachen (Urteil 4F_18/2017 vom 4. April 2018 E. 3.1.1). Entsprechende Voraussetzungen gelten für die Revision aufgrund nachträglich entdeckter Beweismittel, die dem Beweis einer vorbestandenen Tatsache, also eines unechten Novums, dienen (s. dazu BGE 147 III 238 E. 4.2). 
 
3.  
 
3.1. Die Gesuchstellerin erklärt, ihr Ehemann habe im Jahr 2015 vom Erblasser mit Blick auf den zu erwartenden Erbprozess Dokumente und Korrespondenz erhalten. Gestützt auf Gespräche habe man den Sachverhalt betreffend die mütterliche Erbschaft schriftlich festgehalten. Zudem seien von Ärzten, vom Kantonsspital Luzern und vom Grundbuchamt Kriens detaillierte Unterlagen zur Erbschaft und betreffend die Mutter besorgt worden. Nach dem Bundesgerichtsurteil sei "dieser umfassende Aktenberg" für sie, die Gesuchstellerin, ein Fundus gewesen, um nachträglich nach erheblichen Tatsachen zu suchen, die noch nicht entdeckt und im Hauptverfahren noch nicht vorgebracht wurden. Die entsprechenden Nachforschungen hätten am 5. Mai 2022 zur Entdeckung von "erheblichen Vergehen" der Beklagten wie auch des Zeugen F.________ geführt.  
 
Folgende Tatsachen rücken nach Ansicht der Gesuchstellerin die Frage der Nichtigkeit bzw. Gültigkeit/Anfechtung des Testaments vom 25. Juli 2016 und damit die Beurteilung ihrer Erfolgsaussichten im Verfahren betreffend die unentgeltliche Rechtspflege in ein neues Licht bzw. widerlegen die Meinung der Gerichte zur Nichtigkeit des Testaments: Erstens sei die Beziehung des Erblassers zu seiner Schwester von Hass geprägt gewesen. Zweitens entspreche das besagte Testament sehr wohl und in vollem Umfang dem letzten Willen des Erblassers. Und drittens sei der Zeuge F.________ gerade nicht grundsätzlich glaubwürdig gewesen, weil er "Falschaussagen unter Eid" geleistet und den Erblasser unter Druck gesetzt habe, um den Erbprozess zu verhindern. Zum Beleg dieser Tatsachen führt die Gesuchstellerin verschiedene neue Beweismittel an. 
 
3.2. Was den Zeugen F.________ betrifft, geht es der Gesuchstellerin mit den angeblich neu entdeckten Tatsachen offensichtlich darum, die Würdigung eines Beweismittels - eben die Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen - in Zweifel zu ziehen. Für ein solches Unterfangen steht der Revisionsgrund nach Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG jedoch nicht zur Verfügung. Denn ausschlaggebend ist, dass die mit der Revision vorgebrachten unechten Noven nicht bloss der Beweiswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dienen (Urteil 2F_17/2020 vom 29. Oktober 2020 E. 1.2 mit Hinweisen). Was die in diesem Zusammenhang angerufenen "Beweismittel" angeht, begnügt sich die Gesuchstellerin im Übrigen mit blossen Behauptungen, ohne irgendeine Urkunde oder ein anderes Beweismittel zu benennen.  
 
3.3. Auch das Vorbringen, wonach das Testament vom 25. Juli 2016 "in vollem Umfang" dem letzten Willen des Erblassers entspreche, betrifft keine Tatsache im Sinn von Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG. Ob der verurkundete Text einer letztwilligen Verfügung das vom Erblasser Gewollte wiedergibt, ist nämlich eine Rechtsfrage (Urteil 5A_323/2013 vom 23. August 2013 E. 4). Wie oben ausgeführt, ist das Revisionsverfahren nun aber nicht dazu da, eine im früheren Verfahren bereits beurteilte Rechtsfrage erneut aufzuwerfen. Hinsichtlich der in diesem Kontext angeblich "neu aufgefundenen Beweise" kann auf die vorigen Erwägungen verwiesen werden (E. 3.2). Allein mit der Behauptung, der Erblasser habe sein Testament weder dem Zeugen F.________ noch dem Sozialamt gegenüber je erwähnt, ist nichts gewonnen.  
 
3.4. Auch mit der Tatsache, dass die Beziehung des Erblassers zu seiner Schwester von Hass geprägt war, vermag die Gesuchstellerin keine Revision des Urteils 5A_435/2021 zu erwirken. So ist jedenfalls nicht ohne Weiteres ersichtlich, inwiefern diese (angebliche) Tatsache die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern vermöchte und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Beurteilung der Frage führen könnte, ob die testamentarische Anordnung zu Gunsten der Gesuchstellerin Bestand, ihre Berufung mithin Aussicht auf Erfolg hat. Was es damit auf sich hat, kann aber offenbleiben. Zur Begründung, weshalb sie die Tatsache im früheren Verfahren nicht habe beibringen können, beruft sich die Gesuchstellerin auf die Verfügung vom 30. August 2018, mit der das Bezirksgericht den Erbschaftsstreit auf die Frage der Nichtigkeit bzw. Gültigkeit/Anfechtung des Testaments vom 25. Juli 2016 beschränkte (s. Sachverhalt Bst. A.b). Dementsprechend sei auch ihre Replik vom 8. Januar 2019 auf diese Frage beschränkt gewesen. Weshalb diese "prozessuale Veränderung" sie daran hinderte, die Tatsache im Berufungsverfahren vorzutragen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen und leuchtet - gerade mit Blick auf die thematische Beschränkung des Erbrechtsstreits - auch nicht ein. Die (angebliche) Feindseligkeit zwischen dem Erblasser und seiner Schwester ist in den Augen der Gesuchstellerin ja gerade ein Grund, weshalb jener den "unbedingten", im umstrittenen Testament ausgedrückten Willen entwickelte, seiner Schwester "keinen einzigen Rappen" aus dem mütterlichen Nachlass zu überlassen. Auch bleibt die Beschwerdeführerin eine Erklärung schuldig, weshalb erst das bundesgerichtliche Urteil sie veranlasste, die Unterlagen zu sichten, die ihr bzw. ihrem Ehemann bereits im Jahr 2015 gerade mit Blick auf den Erbschaftsprozess zugekommen waren.  
Soweit die Gesuchstellerin zum Beleg der (angeblich) hassgeprägten Beziehung des Erblassers zu seiner Schwester eine Reihe von "Beweismitteln" ins Feld führt, verkennt sie wiederum, dass in Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG Beweismittel im prozessrechtlichen Sinn (vgl. Art. 168 Abs. 1 ZPO und Urteil 5A_391/2022 vom 5. September 2022 E. 3.3.4) - allen voran Urkunden (vgl. Art. 168 Abs. 1 Bst. b ZPO) - angesprochen sind, die entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt waren, aber zum Nachteil der Gesuchstellerin unbewiesen blieben (DENYS, a.a.O., N 21 zu Art. 123 BGG; NIKLAUS OBERHOLZER, in: Stämpflis Handkommentar, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl., 2015, N 10 zu Art. 123 BGG). Die Gesuchstellerin beschränkt sich darauf, unter dem Titel "Beweise" verschiedene Sachverhalte zu schildern, die ihrer Meinung nach dem Nachweis der eingangs erwähnten Tatsache dienen. 
 
4.  
Nach alledem ist das Revisionsgesuch abzuweisen. Als unterliegende Partei hat die Gesuchstellerin für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Dem Kanton Luzern ist keine Entschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Gesuchstellerin auferlegt. 
 
3.  
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Oktober 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Monn