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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_507/2023  
 
 
Urteil vom 22. November 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Uber B.V., vertreten durch Maître Rayan Houdrouge, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. August 2023 (AB.2020.00044). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Mit Urteil vom 20. Dezember 2021 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde, welche die Uber B.V. gegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 3. März 2020 erhoben hatte, soweit es darauf eintrat, in dem Sinne teilweise gut, als es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse zurückwies, damit sie nach Ermittlung der entsprechenden Lohnsummen und der individuellen Prüfung jeder einzelnen Beziehung der Fahrer zur Uber B.V. die Beiträge für das Jahr 2014 im Sinne der Erwägungen neu festsetze, und zwar mit der Feststellung, dass die Tätigkeit der Fahrer im Jahr 2014, für die sie die Uber-App verwendet hatten, als unselbstständige Erwerbstätigkeit qualifiziert werde. Es verpflichtete die Ausgleichskasse, der Uber B.V. eine Parteientschädigung von Fr. 1'200.- zu bezahlen.  
 
A.b. Beschwerdeweise fochten sowohl die Uber B.V. als auch die Ausgleichskasse das Urteil vom 20. Dezember 2021 an. Das Bundesgericht vereinigte die beiden Verfahren. Es wies die Beschwerde der Uber B.V. ab, soweit es darauf eintrat. Diejenige der Ausgleichskasse hiess es teilweise gut. Es hob das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich auf, den Einspracheentscheid vom 3. März 2020 in betraglicher Hinsicht sowie betreffend die Feststellung, dass die Uber Switzerland GmbH die Betriebsstätte der Uber B.V. sei. Es bestätigte den Einspracheentscheid betreffend die Feststellung, dass die UberX-, UberBlack-, UberVan- und Uber-Green-Fahrer im Sinne der Erwägungen eine unselbstständige Erwerbstätigkeit für die Uber B.V. ausüben. Die Sache wurde im Sinne der Erwägungen zu neuer Verfügung betreffend das Jahr 2014 (Beiträge, Nebenkosten und Verzugszinsen) an die Verwaltung zurückgewiesen. Im Übrigen wies es die Beschwerde der Ausgleichskasse ab. Es wies die Sache zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurück (Urteil 9C_70/2022 und 9C_76/2022 vom 16. Februar 2023, auszugsweise publ. in: BGE 149 V 57).  
 
B.  
Mit Beschluss vom 17. August 2023 verpflichtete das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Ausgleichskasse, der Uber B.V. eine Parteientschädigung von Fr. 1'100.- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
C.  
Die Ausgleichskasse erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Beschluss vom 17. August 2023 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Ausgleichskasse der Uber B.V. keine Parteientschädigung zu bezahlen habe. 
Die Uber B.V. schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzliche Neufestsetzung der Parteientschädigung im Beschluss vom 17. August 2023 auf Fr. 1'100.- (anstelle der im aufgehobenen Urteil vom 20. Dezember 2021 zugesprochenen Fr. 1'200.-) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG). 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Person Anspruch auf Ersatz der Parteikosten; diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Das in diesem Bereich anwendbare kantonale Recht (Art. 61 Ingress ATSG) sieht in § 34 des zürcherischen Gesetzes vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht (GSVGer; LS 212.81) vor, dass die unterliegende Partei zum Ersatz der Parteikosten verpflichtet werden kann, wenn die obsiegende Partei einen entsprechenden Antrag stellt oder dies von anderen Gesetzen so vorgesehen ist (Abs. 1). Die Höhe der gerichtlich festzusetzenden Entschädigung bemisst sich nach der Bedeutung der Streitsache, der Schwierigkeit des Prozesses und dem Mass des Obsiegens, jedoch ohne Rücksicht auf den Streitwert (Abs. 2).  
 
2.2. Das Bundesgericht prüft frei, ob die vorinstanzliche Festsetzung der Parteientschädigung den in Art. 61 lit. g ATSG statuierten bundesrechtlichen Anforderungen genügt, darüber hinaus nur, ob die Anwendung des kantonalen Rechts zu einer in der Beschwerde substanziiert gerügten (Art. 106 Abs. 2 BGG) Verfassungsverletzung geführt hat, wegen seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall (Urteile 9C_455/2022 vom 13. November 2023 E. 11.3.1; 9C_412/2015 vom 23. Oktober 2015 E. 5.1).  
 
3.  
 
3.1. Vorab zu prüfen ist die formelle Rüge der Ausgleichskasse, wonach das kantonale Gericht im Beschluss vom 17. August 2023 ihren Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt habe, indem es seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei.  
 
3.2. Die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen, verlangt nicht, dass sich diese mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Es liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beziehungsweise der Begründungspflicht vor, wenn eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids möglich war (vgl. BGE 148 III 30 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen).  
 
3.3. In ihrem Beschluss vom 17. August 2023 erachtete es die Vorinstanz als gerechtfertigt, der Uber B.V. zulasten der Ausgleichskasse eine gegenüber der ursprünglich festgesetzten leicht (um Fr. 100.-) reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen, weil das bundesgerichtliche Urteil für die Ausgleichskasse im Ergebnis nur marginal besser ausgefallen sei als das mit ihm aufgehobene kantonale Urteil vom 20. Dezember 2021. Auch wenn die (sich auf diesen einzigen Satz beschränkende) Begründung äussert knapp ausfiel, waren die Überlegungen, von welchen sich die Vorinstanz leiten liess, ersichtlich. Dadurch war die Ausgleichskasse in der Lage, den Beschluss sachgerecht anzufechten. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt mithin nicht vor.  
 
4.  
 
4.1. In materieller Hinsicht macht die Ausgleichskasse geltend, die Vorinstanz habe mit der Neufestsetzung der Parteientschädigung auf Fr. 1'100.- sowohl Art. 61 lit. g ATSG verletzt als auch § 34 GSVGer willkürlich angewendet. Die Voraussetzungen für die Zusprache einer Parteientschädigung seien nicht erfüllt, weil die Uber B.V. nicht mindestens teilweise obsiegt habe. Demgegenüber erachtet die Uber B.V. den vorinstanzlichen Beschluss für richtig. Sie weist darauf hin, dass sie mit ihrer Beschwerde betreffend die Höhe der Beitragsforderung durchgedrungen sei.  
 
4.2. Die Uber B.V. erneuerte im letztinstanzlichen Prozess, der zum Urteil vom 16. Februar 2023 führte, das vor dem kantonalen Gericht gestellte Rechtsbegehren und unterlag mit sämtlichen Anträgen (insbesondere demjenigen zum Beitragsstatut), indem diese abgewiesen wurden, soweit darauf einzutreten war. Von der vorinstanzlichen Gutheissung ihrer Beschwerde blieb einzig übrig, dass sie insofern erfolgreich gegen den Einspracheentscheid opponiert hatte, als sich eine Neufestsetzung der geschuldeten Beiträge als unumgänglich erwies. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ist es allerdings nicht der Ausgleichskasse anzulasten, dass der Einspracheentscheid in betraglicher Hinsicht nicht standhielt. Vielmehr ist es das Verschulden der Uber B.V., denn diese weigerte sich in Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht, Angaben zu liefern zu den Zahlungen, die sie an die Fahrer geleistet hatte, so dass der Kasse nichts anderes übrigblieb, als die ausgerichteten Entgelte schätzungsweise zu ermitteln, um die drohende Verwirkung gemäss Art. 16 Abs. 1 AHVG abzuwenden (vgl. dazu in BGE 149 V 57 nicht publ. E. 11 des Urteils 9C_70/2022 und 9C_76/2022 vom 16. Februar 2023). Mit anderen Worten verhalf der Uber B.V. letztlich ihr eigenes unkooperatives Verhalten zu diesem einzigen Teilerfolg im kantonalen Prozess. Da ihr teilweises Obsiegen mithin auf ihre eigene fehlende Mitwirkung zurückzuführen ist, kann sie dafür keine Parteientschädigung beanspruchen, dies entsprechend dem Verursacherprinzip, wonach unnötige Kosten zu bezahlen hat, wer sie verursacht hat (SVR 2021 UV Nr. 34 S. 154, 8C_672/2020 E. 5.2; 2018 IV Nr. 80 S. 263, 8C_304/2018 E. 4.3.2; Urteil 9C_455/2022 vom 13. November 2023 E. 11.3.1; je mit Hinweisen; vgl. auch § 6 Abs. 2 der zürcherischen Verordnung vom 12. April 2011 über die Gebühren, Kosten und Entschädigungen vor dem Sozialversicherungsgericht [GebV SVGer; LS 212.812]).  
 
4.3. Wie die Ausgleichskasse zutreffend ergänzt, trifft im Übrigen auch die Bemerkung des kantonalen Gerichts nicht zu, wonach sein Urteil für die Ausgleichskasse nur marginal besser ausgefallen sei, griff das Bundesgericht doch in wesentlichen Punkten korrigierend ein: Vorab legte es die Arbeitgebereigenschaft der Uber B.V. für die UberX-, UberBlack-, UberVan- und UberGreen-Fahrer definitiv fest, während es das kantonale Gericht für unklar gehalten hatte, ob diese Eigenschaft der Uber B.V. oder der Rasier Operations B.V. zukomme. Weiter folgte es der Vorinstanz auch nicht, soweit sie die Ausgleichskasse verpflichtet hatte, die Beziehung der einzelnen Fahrer zur Uber B.V. individuell zu prüfen. Und schliesslich bejahte es die Existenz einer Betriebsstätte in den Räumlichkeiten der Uber Switzerland GmbH, während die Vorinstanz auf den entsprechenden Antrag nicht eingetreten war (vgl. zu diesen Punkten BGE 149 V 57 E. 8-10). Ohnehin aber ist die von der Vorinstanz als zentral betrachtete Frage, inwieweit ihr Urteil abgeändert wurde, für den Anspruch auf eine Parteientschädigung nur insoweit von Belang, als daraus etwas für den (in E. 4.2 hievor abgehandelten) Umfang des Obsiegens abgeleitet werden kann.  
 
4.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass der vorinstanzliche Beschluss vom 17. August 2023, mit welchem der Uber B.V. eine Parteientschädigung von Fr. 1'100.- zulasten der Ausgleichskasse zugesprochen wurde, als bundesrechtswidrig aufzuheben ist.  
 
5.  
Entsprechend dem Prozessausgang hat die unterliegende Uber B.V. die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. August 2023 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Uber B.V. keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung zulasten der Ausgleichskasse hat. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. November 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann