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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_224/2022  
 
 
Urteil vom 5. Dezember 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Geldstrafe anstelle Freiheitsstrafe (Veruntreuung usw.), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 28. Juni 2022 (SB220106-O/U/jv). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Uster verurteilte A.________ am 13. Juli 2021 wegen Veruntreuung, Betrugs und Urkundenfälschung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Betreffend den Vorwurf des Betrugs sprach es ihn in einem Fall frei. Es befand über die Zivilforderungen sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen. A.________ erhob beschränkt auf den Punkt der Strafzumessung Berufung. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte mit Urteil vom 28. Juni 2022 die sechsmonatige unbedingte Freiheitsstrafe. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 2022 sei aufzuheben und es sei seinem Antrag um Sanktionierung mit einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe stattzugeben. Das Verfahren sei zur Neubeurteilung an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Vorinstanz. A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde des Beschuldigten (Art. 81 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 BGG) gegen den kantonal letztinstanzlichen (Art. 80 Abs. 1 BGG), verfahrensabschliessenden Entscheid (Art. 90 BGG) eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG) betreffend eine Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG) ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen einzutreten.  
 
1.2. Nicht einzutreten ist auf Ausführungen des Beschwerdeführers, welche sich auf seine Argumentation vor erster Instanz beziehen. Damit setzt er sich nicht mit dem angefochtenen Urteil auseinander.  
 
1.3. Ebenso wenig ist auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der konkreten Methode zur Festsetzung der Strafhöhe einzutreten, zumal der Beschwerdeführer die Strafhöhe nicht beanstandet.  
 
1.4. Soweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht unechte Noven einreicht, namentlich das Gesuch um bedingte Entlassung und den Vollzugsbericht je vom 5. Mai 2022 sowie die Verfügung betreffend Gewährung der bedingten Entlassung vom 30. Mai 2022 per 1. August 2022, ohne zu begründen, weshalb dies nicht bereits vor Vorinstanz möglich gewesen wäre, ist auf seine Beschwerde ebenfalls nicht einzutreten. Das in der Berufungsbegründung vom 2. Mai 2022 gestellte Gesuch um Beizug der Vollzugsakten entband ihn jedenfalls nicht davon, die Berufungsinstanz aktiv über eine Änderung seiner Situation zu orientieren, welche er angestossen hatte und auf welche er sich in seiner Berufungsbegründung noch nicht berief.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Er habe darauf hingewiesen, dass er mit einer bedingten Entlassung rechnen könne. Die Vorinstanz habe es jedoch abgelehnt, die gesamte Verfahrensakten beizuziehen und sich mit einem Führungsbericht begnügt.  
 
2.2. Gemäss dem Untersuchungsgrundsatz von Art. 6 StPO klären die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Abs. 1). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO) umfasst die Pflicht der Behörde, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien zu würdigen und die ihr angebotenen Beweise abzunehmen, wenn diese zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen (BGE 141 I 60 E. 3.3). Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2 StPO). Das Gehörsrecht ist nicht verletzt, wenn die Strafbehörden in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen können, ihre Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 147 IV 534 E. 2.5.1; 144 II 427 E. 3.1.3; 141 I 60 E. 3.3; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Vorinstanz weist den Beweisantrag auf Beizug der vollständigen Vollzugsakten mit der Begründung ab, der Führungsbericht liege in den Akten und attestiere dem Beschwerdeführer ein regelkonformes Verhalten, womit die Vollzugssituation, wie vom Beschwerdeführer beantragt, hinreichend dokumentiert sei.  
Die Vorinstanz geht in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung davon aus (vgl. zur Beweiswürdigung nachfolgend E. 3), zur Beurteilung der für die Strafart massgebenden Fakten seien die gesamten Vollzugsakten nicht erforderlich. Angesichts der massiven Vorstrafen, der einschlägigen Rückfälligkeit, des bereits früher erfolgten Strafvollzugs, der Delinquenz trotz laufenden Strafverfahrens und trotz dortigen Widerrufs einer vormals bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 3 Jahren sowie der erneuten Straffälligkeit trotz Wegweisung lasse sich der Beschwerdeführer weder von einer Freiheitsstrafe, geschweige denn von einer Geldstrafe beeindrucken. Es sei ihm in rechtlicher Hinsicht eine eigentliche Schlechtprognose zu stellen. 
Die Vorinstanz schliesst die Strafart der Geldstrafe unabhängig von den finanziellen Verhältnissen aus spezialpräventiven Überlegungen aus. Mit diesen Ausführungen begründet sie ihren Entscheid hinreichend. Die antizipierte Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer konnte den Entscheid ohne Weiteres sachgerecht anfechten. Es liegt insoweit auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die vorinstanzliche Wahl der Strafart der Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe verletze Bundesrecht.  
Er macht geltend, eine Freiheitsstrafe sei keineswegs die einzig mögliche und zweckmässige Sanktion. Vielmehr reiche eine Geldstrafe als mildere Sanktionsform aus. Darauf habe er einen Anspruch. Vom Vollzug der bisherigen Freiheitsstrafe, welcher vom 4. Juli 2019 bis zum 1. August 2022 erfolgt sei, sei er geprägt, und er werde alles daran setzen, eine Geldstrafe zu begleichen. Durch den drohenden Vollzug des Strafrests von 587 Tagen aus der vollzogenen Vorstrafe werde er von weiterer Delinquenz abgehalten, als durch eine drohende sechsmonatige Freiheitsstrafe. Nach seiner bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug sei er im August 2022 nach Serbien ausgewandert und wolle mit Hilfe seiner Verwandten die Mittel für die Geldstrafe aufbringen, auch wenn seine derzeitigen Einkommensverhältnisse nicht ausreichten, um eine Geldstrafe sofort zu bezahlen. Hierbei beanstandet er nicht, dass die Vorinstanz auf einen unbedingten Strafvollzug erkannt hat. 
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Wahl der Strafart richtet sich nach der Zweckmässigkeit bzw. Angemessenheit der Sanktion und der Präventionswirkung auf den Täter (namentlich unter Berücksichtigung von Rückfall, Delinquenz während der Probezeit oder Vorstrafen). Zu berücksichtigen sind weiter die Auswirkungen auf die soziale Situation des Täters. Daneben spielt untergeordnet auch das Verschulden eine Rolle (BGE 147 IV 241 E. 3; 144 IV 313 E. 1.1.1; Urteil 6B_918/2020 vom 19. Januar 2021 E. 6.4.2; je mit Hinweisen). Bei mehreren in Frage kommenden Strafarten ist in der Regel die mildere Strafart zu wählen, wobei die Geldstrafe der Freiheitsstrafe grundsätzlich vorgeht (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1). In die Wahl der Strafart einzubeziehen sind auch die Kriterien von Art. 41 StGB, dies im Bereich, wo eine Geld- und eine Freiheitsstrafe in Betracht fallen. Die Wahl der strengeren Sanktionsart der Freiheitsstrafe ist zu begründen (Urteil 6B_761/2021 vom 23. März 2022 E. 1.3.2 und 1.5 mit Hinweisen).  
 
3.2.2. Nach Art. 41 Abs. 1 StGB in der Fassung gültig gewesen bis 31. Dezember 2017 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 StGB (der Beschwerdeführer bestreitet die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen nicht) kann das Gericht auf eine vollziehbare Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten nur erkennen, wenn die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe nicht gegeben sind und zu erwarten ist, dass eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit nicht vollzogen werden kann.  
 
3.2.3. Die vorinstanzliche Wahl der Strafart Freiheitsstrafe für jedes der einzelnen Delikte erweist sich als bundesrechtskonform. Die von der Vorinstanz aufgezählten Umstände (vgl. E. 2.3 hiervor) schliessen eine Geldstrafe ohne Weiteres aus. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, das angefochtene Urteil in Frage zu stellen. Er begnügt sich damit, in selektiver Weise positive Elemente herauszustreichen, ohne auf die gewichtigen negativen Gesichtspunkte einzugehen, welche die Vorinstanz zutreffend als ausschlaggebend erachtet hat. Seine Rügen erweisen sich als offensichtlich unbegründet und sind im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen, ohne dass auf jedes einzelne Argument eingegangen werden müsste. Auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig. Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Dezember 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier