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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_166/2023  
 
 
Urteil vom 9. Mai 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Martina Aepli und/oder Dr. Balz Hösly und/oder Rechtsanwalt Stefan Keller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Philipp Andermatt und/oder Katia Berchier Theiler, 
 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. Februar 2023 (PQ230001-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der Beschwerdeführer verfügt über beachtliche Vermögenswerte. Er lebte mit seiner Ehefrau in Meilen. Im Jahr 2014 erlitt er eine Hirnblutung. Seither ist er körperlich und geistig stark beeinträchtigt. Im Jahr 2015 übersiedelten die Eheleute nach Österreich. 
Mit Beschluss vom 10. Mai 2017 ernannte das dort zuständige Bezirksgericht Kitzbühel die Ehefrau zur Sachwalterin (entsprechend einer schweizerischen Beistandschaft) des Beschwerdeführers. Nach Übertragung grosser Vermögenswerte auf die Ehefrau unter fragwürdigen Umständen (Schenkungen, Überweisungen) enthob das Bezirksgericht Kitzbühel diese mit Beschluss vom 11. November 2017 ihres Amtes und setzte den Beschwerdegegner als Sachwalter ein (zufolge einer Gesetzesänderung in Österreich nunmehr Erwachsenenvertreter). 
Dieser leitete in verschiedenen Ländern etliche Verfahren gegen die Ehefrau ein und es liegen zwischenzeitlich rechtskräftige Urteile von offenbar rund 10 Mio. Euro gegen sie vor, die es zu vollstrecken gilt. In der Folge verliess das Ehepaar Österreich und zog nach Italien und schliesslich wieder in die Schweiz. Seit 1. April 2022 sind die Eheleute in Küsnacht gemeldet. 
 
B.  
Am 6. Juli 2022 erstattete der Beschwerdeführer bei der KESB des Bezirks Meilen eine Selbstgefährdungsanzeige. Mit Entscheid vom 16. September 2022 ordnete die KESB eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung an und setzte einen vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Zürcher Rechtsanwalt als Beistand ein. Einer allfälligen Beschwerde entzog die KESB die aufschiebende Wirkung. 
Gegen den Entscheid der KESB wandte sich der Beschwerdegegner im Namen des Beschwerdeführers und in eigenem Namen an den Bezirksrat Meilen. Dieser trat am 28. November 2022 auf die Beschwerde nicht ein mit der Begründung, durch die Einsetzung eines neuen Beistandes sei die Beschwerdelegitimation des Beschwerdegegners erloschen. 
Mit Urteil vom 8. Januar 2023 hiess das Obergericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Beschwerde gut. Es stellte die örtliche Zuständigkeit der KESB Meilen fest, hob den Beschluss des Bezirksrates auf und wies die Sache zur materiellen Behandlung der Beschwerde an diesen zurück. Ferner hielt es fest, dass der an den Bezirksrat gerichteten Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 27. Februar 2023 verlangt der Beschwerdeführer die Aufhebung dieses Urteils und die Bestätigung des Beschlusses des Bezirksrates, eventualiter die Rückweisung an das Obergericht zur Neubeurteilung der Sache, subeventualiter die ersatzlose Aufhebung des obergerichtlichen Urteils. Ferner wird aufschiebende Wirkung verlangt. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt, jedoch die kantonalen Akten beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Erwachsenenschutzsache (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 und Art. 75 BGG). Als Rückweisungsentscheid führt er zu keinem Verfahrensabschluss und stellt deshalb einen Zwischenentscheid dar (BGE 144 III 253 E. 1.3; 144 IV 321 E. 2.3). 
Zwischenentscheide sind einzig unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG anfechtbar (BGE 145 III 42 E. 2.1), wobei diese in der Beschwerde im Einzelnen darzulegen sind (BGE 137 III 324 E. 1.1; 141 III 80 E. 1.2; 141 IV 289 E. 1.3). Es handelt sich um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit einer Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). Sie ist deshalb restriktiv zu handhaben, auch weil Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden können, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 144 III 253 E. 1.3). 
Die sofortige Anfechtbarkeit erfordert, dass der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Der drohende nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss rechtlicher Natur sein; das setzt voraus, dass er sich auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt (BGE 144 III 475 E. 1.2; 143 III 416 E. 1.3; 141 III 80 E. 1.2). Dagegen reichen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht aus (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 138 III 190 E. 6). 
 
2.  
Der Beschwerdeführer beruft sich vorab darauf, dass eine Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und einen bedeutenden Aufwand für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. Inwiefern ein weitläufiges Beweisverfahren bevorstehen soll (geltend gemacht wird in erster Linie, die Gutachten betreffend den Geisteszustand des Beschwerdeführers müssten erneut überprüft werden und es würde zweifellos zu einem neuen Rechtsmittelzug an das Ober- und dann an das Bundesgericht kommen), ist nicht zu sehen und ebenso wenig, inwiefern ein sofortiger Endentscheid herbeigeführt werden könnte: 
Vorab ist klar, dass in materieller Hinsicht die schweizerische Entscheidzuständigkeit gegeben ist. Das Obergericht hat festgehalten, der geistige Zustand und die Willensbildungsfähigkeit bzw. Beeinflussbarkeit des Beschwerdeführers würden in den Gutachten unterschiedlich geschildert, wobei eine abschliessende Beurteilung offen bleiben könne; aufgrund der nach aussen erkennbaren Umstände sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht mehr zu eigener Lebensführung fähig sei und seinen Lebensmittelpunkt am gleichen Ort wie die ihn betreuende Ehefrau habe. Sodann ist keine Rechtsverletzung ersichtlich, wenn das Obergericht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdegegner zur Beschwerdeführung vor dem Bezirksrat berechtigt sei. Eine Legitimation im Sinn von Art. 450 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB kommt ihm deshalb zu, weil ein gestützt auf Art. 423 Abs. 1 ZGB abgesetzter Beistand materiell in seiner Stellung betroffen ist und sich dagegen zur Wehr setzen kann (Urteil 5A_391/2016 vom 4. Oktober 2016 E. 1.1; VOGEL/AFFOLTER, in: Basler Kommentar, 7. Aufl. 2022, N. 34 zu Art. 425 ZGB), was sinngemäss auch für den vorliegenden Fall gelten muss, weil die Einsetzung eines Beistandes in der Schweiz die Absetzung des Beschwerdegegners in seiner Funktion als (durch einen entsprechenden österreichischen Akt eingesetzten) Vertreter bewirkt. Sodann hat das Obergericht zutreffend auch eine Legitimation nach Art. 450 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB bejaht, denn gemäss Art. 12 HEsÜ bleiben getroffene Massnahmen solange in Kraft, bis die nach dem Übereinkommen zuständigen Behörden sie ändern. Der gegen die betreffende ändernde KESB-Massnahme gerichteten Beschwerde an den Bezirksrat kam von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu (Art. 450c ZGB). Zwar hat die KESB einem allfälligen Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung entzogen, aber das Obergericht hat sie wiederhergestellt, weil offenkundig kein Grund - besondere Dinglichkeit, gerade wenn bereits die verfügende Behörde eine entsprechende Anordnung trifft (vgl. BGE 143 III 193 E. 4) - für einen die Ausnahme bildenden Entzug bestand. 
Mit all dem setzt sich der Beschwerdeführer entgegen seiner Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht auseinander, wenn er dem Beschwerdegegner pauschal die Beschwerde- und Vertretungslegitimation abstreitet. Mithin sind die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG nicht dargetan. 
 
3.  
Was die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG anbelangt, wird mit weitschweifigen Ausführungen und in unüblich aggressivem Ton versucht, den nicht wieder gutzumachenden Nachteil mit vollständiger Ignoranz, Unfähigkeit und Kostenreiterei des Beschwerdegegners zu begründen, welcher entgegen dem Willen des Beschwerdeführers eine Prozesslawine gegen die sich rührend um ihn kümmernde Ehefrau ausgelöst habe und dessen Handlungen das Vermögen des Beschwerdeführers akut gefährden würden; die ganze Situation sei für den Beschwerdeführer persönlich und finanziell katastrophal. 
Als Beleg für die Behauptungen wird nebst der Selbstgefährdungsanzeige primär ein Bericht des von der KESB als Beistand eingesetzten schweizerischen Anwaltes vom 17. Februar 2023 angeführt. Dabei handelt es sich jedoch um ein echtes Novum, welches im bundesgerichtlichen Verfahren von vornherein unzulässig ist (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 143 V 19 E. 1.2; 144 V 35 E. 5.2.4). Im Übrigen wird der angeblich nicht wieder gutzumachende Nachteil mit Argumenten, die tatsächlicher Natur sind oder an der Sache vorbeizielen, und damit nicht einschlägig begründet: 
Dies betrifft vorab den Vorwurf, der Beschwerdegegner habe bereits Honorare von rund 2 Mio. Euro kassiert, was klar überrissen sei, und es gehe ihm einzig darum, weiterhin überzogene Honorare zu erhalten. Diese Ausführungen gehen, soweit die Honorarfrage überhaupt einen Nachteil rechtlicher Natur bewirken kann, an der vorliegend interessierenden Thematik vorbei. Abgesehen davon, dass nach den Angaben in der Beschwerde (vgl. S. 22) der von der KESB eingesetzte schweizerische Rechtsanwalt bis 31. Dezember 2022 - also innert weniger Monate ab Einsetzung - ebenfalls bereits Honorare von Fr. 239'094.90 generiert hat, untersteht der Beschwerdegegner der Aufsicht des Gerichtes, welches ihn als Amtsträger eingesetzt hat, und ist der Vorwurf der Überhonorierung in einem dortigen Honorarfestsetzungsverfahren zu thematisieren. 
Was die weiteren Vorwürfe anbelangt, der Beschwerdegegner sei absolut untauglich und handle nicht im Interesse des Beschwerdeführers, wenn er gegen die Ehefrau vorgehe, belegt dies, dass der Beschwerdeführer - soweit er aufgrund seiner geistigen Gebrechen die anwaltlichen Ausführungen in der Beschwerde überhaupt verstehen und nachvollziehen kann - jedenfalls nicht mehr in der Lage ist, zwischen persönlichen und finanziellen Belangen zu unterscheiden. Dass sich die Ehefrau in persönlicher und medizinischer Hinsicht vermutlich gut um den Beschwerdeführer kümmert, ist vorliegend nicht Thema und im Zusammenhang mit der Frage des nicht wieder gutzumachenden Nachteils irrelevant, zumal sie nicht (mehr) als Beiständin eingesetzt ist oder zur Debatte steht. Der entscheidende Punkt ist vielmehr, ob dem Beschwerdeführer ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur droht, wenn der Beschwerdegegner zumindest bist zur materiellen Prüfung der Beschwerde durch den Bezirksrat (für ein allfälliges weiteres Rechtsmittelverfahren wäre durch die jeweilige Instanz neu über die Gewährung oder den Entzug der aufschiebenden Wirkung zu befinden) in seiner Funktion tätig bleibt. 
Diesbezüglich ist den Feststellungen und Erwägungen des angefochtenen Entscheides zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner zahlreiche und zwischenzeitlich zu einem grossen Teil rechtskräftige Urteile gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers erwirkt hat, dass es nunmehr darum geht, in deren Vollstreckung die unrechtmässig verschobenen Werte in das Vermögen des Beschwerdeführers zurückzuführen und dass der Beschwerdegegner hierfür Gewähr bietet, weil er den Beschwerdeführer bereits in den Klageverfahren vertreten hat und auch sonst mit der komplexen Situation (Gesellschaftsbeteiligungen und Liegenschaften im In- und Ausland) bestens vertraut ist. Inwiefern die anstehenden Handlungen die finanzielle Situation des Beschwerdeführers akut gefährden sollen oder inwiefern dem Beschwerdegegner hierfür oder in anderer Hinsicht jegliche Eignung abgehen soll, bleibt ein beschwerdeweise ungelüftetes Geheimnis, soweit in diesem Kontext überhaupt rechtliche Nachteile zur Debatte stehen. 
 
4.  
Aufgrund des Gesagten ergibt sich, dass weder die Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG noch diejenigen nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG greifbar oder gar nachgewiesen sind. Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten. Die inhaltlichen Rügen wird der Beschwerdeführer dem Bundesgericht im Zusammenhang mit der Anfechtung des Endentscheides unterbreiten können (dazu E. 1). Vorerst wird es darum gehen, dass der Bezirksrat die eingereichte Beschwerde materiell prüft. Dabei wird nach den obergerichtlichen Anweisungen insbesondere die Eignung des von der KESB als Beistand eingesetzten Rechtsanwaltes vertieft zu prüfen sein, da sich den Akten mehrere Anhaltspunkte entnehmen lassen, welche auf eine gewisse Nähe zwischen diesem und der Ehefrau hindeuten, was in der vorliegenden Situation offenkundig zu Interessenkollisionen führen könnte. 
 
5.  
Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
6.  
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie sind dem seitens des Beschwerdegegners für den Beschwerdeführer einbezahlten Kostenvorschuss zu entnehmen. Der von der Ehefrau des Beschwerdeführers sicherheitshalber nochmals und damit doppelt geleistete Kostenvorschuss ist dieser entsprechend ihrer mit Schreiben der Anwälte des Beschwerdeführers vom 16. März 2023 formulierten Bitte zurückzuerstatten. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, der KESB Bezirk Meilen und dem Bezirksrat Meilen mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Mai 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli