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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_301/2023  
 
 
Urteil vom 12. Oktober 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiber Wüest. 
 
Verfahrensbeteiligte 
GastroSocial Ausgleichskasse, Buchserstrasse 1, 5001 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Stalder, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Familienzulage (Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 17. April 2023 (S 2021 143). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1961 geborene A.________ arbeitete seit April 2017 als Küchenhilfe und Hausabwart im Hotel und Restaurant B.________. Für die in Serbien lebende und sich noch in Ausbildung befindende Tochter bezog er Familienzulagen. Nachdem die GastroSocial Ausgleichskasse (im Folgenden: Ausgleichskasse) zuletzt am 23. November 2018 den Anspruch auf Familienzulagen bis 31. August 2019 anerkannt hatte, verneinte sie einen solchen mit Verfügung vom 16. Januar 2020 rückwirkend ab 1. Januar 2019, weil das auf diesen Zeitpunkt hin in Kraft getretene Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Serbien über soziale Sicherheit (SR 0.831.109.682.1) keinen Export von Familienzulagen mehr vorsah. Mit Verfügung vom 11. Februar 2020 forderte sie von A.________ die für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2019 zu viel ausgerichteten Leistungen in der Höhe von Fr. 2'800.- zurück. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 28. September 2021 fest. 
 
B.  
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Urteil vom 17. April 2023 insoweit teilweise gut, als es den Rückerstattungsbetrag in Abänderung des Einspracheentscheids der Ausgleichskasse vom 28. September 2021 auf Fr. 2'450.- reduzierte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Ausgleichskasse, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. April 2023 aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 28. September 2021 zu bestätigen. 
Während die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet A.________ auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.3. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Rückerstattungsbetrag von Fr. 2'800.- auf Fr. 2'450.- reduziert hat. Unbestritten ist hingegen, dass der Beschwerdegegner die ab 1. Januar 2019 zu Unrecht erhaltenen Ausbildungszulagen zurückzuerstatten hat.  
 
2.2. Das kantonale Gericht hat die Grundsätze und Bestimmungen über die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 1 FamZG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG) und die dafür erforderlichen Rückkommenstitel (Art. 53 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erwog zunächst, die Beschwerdeführerin habe mit Erlass der Rückforderungsverfügung am 11. Februar 2020 die damals noch geltende einjährige Verwirkungsfrist von Art. 25 Abs. 2 ATSG gewahrt. Ihr Rückerstattungsanspruch sei damit - entgegen den Vorbringen des Beschwerdegegners - nicht verwirkt.  
 
3.2. Mit Bezug auf die Höhe des zurückzuerstattenden Betrags hielt das kantonale Gericht fest, die Beschwerdeführerin habe Ausbildungszulagen für die Monate Januar bis August 2019 im Betrag von Fr. 2'800.- (8 x Fr. 350.-) zurückgefordert. Laut der Wegfallanzeige der Beschwerdeführerin vom 26. Juli 2019 seien die Leistungen aber bereits per 31. Juli 2019 eingestellt worden. Mithin seien lediglich in den Monaten Januar bis Juli 2019 Ausbildungszulagen ausgerichtet worden. Die Rückforderung sei daher quantitativ lediglich im Betrag von Fr. 2'450.- (7 x Fr. 350.-) ausgewiesen, was zur teilweisen Gutheissung der Beschwerde führe.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Höhe des Rückforderungsanspruchs sei vom Beschwerdegegner nie bestritten worden und nie Verfahrensgegenstand gewesen. Die Vorinstanz hätte mit ihrer Mitwirkung die nötigen Abklärungen tätigen können. Indem sie das unterlassen habe, habe sie den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Aus den Akten sei im Übrigen klar ersichtlich, dass der Beschwerdegegner Ausbildungszulagen für die Monate Januar bis August 2019 im Betrag von insgesamt Fr. 2'800.- erhalten habe. Dieser Betrag sei in der Rückforderungsverfügung korrekt festgesetzt worden. Die Beschwerdeführerin rügt diesbezüglich eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
4.2. Nach den zutreffenden vorinstanzlichen Feststellungen teilte die Beschwerdeführerin der Arbeitgeberin des Beschwerdegegners am 26. Juli 2019 mit, dass dessen Anspruch auf Familienzulagen am 31. Juli 2019 ende und sie für den Anspruch ab 1. August 2019 eine aktuelle Schulbestätigung der im Ausland lebenden Tochter des Beschwerdegegners benötige. Gleichzeitig wies die Beschwerdeführerin in ihrem Begleitschreiben darauf hin, dass die Arbeitgeberin ohne (neuen) Zulagenentscheid keine Familienzulagen auszahlen solle, da die Ausgleichskasse "zu Unrecht ausbezahlte Zulagen" nicht vergüten könne. In ihrer Rückforderungsverfügung vom 11. Februar 2020 hielt die Beschwerdeführerin dann jedoch fest, die Familienzulagen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2019 seien von der Arbeitgeberin bereits ausbezahlt worden. Die Ausgleichskasse ihrerseits habe die Zulagen der Arbeitgeberin ebenfalls bereits gutgeschrieben resp. mit den von dieser geschuldeten (Sozialversicherungs-) Beiträgen verrechnet. Sie bezifferte den Rückforderungsbetrag für die Monate Januar bis August 2019 auf Fr. 2'800.- (8 x Fr. 350.-).  
Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht, hat der Beschwerdegegner die Höhe der Rückforderung zu keinem Zeitpunkt bestritten, auch nicht im vorliegenden Verfahren. Vielmehr machte er im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren die Verwirkung der vom 1. Januar bis 31. August 2019 "bezogenen Ausbildungszulagen" im Gesamtbetrag von Fr. 2'800.- geltend. Bereits in seiner Einsprache wies er darauf hin, dass er die Zulagen von Januar bis August 2019 im Betrag von Fr. 2'800.- nicht zurückzahlen könne. Dies spricht dafür, dass er auch im August 2019 Leistungen erhalten hat. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Familienzulagen ursprünglich bis zum 31. August 2019 anerkannt hatte. Unter Hinweis auf das Anspruchsende am 31. August 2019 forderte sie die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 19. Juli 2019 auf, eine aktuelle Schulbestätigung vorzulegen, damit die Leistungen weiter ausbezahlt werden könnten. Diesbezüglich besteht eine ungeklärte Diskrepanz zur Wegfallanzeige vom 26. Juli 2019. 
 
4.3. Nach dem Gesagten erweist sich die Aktenlage als widersprüchlich. Wenn die Vorinstanz allein gestützt auf die Wegfallanzeige vom 26. Juli 2019 zum Schluss gelangt ist, die Ausbildungszulagen seien nur bis Ende Juli 2019 ausgerichtet worden, so hat sie damit die Beweise willkürlich gewürdigt und den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt (vgl. E. 1.3 hiervor). Bei der gegebenen Ausgangslage wäre sie vielmehr gehalten gewesen, die notwendigen Beweise unter Mitwirkung der Parteien zu erheben. Indem sie dies unterlassen hat, hat sie den Untersuchungsgrundsatz verletzt (vgl. Art. 61 lit. c ATSG). Die Beschwerde ist demnach begründet.  
 
4.4. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie weiter abkläre, ob der Beschwerdegegner im August 2019 Ausbildungszulagen erhalten hat oder nicht. Als Beweismittel könnten etwa die Lohnabrechnung des Beschwerdegegners vom betreffenden Monat oder eine Abrechnung der Beschwerdeführerin dienen, aus welcher die Gutschrift der Zulagen resp. die Verrechnung mit geschuldeten Beiträgen der Arbeitgeberin klar ersichtlich ist.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 17. April 2023 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. Oktober 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest