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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_4/2023  
 
 
Urteil vom 2. März 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiber Grünvogel. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Schneeberger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonale IV-Stelle Wallis, Bahnhofstrasse 15, 1950 Sitten, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 21. November 2022 (S1 22 46). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die kantonale IV-Stelle Wallis sprach dem 1964 geborenen A.________ mit Wirkung ab 1. Mai 2019 eine abgestufte Invalidenrente zu, wobei der Anspruch für die Zeit ab dem 1. Juni 2021 auf eine halbe Invalidenrente festgelegt wurde (Verfügung vom 26. Januar 2022). 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Wallis mit Urteil vom 21. November 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente ab 1. Juni 2021 beantragen. 
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 141 V 234 E. 1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Im Streit steht, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. Juni 2021, wie von der Verwaltung verfügt, lediglich eine halbe und nicht wie beantragt eine ganze Invalidenrente zugesprochen hat. 
 
3.  
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). 
Entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1) ist nach der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Rechtslage zu beurteilen, ob bis zu diesem Zeitpunkt ein Rentenanspruch entstanden ist. Trifft dies zu, so erfolgt ein allfälliger Wechsel zum neuen stufenlosen Rentensystem je nach Alter der Rentenbezügerin oder des Rentenbezügers gemäss lit. b und c der Übergangsbestimmungen des IVG zur Änderung vom 19. Juni 2020. Gemäss lit. c gilt für Rentenbezügerinnen und -bezüger das bisherige Recht, sofern der Rentenanspruch vor Inkrafttreten dieser Änderung entstanden ist und sie bei Inkrafttreten dieser Änderung das 55. Altersjahr vollendet haben (Weiterentwicklung der IV; vgl. auch Rz. 9100 ff. des Kreisschreibens des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV] über Invalidität und Rente in der Invalidenversicherung [KSIR]). 
Zwar erging die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erst nach dem 1. Januar 2022. Vorliegend steht indessen ein am 1. Juni 2021 und damit vorher entstehender Rentenanspruch zur Diskussion. Überdies war der Beschwerdeführer am 1. Januar 2022 bereits 57 Jahre alt. Damit beurteilt sich die vorliegende Streitigkeit allein nach der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Rechtslage. 
 
4.  
Das kantonale Gericht bestimmte den ab 1. Juni 2021 geltenden Invaliditätsgrad nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG). Dem unbestritten gebliebenen Valideneinkommen von Fr. 70'894.35 stellte es dabei einen Invalidenverdienst in der Höhe von Fr. 30'769.45 gegenüber, was zu einem Invaliditätsgrad von gerundet 57 % führte. Gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG in der hier anwendbaren, bis Ende 2021 gültig gewesenen Fassung begründet dies einen Anspruch auf eine halbe Invalidenrente, so wie ihn das kantonale Gericht im Ergebnis bestätigt hat. 
 
5.  
Näher in Frage gestellt und daher einer eingehenderen Überprüfung zu unterziehen ist (E. 1 hiervor) das Einkommen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung (Invalideneinkommen). Ausgangspunkt dazu bildet die unbestritten gebliebene Umschreibung der Restarbeitsfähigkeit von 50 % in einer dem Leiden angepassten Tätigkeit (wechselnde Arbeitsposition, vorwiegend sitzend, kein Heben von Gewichten über 15 kg, keine schweren Arbeiten, limitierte Gehstrecken, kein langes Sitzen, Stehen oder Gehen, kein Treppensteigen, Hocken oder Knien). 
 
5.1. Das kantonale Gericht schloss sich (auch) für die Berechnung des Invalideneinkommens der Verwaltung an und zog die Tabelle TA1_tirage_skill_level der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik für das Jahr 2018 heran. Dabei stellte es auf den standardisierten Durchschnittslohn für einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art in sämtlichen Wirtschaftszweigen des privaten Sektors ab. Hernach gelangte es unter Berücksichtigung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Jahr 2019 sowie der allgemeinen Lohnentwicklung wie auch des noch zumutbaren 50%-Pensums auf ein Invalideneinkommen von Fr. 30'769.45. Mitberücksichtigt hat es dabei auch einen leidensbedingten Abzug von 10 % (dazu BGE 148 V 174 E. 9.2.2 f. und 146 V 16 E. 4.1).  
Der Beschwerdeführer fordert stattdessen, dass ihm der tatsächlich erzielte Jahresverdienst bei der Wäscherei B.________ AG in der Höhe von Fr. 19'251.60 im Jahr 2021 als Invalideneinkommen anzurechnen sei. 
 
5.2. Die Vorinstanz erwog dazu, auf das tatsächlich erzielte Einkommen könne nur dann abgestellt werden, wenn die versicherte Person damit ihre verbliebene Arbeitskraft in zumutbarer Weise ausschöpfe, was - wie vorliegend - dann nicht der Fall sei, wenn sie auf dem hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt einen höheren als den tatsächlich erhaltenen Lohn erzielen könnte. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, solange es sich beim bestehenden Arbeitsverhältnis - wie vorliegend - um ein besonders stabiles handle, er dabei die ihm medizinisch-theoretisch verbliebene Arbeitsfähigkeit voll ausschöpfe und das dafür bezahlte Entgelt angemessen und nicht als Soziallohn gelte, sei rechtsprechungsgemäss auf dieses abzustellen.  
 
5.3. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach konstanter Rechtsprechung zwar primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in der die versicherte Person konkret steht. Allerdings wird für die Anrechnung des tatsächlichen Verdienstes als Invalideneinkommen nach Eintritt der Invalidität (kumulativ) vorausgesetzt, dass das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen erscheint, mithin keinen Soziallohn darstellt, und es im Rahmen eines besonders stabilen Arbeitsverhältnisses sowie unter zumutbarer voller Ausschöpfung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit erzielt wird (statt vieler: BGE 135 V 297 E. 5.2).  
 
5.4. Indessen gebietet die in der Sozialversicherung allgemein geltende Schadenminderungspflicht von einer versicherten Person auch, sich nicht (zu Lasten der Invalidenversicherung) mit einem Einkommen zu begnügen, das tiefer liegt als dasjenige, das sie auf Grund des verbleibenden Rendements zumutbarerweise erzielen könnte. In diesem Sinne ist denn auch die oben erwähnte Rechtsprechung zu verstehen. Deren Zweck ist es primär, über der theoretischen Erwartung liegende, in einer zumutbaren Stelle erwirtschaftete Einkünfte als Invalideneinkünfte zu erfassen. Vorausgesetzt ist allerdings, dass diese tatsächlichen Einkünfte im Rahmen eines besonders stabilen Arbeitsverhältnisses erzielt werden und nicht als Soziallohn zu werten sind. Tatsächliche Einkünfte sollen nämlich einerseits nur dann zum Invalideneinkommen erhoben werden, wenn ihnen aller Voraussicht nach eine gewisse Dauerhaftigkeit zukommen wird. Sie sollen also nicht auf einer zufälligen Situation beruhen, die sich jederzeit ändern kann und damit zu einer Rentenüberprüfung führt. Andererseits werden damit Lohnbestandteile ausgeklammert, für welche die angestellte Person nachgewiesenermassen keine Gegenleistung erbringen kann, und welche damit nicht zum massgebenden Erwerbseinkommen nach Art. 16 ATSG gehören (vgl. Urteil U 2/89 vom 31. Mai 1989 E. 3c; zum Ganzen auch BGE 114 V 119 E. 2b). Liegt umgekehrt der tatsächlich erwirtschaftete Verdienst erheblich unter dem zumutbarerweise erzielbaren, so rechtfertigt sich ein Abstellen auf die tatsächliche Situation nicht mehr. Stattdessen ist der versicherten Person unter diesen Umständen ein Stellenwechsel zuzumuten, vergleichbar mit der Konstellation des selbstständig Erwerbenden, der im eigenen Betrieb ein erheblich tieferes Einkommen erzielt als in einer Anstellung (dazu: Urteil 8C_738/2021 vom 8. Februar 2023 E. 3.5 f.).  
 
5.5. Daher ist nicht zu beanstanden, wenn das kantonale Gericht anhand der Tabellenlöhne aufgezeigt hat, dass der Beschwerdeführer im ausgeglichenen Arbeitsmarkt ein erheblich höheres Einkommen erzielen könnte als das tatsächlich erwirtschaftete (Fr. 30'769.45 gegenüber Fr. 19'251.60) und dieses alsdann bei der Invaliditätsbemessung als Invalideneinkommen herangezogen hat (in diesem Sinne auch das erwähnte Urteil 8C_738/2021 vom 8. Februar 2023; dort: Fr. 24'848.50 gegenüber Fr. 10'796.80). Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.  
 
6.  
Die Gerichtskosten sind gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG dem unterliegenden Beschwerdeführer zu überbinden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. März 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünvogel