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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_311/2023  
 
 
Urteil vom 5. April 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Hongler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, 
Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung / Kantonswechsel, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 25. April 2023 (VWBES.2022.139). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.A.________ (geb. 1979) ist türkischer Staatsangehöriger. Nachdem er am 21. Mai 1994 im Rahmen des Familiennachzugs zu seinen Eltern in die Schweiz eingereist war, erteilten ihm die Migrationsbehörden des Kantons Tessin am 7. November 1994 erstmals eine Aufenthaltsbewilligung. Diese wurde in der Folge verlängert. Am 10. März 2003 heiratete er die türkische Staatsangehörige B.A.________ (geb. 1981); diese reiste in der Folge am 8. August 2003 in die Schweiz ein, woraufhin ihr die Migrationsbehörden des Kantons Tessin am 19. August 2003 erstmals eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehemann erteilten. Die Aufenthaltsbewilligungen der Eheleute wurden in den Folgejahren jeweils verlängert.  
 
A.b. Am 2. Februar 2015 wiesen die Migrationsbehörden des Kantons Tessin die Gesuche um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit Hinweis auf die finanzielle Situation der Eheleute ab, wobei sie deren Aufenthaltsbewilligungen wiederum bis zum 17. Juni 2016 verlängerten. Das darauffolgende Gesuch der Eheleute um Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen vom 30. Mai 2016 wiesen die Tessiner Migrationsbehörden - nach Befragung der Eheleute im August 2016 - mit Verfügung vom 9. September 2016 mit der Begründung ab, Abklärungen hätten ergeben, dass das Ehepaar seinen Lebensmittelpunkt nicht (mehr) im Kanton Tessin habe, sondern dass sie im Kanton Solothurn wohnhaft und erwerbstätig seien. Gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerden wurden durch die Tessiner Beschwerdeinstanzen jeweils abgewiesen (Entscheid des Staatsrats des Kantons Tessin vom 6. Februar 2018; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Tessin vom 14. November 2018). Die Beschwerdeentscheide bezogen sich ausschliesslich auf die Frage des Lebensmittelpunktes im Kanton Tessin; die Voraussetzungen für den Widerruf respektive die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung sowie der Wegweisung aus der Schweiz wurden nicht überprüft (Art. 105 Abs. 2 BGG). Trotzdem setzten die Tessiner Migrationsbehörden A.A.________ und B.A.________ in der Folge eine Frist für die Ausreise aus der Schweiz bis zum 6. März 2019.  
 
A.c. A.A.________ und B.A.________ sind in den Kantonen Tessin (Fr. 156'395.60) und Solothurn (Fr. 16'587.45) in der Höhe von gesamthaft Fr. 172'983.05 verschuldet. A.A.________ weist im Kanton Solothurn keine Einträge im Betreibungsregister auf. B.A.________ ist im Kanton Solothurn mit einer Betreibung in der Höhe von Fr. 2'298.-- sowie sieben Verlustscheinen in der Höhe von Fr. 14'289.45 verzeichnet.  
 
B.  
Am 15. März 2018 stellten A.A.________ und B.A.________ beim Migrationsamt des Kantons Solothurn (MISA) ein Gesuch um Kantonswechsel. Dieses Verfahren sistierte das MISA mit Verfügung vom 18. Juli 2018 bis zum rechtskräftigen Entscheid betreffend Erteilung beziehungsweise Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen im Kanton Tessin (vorne A.). Im Februar 2020 - nachdem sich A.A.________ und B.A.________ rückwirkend per 1. April 2019 bei der Einwohnergemeinde U.________ (im Kanton Solothurn) angemeldet hatten - ersuchten die Eheleute beim MISA erneut um Kantonswechsel. Das MISA wies "die Gesuche um Kantonswechsel" mit Verfügung vom 17. März 2022 ab, soweit es darauf eintrat, und wies A.A.________ und B.A.________ an, sich bei der Einwohnergemeinde abzumelden und den Kanton Solothurn zu verlassen. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 25. April 2023 ab, wobei es die Eheleute anwies, den Kanton Solothurn innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Urteils zu verlassen. 
 
C.  
Mit "Beschwerde" vom 30. Mai 2023 beantragen A.A.________ und B.A.________ dem Bundesgericht, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und das Migrationsamt des Kantons Solothurn anzuweisen, den Beschwerdeführern die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen beziehungsweise den Kantonswechsel zu bewilligen. Das Migrationsamt sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn verzichten auf eine Vernehmlassung und beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat sich nicht vernehmen lassen. 
Mit Zwischenverfügung vom 1. Juni 2023 hiess die Abteilungspräsidentin das Gesuch um aufschiebende Wirkung in dem Sinne gut, als den Beschwerdeführenden gestattet wurde, den Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens in der Schweiz abzuwarten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1). Das vorliegend angefochtene Urteil betrifft den Kantonswechsel der Beschwerdeführenden vom Kanton Tessin in den Kanton Solothurn. 
 
1.1. Gegen Entscheide über den Kantonswechsel ist gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 6 BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen, und zwar unabhängig davon, ob ein Anspruch auf Kantonswechsel besteht oder nicht (vgl. Urteile 2C_99/2021 vom 10. November 2021 E. 1.2; 2D_10/2020 vom 9. Juli 2020 E. 1.1; 2C_1115/2015 vom 20. Juli 2016 E. 1.3.1; jeweils mit Hinweisen). Demgegenüber steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausnahmsweise dann offen, wenn mit der Verweigerung des Kantonswechsels gleichzeitig auch der weitere Verbleib der betroffenen Person in der Schweiz in Frage steht, soweit diesbezüglich ein Anspruch im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG besteht (vgl. hierzu Urteile 2C_99/2021 vom 10. November 2021 E. 1.2; 2C_451/2019 vom 6. Februar 2020 E. 1; 2C_833/2017 vom 13. Dezember 2017 E. 3; 2C_1115/2015 vom 20. Juli 2016 E. 1.3.2; 2C_140/2010 vom 17. Juni 2010 E. 3; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 63 zu Art. 83 BGG).  
 
1.2. Fraglich ist, ob diese Ausnahmekonstellation bei den Beschwerdeführenden vorliegt:  
 
1.2.1. Die Aufenthaltsbewilligungen der Beschwerdeführenden in der Schweiz wurden seit 1994 respektive 2003 jeweils durch den Kanton Tessin erteilt respektive verlängert. Mit Verfügung vom 9. September 2016 wiesen die Migrationsbehörden des Kantons Tessin (rechtzeitig eingereichte) Gesuche um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen der Beschwerdeführenden ab. Dies (ausschliesslich) mit der Begründung, der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführenden habe sich in den Kanton Solothurn verschoben. Diese Verfügung wurde vom Staatsrat des Kantons Tessin und dem Verwaltungsgericht des Kantons Tessin (vgl. vorne A.b) bestätigt. Das kantonal letztinstanzliche Urteil blieb unangefochten. In der Folge setzten die Tessiner Migrationsbehörden den Beschwerdeführern eine Frist zur Ausreise aus der Schweiz an.  
 
1.2.2. Bereits während des im Kanton Tessin laufenden Rechtsmittelverfahrens ersuchten die Beschwerdeführenden im Kanton Solothurn um Bewilligung des Kantonswechsels. Nachdem das Migrationsamt des Kantons Solothurn das Verfahren in Erwartung eines Entscheids der Tessiner Rechtsmittelinstanzen zwischenzeitlich sistiert hatte, wies es das Gesuch um Kantonswechsel mit Verfügung vom 17. März 2022 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn bestätigte diesen Entscheid im angefochtenen Urteil, wobei es die Beschwerdeführer nicht aus der Schweiz, sondern lediglich aus dem Kanton Solothurn wegwies (vgl. das Dispositiv des angefochtenen Urteils; in E. 5.3 hält die Vorinstanz diesbezüglich das Folgende fest: "Ganz abgesehen davon ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer mit der angefochtenen Verfügung nicht aus der Schweiz weggewiesen, sondern lediglich aufgefordert werden, den Kanton Solothurn zu verlassen. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, ist es ihnen durchaus zumutbar, erneut im Kanton Tessin Wohnsitz zu nehmen und dort um eine entsprechende Bewilligung zu ersuchen.").  
 
1.2.3. Angesichts dieser besonderen Umstände - dem rechtskräftigen Widerruf der Bewilligung im Kanton Tessin gestützt auf den Wegfall des Lebensmittelpunkts und der darauffolgenden Verweigerung des Kantonswechsels durch den Zielkanton Solothurn - steht mit der Abweisung des Kantonswechselgesuchs auch der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführer in der Schweiz in Frage. Faktisch führt das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn angesichts der Rechtskraft der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligungen der Beschwerdeführenden im Kanton Tessin und deren Wegweisung dazu, dass die Beschwerdeführer in der Schweiz über keine Aufenthaltsberechtigung (mehr) verfügen. Da sie sich angesichts ihres langjährigen rechtmässigen Aufenthalts in vertretbarer Weise auf einen potentiellen Bewilligungsanspruch gestützt auf Art. 8 EMRK berufen können (BGE 149 I 207 E. 5.3.2; 144 I 266 E. 3; Urteil 2C_642/2022 vom 7. Februar 2023 E. 1), liegt vorliegend die Gegenausnahme von Art. 83 lit. c Ziff. 6 im Sinne der zitierten Rechtsprechung (vgl. vorne E. 1.1) vor.  
 
1.3. Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 42, Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG) erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, sprich willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2). Entsprechende Rügen unterstehen der qualifizierten Rüge- und Begründungspflicht (vgl. E. 2.1 oben).  
 
3.  
Das Migrationsamt Solothurn wies das Gesuch um Kantonswechsel mit der Begründung ab, die Beschwerdeführer verfügten im Vorkanton (Tessin) nicht mehr über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb die Voraussetzungen nach Art. 37 Abs. 2 AIG nicht erfüllt seien und auf die Gesuche um Kantonswechsel (vom 15. März 2018 und vom 12. Februar 2020) nicht eingetreten werden könne, grundsätzlich ungeachtet davon, ob die Beschwerdeführer die übrigen Voraussetzungen für einen Kantonswechsel erfüllten. Trotzdem prüfte das Migrationsamt Solothurn die Voraussetzungen für den Kantonswechsel auch materiell, wobei es zum Schluss gelangte, dass bei den Beschwerdeführenden Widerrufsgründe i.S.v. Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG vorlägen und sich auch eine Wegweisung der Beschwerdeführer (aus der Schweiz) als verhältnismässig erweise, weshalb die Kantonswechselgesuche abzuweisen seien. Indes habe das Nichteintreten beziehungsweise die Abweisung der Gesuche um Kantonswechsel nicht die Wegweisung aus der Schweiz zur Folge: Es sei den Beschwerdeführern zumutbar, erneut im Kanton Tessin Wohnsitz zu nehmen und dort um eine Bewilligung zu ersuchen. 
Die Vorinstanz ihrerseits schützte die Verfügung des Migrationsamts im angefochtenen Urteil, wobei sie insbesondere in Bezug auf die materielle Beurteilung im Wesentlichen auf die Erwägungen des Migrationsamts verwies und ebenfalls die Wegweisung aus dem Kantonsgebiet des Kantons Solothurn - nicht aber aus der Schweiz - verfügte (vgl. vorne E. 1.2.2). 
 
4.  
Die Beschwerdeführer rügen (insbesondere) eine Verletzung von Art. 8 EMRK. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die Prüfung der kantonalen Vorinstanz (en) im vorliegenden Fall den konventionsrechtlichen Anforderungen genügt. 
 
4.1. Die vorliegende Fallkonstellation führt (wenigstens de facto) dazu, dass die Beschwerdeführenden in der Schweiz über keinerlei Aufenthaltsberechtigung mehr verfügen; das angefochtene Urteil läuft mithin auf eine Aufenthaltsbeendigung hinaus (vorne E. 1.2.3). Gleichzeitig hielten sich die Beschwerdeführenden im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils bereits seit knapp 29 Jahren (Beschwerdeführer) respektive knapp 20 Jahren (Beschwerdeführerin) in der Schweiz auf, grösstenteils mit einer gültigen Aufenthaltsbewilligung. Angesichts ihrer sehr langen Aufenthaltsdauer können sich die Beschwerdeführer in vertretbarer Weise darauf berufen, dass die Aufenthaltsbeendigung ihr Recht auf Privatleben gemäss Art. 8 EMRK verletzt (vorne E. 1.2.3; BGE 149 I 207 E. 5.3.2; 146 II 185 E. 5.2; 144 I 266 E. 3). In einem solchen Kontext verlangt Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 8 EMRK, dass eine potentielle Verletzung der betroffenen Konventionsgarantie in der Sache - und insbesondere auch unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten (Art. 8 Abs. 2 EMRK) überprüft wird (zur Tragweite von Art. 13 i.V.m. Art. 8 EMRK: Urteil 2C_504/2018 vom 14. November 2019 E. 4.4 mit Hinweisen; Urteil des EGMR De Souza Ribeiro gegen Frankreich [GC] vom 13. Dezember 2012, §§ 77-83 insb. 83; mit Verweis auf M. und andere gegen Bulgarien vom 26. Juli 2011 §§ 122-132; Al-Nashif gegen Bulgarien vom 20. Juni 2002 § 13; vgl. zur materiellen Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen von Art. 8 EMRK beispielsweise das Urteil 2C_213/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 4.1 und 4.2). Auch das innerstaatliche Recht verlangt eine entsprechende Prüfung im Hinblick auf die (faktische) Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführer in der Schweiz (Art. 96 AIG).  
 
4.2. Im Zeitpunkt ihrer Entscheide war den Solothurner Behörden bekannt, dass die Beschwerdeführer im Kanton Tessin in Folge des dort rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über keine Aufenthaltsberechtigung mehr verfügten. Trotzdem ergibt sich aus Begründung und Dispositiv des angefochtenen Urteils sowie der Verfügung der Erstinstanz, dass die Solothurner Behörden (lediglich) die Wegweisung der Beschwerdeführer aus dem Kanton Solothurn verfügten, und die Gesuche der Beschwerdeführer (nur) unter diesem Gesichtspunkt prüften, mit der Begründung, die Beschwerdeführer hätten sich für eine (neue) Aufenthaltsbewilligung an die Tessiner Behörden zu wenden (vgl. vorne E. 1.2.2). Obwohl ihr Entscheid im Ergebnis dazu führt, dass die Beschwerdeführer in der Schweiz über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügen, prüften die Solothurner Behörden das Gesuch der Beschwerdeführer nicht umfassend und im Hinblick auf die (faktisch) resultierende Aufenthaltsbeendigung in der Schweiz. An einer expliziten Auseinandersetzung mit Art. 8 EMRK fehlt es sowohl im angefochtenen Urteil als auch (abgesehen von der Aussage, dass soweit ersichtlich keine unter Art. 8 EMRK fallenden Angehörigen der Kernfamilie in der Schweiz leben würden) in der Verfügung des Migrationsamtes, auf welche die Vorinstanz im angefochtenen Urteil verweist, völlig. In einer Konstellation wie der vorliegenden durften sich die Behörden aber nicht damit begnügen, nur den Kantonswechsel respektive in diesem Rahmen das Vorliegen von Widerrufsgründen i.S.v. Art. 62 Abs. 1 AIG zu beurteilen, ohne den Konsequenzen ihres Entscheids in Bezug auf den weiteren Verbleib der Beschwerdeführer in der Schweiz Rechnung zu tragen (vgl. auch das Urteil 2C_99/2021 vom 10. November 2021 E. 3.3 und 3.4 mit Hinweisen).  
 
4.3. Schliesslich sind auch die inhaltlichen Ausführungen zum Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG und der Verhältnismässigkeit der Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz - auf welche gegebenenfalls (sinngemäss) für die Prüfung der Zulässigkeit der Wegweisung aus der Schweiz im Rahmen von Art. 8 EMRK hätte abgestellt werden können - im angefochtenen Urteil sehr knapp gehalten, zumal sie nur im Zusammenhang mit Art. 37 Abs. 2 AIG erfolgen. So wird zwar die abstrakte Schuldenhöhe angegeben und auf fehlende Nachweise betreffend Bemühungen um Schuldenabbau verwiesen, sowie darauf, dass die Beschwerdeführer ihre (kranken-) versicherungsrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllten; gleichzeitig fehlt es aber beispielsweise an Ausführungen dazu, in welchem Ausmass (genau) die Verschuldung in den letzten Jahren zugenommen hat, oder ob die Beschwerdeführer in Bezug auf ihre Schuldenwirtschaft bereits ausländerrechtlich verwarnt worden sind (vgl. zu den verschiedenen Faktoren, die praxisgemäss zu berücksichtigen sind: Urteil 2C_213/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 4.3 f.). Auch an einer (zeitlichen) Gewichtung der den Beschwerdeführern vorgeworfenen Delinquenz mangelt es im angefochtenen Urteil, obwohl gerade die schwereren Verurteilungen schon länger zurückliegen (vgl. beispielsweise das Urteil 2C_479/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 5.1.3). Schliesslich liegt der gesamten Beurteilung der Folgen einer Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz die Annahme des Verwaltungsgerichts zugrunde, dass das vorliegende Verfahren nur einen Kantonswechsel betrifft; das ist nach dem Gesagten aber gerade nicht der Fall.  
 
4.4. Insgesamt führt das Urteil der Vorinstanz dazu, dass die Beschwerdeführenden in der Schweiz über keine Aufenthaltsberechtigung mehr verfügen, ohne dass die Aufenthaltsbeendigung (auch und insbesondere unter dem Aspekt von Art. 8 EMRK und Art. 96 AIG) auf der kantonalen Ebene je umfassend überprüft worden wäre. Damit genügt das angefochtene Urteil weder den Anforderungen von Art. 13 i.V.m. Art. 8 EMRK, welche eine (gerichtliche) Überprüfung der betroffenen Konventionsgarantie in der Sache verlangen, noch denjenigen von Art. 96 AIG.  
Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, als erste Instanz über eine allfällige Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführer (in der Schweiz) und deren Konformität mit Bundes- und Völkerrecht zu entscheiden und den diesbezüglichen Sachverhalt (gegebenenfalls) zu ergänzen; dies obliegt der Vorinstanz. Sollte diese an der Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz festhalten, hat sie das ausdrücklich zu verfügen; andernfalls ist den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK zu erteilen. Angesichts der bereits sehr langen Verfahrensdauer ist sie zudem gehalten, das Verfahren beschleunigt zu behandeln. 
 
5.  
 
5.1. Nach dem Gesagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn zurückzuweisen.  
 
5.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat den obsiegenden Beschwerdeführern als Solidargläubiger für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 25. April 2023 wird aufgehoben und die Sache zum neuen Entscheid an dieses zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. April 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: D. Hongler