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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_124/2023  
 
 
Urteil vom 6. September 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Laube, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, Invalidenrente, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Dezember 2022 (IV.2022.00408). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1983, gelernter Automonteur, arbeitete zuletzt als Hilfselektriker. Im August 2016 meldete er sich unter Hinweis auf Rückenbeschwerden (Diskushernie) bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich gewährte berufliche Massnahmen in Form von Berufsberatung. Einen Anspruch auf Invalidenrente lehnte sie mit Verfügung vom 27. September 2018 ab. Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 27. November 2019 gut und wies die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen an die IV-Stelle zurück. Diese holte ein orthopädisches Gutachten des Swiss Medical Assessment- and Business-Center SMAB, St. Gallen, mit Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) vom 14. Juni 2021 ein. A.________ hatte zwischenzeitlich am 1. Juni 2019 eine neue Stelle als technischer Sachbearbeiter bei der B.________ AG angenommen. Mit Verfügungen vom 20. Juli 2022 sprach die IV-Stelle A.________ vom 1. Oktober 2017 bis 31. März 2019 eine ganze und vom 1. April bis 31. Juli 2019 sowie vom 1. Juli 2020 bis 31. März 2021 eine Viertelsrente zu. 
 
B.  
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 23. Dezember 2022 in dem Sinne teilweise gut, als es auf einen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente vom 1. Juni 2017 bis 31. Juli 2019 sowie auf eine Viertelsrente vom 1. Mai 2020 bis 30. Juni 2021 erkannte. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei ihm auch über den 31. Juli 2019 hinaus bis mindestens 31. Oktober 2020 eine ganze und danach eine (unbefristete) halbe Invalidenrente zuzusprechen.  
Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Anspruch auf eine ganze Invalidenrente (ab 1. Juni 2017) per 31. Juli 2019 befristete (statt der Zusprache bis mindestens 31. Oktober 2020) und dem Beschwerdeführer zudem ab 1. Mai 2020 lediglich eine bis 30. Juni 2021 befristete Viertels- statt der anbegehrten unbefristeten halben Invalidenrente (ab 1. November 2020) zusprach. Zur Frage steht die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Die vom kantonalen Gericht festgestellten erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung sind unbestritten geblieben. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Anwendbarkeit der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassungen des IVG und der IVV (und nicht der am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Änderung [Weiterentwicklung der IV WEIV]) bei Entstehung des Rentenanspruchs bereits vor jenem Zeitpunkt (Urteile 9C_484/2022 vom 11. Januar 2023 E. 2; 8C_119/2023 vom 15. Juni 2023 E. 2.1) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich des Anspruchs auf eine Invalidenrente nach Art. 28 IVG, der Rentenrevision gemäss Art. 17 ATSG sowie der zum Beweiswert von ärztlichen Berichten und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a mit Hinweis), insbesondere von versicherungsexternen Gutachten (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4; 125 V 351 E. 3b/bb), zu beachtenden Regeln. Es wird darauf verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz stellte fest, nach einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit in sämtlichen Tätigkeiten ab 10. Juni 2016 habe sich nach der Operation im Mai 2018 und dem Aufenthalt im Zentrum C.________ im Frühjahr 2019 eine Stabilisation des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eingestellt. Er habe am 1. Juni 2019 eine neue Stelle im 60 %-Pensum angetreten, dies entsprechend der ihm nach der Rehabilitation bescheinigten Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit. In erwerblicher Hinsicht resultierte aus dem Einkommensvergleich ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 33 %. Ab 1. August 2019 bestand daher gemäss kantonalem Gericht kein Anspruch auf eine Invalidenrente mehr.  
Der Beschwerdeführer habe sich daraufhin, so die Vorinstanz weiter, Ende Mai 2020 erneut wegen einer akuten Ischialgie in ärztliche Behandlung begeben müssen. Gemäss Vorinstanz bestand in der Folge gestützt auf das SMAB-Gutachten während etwa acht Wochen eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. Danach sei die Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit um 50 % eingeschränkt gewesen. In erwerblicher Hinsicht ergab sich ein Invaliditätsgrad von 45 %. Die Vorinstanz sprach gestützt darauf einen Anspruch auf eine Viertelsrente ab 1. Mai 2020 zu.  
Ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch die SMAB im März 2021 galt gemäss kantonalem Gericht die dort bescheinigte Arbeitsfähigkeit von 80 % in leidensangepassten Tätigkeiten. In erwerblicher Hinsicht ging die Vorinstanz von einem Invaliditätsgrad von 15 % aus. Unter Berücksichtigung der zu beachtenden dreimonatigen Frist (Art. 88a Abs. 1 IVV) sei die Viertelsrente per 30. Juni 2021 zu befristen. 
 
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, die bei ihm bildgebend nachgewiesenen eindrücklichen Befunde am Rücken verursachten seit jeher und auch weiterhin eine wesentlich höhere als die vom Gutachter bescheinigte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit um lediglich 20 %. Es sei aufgrund der Beobachtungen anlässlich der Rehabilitation im Zentrum C.________ im Frühjahr 2019, der Ergebnisse der EFL im April 2021, aber auch der Einschätzung des beratenden Arztes der Krankentaggeldversicherung von einer mindestens 50%igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Zumindest hätten weitere Abklärungen, unter anderem auch rheumatologische und psychiatrische, getätigt werden müssen.  
 
5.  
Inwiefern die dargelegten Sachverhaltsfeststellungen des kantonalen Gerichts offensichtlich unrichtig sein sollten, wird beschwerdeweise nicht dargelegt. Der Beschwerdeführer setzt sich damit nicht auseinander. 
 
5.1. Dies betrifft zunächst die vorinstanzlich per 1. August 2019 festgesetzte Aufhebung der ab 1. Juni 2017 (Ablauf des Wartejahrs) zugesprochenen ganzen Invalidenrente. Das kantonale Gericht begründete diese mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes nach dem operativen Eingriff und der Rehabilitation im Zentrum C.________, wo, wie auch vom Gutachter bei der rückblickenden Beurteilung ausdrücklich vermerkt, lediglich noch für die Zeit der Reintegration eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit auf 60 % bescheinigt wurde. Inwiefern die Vorinstanz mit der Ermittlung eines rentenausschliessenden Invaliditätsgrades von 33 % unter Zugrundelegung eines noch zumutbaren 60 %-Pensums, welches der Beschwerdeführer an der neuen Arbeitsstelle versah, offensichtlich unrichtige Feststellungen in sachverhaltlicher Hinsicht getroffen oder sonstwie Bundesrecht verletzt haben sollte, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist nicht erkennbar.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer beruft sich auf eindrückliche bildgebende Befunde (ödematöse Veränderung L2/3, Diskusprotrusion mit Beeinträchtigung der absteigenden Nervenwurzel). Diese wurden indessen in der Klinik D.________ im Juli 2016 erhoben, also vor einem ersten Aufenthalt im Zentrum C.________ im Herbst 2016 und vor allem auch vor dem operativen Eingriff mit interkorporeller Spondylodese L5/S1 und Facettengelenksfusion L5/S1 und L2/L3 im Mai 2018. Es lässt sich daraus hinsichtlich der Befristung der ganzen Invalidenrente per 31. Juli 2019 nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers ableiten.  
 
5.3. Der Beschwerdeführer macht schliesslich bezüglich der Aufhebung der von der Vorinstanz ab 1. Mai 2020 zugesprochenen Viertelsrente per 30. Juni 2021 gestützt auf das SMAB-Gutachten die Unzulänglichkeit der Einschätzung des Experten geltend. Es sei, so der Beschwerdeführer, zu Unrecht insbesondere auf rheumatologische und psychiatrische Abklärungen verzichtet worden. Die letzteren wären unerlässlich gewesen, zumal anlässlich der SMAB-Begutachtung eine mangelhafte Konzentrations- und Durchhaltefähigkeit vermerkt worden sei. Die Vorinstanz äusserte sich zu diesem Einwand eingehend und stellte fest, es ergäben sich weder aus dem Gutachten noch aus den Berichten der behandelnden Ärzte Hinweise auf eine Notwendigkeit weiterer Abklärungen. Zudem habe der Gutachter die vom Beschwerdeführer subjektiv geklagte mangelhafte Konzentrations- und Durchhaltefähigkeit auf die Schmerzsymptomatik zurückgeführt und mit der Bescheinigung einer allein damit begründeten 20%igen Leistungsminderung berücksichtigt. Dass diese Feststellungen des kantonalen Gerichts zum Sachverhalt offensichtlich unrichtig wären, wird beschwerdeweise nicht geltend gemacht und ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als der Beschwerdeführer vorbringt, nach Steigerung seines Pensums sei, wie von seinem behandelnden Arzt am 16. August 2020 bestätigt, eine massive Schmerzexazerbation aufgetreten. Nach den Ausführungen des Gutachters liess sich aus orthopädischer Sicht indessen nicht begründen, welche Hindernisse damals einer Steigerung des Arbeitspensums auf über 50 % entgegengestanden hätten. Daran können zuletzt auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Schlafstörungen nichts ändern, die im August 2021 im Zentrum E.________ abgeklärt wurden (Bericht vom 9. August 2021). Eine Schlafapnoe wurde ausgeschlossen und dem Beschwerdeführer wurden Verhaltensstrategien empfohlen, eine durch die Schlafprobleme verursachte Arbeitsunfähigkeit attestierten die Ärzte indessen nicht.  
 
5.4. Der Beschwerdeführer beruft sich des Weiteren darauf, die anlässlich der Begutachtung durchgeführte EFL habe eine lediglich 50%ige Arbeitsfähigkeit ergeben. Im Bericht der für die EFL verantwortlichen Therapeutin ist jedoch ausdrücklich vermerkt, dass die aktuell ausgeübte Tätigkeit ganztags zumutbar sei. Auf der vom Beschwerdeführer eingereichten Fassung dieses Abklärungsberichts findet sich eine handschriftliche, undatierte und nicht unterzeichnete Ergänzung, die auf dem Original fehlt. Da der Verfasser der Notiz nicht auszumachen ist und diese zudem dem Inhalt des Berichts widerspricht, vermag der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Gleiches gilt hinsichtlich der Aktenbeurteilung des beratenden Arztes des Krankentaggeldversicherers vom 28. Juli 2021, der auf die "attestierte Arbeitsunfähigkeit" von 50 %, offenbar durch den behandelnden Arzt, ab 5. Februar 2020 bis 31. Juli 2021 verweist. Wenn der Vertrauensarzt im Weiteren ohne Begründung anmerkt, dass diese Arbeitsfähigkeit von 50 % kaum überschritten werden könne, vermag dies keine konkreten Indizien gegen die Zuverlässigkeit des SMAB-Gutachtens zu belegen. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich geltend macht, für die Ausübung einer leidensangepassten Tätigkeit, etwa als technischer Sachbearbeiter, fehle es ihm an der erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, bleibt darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Umschulung mit Verfügung vom 12. Dezember 2017 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dass im Übrigen noch vor Erlass der hier streitigen Verfügungen vom 20. Juli 2022, für die richterliche Überprüfungsbefugnis massgeblicher Zeitpunkt (BGE 129 V 167 E. 1 mit Hinweis), eine Verschlechterung eingetreten sein sollte, ist nicht zu ersehen.  
 
5.5. Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet und ist abzuweisen.  
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. September 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo