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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_599/2023  
 
 
Urteil vom 30. April 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Eschle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Dr. Leandro Perucchi und Dr. Matthias Wiget, Rechtsanwälte, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Bank B.________, 
2. Namentlich nicht genannte Mitglieder der Geschäftsleitung der Bank B.________, 
alle vertreten durch Dr. Andreas Länzlinger und Dr. Pascal Hachem, Rechtsanwälte, Bär & Karrer AG, 
3. C.________, 
Bahnhofstrasse 37, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegner, 
 
Bundesanwaltschaft, 
Guisanplatz 1, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Einstellung des Verfahrens, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesstrafgerichts, Berufungskammer, vom 10. Juli 2023 (CR.2023.11). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Eingabe vom 29. Mai 2020 und Nachtrag vom 20. November 2020 reichte A.________ bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl eine Strafanzeige gegen die Bank B.________, gegen nicht namentlich bezeichnete Mitglieder der Geschäftsleitung dieser Bank sowie gegen C.________ ein. Darin erhob er die Vorwürfe der Verletzung des Bankgeheimnisses (Art. 47 Abs. 1 BankG), des Anwalts- bzw. Berufsgeheimnisses (Art. 321 Ziff. 1 StGB) und der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 1 StGB). 
Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich vom 25. Juni 2020 um Verfahrensübernahme und Nachfrage vom 10. Dezember 2020 erklärte die Bundesanwaltschaft mit Schreiben vom 1. März 2021, das Verfahren in Bundeskompetenz weiterzuführen. Gestützt darauf trat die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich die Strafuntersuchung mit Abtretungsverfügung vom 4. März 2021 an die Bundesanwaltschaft ab. 
Am 13. Dezember 2021 erliess die Bundesanwaltschaft eine Einstellungsverfügung im Sinne von Art. 319 ff. StPO in Verbindung mit einer Vereinigungsverfügung gemäss Art. 26 Abs. 2 StPO. Im Einzelnen vereinigte die Bundesanwaltschaft die Strafverfahren gegen C.________ und Unbekannt wegen verbotener Handlungen für einen fremden Staat, wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB), Verletzung des Berufsgeheimnisses und Verletzung des Bankgeheimnisses und stellte die Strafuntersuchung gegen C.________ wegen verbotener Handlungen für einen fremden Staat, wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und Verletzung des Berufsgeheimnisses sowie gegen Unbekannt wegen verbotener Handlungen für einen fremden Staat, wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und Verletzung des Bankgeheimnisses ein. 
 
B.  
 
B.a. Mit Beschluss vom 23. Mai 2023 wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die Beschwerde von A.________ gegen die Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft vom 13. November 2021 ab, soweit sie darauf eintrat.  
 
B.b. Mit Revisionsgesuch vom 29. Juni 2023 beantragte A.________ der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts, es sei der Beschluss der Beschwerdekammer aufzuheben und die von der Bundesanwaltschaft gegen die Beschuldigten geführte Strafuntersuchung sei fortzusetzen. Weiter sei die Bundesanwaltschaft anzuweisen, die von ihm beantragten Beweise abzunehmen.  
Mit Beschluss vom 10. Juli 2023 trat die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts auf das Revisionsgesuch nicht ein, soweit sie dieses nicht als gegenstandslos abschrieb. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht sinngemäss, es sei der Beschluss der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts aufzuheben und sein Revisions gesuch sei gutzuheissen. 
Es wurden die vorinstanzlichen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 IV 9 E. 2; 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1). 
Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 80 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts. Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts können dagegen nur angefochten werden, wenn sie Zwangsmassnahmen betreffen (Art. 79 BGG e contrario). Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen Entscheid der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts, mit dem diese auf ein Gesuch um Revision eines Entscheids der Beschwerdekammer nicht eingetreten ist. Gegen diesen Beschluss steht nach der Rechtsprechung aufgrund des unzweitdeutigen Wortlauts von Art. 80 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen offen (BGE 146 IV 185 E. 2.1-2.3). Daran ändert nichts, dass der materielle Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, um dessen Revision der Beschwerdeführer ersucht, nicht beim Bundesgericht angefochten werden konnte, weil er eine Einstellungsverfügung und damit keine Zwangsmassnahme betraf (vgl. Art. 79 BGG). 
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht nicht auf sein Revisionsgesuch eingetreten. 
 
2.1. Die Vorinstanz erwägt, dass die Zulässigkeit und Revisionsgründe im Falle einer Revision in Art. 410 StPO (i.V.m. Art. 39 Abs. 1 StBOG [SR 173.71]) geregelt seien. In der vorliegenden Konstellation gehöre zu den Prozessvoraussetzungen, um eine Revision verlangen zu können, dass ein rechtskräftiges Urteil vorliege (Art. 410 Abs. 1 StPO). Einer Revision zugänglich seien Urteile im weiteren Sinn. Im Vordergrund stünden vom Richter zu fällende Entscheide, die ein Verfahren in materieller Hinsicht grundsätzlich durch einen Freispruch oder eine Verurteilung mit einer dafür vorgesehenen Strafe bzw. der Anordnung einer Massnahme abschliessen. Revisionsfähig seien Sachurteile aller Instanzen im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 1 StPO. Darunter fielen Urteile von erstinstanzlichen Gerichten nach Art. 19 StPO, von Beschwerdeinstanzen nach Art. 20 StPO und von Berufungsgerichten nach Art. 21 StPO.  
Nicht mittels Revision abänderbar seien verfahrensleitende und verfahrenserledigende Beschlüsse und Verfügungen, die nicht im Sinne eines Sachurteils Fragen der Schuld, Unschuld oder Sanktion beinhalteten (Zwischenbeschlüsse oder -verfügungen, die das Verfahren fördern, ohne es abzuschliessen, wie etwa die Rückweisung der Anklage, die Ablehnung eines Richters, die Bestellung eines amtlichen Verteidigers und andere mehr). Nicht einer Revision unterzogen werden könnten überdies Nichtanhandnahme- und Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Bundesanwaltschaft nach Art. 310 und 320 StPO. Anwendungsfälle für entsprechende Entscheide seien etwa solche, bei denen ohne Durchführung einer Untersuchung eindeutig keine Straftatbestände als erfüllt zu betrachten seien. Für eine Abänderung dieser Entscheide bedürfe es keiner Revision, sie könnten unter erleichterten Bedingungen wieder aufgenommen werden (Art. 323 StPO). 
 
2.2.  
 
2.2.1. Dagegen wendet der Beschwerdeführer in Rz. 31 ff. seiner Beschwerde zunächst ein, gemäss Art. 40 Abs. 1 StBOG werde der Kreis der revisionsfähigen Entscheide durch Art. 121 BGG und nicht durch Art. 410 StPO bestimmt. Zu Unrecht:  
 
2.2.2. Die Beschwerdekammer trifft die Entscheide, für welche die StPO die "Beschwerdeinstanz" oder das "Bundesstrafgericht" als zuständig bezeichnet (Art. 37 Abs. 1 StBOG). Dazu gehören nach Art. 20 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO namentlich Entscheide über Beschwerden betreffend Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügungen der Bundesanwaltschaft. Die übrigen Zuständigkeiten der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts sind in Art. 37 Abs. 2 StBOG geregelt; darunter fällt insbesondere die Prüfung von Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten (lit. a) oder nach dem VStrR (SR 313.0) (lit. b). Für die Revision, Erläuterung und Berichtigung solcher Entscheide der Beschwerdekammer (nach Art. 37 Abs. 2 StBOG) gelten die Art. 121-129 BGG sinngemäss (Art. 40 Abs. 1 StBOG). Für die Revision von Entscheiden der Beschwerdekammer nach Art. 37 Abs. 1 StBOG sind hingegen die einschlägigen Bestimmungen der StPO grundsätzlich anwendbar (insbesondere Art. 410 Abs. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 3 StPO, vgl. Art. 39 Abs. 1 StBOG; BGE 146 IV 185 E. 5.2).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Weiter macht der Beschwerdeführer in Rz. 53 ff. der Beschwerde geltend, dass der Entscheid der Beschwerdekammer auch nach Art. 410 StPO ein "zulässiges Revisionsobjekt" sei. Denn sowohl eine Abweisung wie auch ein Nichteintretensentscheid der Beschwerdekammer seien revisionsfähig. Dass dem Entscheid der Beschwerdekammer eine Verfahrenseinstellung der Bundesanwaltschaft zugrunde liege, stehe der Zulässigkeit der Revision nicht entgegen. Auch diese Rüge ist unbegründet:  
 
2.3.2. Wer durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, kann gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere oder wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person oder eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (lit. a), oder der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b).  
Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beschränkt sich die Anfechtbarkeit nach Art. 410 Abs. 1 StPO auf rechtskräftige materielle Sachurteile (BGE 146 IV 185 E. 6.2; 141 IV 269 E. 2.2.2). Nicht erfasst vom Kreis der anfechtbaren Entscheide sind namentlich verfahrensleitende und verfahrenserledigende Beschlüsse und Verfügungen (Urteile 6B_1055/2020 vom 13. Juni 2022 E. 5.3.3; 6B_30/2018 vom 21. Juni 2018 E. 1.2; 6B_505/2017 vom 15. Februar 2018 E. 1.2). Darunter fallen auch Beschwerdeentscheide über Nichtanhandnahmen und Einstellungen (so die Konstellation im Urteil 6B_30/2018 vom 21. Juni 2018; vgl. auch Urteil 6B_614/2015 vom 14. März 2016 E. 2.2.2; aus der Literatur sodann Heer/Covaci, in: Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, N. 27 zu Art. 410 StPO; Laura Jacquemoud-Rossari, in: Commentaire romand, 2. Aufl. 2019, N. 17 zu Art. 410 StPO sowie Jositsch/Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2023, N. 1587, gemäss denen gegen Beschwerdeentscheide bis auf die Ausnahme nach Art. 37 Abs. 2 StBOG i.V.m. Art. 40 StBOG überhaupt keine Revision möglich sei). 
 
3.  
Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. 
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Bundesanwaltschaft und dem Bundesstrafgericht, Berufungskammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. April 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Eschle