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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_163/2022  
 
 
Urteil vom 30. August 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Studer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, 
An der Aa 4, 6300 Zug, 
2. B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (Sachbeschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, vom 6. September 2022 (BS 2022 26). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 11. Juli 2020 kam es um ca. 16:30 Uhr auf dem Fussgängerstreifen vor dem Coop Bau+Hobby in U.________ zu einer Auseinandersetzung zwischen unter anderem A.________ und B.________. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung soll B.________ am Fahrzeug von A.________ eine Beule verursacht haben, indem er mit Holzlatten gegen das Fahrzeug geschlagen habe. A.________ stellte deshalb gleichentags einen Strafantrag wegen Sachbeschädigung. 
Mit Verfügung vom 9. März 2022 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen B.________ ein, verwies die Zivilklage von A.________ auf den Zivilweg und nahm die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse. 
 
B.  
Die gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde von A.________ wies das Obergericht des Kantons Zug mit Beschluss vom 6. September 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, der Beschwerdeentscheid sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug sei anzuweisen, das Strafverfahren gegen B.________ fortzuführen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Beschwerde hin geurteilt hat (Art. 80 BGG). Der Beschwerdeführer, der einen deliktischen Schadenersatzanspruch wegen Sachbeschädigung substanziiert hat, ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG) und hat die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, es könne aufgrund der vorgebrachten Sachverhaltselemente nicht von einer Unwahrscheinlichkeit der Verurteilung von B.________ (Beschwerdegegner 2) ausgegangen werden, sondern vielmehr von einer zweifelhaften Situation. In einer solchen habe die Staatsanwaltschaft das Verfahren zur Anklage zu bringen und nicht einzustellen. 
 
2.1. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass dem Beschwerdegegner 2 nicht nachgewiesen werden könne, vorsätzlich mit einer oder mehreren Holzlatten auf das Fahrzeug des Beschwerdeführers eingeschlagen zu haben. Niemand habe den angeblichen Schlag gesehen, auch der Beschwerdeführer selbst nicht. Der Beschwerdegegner 2 habe im Beschwerdeverfahren ausdrücklich bestritten, mit einer Holzlatte oder einem Autoschlüssel gegen das Fahrzeug geschlagen zu haben. Bereits bei seiner Einvernahme habe er klar zum Ausdruck gebracht, dass der behauptete Schaden nur durch einen Schlag mit dem Handrücken entstanden sein könne. Zudem hätten am Fahrzeug des Beschwerdeführers keine Spuren sichergestellt werden können, die auf eine Beschädigung mit Holzlatten hindeuteten. Allein die Tatsache, dass der Beschwerdegegner 2 solche in der Hand gehabt habe, reiche für den Nachweis einer Sachbeschädigung nicht aus. Das dumpfe Geräusch, das der Beschwerdeführer wahrgenommen haben will, könne plausibel mit dem behaupteten Handrückenschlag erklärt werden. Die Wahrnehmung eines dumpfen Geräusches sei daher kein Beweis für einen Schlag mit einer Holzlatte.  
Bezüglich des vom Beschwerdeführer als Zeuge angerufenen C.________ führt die Vorinstanz aus, dass dieser den Vorfall nur akustisch wahrgenommen habe. Auch C.________ könne deshalb nicht bezeugen, dass ein Schlag mit einer Holzlatte ausgeführt worden sei. Die Einvernahme dieses Zeugen würde daher keine neuen Erkenntnisse bringen, weshalb die Staatsanwaltschaft darauf habe verzichten dürfen. 
Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend darlege, sei es sodann unwahrscheinlich, dass der geltend gemachte Schaden allein durch einen Schlag mit dem Handrücken entstanden sei. Auch der Beschwerdegegner 2 habe erklärt, er könne sich nicht vorstellen, wie ein derart leichter Schlag einen Schaden am Fahrzeug des Beschwerdeführers habe verursachen können. Dies sei in der Tat schwer vorstellbar. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Schaden bereits vor der Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdegegner 2 und dem Beschwerdeführer bestanden habe, sei das Vorhandensein eines Schadens allein auch kein hinreichender Beweis für eine Sachbeschädigung durch den Beschwerdegegner 2. 
Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall der Nachweis, dass der Beschwerdegegner 2 das Fahrzeug des Beschwerdeführers vorsätzlich beschädigt habe, nicht zu führen. Er habe nachvollziehbar dargelegt, dass er erschrocken sei und deshalb mit der Hand auf das Fahrzeug geschlagen habe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er dieses damit habe beschädigen wollen oder eine Beschädigung billigend in Kauf genommen habe. Ein entsprechender Schädigungsvorsatz sei daher nicht nachweisbar. 
Eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung nach Art. 144 Abs. 1 StGB sei daher unwahrscheinlich, weshalb die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Recht eingestellt habe. 
 
2.2. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Einstellung des Verfahrens (Art. 319 Abs. 1 StPO) unter anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b).  
 
2.2.1. Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden (BGE 146 IV 68 E. 2.1 mit Hinweisen). Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf. Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1; Urteil 6B_1177/2022 vom 21. Februar 2023 E. 2.1; je mit Hinweisen). Jedoch müssen Sachverhaltsfeststellungen in Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" auch bei Einstellungen zulässig sein, soweit gewisse Tatsachen "klar" beziehungsweise "zweifelsfrei" feststehen, sodass im Falle einer Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit keine abweichende Würdigung zu erwarten ist. Den Staatsanwaltschaften ist es mithin nur bei unklarer Beweislage untersagt, der gerichtlichen Beweiswürdigung vorzugreifen. Im Rahmen von Art. 319 Abs. 1 lit. b und c StPO sind Sachverhaltsfeststellungen der Staatsanwaltschaft in der Regel gar notwendig. Auch insoweit gilt jedoch, dass der rechtlichen Würdigung der Sachverhalt "in dubio pro duriore", das heisst der klar erstellte Sachverhalt, zugrunde gelegt werden muss (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2; zum Ganzen: Urteil 6B_1148/2021 vom 23. Juni 2023 E. 3.1 f. mit Hinweisen).  
Der Grundsatz "in dubio pro duriore" ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten. Bei der entsprechenden Beurteilung verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Ermessensspielraum, in den das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1 und E. 2.3.1; 138 IV 186 E. 4.1.1; Urteile 6B_1148/2021 vom 23. Juni 2023 E. 3.1; 6B_1177/2022 vom 21. Februar 2023 E. 2.1; je mit Hinweisen). 
 
2.2.2. Wie die Beweise nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Es prüft aber im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung nicht, wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" annahm. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor, beziehungsweise wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist. Als Rechtsfrage einer freien Prüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist demgegenüber, ob die Vorinstanz die Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" richtig erfasst hat und vom korrekten rechtlichen Begriff des "hinreichenden Tatverdachts" im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO ausging. Der Grundsatz "in dubio pro duriore" als Rechtsregel ist beispielsweise verletzt, wenn die Vorinstanz in ihren Erwägungen einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, aber aus sachfremden Gründen in Überschreitung ihres Ermessens die Staatsanwaltschaft dennoch nicht zur Anklageerhebung auffordert, wenn aus ihren Erwägungen hervorgeht, dass sie den Sachverhalt wie ein urteilendes Gericht frei nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" feststellte oder wenn sie die rechtliche Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" sonstwie verkannt hat (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2 f.; Urteil 6B_790/2022 vom 15. Juni 2023 E. 4.2.3).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer verkennt diese Grundsätze: Anstatt darzulegen, inwiefern der vorinstanzliche Schluss, es liege hinsichtlich des objektiven und subjektiven Tatbestands ein klarer Sachverhalt vor, schlechterdings unhaltbar ist, versucht er in seiner Beschwerde an das Bundesgericht wie vor einer Beschwerdeinstanz, die über freie Kognition in Tatfragen verfügt, Zweifel an der vorinstanzlichen Würdigung zu säen. Er übersieht im Übrigen, dass - solange keine Unvertretbarkeit vorliegt - Willkür nicht schon dann gegeben ist, wenn eine andere Beurteilung vorzugswürdig wäre (vgl. BGE 148 IV 374 E. 3.2.2, 39 E. 2.3.5; je mit Hinweisen). Seiner Auffassung, dass bereits das blosse Bestreiten durch den Beschwerdegegner 2, mit einer Holzlatte vorsätzlich auf sein Fahrzeug geschlagen zu haben, auf eine "zweifelhafte Beweislage" schliessen lasse, kann sodann ebensowenig gefolgt werden, wie seiner Argumentation, dass "bei einem Schlag aus Ärger und Frustration (...) Vorsatz und mindestens Inkaufnahme einer Beschädigung offensichtlich" sei.  
 
3.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. August 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger