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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_448/2023  
 
 
Urteil vom 14. November 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Benjamin Schumacher und Patrik Salzmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt David Horák, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Vertretungsbefugnis, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, 
vom 27. Juli 2023 (PP230014-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Klägerin, Beschwerdegegnerin) macht als Aktionärin der C.________ AG vor dem Bezirksgericht Meilen Ersatzansprüche der Gesellschaft aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit u.a. gegenüber A.________ (Beklagter 1; Beschwerdeführer), dem (früheren) Verwaltungsratspräsidenten der Gesellschaft, geltend. Der Beklagte 1 liess sich im bereits fortgeschrittenen Forderungsprozess von Rechtsanwalt D.________ von der Kanzlei E.________ AG in U.________ vertreten. 
Mit Eingabe vom 5. Juli 2022 teilte Rechtsanwalt D.________ dem Bezirksgericht mit, er sei an der Generalversammlung vom 30. Juni 2022 in den Verwaltungsrat der C.________ AG gewählt worden. Aus diesem Grund lege er das Mandat des Beklagten 1 mit sofortiger Wirkung nieder und werde per 31. Juli 2022 aus der Kanzlei E.________ AG austreten. Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte Rechtsanwalt F.________ von der gleichen Kanzlei dem Bezirksgericht mit, er sei vom Beklagten 1 mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt worden, und reichte eine entsprechende Vollmacht vom 4. Juli 2022 ein. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 2. Mai 2023 liess das Bezirksgericht Rechtsanwalt F.________ aufgrund eines durch das Anwaltsgesetz verpönten Interessenkonflikts rückwirkend nicht als Rechtsvertreter des Beklagten 1 zu und setzte diesem Frist an, um eine allfällige neue Rechtsvertretung anzuzeigen. 
Dagegen erhob der Beklagte 1 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Beschluss und Urteil vom 27. Juli 2023 wies das Obergericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Gegen den Entscheid des Obergerichts erhebt der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen und eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt, es sei der Beschluss und das Urteil des Obergerichts vollumfänglich und ersatzlos aufzuheben, eventualiter sei der Beschluss und das Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragt der Beschwerdeführer, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen, es seien die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens beizuziehen, und die vorliegende Beschwerde sei mit allfälligen gegen die Verfügungen des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. August 2023 (Verfahren HG220043-O und HG220039-O) erhobenen Beschwerden zu vereinen. 
Die Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz verzichteten auf Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2023 wurde der Beschwerde mangels Opposition die aufschiebende Wirkung erteilt. Die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens wurden beigezogen, hingegen wurde auf das Einholen von Vernehmlassungen zur Beschwerde verzichtet. 
Gegen die beiden genannten handelsgerichtlichen Verfügungen wurde keine Beschwerde ans Bundesgericht erhoben, weshalb sich eine Vereinigung mit dem vorliegenden Verfahren erübrigt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist in der Regel erst gegen Endentscheide zulässig (Art. 90 BGG). Der angefochtene Entscheid, mit welchem Rechtsanwalt F.________ nicht als Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugelassen wurde, schliesst das Verfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Vor- und Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.  
Gegen solche Zwischenentscheide ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss ein Nachteil rechtlicher Natur sein, der auch durch einen späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigt werden kann, wogegen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht ausreichen (BGE 149 II 170 E. 1.3; 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; je mit Hinweisen). 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bewirkt ein Entscheid, mit dem der Rechtsvertretung einer Partei (wegen eines durch das Anwaltsgesetz verpönten Interessenkonflikts) untersagt wird, die Partei zu vertreten, für diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Dieser kann auch durch den Endentscheid nicht mehr behoben werden, nachdem der Prozess vollständig mit einem anderen Anwalt durchgeführt wurde (Urteile 4A_7/2023 vom 28. Februar 2023 E. 1.1; 5A_311/2022 vom 9. November 2022 E. 2.2.2; 4A_25/2022 vom 11. Februar 2022 E. 4.2; 4A_313/2020 vom 1. Oktober 2020 E. 3; je mit weiteren Hinweisen). Die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für die selbstständige Anfechtung ist demnach vorliegend gegeben. 
 
1.2. Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 147 III 451 E. 1.3; 137 III 380 E. 1.1). In der Hauptsache geht es um eine aktienrechtliche Verantwortlichkeitsklage, welche die Beschwerdegegnerin unter anderem gegen den Beschwerdeführer einreichte. Die Vorinstanz bezifferte den Streitwert für das bundesgerichtliche Verfahren auf Fr. 20'000.--. Sie stellte dafür im Einklang mit Art. 51 Abs. 1 lit. c BGG offenbar auf das Begehren der Beschwerdegegnerin in der Hauptsache (Verantwortlichkeitsklage) ab, mithin auf den von der Beschwerdegegnerin eingeklagten Betrag von Fr. 20'000.--, was auch der Beschwerdeführer so erkennt.  
Der Beschwerdeführer stellt diesen Streitwert nicht hinreichend infrage, indem er ausführt, dass die für ihn auf dem Spiel stehenden finanziellen Interessen "bedeutend höher" seien und darauf verweist, dass vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich zwei weitere Verfahren in der "gleichen Sache" hängig seien. Der Streitwert berechnet sich aufgrund des Begehrens in der konkret vorliegenden Hauptsache, und nicht aufgrund von möglichen weiteren, darüber hinaus reichenden Interessen des Beschwerdeführers (vgl. Urteil 4A_606/2010 vom 13. Januar 2011 E. 1.1 mit Hinweis). 
Der Streitwert erreicht damit die Grenze von Fr. 30'000.-- gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG nicht. 
 
1.3. Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag wie in casu nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).  
 
1.3.1. Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist restriktiv auszulegen (BGE 140 III 501 E. 1.3; 134 III 267 E. 1.2). Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 140 III 501 E. 1.3; 135 III 1 E. 1.3 S. 4, 397 E. 1.2). Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, so ist in der Beschwerde auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG), ansonsten die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig ist (BGE 140 III 501 E. 1.3; 135 III 1 E. 1.3).  
 
1.3.2. Diesen Anforderungen genügt der Beschwerdeführer nicht. Er behauptet im Wesentlichen bloss, dass sich die grundlegende Frage stelle, ob einer Person die freie Anwaltswahl verboten werden könne, obwohl der Anwalt bei der Ausübung des Mandats auf keine dem Klienten entgegenlaufende Dritt- oder Eigeninteressen Rücksicht nehmen müsse. Es handelt sich dabei lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung zu Interessenkonflikten im Anwaltsrecht auf den konkret vorliegenden Fall. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vermag der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen nicht aufzuzeigen.  
 
1.4. Da der notwendige Streitwert nicht erreicht wird und sich auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, steht die Beschwerde in Zivilsachen nicht offen.  
 
2.  
Die Beschwerde ist daher als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln (Art. 113 BGG). 
 
2.1. Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Diesbezüglich gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer muss klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darlegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 142 III 364 E. 2.4; 135 III 232 E. 1.2; 133 III 589 E. 2). Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 9 BV geltend, genügt es nicht, wenn er einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; er hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 134 II 349 E. 3; 133 I 1 E. 5.5; 133 III 439 E. 3.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG); neue Tatsachen und Beweismittel sind grundsätzlich unzulässig (Art. 117 i.V.m. Art. 99 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie auf einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte beruht (Art. 116 i.V.m. Art. 118 Abs. 2 BGG). Wird Letzteres geltend gemacht, ist neben der Erheblichkeit der gerügten Tatsachenfeststellung für den Ausgang des Verfahrens klar und detailliert darzutun, inwiefern diese verfassungswidrig, insbesondere willkürlich, sein soll (BGE 133 III 393 E. 7.1, 585 E. 4.1).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass kein konkreter Interessenkonflikt bestanden habe resp. spätestens seit dem 19. Juli 2022 (Austritt von Rechtsanwalt D.________) kein Interessenkonflikt mehr bestehe. Er rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 12 lic. c BGFA sowie von Art. 53, Art. 68 und Art. 59 ZPO. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich nicht um verfassungsmässige Rechte, sodass auf diese Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten ist (Erwägung 2.1). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, zumindest nicht hinreichend, dass die Vorinstanz diese Bestimmungen willkürlich angewandt hätte, sodass dies nicht geprüft werden muss.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer rügt, dass der angefochtene Entscheid Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 EMRK verletze, da ihm die Vertretung durch den von ihm frei gewählten Rechtsanwalt verboten worden sei. Das Recht der freien Anwaltswahl könne zwar eingeschränkt werden, wenn bei der Vertretung anwaltsrechtliche Interessenkonflikte vorlägen. Ein solcher Interessenkonflikt habe bei Rechtsanwalt F.________ jedoch nicht bestanden bzw. eventualiter bestehe ein solcher spätestens seit dem Austritt von Rechtsanwalt D.________ am 19. Juli 2022 nicht mehr.  
Die Rüge ist unbegründet: Den Entscheid der Vorinstanz, dass bei Rechtsanwalt F.________ ein Interessenkonflikt vorliege und er deshalb nicht als Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zuzulassen sei, weist der Beschwerdeführer nicht als verfassungswidrig aus (oben Erwägung 3.1). Entsprechend ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass ein Interessenkonflikt besteht. Besteht ein Interessenkonflikt, ist die freie Wahl der Rechtsvertretung eingeschränkt (vgl. BGE 138 II 162 E. 2.5.2), wie der Beschwerdeführer selbst anerkennt. Inwiefern in dieser Konstellation Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 EMRK verletzt sein sollen, legt der Beschwerdeführer nicht hinreichend dar, und ist auch nicht ersichtlich. 
 
3.3. Nach dem Ausgeführten ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.  
 
4.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin, die sich nur zum Gesuch um aufschiebende Wirkung zu äussern hatte und auf eine Vernehmlassung dazu verzichtete, ist keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zuzusprechen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. November 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger