Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_83/2022  
 
 
Urteil vom 21. Juli 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokaten 
Gabriel Giess und/oder Prof. Dr. Niklaus Ruckstuhl, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache Urkundenfälschung; Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, 
vom 31. Mai 2022 (SB.2018.130). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Strafbefehl vom 27. Juni 2017 warf die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt A.________ vor, er habe mit Schreiben vom 19. Januar 2014 beim Bundesamt für Gesundheit die Anerkennung eines an der Universität Lille erworbenen Weiterbildungstitels in Neurochirurgie ("Diplôme d'Etudes supérieures spécialisées") beantragt. Er habe sich zu einem unbekannten Zeitpunkt an einem unbekannten Ort ein gefälschtes Dokument beschafft, dieses dem Antrag an das Bundesamt für Gesundheit beigefügt und damit bezweckt und beabsichtigt, sich einen unrechtmässigen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass er ohne entsprechende Ausbildung als Facharzt für Neurochirurgie auftreten und entsprechend abrechnen könne. Das Bundesamt für Gesundheit habe A.________ zudem aufgefordert, eine beglaubigte Kopie der Bestätigung des Ministère de la Santé à Paris über den Facharzttitel in Neurochirurgie einzureichen. Daraufhin habe er sich, wiederum in der Absicht, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine gefälschte Bestätigung des Ministère des Affaires Sociales et de la Santé vom 22. März 2014 beschafft, aus der hervorgehe, dass er das "Diplôme d'Etat de docteur en médecine" der Universität Lille erhalten habe. 
 
B.  
 
B.a. Auf Einsprache gegen den Strafbefehl wurde A.________ mit Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen Basel-Stadt vom 2. Juli 2018 der mehrfachen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB) schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 72 Tagessätzen zu Fr. 460.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung wurde er freigesprochen. Zudem auferlegte das Einzelgericht in Strafsachen A.________ die Verfahrenskosten von Fr. 597.70 sowie eine Urteilsgebühr von Fr. 3'000.--.  
 
B.b. Mit Urteil vom 31. Mai 2022 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die von A.________ erhobene Berufung ab.  
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Berufungsurteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an das Appellationsgericht Basel-Stadt zurückzuweisen; eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen. Schliesslich sei ihm eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 500.-- nebst Zins zuzusprechen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Berufung hin (Art. 80 BGG) geurteilt hat. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG) und hat die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Unter Vorbehalt rechtsgenüglicher Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt zunächst Mängel des Strafbefehls: Dieser sei nicht eigenhändig unterschrieben und damit formell ungültig. Zudem sei er auch inhaltlich ungültig, da der Sachverhalt nicht hinreichend im Sinne von Art. 352 Abs. 1 StPO abgeklärt sei. 
 
2.1. Die erste Rüge ist von vornherein unbegründet: Der Strafbefehl vom 27. Juni 2017 wurde sehr wohl von Staatsanwalt B.________ eigenhändig unterzeichnet (S. 193 der kantonalen Akten).  
 
2.2. Zur zweiten Rüge ist Folgendes auszuführen:  
Die Verfahrensleitung des Gerichts hat nach Eingang eines als Anklage überwiesenen Strafbefehls gemäss Art. 329 Abs. 1 StPO zu prüfen, ob (lit. a) die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind, (lit. b) die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und (lit. c) Verfahrenshindernisse bestehen. Gemäss Art. 356 Abs. 2 StPO entscheidet das erstinstanzliche Gericht über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache. Leidet der Strafbefehl an Mängeln formaler Natur, ist er ungültig. Das Gericht hebt ihn auf und weist diesen bzw. den Fall grundsätzlich zur Durchführung eines neuen Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurück (Art. 356 Abs. 5 StPO; BGE 148 IV 445 E. 1.5.1 mit Hinweisen; 141 IV 39 E. 1.5). Materielle Voraussetzung für den Erlass eines Strafbefehls ist nach Art. 352 Abs. 1 StPO, dass die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden hat oder dieser anderweitig ausreichend geklärt ist. Ob der Sachverhalt hinreichend erstellt ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung und primäre Aufgabe des urteilenden Gerichts. Dieses hat nötigenfalls neue Beweise abzunehmen, ungenügend abgenommene Beweise zu ergänzen und Beweise, die im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss abgenommen wurden, erneut abzunehmen (Art. 343 Abs. 1 und 2 StPO). Eine Rückweisung des Strafbefehls an die Staatsanwaltschaft, weil der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt sein soll, kommt daher - anders als bei Mängeln formaler Natur - nicht in Frage (vgl. Urteile 6B_218/2020 vom 17. April 2020 E. 1.4; 6B_434/2016 vom 27. März 2017 E. 1.2). 
Damit erweist sich auch die zweite Rüge betreffend die Gültigkeit des Strafbefehls als unbegründet. 
 
3.  
In formeller Hinsicht macht der Beschwerdeführer sodann eine Verletzung der gehörsrechtlichen Begründungspflicht sowie von Art. 112 Abs. 1 BGG geltend, da die Vorinstanz nicht dargelegt habe, "aufgrund welcher Überlegungen und Tatsachen der Beschwerdeführer von den Fälschungen hätte Kenntnis haben müssen". Vielmehr habe ihm die Vorinstanz ein entsprechendes Wissen "unterstellt". 
Dieser Rüge ist ebenfalls kein Erfolg beschieden: Die Vorinstanz erwägt in E. 4.3.2 des angefochtenen Urteils, aus der "Quantität und Qualität der Fälschungen" ergebe sich, dass der Beschwerdeführer davon Kenntnis gehabt habe; es sei höchst unwahrscheinlich, dass ihm die gefälschten Urkunden von der Universität, dem Gesundheitsministerium oder einem Dritten untergeschoben worden seien. Mit diesen Ausführungen hat die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht Genüge getan. 
 
4.  
Weiter trägt der Beschwerdeführer diverse Sachverhaltskritik vor: Er habe entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil von den Fälschungen nichts gewusst und keine Täuschungs- und Vorteilsabsicht gehabt. Es sei erstellt, dass er die Voraussetzungen für die Facharztanerkennung bereits im Jahr 2004 erfüllt habe. Damit habe er nicht über diese Tatsache täuschen können. 
 
4.1. Das Bundesgericht ist als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) keine strafrechtliche Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft (BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteile 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 2.4.1; 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.7). Es legt seinem Urteil vielmehr den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
Eine Sachverhaltsfeststellung gilt als "offensichtlich unrichtig" im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 9 BV, wenn sie sich als schlechterdings unhaltbar und damit als willkürlich erweist (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1). Das ist der Fall, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3). Der blosse Widerspruch zu Erwägungen der Vorinstanz qualifiziert eine Entscheidung noch nicht als willkürlich (BGE 146 IV 297 E. 2.2.5 mit Hinweis). Willkür ist sodann nicht bereits gegeben, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder sogar vorzuziehen ("préférable") wäre (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5; 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 I 49 E. 3.4). 
Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Auf appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
4.2. Diese Grundsätze verkennt der Beschwerdeführer bei der Formulierung seiner Sachverhaltskritik betreffend den subjektiven Tatbestand und seine Täuschungs- und Vorteilsabsicht: Anstatt Willkür darzutun, präsentiert er dem Bundesgericht wie in einem Plädoyer vor einer Berufungsinstanz in freier Form und unter Bezugnahme auf eigene Beilagen, die er zusammen mit seiner Beschwerdeschrift eingereicht hat, eine eigene Beweiswürdigung, ohne seine Kritik auch nur ansatzweise anhand der vorinstanzlichen Prozessakten zu substanziieren. Er zeigt nicht auf, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung - der namentlich zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer gar nie an der Univeristät Lille immatrikuliert gewesen ist, weshalb unerfindlich ist, weshalb er davon ausgegangen sein will, über einen echten Weiterbildungstitel dieser Universität zu verfügen - nicht nur unrichtig oder unvollständig, sondern geradezu unhaltbar sein soll. Damit ist er vor dem Bundesgericht, das keine Sach- sondern eine reine Rechtsinstanz ist, nicht zu hören.  
 
5.  
Der Beschwerdeführer rügt ergänzend eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. Diese erblickt er darin, dass der beabsichtigte unrechtmässige Vorteil gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen darin bestanden habe, dass er seine Reputation hätte verbessern und seinen Patientenstamm hätte erweitern können. Im als Anklageschrift fungierenden Strafbefehl sei hingegen nur davon die Rede, dass er mehr hätte "abrechnen" können. 
Auch mit diesem Einwand ist er nicht zu hören: Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind (BGE 147 IV 439 E. 7.2; 143 IV 63 E. 2.2; 141 IV 132 E. 3.4.1; je mit Hinweisen). Wenn im Falle eines Arztes von einem (vermehrten) "Abrechnen" aufgrund des Schmückens mit einem gefälschten Diplom die Rede ist, so ist ohne Weiteres klar, dass damit auch die Steigerung des Ansehens und die Erweiterung des Patientenkreises als Voraussetzungen des "Abrechnens" gemeint sind. Von einer Verletzung des Anklagegrundsatzes kann keine Rede sein. 
 
6.  
 
6.1. Im Zusammenhang mit der Strafzumessung wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz schliesslich vor, diese habe die Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 6 StPO) nicht berücksichtigt respektive aus ihrer Begründung sei nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang sie dies getan habe. Darüber hinaus habe sie auch ihre Begründungspflicht verletzt, weil aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervorgehe, weshalb die Vorinstanz die Gesamtstrafe von 72 Tagessätzen als angemessen erachtet.  
 
6.2. Die Kritik ist unbegründet:  
Die Vorinstanz setzt eine Einsatzstrafe von 60 Tagen fest, wobei sie diese in Anwendung des Asperationsprinzips aufgrund der mehrfachen Tatbegehung um 30 Tage erhöht. Die Gesamtdauer des Verfahrens sei - so die Vorinstanz weiter - vertretbar: Diese hänge u.a. damit zusammen, dass der Sachverhalt grenzüberschreitend sei und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Stellen habe abgeklärt werden müssen. Das Bundesamt für Justiz sei im Zuge des Rechtshilfeverfahrens vom Verfahrensleiter um Mitteilung über den Stand der Angelegenheit ersucht worden. Das Verfahren sei nirgends übermässig lange stillgestanden oder verschleppt worden, womit der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung gewahrt worden sei. Dass seit dem Deliktszeitraum inzwischen einige Jahre vergangen sind, könne höchstens in leichtem Umfang strafmindernd berücksichtigt werden. In Würdigung sämtlicher Umstände sei damit eine Gesamtstrafe von 72 Tagessätzen angemessen. 
Mit diesen Erwägungen hat die Vorinstanz sowohl dem Beschleunigungsgebot wie auch ihrer Begründungspflicht Rechnung getragen. 
 
7.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juli 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger