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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_184/2022 /KBA  
 
 
Verfügung vom 4. Mai 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Haag, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Baden, 
Täfernhof, Mellingerstrasse 207, 5405 Dättwil AG. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Aufhebung Kontaktverbot, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 2. März 2022 (SBK.2022.15). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Baden führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen versuchter vorsätzlicher Tötung (evtl. Gefährdung des Lebens), Drohung und einfacher Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau sowie mehrfachen Tätlichkeiten zum Nachteil seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter. 
A.________ wurde am 6. Juni 2021 festgenommen und in Untersuchungshaft versetzt. Am 28. Juli 2021 wurde er aus der Haft entlassen. Gleichzeitig ordnete das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau Ersatzmassnahmen, darunter ein Kontakt- und Annäherungsverbot, an. Mit Verfügung vom 4. Januar 2022 wies das Zwangsmassnahmengericht den Antrag von A.________ auf Aufhebung des Kontakt- und Annäherungsverbots ab und verlängerte die laufenden Ersatzmassnahmen bis zum 19. April 2022. Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 2. März 2022 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 8. April 2022 beantragt A.________ vor Bundesgericht, den Entscheid vom 2. März 2022 aufzuheben und "das in Ziffer 1.1 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 28. Juli 2021 verfügte und am 20. Oktober 2021 vom Zwangsmassnahmengericht bestätigte Kontakt- und Annäherungsverbot" nicht zu verlängern und aufzuheben. Eventualiter sei das Verfahren an die Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen. 
 
C.  
Auf Anfrage nach dem aktuellen Verfahrensstand hat die Staatsanwaltschaft das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 8. November 2022 eingereicht, mit dem der Beschwerdeführer der Gefährdung des Lebens sowie der einfachen Körperverletzung schuldig gesprochen wurde. Ferner hat das Bezirksgericht darin beschlossen, die vom Zwangsmassnahmengericht verfügten Ersatzmassnahmen ersatzlos aufzuheben. 
Mit Verfügung vom 1. März 2023 hat das Bundesgericht die Parteien aufgefordert, zur Frage der Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens Stellung zu nehmen und sich zu den Kosten- und Entschädigungsfolgen zu äussern. 
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf Vernehmlassung verzichtet. A.________ hält mit Eingabe vom 18. April 2023 an seinen in seiner Beschwerdeschrift gestellten Anträgen fest und beantragt eventualiter, die Gerichtskosten dem Kanton Aargau aufzuerlegen und ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in Strafsachen setzt ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids voraus (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Es obliegt dem Beschwerdeführer, die Tatsachen darzulegen, aus denen sich sein Rechtsschutzinteresse und damit seine Beschwerdeberechtigung ergibt, sofern diese nicht offensichtlich gegeben ist (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 289 E. 1.3; Verfügung 1B_290/2022 vom 23. November 2022 E. 2 mit Hinweis). Das Rechtsschutzinteresse muss aktuell sein; es muss also nicht nur im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung bestehen (BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 139 I 206 E. 1.1; je mit Hinweisen). Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet (BGE 140 IV 74 E. 1.3.1). 
Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache grundsätzlich als erledigt erklärt (BGE 142 I 135 E. 1.3.1). Das Bundesgericht berücksichtigt Tatsachen, welche zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens führen, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintretens und von Amtes wegen. Dabei obliegt es grundsätzlich den für die Verfahrensleitung zuständigen Behörden (vgl. Art. 61 StPO), das Bundesgericht während des hängigen Beschwerdeverfahrens über neue Entscheide, welche zur Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens führen, zu informieren (Verfügungen 1B_586/2022 vom 21. Februar 2023 E. 1; 1B_290/2022 vom 23. November 2022 E. 1; je mit Hinweis). 
 
2.  
Der Beschwerdeführer äussert sich in seiner Stellungnahme vom 18. April 2023 nicht explizit zu seinem Rechtsschutzinteresse, sondern macht einzig geltend, gegen das Urteil des Bezirksgerichts vom 8. November 2022 sei Berufung eingelegt worden; dieses sei demnach noch nicht rechtskräftig. Damit vermag er nicht darzutun, inwiefern er trotz Aufhebung des streitgegenständlichen Kontakt- und Annäherungsverbots immer noch über ein aktuelles Rechtsschutzinteresse verfügen soll (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Demzufolge ist das bundesgerichtliche Verfahren vom Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32 Abs. 2 BGG) als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). 
 
3.  
Bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens entscheidet grundsätzlich der Einzelrichter mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). In erster Linie ist somit auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelfall zu prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden (zum Ganzen BGE 142 V 551 E. 8.2; Verfügung 1B_290/2022 vom 23. November 2022 E. 3 mit Hinweis). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne Weiteres feststellen, ist auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (Verfügungen 1B_438/2022 vom 2. März 2023 E. 2; 1B_397/2022 vom 13. Februar 2023 E. 3; 1B_290/2022 vom 23. November 2022 E. 3; je mit Hinweisen). 
 
4.  
Ohne eingehende bundesgerichtliche Prüfung der Beschwerde lässt sich der mutmassliche Ausgang des Verfahrens im vorliegenden Fall nicht feststellen. Für die Bestimmung der Kostenfolgen ist demnach auf das Verursacherprinzip abzustellen. Das Bezirksgericht Baden hat mit Urteil vom 8. November 2022 beschlossen, die streitgegenständlichen Ersatzmassnahmen aufzuheben und damit die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens verursacht. 
Unter diesen Umständen sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Aargau dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (vgl. Art. 68 Abs. 2 BGG). Diese ist praxisgemäss in analoger Anwendung von Art. 64 Abs. 2 BGG dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung des Beschwerdeführers wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach verfügt der Einzelrichter:  
 
1.  
Das Verfahren 1B_184/2022 wird als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, für das Verfahren vor Bundesgericht mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Diese Verfügung wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Baden und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Mai 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Haag 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern