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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_164/2022  
 
 
Urteil vom 14. August 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, 
Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kosten, Entschädigung; rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 16. September 2022 (UH210346-O/U/AEP>MUL). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Verfügung vom 5. April 2019 stellte die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich eine seit August 2003 aufgrund einer Sammelstrafanzeige, mehrerer separater Strafanzeigen sowie einer schriftlichen Darstellung von insgesamt 781 "betroffenen Kunden" eröffneten Strafuntersuchung gegen drei beschuldigte Personen wegen diverser Vermögensdelikte betreffend einen Gesamtbetrag von mindestens Fr. 14'810'000.-- ein. Zuvor war das Verfahren nach Italien abgetreten worden, wo gegen zwei der Beschuldigten ein Urteil und in Bezug auf einen Beschuldigten sinngemäss eine Einstellung erging. 
 
B.  
 
B.a. Am 17. Juni 2019 erhob A.________ als Rechtsvertreter für eine namentlich genannte und mit Adresse aufgeführte Privatklägerin sowie für weitere "426 Geschädigte" Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung, soweit es um die Kostenregelung und die Verwendung beschlagnahmter Vermögenswerte ging. Weiter ersuchte er um Veröffentlichung des Urteils sowie um Zusprechung einer Genugtuung von Fr. 100.-- für jeden Geschädigten wegen unzureichender Untersuchungsführung durch die Staatsanwaltschaft.  
Die Verfahrensleitung des Obergerichts des Kantons Zürich forderte A.________ unter Fristansetzung mit der Androhung, dass bei Säumnis nicht auf die Beschwerde eingetreten werde, auf, Vollmachten und eine Liste mit der genauen Bezeichnung (Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum und Heimatort) sämtlicher von ihm vertretenen "Geschädigten" einzureichen sowie eine Prozesskaution von einstweilen Fr. 10'000.-- zu leisten. Innert der (erstreckten) Frist ging weder der Kostenvorschuss ein, noch liess sich A.________ weiter vernehmen. 
In der Folge trat das Obergericht am 12. März 2020 auf die Beschwerde nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1) und auferlegte A.________ die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- [Dispositiv-Ziffer 3] und Kosten der amtlichen Verteidigung der zwei in Italien verurteilten Beschuldigten in der Höhe von Fr. 789.55; Dispositiv-Ziffer 2). 
A.________ erhob Beschwerde in Strafsachen und beantragte, es sei Dispositiv-Ziffer 2 dieses Beschlusses aufzuheben und es seien die Kosten des kantonalen Beschwerdeverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Kantons Zürich. 
Mit Urteil 6B_434/2020 vom 14. September 2021 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat. Es hob die Ziffern 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses auf und wies die Sache insoweit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück - dies mit den Hinweisen, dass die Neubeurteilung in ordentlicher Besetzung vorzunehmen und A.________ vor einer Kostenauflage gestützt auf Art. 417 StPO das rechtliche Gehör zu gewähren sei. 
 
B.b. Am 16. September 2022 fällte das Obergericht in der Sache einen neuen Beschluss und auferlegte A.________ die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- und Kosten der amtlichen Verteidigung der zwei in Italien verurteilten Beschuldigten) zu zwei Dritteln, während es den Rest auf die Gerichtskasse nahm (Dispositiv-Ziffer 1 und 2).  
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei die Dispositiv-Ziffer 2 des Beschlusses des Obergerichts vom 16. September 2022 aufzuheben und es seien die Kosten des Beschwerdeverfahrens vollständig auf die Staatskasse zu nehmen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihm eine Entschädigung von mindestens Fr. 4'500.-- zuzusprechen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG). Der Beschwerdeführer ist durch die Kostenauflage unmittelbar betroffen und hat somit ein rechtliches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (vgl. auch das früher in der Sache ergangene Urteil 6B_434/2020 vom 14. September 2021 E. 1). 
 
2.  
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer darin eine "unrichtige Feststellung des Sachverhalts" geltend macht: Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht. Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 317 E. 5.4; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Dies tut der Beschwerdeführer nicht. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Beschluss sei ungültig, da ihn nicht die protokollführende Gerichtsschreiberin, sondern eine andere Person "i.V." unterschrieben habe. 
Die Rüge ist unbegründet: 
Gemäss Art. 80 Abs. 2 StPO ergehen Entscheide schriftlich und werden begründet. Sie werden von der Verfahrensleitung sowie der protokollführenden Person unterzeichnet und den Parteien zugestellt. Mit der handschriftlichen Unterzeichnung des Erkenntnisses wird die formelle Richtigkeit der Ausfertigung und deren Übereinstimmung mit dem vom Gericht gefassten Entscheid bestätigt (BGE 148 IV 445 E. 1.3.2 mit Hinweisen). Auch Stellvertreter und Stellvertreterinnen (andere Richter und Richterinnen oder andere Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen des gleichen Gerichts) können die Ausfertigung des Urteils "i.V.", das heisst in Vertretung, unterschreiben (so zutreffend Brüschweiler/Nadig/Schneebeli, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO; 3. Aufl. 2020, N. 3 zu Art. 80 StPO). 
 
4.  
Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines aus dem rechtlichen Gehör fliessenden Anspruchs auf Begründung: Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ihm zwei Drittel der vorinstanzlichen Kosten auferlegt worden seien. 
 
4.1. Art. 417 StPO ermöglicht es, einer verfahrensbeteiligten Person, unabhängig vom Verfahrensausgang und von einem schuldhaften Verhalten, die Kosten für einen bestimmten, von ihr unnötigerweise in Verletzung ihrer Verfahrenspflichten verursachten Verfahrensakt aufzuerlegen. Als Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 417 StPO sind auch Anwälte oder andere Personen, die als Vertreter einer Partei am Strafverfahren teilnehmen, zu betrachten (BGE 147 IV 526 E. 4). Die objektive Verletzung von Verfahrenspflichten reicht für die Kostenauflage aus, ein schuldhaftes Verhalten ist nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass zwischen der Verletzung der Verfahrenspflicht und den Verfahrenskosten ein Kausalzusammenhang besteht. Nur die adäquat durch die fehlerhafte Verfahrenshandlung verursachten Kosten können unabhängig vom Prozessausgang der verfahrensbeteiligten Person, welche sie verursacht hat, auferlegt werden (vgl. zum Ganzen: Urteile 6B_364/2018 vom 26. Juli 2018 E. 3.3.3; 6B_738/2015 vom 11. November 2015 E. 1.4.2; je mit Hinweisen).  
 
4.2. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV folgt die Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Das Gericht muss in seiner Begründung wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen es sich hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Es darf sich dabei auf die massgebenden Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen (BGE 147 IV 409 E. 5.3.4; 146 IV 297 E. 2.2.7; je mit Hinweisen).  
 
4.3. Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe seiner Beschwerde vom 17. Juni 2019 keine Prozessvollmachten beigelegt. Er habe lediglich darauf verwiesen, dass sich solche bei den Akten der Staatsanwaltschaft befänden, und sich hinsichtlich der von ihm vertretenen Personen auf die "weiteren Geschädigten und Beschwerdeführer gemäss Anhang A" berufen. Der Aufforderung zur Einreichung von Prozessvollmachten mit Verfügung vom 1. Juli 2019 habe der Beschwerdeführer entgegnet, es sei ihm innert der gesetzten, nicht erstreckbaren Nachfrist unmöglich, für die von ihm vertretenen 427, sich mehrheitlich im Ausland aufhaltenden Geschädigten neue, persönlich unterzeichnete Vollmachten einzureichen. Nach Einsicht in die von der Staatsanwaltschaft beigezogenen Unterlagen sei der Beschwerdeführer schliesslich dazu aufgefordert worden, die von ihm vertretenen Personen zwecks eindeutiger Identifizierung in einer Liste ausreichend zu bezeichnen. Diese Aufforderung sei insbesondere vor dem Hintergrund erfolgt, dass aus der von der Staatsanwaltschaft geführten Liste, wo der Beschwerdeführer als Rechtsbeistand aufgeführt sei, weder die Anzahl noch die Namen der von ihm vertretenen Personen hervorgingen. Die angefochtene Einstellung sei zudem rund 16 Jahre nach Anhebung der Strafuntersuchung erfolgt, weshalb nicht ohne Weiteres von der Aktualität der damaligen Vollmachten ausgegangen werden könne. Die betreffende Frist habe der Beschwerdeführer nach gewährter Fristerstreckung indessen unbenutzt verstreichen lassen.  
Die Vorinstanz kommt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe mit diesem Verhalten - der Einleitung eines Rechtsmittelverfahrens, ohne seine Bevollmächtigung gehörig auszuweisen und weitere Informationen dazu zu liefern - aufwändige und unnötige Vorkehrungen seitens des Gerichts verursacht, deren Kosten er gestützt auf Art. 417 StPO nach dem Verursacherprinzip zu tragen habe. Allerdings könnten dem Beschwerdeführer nicht die gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens angelastet werden, da dieses mit der angefochtenen Verfügung bereits durch Aufforderung zur Leistung eines Kostenvorschusses fortgesetzt worden sei. Es rechtfertige sich daher, ihm diese zu zwei Dritteln aufzuerlegen und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse zu nehmen. 
 
4.4. Aus diesen (hier nur auszugsweise wiedergegebenen) Ausführungen folgt nachvollziehbar, wie die vorinstanzliche Kostenauflage an den Beschwerdeführer zustande gekommen ist. Eine Verletzung der gehörsrechtlichen Begründungspflicht liegt nicht vor.  
 
5.  
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe "im kantonalen Verfahren" teilweise obsiegt, da ihm die Verfahrenskosten im angefochtenen Beschluss nur noch zu zwei Dritteln auferlegt, während sie ihm im ursprünglichen Beschluss vom 12. März 2020 noch ganz überbunden worden seien. Er habe damit Anspruch auf eine Entschädigung. 
Die Rüge ist unbegründet: Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Beschwerdeverfahren keineswegs teilweise obsiegt, ist doch auf seine Beschwerde vollumfänglich nicht eingetreten worden. Nur dieser (abschlägige) Entscheid zum Beschwerdeantrag (und nicht die Kostenauflage, welche die Vorinstanz ein zweites Mal vornehmen musste) ist in der vorliegenden Konstellation massgebend für die Frage nach einem Entschädigungsanspruch. Dieser besteht mithin nicht. 
 
6.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG) und hat keinen Anspruch auf Entschädigung für das Verfahren vor Bundesgericht (vgl. Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. August 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger