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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_82/2023  
 
 
Urteil vom 19. Juli 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Oliver Kälin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Rudolf Moor, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung, 
 
Beschwerde gegen Beschluss und Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 19. Januar 2023 (PS220208-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ ist Gläubiger der B.________ AG. Seinen Angaben zufolge schuldet diese ihm sowohl Darlehenszinsen wie auch die Rückzahlung eines per 30. Juni 2021 gekündigten Darlehens in der Höhe von Fr. 2'664'000.--. Gegen den auf Begehren von A.________ ausgestellten Zahlungsbefehl vom 25. März 2021 hat die B.________ AG Rechtsvorschlag erhoben. Daraufhin gelangte A.________ mit einer Forderungsklage an das Bezirksgericht Pfäffikon. Die B.________ AG stellte sich in diesem Verfahren gemäss Angaben von A.________ auf den Standpunkt, der gekündigte Darlehensvertrag sei durch einen neuen Vertrag ersetzt worden, der einen anderen Zinssatz vorsehe und erst per 30. Juni 2024 kündbar sei.  
 
A.b. Am 28. Oktober 2022 beantragte A.________ dem Bezirksgericht Pfäffikon, ohne vorgängige Betreibung den Konkurs über die B.________ AG zu eröffnen. Das Bezirksgericht wies das Begehren ab (Entscheid vom 23. November 2022).  
 
B.  
Die dagegen beim Obergericht des Kantons Zürich erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Entscheid vom 19. Januar 2023). 
 
C.  
Mit Eingabe vom 31. Januar 2023 wendet sich A.________ (fortan: Beschwerdeführer) an das Bundesgericht, dem er beantragt, über die B.________ AG (fortan: Beschwerdegegnerin) sei der Konkurs zu eröffnen; eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den Entscheid des oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz über die Konkurseröffnung entschieden hat, ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. d und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist als Gläubiger vom angefochtenen Entscheid besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.4. Das Bundesgericht liegt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur soweit zulässig, als erst der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher auszuführen ist (BGE 148 V 174 E. 2.2).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde gibt das Begehren des Beschwerdeführers um Eröffnung des Konkurses ohne vorgängige Betreibung zufolge Einstellung der Zahlungen gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG. Das Obergericht hat die Zahlungseinstellung als Voraussetzung zur Konkurseröffnung über die Beschwerdegegnerin verneint. Demgegenüber besteht der Beschwerdeführer als Gläubiger auf der Gutheissung seines Konkursbegehrens. Er wirft der Vorinstanz die falsche Anwendung von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG vor. 
 
2.1. Das Obergericht hat zusammengefasst erwogen, die Zahlungseinstellung sei das äussere Merkmal der Zahlungsunfähigkeit. Indes könne die Zahlungseinstellung nicht mit unterbliebener Zahlung wegen der Bestreitung der Forderung bzw. der Fälligkeit gleichgesetzt werden. Grundsätzlich könne nur eine andauernde Zahlungsverweigerung unbestrittener und fälliger Forderungen Zahlungseinstellung im Sinn von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG bedeuten, nicht aber die Nichtbegleichung von hinsichtlich ihrer Höhe und/oder Fälligkeit strittigen Forderungen. Im vorliegenden Fall seien sowohl die Höhe der betriebenen Darlehenszinsen als auch die Fälligkeit der Hauptschuld Thema des zwischen den Parteien hängigen Forderungsprozesses. Es sei bei dieser Sachlage nicht Aufgabe des Konkursgerichts oder der Beschwerdeinstanz, die strittige Zahlungsverpflichtung umfassend zu prüfen. Vielmehr habe ein Gläubiger diesfalls den ordentlichen Betreibungs- und Prozessweg einzuschlagen, wie dies auch erfolgt sei. Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung seien zu unterscheiden. Der Beschwerdeführer sei seiner eigenen Darstellung nach der einzige Gläubiger der Beschwerdegegnerin. Liege ihm gegenüber keine Zahlungseinstellung vor, sei die eigentliche Zahlungs (un) fähigkeit bzw. behauptete Illiquidität der Beschwerdegegnerin nicht zu prüfen. Das Konkursgericht habe weder abzuklären, ob die Beschwerdegegnerin ihre bilanzierte Debitorenforderung werde eintreiben können, noch wie sie ihren zukünftigen Zahlungsverpflichtungen werde nachkommen können.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer stellt sich wie bereits im kantonalen Verfahren auf den Standpunkt, (auch) eine aktenmässig erstellte, dauernde und objektive Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erfülle den Tatbestand der Zahlungseinstellung. Das Obergericht verkenne, dass die Frage, ob die Schuldnerin aktenmässig objektiv dauernd zahlungsunfähig sei, nichts mit der Höhe und Fälligkeit der unbestrittenen Schuld der Beschwerdegegnerin zu tun habe. Das Bundesgericht habe im Urteil 5A_790/2017 entschieden, dass die Überschuldung allein nicht genüge, um die Konkurseröffnung nach Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG auszusprechen. Selbst wenn eine Aktiengesellschaft überschuldet sei, sei der Gläubiger nicht berechtigt, den Konkursantrag zu stellen. Sei die schuldnerische Aktiengesellschaft allerdings auch zahlungsunfähig, könne der Gläubiger gestützt auf Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG die Konkurseröffnung verlangen. Vorliegend sei die Beschwerdegegnerin überschuldet und zahlungsunfähig. Mit der Ablehnung des Konkursgesuchs verletze das Obergericht Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG.  
 
2.3. Ein Gläubiger kann ohne vorgängige Betreibung vom Gericht die Konkurseröffnung gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG gegen einen der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner verlangen, wenn dieser seine Zahlungen eingestellt hat. Der Begriff der Zahlungseinstellung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Konkursrichter einen weiten Ermessensspielraum verschafft. Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner unbestrittene und fällige Forderungen nicht begleicht, Betreibungen gegen sich auflaufen lässt und dabei systematisch Rechtsvorschlag erhebt oder selbst kleine Beträge nicht mehr bezahlt. Mit solchem Verhalten zeigt der Schuldner, dass er nicht über genügend liquide Mittel verfügt, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass der Schuldner alle Zahlungen einstellt. Es reicht, wenn die Zahlungsverweigerung sich auf einen wesentlichen Teil seiner geschäftlichen Aktivitäten bezieht. Sogar die Nichtbefriedigung einer einzelnen Schuld kann auf Zahlungseinstellung schliessen lassen, wenn die Schuld bedeutend und die Zahlungsverweigerung dauerhaft ist. Die Zahlungseinstellung darf nicht bloss vorübergehender Natur sein, sondern muss auf unbestimmte Zeit erfolgen (BGE 137 III 460 E. 3.4.1; Urteile 5A_516/2021 vom 18. Oktober 2021 E. 3.2; 5A_264/2020 vom 18. Juni 2020 E. 4.1.1; 5A_1014/2019 vom 25. März 2020 E. 2.1, in: BlSchK 2021 S. 68; 5A_790/2017 vom 3. September 2018 E. 3.2 mit Hinweisen, in: BlSchK 2019 S. 217).  
Zahlungseinstellung (oder Zahlungsunfähigkeit) kann nicht mit mangelndem Zahlungswillen - d.h. unterbliebene Zahlung wegen Bestreitung der Forderung - gleichgesetzt werden; ist eine Forderung umstritten und wird sie nicht bezahlt, begründet dies keine Zahlungseinstellung im Sinn von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG (Urteil 5A_790/2017 vom 3. September 2018 E. 3.2.2, in: BlSchK 2019 S. 217). 
Der Beschwerdeführer kann aus dem Urteil 5A_790/2017 vom 3. September 2018 nichts zu seinen Gunsten ableiten. In E. 3.3.1 erwog das Bundesgericht, dass Überschuldung alleine nicht genüge, um die Konkurseröffnung nach Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG auszusprechen. Zahlungseinstellung liege nur vor, wenn der Schuldner unbestrittene und fällige Forderungen nicht begleiche, und dürfe daher nicht mit Überschuldung im Sinne von Art. 192 SchKG verwechselt werden, welche einen selbständigen Konkursgrund darstelle. In E. 3.3.3 erwog es sodann unter Hinweis auf das Urteil 5A_587/2011 vom 9. November 2011 E. 4.3, dass der Konkursrichter nicht gestützt auf Art. 190 SchKG den Konkurs ohne vorgängige Betreibung eröffnen darf, selbst wenn die Überschuldung erstellt, die Überschuldungsanzeige nach Art. 725 OR aber unterblieben sei, weil der Gläubiger nicht legitimiert sei, beim Konkursrichter die Überschuldung anzuzeigen. Der Konkursrichter dürfe die Überschuldungsanzeige nur vom Verwaltungsrat oder der Revisionsstelle entgegennehmen und er könne nicht von sich aus den Konkurs aussprechen, wenn er auf andere Weise als durch die gehörige Anzeige von einer allfälligen Überschuldung erfahre. Ein Gläubiger sei mit dem Konkursbegehren wegen Zahlungseinstellung nicht berechtigt, dem Konkursrichter die Überschuldung eines Schuldners anzuzeigen. 
Es bleibt also dabei, dass Zahlungseinstellung im Sinn von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG von vornherein nur vorliegen kann, wenn der Schuldner unbestrittene und fällige Forderungen nicht begleicht. 
 
2.4. Die vom Beschwerdeführer gegenüber der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Forderungen sind hinsichtlich Höhe (Zinsen) und Fälligkeit (Kapitalbetrag) bestritten und Gegenstand eines zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Entscheids nach wie vor hängigen Forderungsprozesses vor dem Bezirksgericht Pfäffikon. Die Nichtbezahlung dieser Forderungen begründet nach der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung keine Zahlungseinstellung im Sinn von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer geltend macht, die Zahlungseinstellung sei nur die äussere Form der Zahlungsunfähigkeit und auf Erstere komme es nicht mehr an, wenn - wie vorliegend - die Letztere nachgewiesen sei. Mit der Ablehnung des Konkursgesuchs hat das Obergericht die genannte Bestimmung nicht verletzt.  
 
3.  
Nach dem Ausgeführten erweist sich die Beschwerde als unbegründet; sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist hingegen nicht geschuldet, zumal sich die Beschwerdegegnerin nicht hat vernehmen lassen müssen und ihr demzufolge kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Juli 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg