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[AZA 3] 
4P.209/1999/rnd 
 
          I. Z I V I L A B T E I L U N G  
          ****************************** 
 
Sitzung vom 1. Februar 2000  
 
Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, 
Präsident, Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler 
und Gerichtsschreiber Luczak. 
 
--------- 
 
In Sachen 
 
Margrit W e n g e r, Ettingerstrasse 47, 4153 Reinach,  
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Martin Lutz, 
Weisse Gasse 15, 4001 Basel, 
 
gegen 
 
Kanton S o l o t h u r n, Beschwerdegegner, vertreten durch  
das Departement des Innern, Rathaus, 4500 Solothurn, 
Verwaltungsgericht des Kantons S o l o t h u r n,  
 
betreffend 
Art. 4 aBV 
(Willkürliche Beweiswürdigung; überspitzter Formalismus), 
hat sich ergeben: 
 
A.-  
Margrit Wenger (Beschwerdeführerin) verunfallte am  
24. Juli 1995 und brach sich die Hand. Im Bezirksspital 
Dornach wurde sie unter der Leitung von Dr. Valic ambulant 
behandelt. Als die Heilung nicht wie erwünscht fortschritt, 
verlor die Beschwerdeführerin das Vertrauen in den behan- 
delnden Arzt und begab sich zu Dr. Ruckstuhl, der am 
27. Februar 1996 einen operativen Korrektureingriff vornahm. 
Da die Hand nicht wieder gebrauchsfähig wurde, liess die Be- 
schwerdeführerin ein FMH-Gutachten über die Behandlung im 
Bezirksspital Dornach erstellen. Es gelangte zum Schluss, 
die Behandlung sei sorgfaltswidrig durchgeführt worden. 
 
B.-  
Am 7. Februar 1997 machte die Beschwerdeführerin  
beim Gesundheitsamt des Kantons Solothurn eine Forderung von 
Fr. 300'000.-- geltend (Fr. 220'385.20 als Ersatz des mate- 
riellen Schadens, den Restbetrag als Genugtuung). Das Ge- 
sundheitsamt übermittelte das Begehren am 19. Februar 1997 
zur Beurteilung an die Betriebshaftpflichtversicherung des 
Bezirksspitals Dornach, die Winterthur Versicherungsgesell- 
schaft. Dies teilte das Amt der Beschwerdeführerin mit und 
stellte in Aussicht, die Versicherung werde mit ihr Kontakt 
aufnehmen. Ein im Rahmen dieser Vergleichsgespräche mit der 
Versicherung erstelltes weiteres Gutachten gelangte zum 
Schluss, dem Bezirksspital Dornach könne keine Sorgfalts- 
pflichtverletzung vorgeworfen werden. Die Winterthur-Versi- 
cherung lehnte am 18. September 1998 jegliche Haftung ab. 
Am 18. März 1999 klagte die Beschwerdeführerin beim Verwal- 
tungsgericht des Kantons Solothurn gegen den Kanton Solo- 
thurn (Beschwerdegegner) und verlangte Fr. 270'000.-- nebst 
Zins. Am 28. Juni 1999 trat das Verwaltungsgericht auf die 
Klage nicht ein. 
 
C.-  
Gegen dieses Urteil hat die Beschwerdeführerin  
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie beantragt, das an- 
gefochtene Urteil aufzuheben. Der Beschwerdegegner und das 
Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde, 
soweit darauf einzutreten ist. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.-  
a) Die Beschwerdeführerin meldete ihren Anspruch am  
7. Februar 1997 rechtzeitig beim zuständigen Amt an. Sofern 
dieses innert drei Monaten nach Einreichung des Gesuchs 
nicht oder ablehnend Stellung nimmt, kann der Anspruch ge- 
mäss § 11 Abs. 2 des Verantwortlichkeitsgesetzes des Kantons 
Solothurn vom 26. Juni 1966 (nachfolgend VG) innert 6 Mona- 
ten beim Verwaltungsgericht eingeklagt werden. Nach Ansicht 
des Verwaltungsgerichts erfolgte innert der Frist von drei 
Monaten keine Stellungnahme. Mit der Eingabe vom 18. März 
1999 sei die Frist von 6 Monaten nicht gewahrt und das Klag- 
recht verwirkt. 
 
       b) Die Beschwerdeführerin hält diese Auslegung von 
§ 11 Abs. 2 VG für willkürlich. Das zuständige Amt habe die 
Beschwerdeführerin am 19. Februar 1997 über die Weiterlei- 
tung ihres Schadenersatzbegehrens an die Winterthur-Versi- 
cherung orientiert und insofern gegenüber der Beschwerdefüh- 
rerin Stellung genommen. Die Winterthur-Versicherung habe 
den Anspruch erst am 18. September 1998 abgelehnt. Daher sei 
die Frist von 6 Monaten gewahrt. Die Beschwerdeführerin be- 
ruft sich auf das Rechtsmissbrauchsverbot, da sie nicht über 
die Notwendigkeit der Klageeinreichung aufgeklärt worden 
sei, und wirft dem Verwaltungsgericht überspitzten Formalis- 
mus vor. 
 
2.-  
Das zuständige Amt hat die Beschwerdeführerin an  
die Versicherung verwiesen. Die Versicherung nahm mit der 
Beschwerdeführerin Kontakt auf, um deren Forderung zu beur- 
teilen. Wenn dies nicht als Stellungnahme im Sinn des Ge- 
setzes angesehen werden kann, hätte das Amt die Beschwerde- 
führerin an das Verwaltungsgericht weiterverweisen müssen 
und nicht an die Versicherung. Aus der Mitteilung des Amtes 
durfte die Beschwerdeführerin schliessen, sie müsse zunächst 
den Entscheid der Versicherung abwarten. Sie musste nicht 
damit rechnen, dass ihr Anspruch während den laufenden Ver- 
gleichsgesprächen verwirken könnte. Es scheint wenig sinn- 
voll, dem zuständigen Amt Abklärungen, die länger als drei 
Monate dauern, zu verunmöglichen und den Ansprecher zur vor- 
sorglichen Klageinreichung zu zwingen. Der Anwalt der Be- 
schwerdeführerin konnte nicht ohne weiteres erkennen, dass 
er nach der Auslegung des Verwaltungsgerichts vorsorglich 
hätte klagen müssen (BGE 124 I 255 E. 1a/aa S. 258, 117 Ia 
421 E. 2a S. 422 je mit Hinweisen). Ob diese Auslegung ge- 
radezu willkürlich ist, kann offen bleiben. Der Beschwerde- 
führerin darf jedenfalls aus ihrem Vertrauen auf das Verhal- 
ten der Behörde kein Nachteil erwachsen. Daher ist davon 
auszugehen, dass sie die Klage rechtzeitig eingereicht hat. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.-  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil  
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 28. Juni 
1999 wird aufgehoben. 
 
2.-  
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Be-  
schwerdegegner auferlegt. 
 
3.-  
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für  
das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu ent- 
schädigen. 
4.-  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwal-  
tungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
 
 
Lausanne, 1. Februar 2000 
 
                    
Im Namen der I. Zivilabteilung  
                    
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS  
Der Präsident: 
 
                                         
Der Gerichtsschreiber: