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[AZA 7] 
U 36/00 Ge 
 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiberin Weber Peter 
 
 
Urteil vom 1. März 2001 
 
in Sachen 
 
National-Versicherung, Steinengraben 41, Basel, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. G.________, 1951, vertreten durch Fürsprecher Dr. Alfred 
Werlen, Berikon, 
 
2. CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, Luzern, 
Beschwerdegegnerinnen, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
 
 
A.- G.________, geboren 1951, arbeitete seit 1. Februar 1990 bei der I.________ AG und war bei der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft, Basel, (nachfolgend: National-Versicherung) gegen Unfälle versichert. Am 17. Oktober 1993 erlitt sie einen Verkehrsunfall. Der am nächsten Tag konsultierte praktische Arzt Dr. med. S.________ diagnostizierte nebst einer Kontusion des Ellenbogens und des rechten Knies ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (Bericht vom 23. Oktober 1993). Es folgten diverse medizinische Abklärungen und Behandlungen. Die National-Versicherung erbrachte die gesetzlichen Leistungen. 
Am 10. September 1994 erlitt die Versicherte einen zweiten Autounfall, bei dem ein rückwärts ausparkierendes Fahrzeug mit seiner linken hinteren Ecke gegen den Personenwagen stiess, in dem die Versicherte sass. Laut Unfallmeldung zog sie sich dabei erneut ein Schleudertrauma zu. Vom 31. Juli bis 15. September 1995 weilte die Versicherte in der Rehabilitationsklinik W.________ (Gutachten vom 23. Oktober 1995). In der Folge wurden wiederum verschiedenste medizinische Abklärungen durchgeführt und diverse, insbesondere auch zwei verkehrstechnische, Gutachten erstellt. 
Mit Verfügung vom 12. Januar 1999 verneinte die National-Versicherung ihre Leistungspflicht betreffend die beiden Unfallereignisse vom 17. Oktober 1993 und 10. September 1994 ab Oktober 1995 aufgrund fehlender adäquater Kausalität. Auf Einsprachen der Versicherten und der CSS hin hielt sie an ihrem Standpunkt fest (Entscheid vom 12. März 1999). 
B.- Die dagegen von G.________ und von der CSS eingereichten Beschwerden hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau insofern gut, als es den Einspracheentscheid vom 12. März 1999 aufhob und die Sache zur ergänzenden Abklärung des relevanten Sachverhaltes im Sinne der Erwägungen und zur neuen Verfügung an die National-Versicherung zurückwies (Entscheid vom 15. Dezember 1999). 
 
C.- Die National-Versicherung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien die Verfügung vom 12. Januar 1999 und der Einspracheentscheid vom 12. März 1999 zu bestätigen. 
Mit Vernehmlassung vom 29. Februar 2000 lässt G.________ unter Beilage diverser Unterlagen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Die National-Versicherung sei anzuweisen, die Invalidität der Versicherten auf Grund der Unfälle vom 27. (recte 17.) Oktober 1993, vom 10. September 1994 sowie vom 24./25. Dezember 1999 neu zu beurteilen und zu verpflichten, eine neue Verfügung zu erlassen. Mit Eingabe gleichen Datums lässt sie ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung stellen. 
Die CSS beantragt ebenfalls Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und Aufhebung der Verfügung sowie des Einspracheentscheides. Die National-Versicherung sei zu verpflichten, die im Zusammenhang mit den Unfallereignissen vom 17. Oktober 1993, 10. September 1994 sowie 27. Dezember 1999 stehenden Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung zu erbringen. Eventuell sei der Entscheid des kantonalen Gerichts vom 15. Dezember 1999 zu bestätigen und die Sache zur ergänzenden Abklärung an die National-Versicherung zurückzuweisen. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
D.- Mit Eingaben vom 8. Mai und 26. Juni 2000 reichte der Rechtsvertreter der Versicherten u.a. einen Bericht der Rehabilitationsklinik Freihof Baden vom 26. April 2000 sowie ein Schreiben der National-Versicherung vom 5. Juni 2000 ein, wonach diese das neuerliche Unfallereignis vom 25./26. Dezember 1999 vorläufig nicht übernehme. 
Am 20. September 2000 forderte der Instruktionsrichter von der National-Versicherung sämtliche Arzt- und Inspektorenberichte ein, die im Anschluss an die Unfälle vom 17. Oktober 1993 und 10. September 1994 beigezogen worden waren. Mit Eingabe vom 28. September 2000 wurden die medizinischen Akten vervollständigt. Die CSS und die Versicherte erhielten Gelegenheit, zu den nachgereichten Aktenstücken Stellung zu nehmen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Die Vorinstanz hat die Gesetzesbestimmung über die Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die Rechtsprechung zum für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden zutreffend dargelegt (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b je mit Hinweis). Im angefochtenen Entscheid richtig wiedergegeben ist ferner die Rechtsprechung zur weiter vorausgesetzten Adäquanz des Kausalzusammenhangs im Allgemeinen (BGE 123 V 98), bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) und Folgen eines Unfalls mit Schleudertrauma der HWS ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle im Besonderen (BGE 117 V 359). Gleiches gilt hinsichtlich der Erwägungen der Vorinstanz zum Beweiswert ärztlicher Gutachten sowie zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung, namentlich über seine Bedeutung bei der Würdigung einander widersprechender medizinischer Berichte (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen, neuerdings BGE 125 V 352 Erw. 3). Darauf kann verwiesen werden. 
b) Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprü- fungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachver- halts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die National-Versicherung den Versicherungsfall zu Recht auf Ende Oktober 1995 abgeschossen und weitere Leistungen mit der Begründung abgelehnt hat, dass kein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen den beiden Unfallereignissen vom 17. Oktober 1993 und 10. September 1994 und dem Beschwerdebild der Versicherten bestehe. Dabei ist auf den Sachverhalt abzustellen, wie er bis zum Zeitpunkt des Einspracheentscheides eingetreten war (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). 
 
 
3.- Der beschwerdeführenden National-Versicherung ist insofern beizupflichten, als die vorinstanzliche Rückweisung zur Aktenergänzung betreffend Kausalzusammenhang nach Lage der Akten nicht angezeigt ist. Nebst den Verlaufsberichten der behandelnden Ärzte (Dr. med. B.________, Dr. med. M.________, leitender Arzt an der Rehabilitationsklinik X.________ und Dr. med. S.________) liegt eine Vielzahl von Gutachten vor, als da sind, um nur die wichtigsten in chronologischer Reihenfolge zu nennen: 
 
- Gutachterlicher Bericht von Dr. med. H.________, Spezialarzt 
FMH für Neurologie (vom 7. April 1994), der auf 
Überweisung der Beschwerdegegnerin 1 hin durch ihren 
Hausarzt Dr. med. B.________ am 2. März 1994 tätig 
geworden war 
- Erstes Gutachten von Prof. Dr. med. C.________, Spezialarzt 
FMH für Chirurgie (vom 27. September 1994), 
- Verkehrstechnisches Gutachten von Ing. HTL F.________ 
(vom 18. Februar 1996) 
- Erstes Gutachten der Rehabilitationsklinik W.________ 
(vom 23. Oktober 1995) 
- Gutachten von Dr. med. E.________, Chefarzt Schweizerische 
Vereinigung Y.________, Medizinischer Dienst (vom 
13. Dezember 1995) 
- Zweites Gutachten von Prof. Dr. med. C.________ (vom 
8. März 1996) 
- Verkehrstechnisches Gutachten von Prof. Dr. med. 
W.________, FMH Rechtsmedizin, Forensische Biomechanik, 
Universität Z.________ (vom 9. August 1996) 
- Erläuterungen von Dr. med. J.________, Spezialarzt FMH 
für Neurologie, ehemaliger Arzt an der Klinik W.________ 
(vom 22. September 1996) 
 
- Zweites Gutachten W.________ (vom 11. September 1998) 
- Ergänzung zum zweiten Gutachten W.________ (vom 21. Dezember 
1998). 
Im Hinblick auf dieses reiche, auf unzähligen Abklärungen aller Art beruhende Beweismaterial und auf den sehr langen Zeitablauf seit den Unfällen, um die es hier geht (17. Oktober 1993 und 10. September 1994, wogegen der Unfall vom 24./25. Dezember 1999 nach den Grundsätzen über den zeitlich massgebenden Sachverhalt ausser Acht zu bleiben hat BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), würde eine erneute Begutachtung mit grösster Wahrscheinlichkeit keine neuen wesentlichen Gesichtspunkte zutage fördern, welche nicht schon aus den oberwähnten Gutachten hervorgehen und dort diskutiert worden sind. Auf eine Rückweisung zur ergänzenden Abklärung ist mithin zu verzichten. 
 
4.- Entgegen der beschwerdeführenden National-Versicherung heisst dies nun aber nicht, dass der natürliche und adäquate Kausalzusammenhang zu verneinen ist. Auch wenn, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, nicht von einem schweren Autounfall und schweren Verletzungen von Kopf- und Halswirbelsäulenbereich auszugehen ist, so lässt sich das in der Zeit nach dem Unfall vom 17. Oktober 1993 durch Dr. med. M.________, Leitender Arzt, am 14. Dezember 1993 diagnostizierte posttraumatische cervico-thoracale Schmerzsyndrom mit sekundären Tendomyosen und Parästhesien nicht wegdiskutieren. Damit kommt die Prüfung nach den (erleichterten) Adäquanzkriterien gemäss BGE 117 V 367, 383 f. (in Abgrenzung zu BGE 115 V 140) zum Zuge, welche nicht zwischen physischen und psychischen Dauerschmerzen unterscheidet. Im Lichte dieser Rechtsprechung ist angesichts des sehr protrahierten Verlaufs, der Dauerschmerzen und der langen Arbeitsunfähigkeit die Kausalität für das Syndrom im Nacken-/Schulterbereich gegeben, welches von W.________ auch im zweiten und zeitlich letzten Gutachten vom 11. September 1998 mitsamt Ergänzung vom 21. Dezember 1998 ohne Wenn und Aber als Unfallfolge bestätigt wird. Eine andere Betrachtungsweise hätte nur dann Platz zu greifen, wenn der Fall frühzeitig und erheblich dermassen psychisch überlagert verlaufen wäre, dass die HWS-Beschwerden ganz in den Hintergrund getreten wären (BGE 123 V 99 Erw. 2b mit Hinweisen). Davon kann nach der Aktenlage ebenfalls nicht die Rede sein. Erst Dr. med. H.________ war es, welcher - nachdem die Primärbehandlung und die hausärztliche Betreuung nichts gefruchtet hatten - in seinem gutachterlichen Bericht vom 7. April 1994 psychische Befunde ins Spiel brachte, dies aber erst rund fünf Monate nach dem Unfall und erst noch lediglich in Form einer Subdepressivität ("subdepressiv wirkende Patientin"). Für das posttraumatische Beschwerdebild an der Halswirbelsäule und im Nacken-/Schulterbereich (myotendinotische Beschwerden) hat die Beschwerdeführerin daher aufzukommen, nicht aber für die aktenmässig ungenügend bewiesenen neuropsychologischen Defizite und erst recht nicht für die wahrscheinlich auch erheblich psychogen mitbedingte Ausweitung des Schmerzsyndroms mit Befall der Brust- und Lendenwirbelsäule im Sinne einer generalisierten Schmerzsymptomatik. 
5.- Nach Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versiche- rungsgericht im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen den Parteien in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen. Diese Be- stimmung wurde vom Gesetzgeber vor allem im Interesse der Versicherten geschaffen, die mit einem Sozialversicherer im Streit stehen. Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Ver- fahrens vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht gilt nicht für den Fall, dass sich zwei Versicherer über Leistungen aus Unfallfolgen für einen gemeinsamen Versicherten streiten (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 222 Erw. 4b). Demzufolge sind die Gerichtskosten der National-Versicherung als unterliegende Partei aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Entsprechend dem Prozessausgang hat die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdegegnerin 1 Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 152 Abs. 2 OG) ist somit gegenstandslos. Eine Parteientschädigung ist demgegenüber der obsiegenden Beschwerdegegnerin 2 nicht zuzusprechen, da diese in ihrer Funktion als mit öffentlichen Aufgaben betraute Organisation gehandelt hat (BGE 118 V 169 Erw. 7 mit Hinweisen). 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Der Rückweisungsentscheid des Versicherungsgerichts 
des Kantons Aargau vom 15. Dezember 1999 wird mit der 
Feststellung aufgehoben, dass die myotendinotischen 
Beschwerden im Bereich der Nacken-/Schultermuskulatur 
natürlich und adäquat kausal unfallbedingt sind. 
 
III. Die Sache wird an die Beschwerdeführerin zurückgewiesen, 
damit sie, nach Abklärungen im Sinne der Erwägungen, 
über die in Betracht fallenden Leistungsansprüche 
der Beschwerdegegnerin 1 in masslicher und zeitlicher 
Hinsicht verfüge. 
 
IV. Die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 2'000.- werden 
der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten 
Kostenvorschuss verrechnet. 
 
V. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin 1 
für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht 
eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- 
zu bezahlen. 
 
VI. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
des Kantons Aargau und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 1. März 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: