Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_304/2021  
 
 
Urteil vom 1. März 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, Vollzugszentrum X.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Diego R. Gfeller, 
 
Direktion der Justiz und des Innern 
des Kantons Zürich, 
Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung, 
Rechtsdienst der Amtsleitung, 
Hohlstrasse 552, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Besuchsrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, 
vom 6. April 2021 (VB.2020.00590). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 17. April 2020 verfügte die Direktion der Justizvollzugsanstalt Pöschwies, dass der im vorzeitigen Strafvollzug befindliche Beschuldigte A.________ am 23. und 25. April 2020 aufgrund der Corona-Pandemie keine Besuche von Angehörigen empfangen durfte. Den vom Beschuldigten dagegen erhobenen Rekurs wies die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung, mit Entscheid vom 28. Juli 2020 ab, soweit sie darauf eintrat. Die vom Beschuldigten dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, mit Urteil vom 6. April 2021 gut. Es stellte fest, "dass die gänzliche Verweigerung der vom Beschwerdeführer für den 23. und 25. April 2020 erbetenen Besuche unrechtmässig" gewesen sei, und es hob den vorinstanzlichen Rekursentscheid kostenfällig auf. 
 
B.  
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes gelangte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Beschwerde vom 31. Mai 2021 an das Bundesgericht. Sie beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
Am 2. Juni 2021 zeigte die Bundesgerichtskanzlei den Verfahrensbeteiligten einen Zuständigkeitswechsel von der Strafrechtlichen auf die I. öffentlich-rechtliche Abteilung an (mit Wechsel der alten Verfahrensnummer 6B_650/2021 auf neu: 1B_304/2021). Die kantonale Direktion der Justiz und des Innern beantragt mit Stellungnahme vom 7. Juni 2021 die Gutheissung der Beschwerde. Auf Gesuch des Beschuldigten vom 6. Juni 2021 hin, setzte das Bundesgericht am 14. Juni 2021 den von jenem genannten Rechtsanwalt als unentgeltlichen Rechtsvertreter für das bundesgerichtliche Verfahren ein. Das Verwaltungsgericht liess sich am 22. Juni 2021 (verspätet) vernehmen. Der Beschuldigte beantragt mit Stellungnahme vom 28. Juni 2021, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Innert der auf den 9. Juli 2021 angesetzten Frist gingen keine weiteren Stellungnahmen ein. Am 19. Juli 2021 liess der private Beschwerdegegner verlauten, dass auch er keine weitere Vernehmlassung (noch nachträglich) einreiche. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Zu prüfen ist, ob die Oberstaatsanwaltschaft beschwerdelegitimiert erscheint. 
 
1.1. Nach Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG nennt dazu beispielhaft auch ausdrücklich die Staatsanwaltschaft. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat die Staatsanwaltschaft in Strafsachen grundsätzlich immer ein rechtlich geschütztes Interesse, soweit sich ihre Legitimitation aus dem staatlichen Strafanspruch ableitet, den sie zu vertreten hat (vgl. BGE 134 IV 36 E. 1.4.3; Urteil 1B_83/2020 vom 31. März 2020 E. 3.3). Beschwerdebefugt ist dabei im Kanton Zürich nur die Oberstaatsanwaltschaft (Art. 381 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG; vgl. BGE 142 IV 196 E. 1.5.2; zit. Urteil 1B_83/2020 E. 3.3).  
 
1.2. Streitig ist im vorliegenden Fall die vorübergehende Beschränkung des Besuchsrechts von Angehörigen des im vorzeitigen Strafvollzug befindlichen Beschuldigten und die betreffende Annullation von Besuchsbewilligungen für den 23. und 25. April 2020. Die Staats- bzw. Oberstaatsanwaltschaft war am vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht beteiligt. Zwar ist bzw. war sie (nach erfolgter Anklageerhebung) Partei des Straf- und Rechtsmittelverfahrens. Für sanitarisch-medizinische Anordnungen betreffend Haftmodalitäten im vorzeitigen Strafvollzug ist sie jedoch - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - nicht zuständig. Die Verfahrensleitung ist seit der Anklageerhebung auf das Straf- bzw. das Berufungsgericht übergegangen (Art. 328 StPO). Auch ein Fall von Art. 235 Abs. 4 StPO (mit allfälliger Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft) liegt hier nicht vor.  
 
1.3. Nach dem Gesagten wurde hier der Staats- bzw. Oberstaatsanwaltschaft nicht zu Unrecht verweigert, sich am vorinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (vgl. Art. 235 Abs. 5 StPO) betreffend die Modalitäten des vorzeitigen Strafvollzuges zu beteiligen.  
Der Einwand der Oberstaatsanwaltschaft, ihre Beschwerdebefugnis im Verfahren vor Bundesgericht leite sich "aus dem staatlichen Strafanspruch" ab, bzw. der angefochtene Entscheid sei "materiell- und prozessrechtlich" geeignet, sich auf den Strafanspruch auszuwirken, schlägt nicht durch. Die Oberstaatsanwaltschaft legt nicht nachvollziehbar dar, inwiefern sich die Frage einer Zulässigkeit der hier streitigen Besuchsbeschränkung auf die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches ungünstig auswirken könnte: Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz erfolgte die streitige Annullation der Besuche vom 23. und 25. April 2020 nicht zur Abwendung von drohender Kollusions- oder Fluchtgefahr oder aus anderen spezifisch strafprozessualen Gründen, sondern aus epidemiologisch-sanitarischen (Eindämmung der Corona-Pandemie, medizinische Sicherheit der Haftvollzugsanstalt, insbesondere des Personals und der Häftlinge). Die Oberstaatsanwaltschaft räumt denn auch ausdrücklich ein, dass das streitige vorübergehende Besuchsverbot weder im Strafprozess durch die zuständige Verfahrensleitung erfolgte, noch sonst wie mit dem strafprozessualen Haftzweck in Zusammenhang stand. Es "erfolgte vielmehr, um die Einschleppung und Verbreitung des Coronavirus in der JVA Pöschwies möglichst zu verhindern". 
 
1.4. Eine ausnahmsweise Legitimation der Oberstaatsanwaltschaft zur Beschwerdeführung ist nach dem Gesagten weder dargetan noch ersichtlich.  
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Rechtsvertreter des privaten Beschwerdegegners ist eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG). Die vom Rechtsvertreter eingereichte Kostennote über total Fr. 1'950.80 (inkl. Berufsauslagen und MWST) erscheint ausgewiesen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich (Kasse der Oberstaatsanwaltschaft) hat eine Parteientschädigung von total Fr. 1'950.80 (inkl. Berufsauslagen und MWST) an Rechtsanwalt Dr. Diego R. Gfeller zu entrichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. März 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster