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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_82/2022  
 
 
Urteil vom 1. März 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Andri Vital, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. B.________ und C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Metzger, 
2. D.________, 
3. Societed E.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gian G. Lüthi, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Zivilkammer, vom 14. Dezember 2021 (ZK1 21 81). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ baute in den Jahren 2010 bis 2012 in den Häusern auf den Grundstücken U.________-GBB-xxx und -yyy Platten und Natursteinbeläge ein. Nach Abschluss der Arbeiten gelangte sie zur Sicherung von ausstehenden Beträgen an das damalige Bezirksgericht Maloja, welches am 22. Juni 2012 die superprovisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes und mit Massnahmeentscheid vom 10. September 2012 die vorläufige Eintragung im Umfang von Fr. 251'505.09 anordnete, unter Ansetzung einer Klagefrist. 
 
B.  
Nach wiederholter Fristerstreckung reichte die A.________ am 30. Juli 2019 bei der Schlichtungsbehörde der Region Maloja ein Schlichtungsgesuch ein, wobei sie die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes beantragte. Mit Entscheid vom 28. August 2019 trat die Schlichtungsbehörde auf das Gesuch mangels sachlicher Zuständigkeit nicht ein. 
Mit Eingabe vom 27. September 2019 reichte die A.________ beim Regionalgericht Maloja Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes ein. Mit Entscheid vom 23. Februar 2021 trat dieses auf die Klage nicht ein mit der Begründung, es sei nicht die ursprüngliche, sondern eine sich davon deutlich unterscheidende Eingabe eingereicht worden. 
Die hiergegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 14. Dezember 2021 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 31. Januar 2022 verlangt die A.________ beim Bundesgericht die Aufhebung dieses Urteils und die Rückweisung der Sache an das Regionalgericht zur materiellen Beurteilung. Ferner stellt sie ein Gesuch um aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzliches Urteil im Zusammenhang mit dem Nichteintreten auf eine Klage mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert betreffend definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes; die Beschwerde in Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 90 BGG). 
 
2.  
Das Kantonsgericht hat unter Verweis auf BGE 145 III 428 festgehalten, dass die Rückdatierung der Rechtshängigkeit im Sinn von Art. 63 Abs. 1 ZPO bei einer vorab unzuständigerweise bei einer Schlichtungsbehörde eingereichten Eingabe beim zuständigen Gericht an sich möglich ist, aber voraussetzt, dass die gleiche Rechtsschrift im Original eingereicht wird. Vorliegend habe die Beschwerdeführerin beim Regionalgericht jedoch eine sich inhaltlich deutlich von der Eingabe bei der Schlichtungsbehörde unterscheidende Klageschrift eingereicht und die Eingabe an die Schlichtungsbehörde bloss als Klagebeilage erwähnt bzw. eingereicht. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht der Argumentation gefolgt werden, das Regionalgericht hätte die Klageschrift aus dem Recht weisen und auf das (als "act. 28" beigelegte) Schlichtungsgesuch abstellen müssen, umso weniger als die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten gewesen sei; sie müsse sich bei ihren Erklärungen behaften lassen, zumal klar sei, welches der eingereichten Dokumente sie als als Klageschrift verstanden haben wollte. Weil das Schlichtungsgesuch den an eine Klageschrift zu stellenden Anforderungen genügt habe, wäre es ihr ohne Weiteres möglich gewesen, dieses als Klage einzureichen, allenfalls zusammen mit einem erklärenden Begleitschreiben. Diesbezüglich helfe ihr auch die Behauptung nicht, im Schlichtungsgesuch sei die Tatsachendarstellung und die Beweismittelnennung unvollständig gewesen, denn sie hätte ihre Vorbringen beim anwendbaren ordentlichen Verfahren im Rahmen des zweiten Parteivortrages (offensichtlich gemeint: im ersten Parteivortrag) unbeschränkt vorbringen können. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Frage, dass es erstens nicht um die Forderungsklage für den Werklohn geht, bei welcher das Schlichtungsverfahren unabdingbar ist (Urteil 4A_368/2020 vom 9. Februar 2021 E. 2), sondern um die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes, wozu im Massnahmeentscheid Klagefrist angesetzt wurde, und dass zweitens in diesem Fall das Schlichtungsverfahren entfällt (Art. 198 lit. h ZPO), weshalb sie innert der gesetzten bzw. verlängerten Frist direkt an das Regionalgericht hätte gelangen müssen. Sie macht vielmehr die Frage zum Anfechtungsgegenstand, welchen Schriftsatz sie nach dem Nichteintretensentscheid der Schlichtungsbehörde beim Regionalgericht hätte einreichen müssen bzw. dürfen, um gemäss Art. 63 Abs. 1 ZPO in den Genuss der Rückwirkung der Rechtshängigkeit zu gelangen, welche vorliegend zur Wahrung der Eintragungsfrist für das Grundpfandrecht im Sinn von Art. 839 ZGB nötig ist. 
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass das Bundesgericht die vorliegende Konstellation bislang noch nicht entschieden habe. Sie führt aus, dass eine Klage auch bzw. gerade wesentlich aus einem materiellen Inhalt und nicht nur aus den für ein Schlichtungsgesuch notwendigen Elementen bestehe, weshalb dieses den Anforderungen an eine Klageschrift in aller Regel nicht zu genügen vermöge. Wolle man deshalb die Identität zweier Eingaben prüfen, so müsse auch der materielle Inhalt verglichen werden und nicht nur die Form. Es sei klar, dass eine Klage einen viel weiteren Inhalt habe. Insofern könnte ein Rechtsuchender, welcher zuerst fälschlicherweise an die Schlichtungsbehörde gelangt sei, gar nie in den Genuss der Rückdatierung gemäss Art. 63 Abs. 1 ZPO kommen, wenn er beim Gericht nur das Schlichtungsgesuch einreichen dürfte. Damit würde die Verwirklichung des materiellen Rechts verhindert. Zweck von Art. 63 Abs. 1 ZPO sei aber gerade, die unbillige Konsequenz des Rechtsverlustes zu verhindern. Deshalb müsse es dem Rechtsuchenden in dieser Konstellation erlaubt sein, beim Gericht eine eigentliche Klage einzureichen, denn es bleibe ihm gar keine andere Möglichkeit, um seine Rechte umfassend zu wahren. 
 
4.  
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat das Bundesgericht im seitens des Kantonsgerichts zutreffend angeführten BGE 145 III 428 exakt über die vorliegende Konstellation geurteilt, bei welcher der Rechtsuchende fälschlicherweise an die Schlichtungsbehörde statt direkt an das Gericht gelangt ist. Es hat festgehalten, dass die nach BGE 141 III 481 E. 3.2.4 S. 487 f. geltende Voraussetzung, wonach zur Rückdatierung der Rechtshängigkeit gemäss Art. 63 Abs. 1 ZPO die ursprünglich bei der falschen Instanz eingereichte Eingabe fristgerecht im Original beim zuständigen Gericht neu eingereicht werden muss, auch dann gilt, wenn es sich bei der Eingabe um ein bei der sachlich unzuständigen Schlichtungsbehörde eingereichtes Schlichtungsgesuch handelt, jedenfalls wenn dieses den Anforderungen an eine Klageschrift entspricht. Dies ist vorliegend nach den Erwägungen des Kantonsgerichtes der Fall und wird von der Beschwerdeführerin letztlich auch nicht bestritten. Sie macht vielmehr geltend, dass es nach dem Sinn und Zweck von Art. 63 Abs. 1 ZPO erlaubt sein müsse, beim Gericht eine über das Schlichtungsgesuch hinausgehende umfassende Klageschrift einzureichen. Damit setzt sie sich in Widerspruch zu den expliziten Aussagen in BGE 145 III 428 E. 3.5.2 S. 432 f., ohne dass sie dartäte, dass und inwiefern Anlass bestünde, auf die eben erst publizierte Rechtsprechung zurückzukommen. Ein solcher ist denn auch nicht ersichtlich, zumal das Bundesgericht begründet hat, wieso die Änderung der ursprünglichen Eingabe nicht statthaft ist, und es im Übrigen darauf hingewiesen hat, dass sich die klagende Partei gemäss der in BGE 144 III 67 E. 2.1 S. 69 publizierten Rechtsprechung ein zweites Mal - im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels oder mündlich anlässlich einer Instruktionsverhandlung oder zu Beginn der Hauptverhandlung vorgängig zu den ersten Parteivorträgen (dies in Präzisierung von BGE 140 III 313 E. 6.3.2.3 S. 315, wo vom ersten Parteivortrag die Rede war) - unbeschränkt äussern und damit die negativen Folgen ihres Versehen weitgehend beheben kann. 
 
5.  
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
6.  
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. März 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli